„Neue Hoffnung des Königreichs“
Personenkult und Lobhudelei auf preußischen Medaillen aus der Zeit Friedrich Wilhelms II.



Kaum war Friedrich der Große am 17. August 1786 gestorben, ließ der neue König Friedrich Wilhelm II. das Sterbezimmer seines ungeliebten Onkels im Potsdamer Schloss Sanssouci klassizistisch umgestalten, und er ignorierte auch dessen Wunsch, in einer Gruft neben seinen Hunden unweit seiner Sommerresidenz begraben zu werden.





Die Medaillen von 1786 erteilen dem neuen Herrscher jede Menge Vorschusslorbeeren. Die Huldigungsmedaillen loben ihn als Neue Hoffnung des Königreichs und behaupten, er sei schon im Aufgang glänzend und sei großartiger Verfechter der Gerechtigkeit (Olding Nr. 9 ff. und 7).





Das Brandenburger Tor mit der von Johann Gottfried Schadow geschaffenen Quadriga und seine Prinzessinnengruppe in der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel sind Zeugnisse für die Pflege des Klassizismus unter Friedrich Wilhelm II.



Obwohl die Medaille von 1786 behauptet „Des besten Baumes herrlichster Schmuck“ war das Leben der von ihrem Mann nach Strich und Faden betrogenen Königin Friederike Luise alles andere als glücklich und glänzend.





„Aus den Flammen wieder auflebend“ verkündet die Medaille auf den Regierungsantritt des neuen Königs und zeigt, wie sich der Vogel Phoenix über Waffen und Flammen zu neuem Leben erhebt. Der 1795 zwischen Frankreich, Preußen und Spanien abgeschlossene Frieden von Basel war für Friedrich Wilhelm II. alles andere als ruhmreich. Gezeigt wird auf der Medaille mit dem ungewöhnlichen Königsbildnis fast von vorn, wie die Friedensgöttin dem Kriegsgott Mars Zeichen neu gewonnener Ruhe und wirtschaftlichen Aufschwungs reicht. Preußen nahm an den folgenden Koalitionskriegen nicht mehr teil und wurde elf Jahre später bei Jena und Auerstedt von Truppen Kaiser Napoleons I. vernichtend geschlagen. (Olding Nr. 8 und 107)



Den Grazien geweiht ist die mit einem ungewöhnlichen Porträt geschmückte Preismedaille der Berliner Akademie der Wissenschaften aus dem Jahr 1786. Zur Förderung der heimischen Seidenindustrie ließ der König Preismedaillen an erfolgreiche Unternehmer verteilen (Olding Nr. 51.



Nachdem die Stadt Neuruppin 1788 fast vollständig einem verheerenden Brand zum Opfer gefallen war, ließ Friedrich Wilhelm II. sie neu aufbauen und gab dafür viele tausend Taler aus. Die Neuruppiner dankten dies ihm mit einem Denkmal. Das Foto zeigt eine Nachbildung aus den 1990er Jahren. (Fotos Caspar/Repros aus dem erwähnten Katalog)

Preußens König Friedrich II., genannt der Große, hielt von seinem Neffen und designierten Nachfolger Friedrich Wilhelm wenig. 1744 geboren, bestieg er am 17. August 1786 als Friedrich Wilhelm II. den Thron und hatte ihn bis zu seinem Tod am 16. November 1797 inne. Zahlreiche Medaillen begrüßten ihn als „Neue Hoffnung des Königreichs“. Doch wie wurden die Erwartungen seiner Untertanen von dem Lebemann und guten Cellospieler enttäuscht, der schönen Frauen nachstellte und neben dem legitimen Thronfolger Friedrich Wilhelm (III.) und weiteren Prinzen und Prinzessinnen einige illegitime Kinder hatte, die er gut versorgte.

Die elende Arbeit des Regierens und Kriegführens überließ der „dicke Wilhelm“, wie man den beleibten Herrscher hinter vorgehaltener Hand nannte, zwielichtigen, machtgierigen und auch für ihre Ämter ungeeignete Personen aus meist adligen Familien. Preußen und andere Länder hatten zur Zeit Friedrich Wilhelms II. mit den Auswirkungen der französischen Revolution von 1789 zu kämpfen, doch unterlag der Hohenzollernstaat mit seinen Verbündeten im Krieg gegen Frankreich. Das Ziel, das Königspaar Ludwig XVI. und Marie Antoinette vor dem Fallbeil zu retten und die Monarchie in Frankreich wiederherzustellen, wurde nicht erreicht. Statt dessen stieg Napoleon Bonaparte als neuer Stern am Himmel auf, die Landkarte und Machtverhältnisse in Europa mit Blut und Kanonen neu ordnend.

Klassizismus schafft den Durchbruch

Dass der morsche, sich für unbesiegbar haltende preußische Militärstaat Preußen 1806/7 die Hälfte seiner Einwohner und Fläche verlor, hat der im Berliner Dom bestattete Friedrich Wilhelm II. nicht erleben müssen. Sein Sohn Friedrich Wilhelm III. raffte sich, von klugen Beratern gedrängt, zu Reformen auf und machte so für Preußen den Weg in die Moderne frei. In Erinnerung bleibt Friedrich Wilhelm II. als einer, der eine von Friedrich dem Großen begonnene Justizreform vollendete und einem neuen Kunststil, dem Klassizismus, zum Durchbruch verhalf. Das unter seiner Herrschaft nach Plänen von Carl Gotthard Langhans erbaute Brandenburger Tor in Berlin und die von Johann Gottfried Schadow geschaffene Prinzessinnengruppe in der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel sind markante Zeugnisse für die Überwindung des bis dahin tonangebenden Barock und Rokoko.

