Finanzgenie und Münzsammler
Der römisch-deutsche Kaiser Franz I. Stephan, der Mann von Maria Theresia, raffte ein bedeutendes Vermögen zusammen



Adolph Menzel hat das römisch deutsche Kaiserpaar für Franz Kuglers „Geschichte Friedrichs des Großen“ von 1840 porträtiert. Auf der Medaille von 1745 sind Franz I. Stephan mit der Reichskrone und Maria Theresia mit der ungarischen Königskrone abgebildet.







Die Wahl und Krönung Kaiser Karls VI. Wurde 1745 mit zahlreichen Prunkmedaillen gefeiert, von denen viele an das Wiener Münzkabinett überwiesen wurden. Die Medaille aus dem Jahr 1754 wurde zum Besuch des Kaisers in der Wiener Münze geprägt. Mit einem ungewöhnlichen Brustbild fast von vorn erinnert die Medaille von 1745 an die nach manchen Widerständen in Frankfurt am Main erfolgte Kaiserkrönung von Franz I. Stephan.





Mit den Insignien seiner Würde feiert das Staatsgemälde den Kaiser als barocken Herrscher, der er aber nicht wirklich war, denn Maria Theresia hatte das Sagen im Lande. Der kaiserliche Münz- und Medaillensammler, hier im Kreis seiner Experten, führte verstreute Kollektionen zusammen und trug wesentlich zum Ruhm des Wiener Münzkabinetts bei.



Augsburg und andere reichsfreie Städte schmückten ihre Münzen mit dem Bildnis des jeweils amtierenden römisch-deutschen Kaisers, der nach alter Tradition die Schirmherrschaft über sie innehatte.



Die Medaille aus dem Jahr 1754 wurde zum Besuch des Kaisers in der Wiener Münze geprägt.



Wie das Millionenvermögen Franz I. Stephans entstand und welchen Umfang es hatte, wurde erst nach dem Tod des erst 56 Jahre alt gewordenen und in der Wiener Kapuzinergruft an der Seite von Maria Theresia beigesetzten Kaisers bekannt.



Dass das Wiener Münzkabinett zu den weltgrößten Sammlungen dieser Art gehört, ist auch dem von numismatischer Sammelwut befallenen „Lothringers“ zu verdanken, wie man in Wien hinter vorgehaltener Hand zu Franz I. Stephan sagte.



Das große Interesse von Karl VI. und Maria Theresia an geordneten Geld- und Münzverhältnissen in ihren Ländern unterstreicht ein barockes Deckengemälde von 1760 im Wiener Schloss Schönbrunn, auf dem Arbeiter mit kräftigem Schwung eine Spindelpresse, damals das Modernste bei der Herstellung von Münzen und Medaillen, anwerfen, weshalb ma dieses Gerät auch Anwurf nannte. (Fotos/Repros: Caspar)

Der römisch-deutsche Kaiser Franz I. Stephan ist eigentlich nur als Gemahl von Maria Theresia bekannt, der mächtigen und entschlussfreudigen Gegnerin des preußischen Königs Friedrich II., des Großen, in den Schlesischen Kriegen Mitte des 18. Jahrhunderts. Ihr sagte man nach, dass sie der einzige „Mann“ in der Wiener Hofburg war, und in der Tat spielte sie den entscheidenden, alles bestimmenden Part in der 1736 mit dem Herzog von Lothringen und ab 1737 Großherzog von Toskana geschlossenen Ehe. Die lateinische Inschrift auf dem gemeinsamen Sarkophag in der Wiener Kapuzinerkirche vermerkt in der deutschen Übersetzung, „... mit dem durchlauchtigsten Franz III. von Lothringen im Jahre 1736 überaus glücklich vermählt, hat sie die heilige eheliche Liebe bis zum Grabe unversehrt bewahrt, als schönes Beispiel für die christlichen Fürsten. Ihr verlieh Gott die holdesten Leibesfrüchte, eine zahlreiche, den liebenswürdigsten Eltern ganz ähnliche Nachkommenschaft.“

Zur Bedeutungslosigkeit verurteilt

Unter den 16 gemeinsamen Kindern waren die römisch-deutschen Kaiser Joseph II., den wir im Mozart-Film „Amadeus“ als dilettierenden Klavierspieler kennen gelernt haben, und Leopold II., der mit seinen Verbündeten nach der Französischen Revolution von 1789 vergeblich versuchte, das Königtum in Frankreich wiederherzustellen und seine Schwester, Königin Marie Antoinette, und ihren Mann Ludwig XVI. vor dem Tod auf dem Schafott zu retten.

