Fromme Äbtissin und Kanonenkönige
Münzen und Medaillen erzählen aus der Geschichte der Stadt und des Bistums Essen



Der Taler von 1660 kombiniert das Porträt der Essener Fürstäbtissin Anna Salome mit ihrem gräflichen Wappen, bei dem auf die Insignien geistlicher Potentaten – Krummstab und Schwert – verzichtet wird. Diese und weitere Prägungen sind in dem Buch von Heinz Josef Kramer „Das Stift Essen. Münzen und Medaillen: Königliche und Stiftische Prägungen in und für Essen“erfasst, das 1993 im Verlag Aschendorff Münster erschien. (Foto: Aktion Künker Nr. 229, 12./14. März 2013)





Die Medaille von 1892 zeigt das Alfred Krupp gewidmete und vor der Gussstahlfabrik aufgestellte Denkmal und würdigt den Industriellen Alfred Krupp und seinen Sohn und Firmeninhaber Friedrich Alfred Krupp. Dass Krupp mit seinen todbringenden Kanonen viel Unheil angerichtet hat und bei den preußischen Königen und deutschen Kaisern hoch im Kurs standen, muss man sich beim Anblick der Medaille hinzu denken.



Zur Hundertjahrfeier des Unternehmens kam 1912 eine ovale Medaille heraus, die man sich stolz ans Revers heften konnte und mit der man als Kruppianer zu erkennen war. Diese und weitere Hinterlassenschaften hat Heinz Josef Kramer in seinem Buch „Krupp-Medaillen im Ruhrmuseum Essen“ verzeichnet und kommentiert. Es erschien 2013 in Münster im Verlag des Vereins der Münzfreunde für Westfalen und Nachbargebiete.(Fotos/Repro: Caspar)

Die Stadt Essen, vom 25. bis 28. Mai 2023 Gastgeberin der Internationalen Briefmarken Ausstellung, blickt auf eine ins Mittelalter zurück reichende Münzgeschichte. Die um das geistliche Frauenstift gebildete Siedlung erhielt im 13. Jahrhundert Stadtrechte, und die Äbtissinnen stiegen zu Reichsfürstinnen auf. Sie besaßen das Münzrecht und hatten einen Sitz im Reichstag zu Regensburg. Ihr kleines Reich zwischen den Flüssen Emscher und Ruhr war etwa 120 Quadratkilometer groß. Dass sie männlichen Reichsfürsten gleich gestellt waren, ist für die damalige, von Männern dominierte Zeit ungewöhnlich.

Da sich die Stadt Essen 1563 der Lutherschen Reformation anschloss und protestantisch wurde, blieben Konflikte mit dem katholisch gebliebenen Stift nicht aus. Münzgeschichtlich trat das Stift eher bescheiden auf. Es gab große Unterbrechungen, in denen der Prägehammer ruhte, wie man damals sagte. Mit einem seltener Taler von 1660 belebte die Fürstäbtissin Anna Salome Gräfin von Salm-Reifferscheid-Dyk die Essener Münzprägung. Versehen mit einem lieblich anmutenden Bildnis und einem Wappen, bezieht sich der seltene Taler mit der aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzten Umschrift „Wer den Streit schlichtet, wandelt den Fluch in Segen“ auf einen vom brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm geschlichteten Streit zwischen dem Stift und der Stadt um Essener Münzen.

Von Preußen annektiert

Im Zusammenhang mit der vom französischen Kaiser Napoleon I. ausgelösten Säkularisation wurden 1803 das Stift Essen und zahlreiche weltliche und geistliche Fürstentümer aufgelöst und anderen Herrschaften zugeschlagen. Von 1806/1807 bis 1813 gehörte Essen zum Großherzogtum Berg, das erst von Joachim Murat und dann von seinem Schwager Napoleon I. verwaltet wurde und nach dessen Entmachtung im Zuge der Befreiungskriege wie das Rheinland und andere Territorien an Preußen fiel.

Essen erlebte im 19. Jahrhundert einen rasanten Aufstieg zur preußischen Waffenschmiede und nach der Reichseinigung von 1871 zu einem erstklassigen Standort der deutschen Rüstungsindustrie. Der nach der Industriellendynastie Krupp benannte Kruppstahl war in der ganzen Welt bekannt und begehrt. Die Stadt ehrte 1889 mit einem überlebensgroßen Standbild den Großindustriellen und Rüstungsfabrikanten Alfred Krupp (1812-1887). Die gleich nach seinem Tod ergangene Ausschreibung forderte „ein der Bedeutung des Verstorbenen und seinem bescheidenen Sinn angemessenes und den beschränkten Verhältnissen der Stadt entsprechendes Denkmal“, das nicht mehr als 60 000 Mark kosten sollte. Am besten sagte den Stadtverordneten der Entwurf von Fritz Schaper zu, und so konnte das Standbild von Essens großem Sohn bereits zwei Jahre später, zum zweiten Todestag des Kanonenkönigs, auf dem Marktplatz enthüllt werden.

