Merkur als Münzmeister
Gadebuscher Bronzemann zeigt, wie im 16. und 17. Jahrhundert mecklenburgisches Geld geprägt wurde





Ein bronzener Münzmeister erinnert in Gadebusch daran, dass mecklenburgische Herzöge hier vor langer Zeit Taler und andere Geldstücke prägen ließen. Zu seinen Füßen erkennt man Münzen, die hier hergestellt wurden.



Der Taler von 1543 mit dem Porträt des Herzogs Albrecht VII. und der leichte Halbtaler von 1546 nennen Gadebusch als Herkunftsort, was damals nicht üblich war.



Bei Sammlern stehen die unterm mecklenburgischen Herzog Adolph Friedrich I. geprägten Gadebuscher Glückstaler von 1612 und all die anderen Prägestücke wie der Taler von 1542 hoch im Kurs. Zu Füßen des bronzenen Münzmeisters kann man diese Raritäten genauer betrachten.



Albrecht von Wallenstein als Herzog von Mecklenburg auf einem Taler von 1632. Der kaiserliche Feldherr trägt hier den Titel eines mecklenburgischen Herzogs, die Kette des Ordens vom Goldenen Vlies ist um das gekrönte Wappen mit heraldischen Hinweisen auf seine mecklenburgische Besitzungen gelegt. Die Medaille von 1631 mit dem mecklenburgischen Wappen zeigt einen besonders sorgfältigen Stempelschnitt.



Am und im Gadebuscher Schloss sind Terrakottareliefs mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament sowie Gewölbe und Stuckaturen aus dem späten 16. Jahrhundert. Ein bedeutendes Zeugnis spätmittelalterlicher Gießerkunst ist die 1450 von einem Priester gestifete Taufbecken aus Bronze in der Kirche St. Jakob und St. Dionysius





Am Renaissanceschloss in Güstrow prangt das vom Stier und Greif bewachte Wappen der mecklenburgischen Herzöge, im Inneren sind interessante Zeugnisse der Landes- und Kunstgeschichte ausgestellt. In den Arkaden des Schlosses fand vor vielen Jahren eine ausgediente Spindelpressen aus der Barockzeit Asyl.



Die Reliefs am ehemaligen Kunstgewerbemuseum und heutigen Martin-Gropius-Bau ehren Künstler und Kunsthandwerker, darunter auch einen Münzmeister und seinen Gesellen, der mit der Spindelpresse Metallgeld und Medaillen prägt. Im Schatten der mächtigen der Rostocker Marienkirche sitzt auf einem Relief aus dem frühen 17. Jahrhundert ein Münzarbeiter am Amboss und schlägt mit einem schweren Hammer auf den Oberstempel. Dass das eine sehr gefährliche und zudem auch ungenaue Arbeit war, muss man sich beim Anblick dieses Hauszeichens (Kopie) am Gebäude der ehemaligen Rostocker Münze hinzu denken.





Mecklenburg blickt auf eine lange Münzgeschichte zurück. Allerdings konnten seine Herzöge und seit dem Wiener Kongress von 1814/15 die in Schwerin und Strelitz residierenden Großherzöge nie so viele und vielgestaltige Münzen wie ihre fürstlichen Standeskollegen etwa in Braunschweig, Kursachsen und seit dem 18. Jahrhundert auch in Brandenburg-Preußen schlagen. Den Herrschern fehlte es weniger an Münzstätten und Personal, es mangelte ihnen vor allem an den für eine reiche Münzprägung notwendigen Edelmetallen. Wegen fehlender Erzbergwerke mussten sie das Silber und Gold teuer auf auswärtigen Märkten kaufen und sahen sich zu Einschränkungen bei der Herstellung ihrer Gepräge genötigt. Dem Mangel suchten skrupellose Münzmeister durch „Strecken“ der Rohstoffe zu begegnen, was ihnen nicht gut bekommen ist.

Greif, Stierkopf, Stargarder Arm

Schauen wir in das Buch von Michael Kunzel „Das Münzwesen Mecklenburgs von 1492 bis 1872“ (Gebr. Mann Verlag Berlin 1994), dann erfahren wir von der Existenz mehrerer landesfürstlicher Münzanstalten. Sie haben unterschiedlich lang und intensiv für die Herzöge gearbeitet. Zu nennen sind die durch ihre an Stierköpfen, Greifen, den Stargarder Arm und anderen heraldischen Zeichen leicht erkennbaren Gepräge und durch Archivalien belegten Münzschmieden in Boizenburg, Dömitz, Gadebusch, Gnoien, Grevesmühlen, Güstrow, Marienehe, Mirow, Neustrelitz, Ratzeburg, Ribnitz, Rostock, Schwaan, Stargard und Wittenburg. Als im 19. Jahrhundert der Unterhalt eigener Münzanstalten für die in Schwerin und Strelitz residierenden Großherzöge zu teuer wurde, ließen sie ihr Hartgeld in Berlin und Dresden herstellen. Die letzte mecklenburgische Gedenkmünze zu drei Mark feierte 1915 mit einem Doppelbildnis die Erhebung des Schweriner Herzogs Friedrich Franz I. zum Großherzog mit der Anrede „Königliche Hoheit“.