Der als charmanter und jovialer Lebemann, erfolgreiches Finanzgenie, gewiefter Fabrikant sowie Freund der Jagd und eifriger Münzsammler geschilderte Franz I. Stefan war von seiner Gemahlin zur Bedeutungslosigkeit verurteilt und vor allem bestimmt, die zur Thronfolge nötigen Söhne zu zeugen. Maria Theresia sagte, wo es in ihrem Vielvölkerstaat lang geht, und sie setzte wichtige wirtschaftliche und soziale Reformen auf den Weg. Die Kriege, die sie mit Preußen um die von ihr verwalteten schlesischen Herzogtümer führen musste, ruinierten Österreich sowie Böhmen und Ungarn, deren Königin sie war.

Riesiges Vermögen Dass der aus einem verarmten Herzogtum stammende Franz I. Stephan derweil ein riesiges Vermögen anhäufte, ist kaum bekannt. Sein Testament bestimmte, dass die vielen Millionen Taler und Dukaten, die Schlösser und Güter sowie die Erträge durch die Gründung und Beteiligung an einer Tonwarenfabrik, die mit der Wiener Porzellanmanufaktur konkurrierte, sowie bei Bankgeschäften und Handelshäusern seinen Universalerben und Nachfolger als römisch-deutscher Kaiser, Joseph II., fallen sollen. Doch wurden auch die anderen Familienangehörigen und Personen, die ihm treu gedient hatten, großzügig mit Geld und Gütern bedacht.

Niemand fragte, woher diese Werte stammen, alle waren froh, vom Kuchen mehr oder weniger große Stücke abzubekommen. Aus den Annalen von damals wissen wir, dass der Kaiser auch bei der Tilgung von Staatsschulden kräftig mitverdiente, was aber nicht öffentlich werden durfte. Dass er mit der Lieferung von Pferden, Munition und Lebensmitteln im Siebenjährigen Krieg mit Freund und Feind Geschäfte machte, also auch mit Preußen, war am Wiener Hof ein unangenehmes Thema, das man aber dem Kaiser verzieh, zumal auch andere Monarchen ähnlich handelten.

Bankrotte Monarchie

Alle diese Vermögenswerte hatte der von politischen und militärischen Entscheidungen konsequent fern gehaltene Franz I. Stephan in aller Stille zusammengetragen. Sie waren laut Testament keineswegs in Staatseigentum, sondern wurden in eine Art Stiftung überführt, aus der sich Maria Theresia und die Kinder nach Belieben bedienen konnten. Dem bedeutenden Vermögen des Kaisers stand Österreichs leere Staatskasse gegenüber, weshalb Maria Theresia und Sohn Josef II. Die immense Summe von zwei Millionen französische Louis d'ors (etwa zehn Millionen Taler) entnahmen und an die Wiener Stadtkasse überwiesen. So wurden Teile des von Franz I. Stefan mit Energie und Akribie erwirtschaftetes Privatvermögen nach 1765 genutzt, die bankrotte Monarchie für ein paar Jahre zu retten und den Habsburgern weiterhin ein luxuriöses Leben zu ermöglichen, wie Konrad Kramer und Petra Stuiber in ihrem Buch „Habsburg leere Kassen – Schulden, Pleiten, Steuertricks einer Dynastie“ (Wien 2001, 207 Seiten, mehrere Abbildungen) schildern.

Wien verdankt den naturwissenschaftlichen und historischen Interessen Franz I. Stephans unter anderem ein Naturalienkabinett und den Ausbau und wissenschaftliche Bearbeitung des Münzkabinetts. Mit ihren rund 600.000 Objekten aus drei tausend Jahren umfasst die heute im Wiener Kulturhistorischen Museum untergebrachte Sammlung nicht nur Münzen und Medaillen, sondern auch vormünzliche Geldformen sowie Papiergeld, Aktien, Orden und Ehrenzeichen und eine bedeutende Sammlung an Prägewerkzeugen. Die kaiserliche Sammlung entstand im 18. Jahrhundert durch Zusammenführung der Bestände von Kaiser Karl VI., dem Vater von Maria Theresia, und Franz I. Stephan.

Besuch im Wiener Kabinett

Dieser Kaiser war nicht nur an numismatischen Zeugnissen aus der Vergangenheit interessiert, sondern auch an solchen der eigenen Zeit. Seine Sammelwut, wie man sagte, war an europäischen Höfen bekannt, und so machte man ihm, um ihm zu gefallen, teure Geschenke in Form von Münzen und Medaillen möglichst aus Gold. Noch zu Lebzeiten dieses Kaisers begann die Aufarbeitung der antiken Münzen und die Verzeichnung der in seiner Schatzkammer vorhandenen Silber- und Goldstücke in großformatigen Inventarbänden, so dass wir ach über die numismatischen Ambitionen ihres Besitzers gut informiert sind.