Wie Friedrich der Große entfaltete auch Friedrich Wilhelm II. eine interessante Medaillenprägung; doch war diese schon wegen der nur elfjährigen Regierungszeit nicht so umfangreich wie die unter seinem Vorgänger, der 46 Jahre herrschte. Die zum Regierungsantritt 1786 geprägten Medaillen loben den neuen Herrscher mit überschwänglichen Worten wie „Schon im Aufgang glänzend“ und als „Gewissenhaftester Verfechter der Gerechtigkeit“. Sie wünschen ihm und dem ganzen Land „Blühende Zeiten“ und „Öffentliches Glück“. Welche Medaillen zwischen 1786 und 1797 zu Ehren des an Frauen, Baukunst und Musik, nicht aber an Politik und Militär interessierten Monarchen sowie Mitgliedern seiner Familie geprägt wurden, haben Gunter Mues und Manfred Olding in einem auch für Sammler wichtigen Katalog erfasst. Dargelegt wird, was die Bildnisse, Allegorien und meistens die wegen ihrer internationalen Verständlichkeit lateinischen Inschriften bedeuten, und zeigen, wie sie aussehen und in welchen großen Sammlungen sie liegen.

Lohn des weisen Helden

Das 2018 im Battenberg Gietl Verlag Regenstauf erschienene großformatige Buch mit zahlreichen Abbildungen hat 116 Seiten und kostet 69 Euro (ISBN 978-3-86646-161-1). Es eröffnet eine Serie von Publikationen über die Medaillen der preußischen Könige von 1786 bis 1870, also von Friedrich Wilhelm II. bis Wilhelm I., der am 18. Januar 1871 in Versailles zum deutschen Kaiser ausgerufen wurde und 1888 starb. Für Forscher und Sammler bestimmt, ist das Buch eine Danksagung an Gunter Mues, den der Tod im Jahr 2005 daran gehindert hat, das Manuskript anhand einschlägiger Originale in öffentlichen und privaten Sammlungen zu vollenden. Diese Arbeit hat der Osnabrücker Münzhändler und Autor hervorragender Preußenkataloge Manfred Olding zum erfolgreichen Abschluss gebracht. Er berücksichtigt in seinen Katalogen nur jene Medaillen, die einen konkreten Bezug in Bild und Schrift auf den jeweiligen König und seine Familie aufweisen. Eine 2023 publizierte Fortsetzung befasst sich als dritter und letzter Band der Folge mit den Medaillen der preußischen Könige Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I.

Friedrich Wilhelm II. wurde nicht gekrönt wie 1701 Friedrich I. und 1861 Wilhelm I., sondern ließ sich in verschiedenen Landesteilen huldigen. Diese mit Bildnissen, Inschriften und Allegorien geschmückten Medaillen kommen in verschiedenen Größen und Varianten vor und werden auch immer wieder vom Münzhandel angeboten. Dass sich das preußische Heer in den Koalitionskriegen gegen das revolutionäre Frankreich mit wenig Ruhm bedeckte, sieht man den Medaillen aus den frühen 1790-er Jahren nicht an, die „Lohn des weisen Helden“ und „Wiederhergestelltes Einvernehmen“ feiern. Hinzu kommen Preismedaillen, mit denen Künstler und Gelehrte ausgezeichnet wurden, sowie Prägungen zur Beförderung der Wirtschaft und sogar der Seidenindustrie und der Pferdezucht, die sich damals in Preußen allerhöchster Gunst erfreuten.

Wirkliche und vermeintliche Leistungen

Geschaffen von herausragenden Künstlern wie Jacob Abraham, Abraham Abramson, Johann Veit Döll, Karl Wilhelm Hoeckner, Anton Friedrich König, Daniel Friedrich Loos, Friedrich Wilhelm Loos, Johann Jacob Stierle und anderen erinnern die Medaillen an die mit vielen Hoffnungen verbundene Thronbesteigung des Königs und an seinen vom Volk wenig betrauerten Tod. Dazwischen feiern Medaillen wie zuvor schon Prägungen zu Ehren Friedrichs des Großen und später weiterer Monarchen wirkliche oder vermeintliche Leistungen Friedrich Wilhelms II. als Vater des Vaterlandes, Staatsmann, Gesetzgeber und Feldherr. Dass es in seiner Zeit grundlegende Veränderungen im Zusammenleben der Völker, in der Wirtschaft sowie Kunst und Kultur gab, kann man den als „Histoire métallique“ herausgegebenen Medaillen nicht oder nur indirekt entnehmen. Doch darin unterscheiden sie sich nicht von Arbeiten dieser Art aus anderen Epochen und Ländern.

Alle diese Medaillen betrieben Personenkult und schmeichelten den Potentaten mit Lobhudelei und Unterwürfigkeit. Inwiefern die so gefeierten Potentaten an der Gestaltung der Medaillen beteiligt waren, bedarf noch weiterer Klärung. Wir wissen nur, dass Herrscher wie der französische Sonnenkönig Ludwig XIV, der sächsische Kurfürst und König August der Starke, Preußens König Friedrich II. und der bayerische König Ludwig I. sowie der französische Kaiser Napoleon I. Und der deutsche Kaiser Wilhelm II. persönlich auf die Gestaltung einiger ihnen zu Ehren geprägten Medaillen und Münzen nahmen und sich die ihnen geltende numismatische Propaganda viel Geld kosten ließen. Detailuntersuchungen anhand von zeitgenössischen Dokumenten und möglicherweise auch genehmigte oder verworfene Entwürfe konnten diese Frage klären helfen.

19. Februar 2023

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