Nach der „Erfindung“ des Talers Ende des 15. Jahrhunderts im silberreichen Tirol war es nur eine Frage der Zeit, dass diese großen und schweren Stücke auch im norddeutschen Raum geprägt wurden. Benannt nach den massenhaft im böhmischen Sankt Joachimsthal geprägten Silbermünzen im Gewicht von etwa 28 Gramm und einem ungewohnt großen Durchmesser von über 40 Millimetern, bildeten die Taler ein ideales Medium auch für fürstliche Repräsentation. Sie boten so viel Platz, dass man auf ihnen gut sichtbar Porträts, Heiligenbilder, Wappenschilder, Stadtansichten und lange Inschriften unterbringen konnte.

Urtümliche Prägeweise am Amboss

In der mecklenburgischen Kleinstadt Gadebusch südwestlich von Wismar kann man zuschauen, wie ein kräftig gebauter Münzarbeiter solche Geldstücke hergestellt hat. Die von dem Bildhauer Wolfgang Knorr geschaffene Bronzeskulptur neben dem Rathausportal erinnert daran, dass Gadebusch, eine der ältesten Städte des heutigen Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern, auf eine lange, ins 13. Jahrhundert zurückreichende Münzgeschichte blickt. Die Münzknechte bedienten sich einer urtümlichen Prägeweise, bei der die auf dem in einen Amboss eingelassenen Unterstempel liegende Ronde, auch Schrötling genannt, durch kräftige Hiebe auf den mit der linken Hand festgehaltenen Oberstempel in eine Münze verwandelt wurde. Hilfsgeräte in Form von Spindelpressen, Klippwerken und Walzen waren Errungenschaften der Barockzeit, und wie eine solche Spindelpresse aussieht, kann man sehr schön in den Arkaden des Güstrower Schlosses und an Reliefs am Berliner Martin-Gropius-Bau, einem früheren Kunstgewerbemuseum, und an anderen Orten erleben.

Wie eine Tafel neben der Bronzefigur erläutert, erhielt Gadebusch anno 1226 von Herzog Borwin I. das Stadtrecht und dazu auch das Münzrecht. Zunächst hat man bescheidene Silberlinge mit dem Stierkopf geschlagen. Nachdem 1257 die Münze nach Wismar verlagert worden war, „ruhte“ der Hammer in Gadebusch über dreihundert Jahre. Erst Herzog Albrecht VII. belebte die alte Tradition und richtete 1542 am alten Ort eine neue Geldfabrik ein. In den nachfolgenden 82 Jahren wurden in Gadebusch Goldgulden und Taler sowie deren Talerteilstücke geschlagen. Um welche Werte es sich handelt, hat Michael Kunzel in seinem 1994 im Gebr. Mann Verlag Berlin erschienenen Buch „Das Münzwesen Mecklenburgs von 1492 bis 1872 - Münzgeschichte und Geprägekatalog“ ausführlich beschrieben und mit vielen Bildern belegt.

Aus Wolf Biermanns Schulzeit

Gadebusch südwestlich von Wismar war Residenzstadt mecklenburgischer Herzöge und liegt am Knotenpunkt von Straßen, die von Lübeck und Schwerin nach Mitteldeutschland sowie von Hamburg und Ratzeburg führen. Die verkehrsgünstige Situation verhalf der Stadt zu Wohlstand, was sich bis heute in prächtigen Bauwerken ausdrückt. In der über dem Marktplatz auf einem Hügel gelegenen Sankt Jakob- und Sankt Dionysius-Kirche wird an die Münzprägung in Gadebusch erinnert. Das herzogliche Schloss ist in Teilen erhalten und war eine Zeitlang auch Schule.

An dieser Stelle sei eine kleine Abschweifung in die frühe DDR-Geschichte gestattet., in die elende Zeit des Kalten Krieges und der Gesinnungsschnüffelei. Der spätere Liedermacher Wolf Biermann machte 1955, aus Hamburg kommend, in der Heinrich-Heine-Oberschule, die in dem Schloss eingerichtet war, sein Abitur. In seinem Erinnerungsbuch „Warte nicht auf bessere Zeiten!“ (2. Auflage 2016) gibt Biermann die Begrüßungsrede des Schuldirektors so wieder: „Wolf Biermann aus Hamburg... sein Vater als Widerstandskämpfer von den Faschisten ermordet... Wolf ist einer von vielen, die aus dem reaktionären Westdeutschland, aus dem Staat der Krupps und Thyssens und Schlot Barone und der Adenauer-Clique zu uns in den Friedensstaat kommen... Bei uns im Arbeiter und Bauernstaat gehen die Kinder der Arbeiter und Bauern zur Oberschule, die mit Stolz den Namen Heinrich Heine trägt. Die Kinder des Volkes wohnen hier in einem Schloss. So etwas gibt es nur in der DDR. Für den Sieg des Sozialismus in ganz Deutschland wollen wir hier fleißig lernen und arbeiten.“ Dass der Sohn eines von den Nazis ermordeten Kommunisten freiwillig aus dem Westen in den Osten zog, rief die Staatssicherheit auf den Plan, und nur mühsam konnte der Oberschüler Biermann glaubhaft machen, k e i n Agent des westdeutschen Imperialismus zu sein. 1976 Jahre später wurde der zuvor mit Auftrittsverbot belegte und von der SED zum Staatsfeind Nummer 1 erklärte Biermann ausgebürgert. Dieser Willkürakt an dem unbotmäßigen Dichter und Sänger löste im zweiten deutschen Staat, der das Wort Demokratie in seinem Namen führte, ein politisches Erdbeben aus.