Wer als Münzfreund nach Wien kommt, sollte unbedingt das Kulturhistorische Museum im Herzen der alten Kaiserstadt und die Ausstellung des Münzkabinetts besuchen. Das Wiener Münzkabinett Aus einem reichen, seit dem 16. Jahrhundert von den römisch-deutschen Kaisern angelegten und durch Ankäufe und Schenkungen vermehrten Fundus präsentiert die Sammlung eine repräsentative Auswahl. Dies geschieht in rot ausgeschlagenen, reich mit Stuck verzierten Räumen, die wie das ganze Museum im Neorenaissance-Prunk der k. und k. Monarchie in der Zeit um 1900 gestaltet sind.

Die drei Jahrtausende umfassende Schau bietet alles, was des Forschers und des Sammlers Herz erfreut. Im ersten Saal sind gegossene und geprägte Medaillen und Plaketten von der italienischen Renaissance bis zur Gegenwart ausgelegt, ergänzt durch blitzende Ordenssterne und –kreuze. Besondere Aufmerksamkeit verdienen historische Werkzeuge, die zur manuellen beziehungsweise maschinellen Herstellung dieser Stücke nötig waren. In der Ausstellung stechen schwergewichtige Vorderseiten- und Rückseitenstempel jenes Tiroler Guldengroschen ins Auge, aber auch die Bildnispatrize und der Vorderseitenstempel des bekannten Maria-Theresien-Talers von 1780 und weitere Werkzeuge ins Auge. Ausgelegt ist ferner ein walzenförmiges Stempelpaar, das 1604 zur Herstellung von Talern von Kaiser Rudolph II. auf der Walzenpresse gedient hat. Dazu wird ein Metallstreifen gezeigt, dessen Bildnis- und Wappenreliefs durch Ziehen zwischen den gravierten Zylindern erzeugt wurden. Das komplizierte Verfahren wurde im 17. Jahrhundert im Habsburgerreich und anderen Ländern häufig angewandt, hat sich aber nicht durchgesetzt.

Von der Antike bis zur Gegenwart

Dass bei der Münz- und Medaillenprägung große Kräfte angewandt werden mussten, um fehlerfreie Reliefs zu erzeugen, wird beim Anblick von Stempeln in der Ausstellung des Wiener Münzkabinetts deutlich, die in raumgreifenden Spindelpressen eingespannt wurden. Wie das erfolgte, wird unter anderem durch eine schöne Medaille demonstriert, mit der Maria Theresia und Franz I. Stephan fleißige Münzarbeiter auszeichneten. In einem anderen Saal lernt man die schönsten Münzen von der griechischen und römischen Antike über die Gepräge der Kelten und aus mittelalterlicher Zeit bis zu Stücken aus dem 19. und 20. Jahrhundert kennen. Breiten Raum nehmen hier der Taler, der 1486 in Tirol erstmals unter dem Namen Guldengroschen im Auftrag von Erzherzog Sigismund dem Münzreichen geprägt wurde, und seine in zahllosen Arten und Formen in Europa und in Übersee geprägten Brüder ein.

Die Habsburger hatten immer großes Interesse an geordneten Geldverhältnissen sowie repräsentativen und sorgfältig geprägten Münzen und Medaillen. Allerdings gab es hin und wieder Ausreißer, wenn sich die Majestäten zur Herstellung minderwertiger Geldstücke für die Finanzierung ihrer Kriege und anderer Staatsaufgaben hinreißen ließen. Maria Theresia und Franz I. Stephan unterstrichen ihr Interesse an der Münzprägung durch Besuche von Prägeanstalten, wobei man ihnen für diese Anlässe gefertigte Medaillen überreichte. Der immense Geldbedarf der österreich-ungarischen Monarchie konnte durch die Wiener Prägeanstalt nicht allein befriedigt werden, weshalb die Habsburger überall in ihren Reichen Münzstätten unterhielten. Sammler haben alle Hände voll zu tun, passende Belegstücke zu bekommen. Angesichts der reichen Münzprägung, welche die Habsburger entfalteten, verwundert es, dass sie bis ins 19. Jahrhundert hinein auf Gedenkmünzen als Mittel fürstlicher Propaganda verzichtet. Auf der anderen Seite traten sie durch eine reiche, ja geradezu überbordende Medaillenprägung in Erscheinung, die zahlreiche Ereignisse aus ihren Regierungszeiten feiern. Nach der „Erfindung“ des Talers Ende des 15. Jahrhunderts geizten die Inhaber des höchsten römisch-deutschen Reichsamtes und weitere Angehörige der Habsburgerfamilie zunächst nicht mit Gedenktalern und anderen Sondermünzen. Sie ließen später analog zu Frankreich und Russland davon ab. Erst der im Revolutionsjahr 1848 als Achtzehnjähriger auf den Thron gelangte Kaiser Franz Josef von Österreich beendete die Abstinenz.

20. Juni 2023