Krupp im Reitanzug

Der Sohn und Erbe des Firmengründers Friedrich Krupp ist in einem Reitanzug und hohen Stiefeln dargestellt. In diesem Anzug pflegte der Industrielle, der die vom Vater geerbte Gussstahlfabrik zu einem Weltunternehmen und zur deutschen Rüstungsschmiede Nummer 1 gemacht hatte, von seinem Wohnsitz zur Fabrik zu reiten. Selbstbewusst schaut der langbärtige Krupp, der für seine Arbeiter und Angestellten für die damalige Zeit ungewöhnliche und zukunftsweisende soziale Einrichtungen geschaffen hatte, auf die Betrachter herunter, die linke Hand in die Hüfte gestemmt. Dass Krupp Herr über ein Industrieimperium ist, das Eisen und Stahl verarbeitet, deutet ein Amboss neben der Figur an, der ihr zugleich auch Halt gibt. Leider hat man das Denkmal mehrfach versetzt, und das geschah nicht zu seinem Vorteil. Die Bronzefigur steht heute an der Westseite der Marktkirche nicht mehr auf dem originalen Sockel, sondern auf einem niedrigeren Postament und kann in dieser Position seine monumentale Wirkung nicht mehr entfalten.

Zweck der Arbeit soll das Gemeinwohl sein

Zeitgleich mit dem städtischen Denkmal für Alfred Krupp begannen auch die Planungen von Betriebsangehörigen, ihren Chef ebenfalls durch ein Standbild zu ehren. Finanziert aus Spenden der „Kruppianer“ sowie von Familienangehörigen des Industriellen, stellt das von Alois Mayer und Josef Wilhelm Mengs geschaffene Denkmal nicht weit von der Krupp’schen Fabrik entfernt den Patron als Spaziergänger dar. Wie im 19. Jahrhundert üblich, wurden Denkmäler von einiger Bedeutung auch auf Medaillen dargestellt. Bei der Weihe hat man sie an Angehörige, Ehrengäste und Künstler verteilt. Im Unterschied zu Schapers Figur steht dieses Denkmal auf einem treppenförmigen Unterbau. Alfred Krupps Wahlspruch „Der Zweck Der Arbeit / Soll Das Gemeinwohl Sein“ umschließt die Szene. Zwei allegorische Figuren stellen einen Schmied sowie eine Frau mit Kind dar. Diese Gruppe wird als Witwe und Waisenkind eines Krupp-Arbeiters gedeutet. Sie soll daran erinnern, dass sich der Industrielle intensiv um seine Arbeiter und ihre Angehörigen kümmerte und sie vor Not und Elend schützte, wie bei der Enthüllungsfeier 1892 hervorgehoben wurde.

Beschreibung in der "Gartenlaube"

Das damals viel gelesene Familienblatt „Die Gartenlaube“ schrieb im Heft 52/1866 unter der Überschrift „Der Kanonenkönig“ und das Krupp'sche Unternehmen in Essen, die weltberühmte Anstalt liege ungemein günstig, da sich um sie drei große Eisenbahnlinien des westlichen Deutschland kreuzen und zwar zwei Stunden Weges von Köln, in der Richtung nach Berlin. „Hier in Essen erbte der vierzehnjährige Knabe, Alfred Krupp, eine kleine Werkstatt für die Fabrikation von Schneideinstrumenten. Durch Genie, Muth, Geschicklichkeit, Energie und Glück dehnte der Mann seine kleine Werkstatt allmählich so weit aus, daß er im Jahre 1865 mit Hülfe von hundertundsechszig Dampfmaschinen, neununddreißig Dampfhämmern und vierhundert Schmelz-, Glüh- und Cementöfen nicht weniger als eine Million Centner Gußstahl zu einem Drittel in Kanonen und das Uebrige in mächtige Barren für Dampfmaschinen, Achsen, Räder, Dampfmaschinenkessel und sonstige stählerne Werkzeuge und Bekleidungen verarbeitete. Krupp’s erste Stahlkanonen wurden im Jahre 1849 gegossen und den hauptsächlichsten deutschen Mächten angeboten, aber von ihnen abgewiesen, da ihnen die Sache zu neu und kostspielig erschien. Merkwürdiger Weise war der Vicekönig von Aegypten der Erste, der Aegypten Stahlkanonen bestellte. Seitdem haben wohl alle Großmächte der civilisirten Welt Krupp’sche Stahlkanonen gekauft und zum Theil bereits in ihre Artillerie eingeführt. Rußlad entschied sich zuerst für vollständige Umwandelung seiner Kanonen in stählerne nach Krupp’schem Muster, welche jetzt in einer besonderen Fabrik zu Alexandrosssky ausgeführt werden. Preußen läßt nur allmählich Krupp’sche Stahlkanonen, die in Essen gegossen und in Spandau gereifelt werden, an die Stelle seiner bisherigen gußeisernen und bronzenen treten; es hat aber noch ein besonderes System von Hinterladung, das mit dem Krupp’schen nicht verwechselt werden darf. Belgien und einige kleinere Staaten haben das Krupp’sche Princip angenommen oder gebrauchen noch zum Theil die preußische Waffe. Die österreichische und holländische Flotte sind zum Theil mit Krupp’schen Stahlkanonen versehen worden. Die Italiener haben zunächst einige Sechszoll-Hinterladungskanonen von Krupp gekauft. Seine besten Kunden waren bisher die Türken, die ihm nicht weniger als zweihundert Sechspfünder abgekauft haben, und die Japanesen, welche vor zwei Jahren ihre interessante Reise durch Europa machten, bestellten bei ihm sofort sechszig Sechszoll-Kanonen, von denen dreißig im vorigen September abgeliefert wurden. Bis zum Herbste dieses Jahres hat die Krupp’sche Anstalt nicht weniger als zweitausend fünfhundert gußstählerne Feuerschlünde geliefert, größtentheils gezogene Hinterlader, von denen vierhundert ein Kaliber von acht Zoll und mehr, die andern drei bis vier und einen halben Zoll haben.“

25. März 2023