Fortuna auf der Kugel

Zurück zu Gadebusch und den hier geprägten Münzen. In der Reihe der mit dem Bildnis des Landesherrn und seinem mehrteiligen Wappenschild geschmückten Taler ragen die mecklenburgischen Glückstaler aus dem frühen 17. Jahrhundert heraus. Auf den unter der Leitung des Münzmeisters Simon Lüdemann in Gadebusch geprägten Stücken zu einem, 1 ½ und zwei Talern aus den Jahren 1612 und 1613 ist Herzog Adolph Friedrich von Schwerin in modischer Hoftracht dargestellt, während auf der Rückseite Fortuna auf einer geflügelten Kugel schwebt. In das Segel, das die Glücksgöttin fest in Händen hält, bläst Wind. Darstellung kann als Anspielung auf schwierige Zeiten wenige Jahre vor dem Dreißigjährigen Krieg interpretiert werden und als Hinweis, dass das Glück manchen Widrig- und Unwägbarkeiten ausgesetzt ist.

Wolfgang Knorr hat seinem nackten Bronzeriesen Flügel an der Schulter und den Füßen verpasst und damit aus ihm einen Hermes beziehungsweise Merkur gemacht, den antiken Schutzherrn der Vieherden, Wege und Wanderer, des Marktes und des Glücks. Der Bildhauer beschreibt sein Werk als Sinnbild für den Grenzbereich von Abheben, Abstürzen und als „Gleichnis für gelebte Balance“. Wer ganz dicht an die Figur herantritt, erkennt auf der runden Fußplatte eine Auswahl von Gadebuscher Geldstücken. Die Vorlagen aus dem Münzkabinett des Staatlichen Museums Schwerin wurden der guten Erkennbarkeit halber um etwa 40 Prozent vergrößert.

In den Mühlen des Dreißigjährigen Kriegs

Die antike Göttin Fortuna war zuständig für alles, was mit Glück, Zufall und Schicksal zu tun hatte. Mit dem schönen Gleichnis wollte der noch junge Herzog Adolph Friedrich I., der mit seinem Bruder Johann Albrecht II. wegen Erbansprüchen im Clinch lag, offenbar Glück und Wohlstand auf sein Land beschwören. Das 1621 durch die Zweiten Mecklenburgische Hauptlandesteilung in die Herzogtümer Schwerin und Güstrow gespaltene und damit geschwächte norddeutsche Territorium geriet in die Mühlen des Dreißigjährigen Kriegs, in dessen Verlauf der kaiserliche Generalissimus Albrecht von Wallenstein von Kaiser Ferdinand II. zum neuer Herzog erhoben wurde und die angestammte Dynastie für ein paar Jahre ins Exil gehen musste..

Erster Münzmeister in Gadebusch war Bernhart Jungelingk. Er brachte den von ihm gepachteten Betrieb in Schwung, besorgte das zur Geldherstellung nötige Edelmetall, stellte die seltenen, bei Sammlern begehrten Salvatortaler von 1542 und die Taler von 1543 mit dem Bildnis seines herzoglichen Arbeitgebers sowie Gulden, Halbtaler, Halb- und Viertelgulden, Doppelschillinge und kleinere Werte her. In den nächsten Jahrzehnten gingen zahllose Geldstücke aus Gadebusch in die Welt, wie die von Michael Kunzel in seinem Buch über die mecklenburgischen Münzen von 1492 bis 1872 (Gebr. Mann Verlag Berlin 1994) mitgeteilten Statistiken zeigen. Unter wenig glücklichen Umständen wurde die Anstalt 1624, im sechsten Jahr des Dreißigjährigen Kriegs, geschlossen.

Offenbar nahmen es der letzte Münzmeister Christian Emerich und seine Leute mit der Rechnungslegung über Ein- und Ausgaben sowie über die verwendeten Metalle und weitere ökonomische Angelegenheiten wohl nicht sehr genau, und so wurde Emerich in einen Falschmünzerprozess verwickelt, kam in Haft, verlor sein Vermögen und musste zusehen, wie seine kinderreiche Familie verarmte. Nur mit Mühe gelang es ihm, die Anschuldigungen zu entkräften. Ein Comeback an anderer Stelle als Münzmeister war ihm in Mecklenburg nicht mehr vergönnt.

14. Dezember 2023