„Frieden sei ihr erst Geläute“
Münzen und Medaillen mit Glocken erzählen viel über uns und sind beliebte Sammelstücke





Friedrich Schiller zu Ehren geprägte Medaille von Rudolph Mayer von 1905 zum 100. Todestag des Dichters schildert, wie die Glocke im Beisein von Schaulustigen aus der Grube gehoben sein. „Concordia (Eintracht) soll ihr Name sein“ lautet die Umschrift der Medaille von 1859 aus Hamburg zum 100. Geburtstag des Dichters.



Die französische „Enzyclopédie“ von 1750 widmet dem Handwerk, der bildenden Kunst, Architektur, Landwirtschaft, Ernährung, Medizin, Münzprägung und vielen anderen Tätigkeiten umfangreiche Kapitel, die auch mit detaillierten Kupferstichen von Arbeitsvorgängen und dabei gebrauchten Geräten geschmückt sind. In diesem Ausschnitt wird gezeigt, wie in einer Grube der Glockenguss vorbereitet wird und die von Schiller beschriebene Form aussieht.



Im „Ständebuch“ von Jost Ammann aus dem Jahr 1568 und anderen Büchern wird in Bild und Schrift neben anderen Tätigkeiten gezeigt, wie frisch gegossene Glocken, Kanonen und Gefäße aussehen.





Im Ersten Weltkrieg wurden zahlreiche Bronzeglocken aus Kirchen, Rathäusern und anderen Gebäuden entfernt, auf so genannten Glockenfriedhöfen gesammelt und der Rüstungsindustrie zugeführt. Die Medaille von 1917 lobt den Vorgang als patriotische Tat. Nur als Probeprägung existiert das mit einer Glocke geschmückte Fünf-Mark-Stück von 1951.



Die Glockentaler von 1643, die Herzog August der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel anlässlich der Belagerung und Befreiung der Stadt schlagen ließ, waren schon in der Barockzeit Gegenstand gelehrter Betrachtungen. In seinen „Wöchentlichen Münzbelustigungen“ hat Johann David Köhler den bis heute bei Sammlern begehrten Glockentalern die Ausgabe vom 4. Mai 1729 gewidmet und sie auf einem Kupferstich präsentiert.



Im Schatten der Bernauer Marienkirche liegt ein Findling mit einer Bronzeplatte. Sie informiert darüber, dass 1999 während der Bauarbeiten auf einem ehemaligen Friedhof zwei historische Glockengussanlagen gefunden wurden, ein bis dahin einzigartiger Fund in Brandenburg. Die Grabung förderte neben Resten der Glockenform auch Metallschlacke, die Dämmgrube sowie die Feuerungs- und Lüftungsanlage zu Tage. „Vermutlich waren es Wanderhandwerker, die die Glocken für eine Kirche in unmittelbarer Nähe gossen, da ein Transport der Glocken große Schwierigkeiten mit sich brachte. Schon feinste Haarrisse verdarben den Klang“, erzählt die Inschrift auf dem Glockendenkmal. Im Straßenpflaster ist die Fundstelle als Mosaik markiert, auch auf der Inschriftenplatte erkennt man Einzelheiten. Stein und Inschrift sind ein seltenes Beispiel, dass im öffentlichen auf eine außergewöhnliche Entdeckung der Archäologen hingewiesen wird. (Fotos/Repros: Caspar)



Friedrich Schiller hat 1788 eine Glockengießerei in Rudolstadt besucht und von dort „einen sehr begeisternden Stoff zu einem lyrischen Gedicht“ mitgenommen. Es dauerte ein Jahrzehnt, bis er das „Lied von der Glocke“ schrieb, das mit diesen Worten beginnt und ausklingt: „Fest gemauert in der Erden / Steht die Form aus Lehm gebrannt. / Heute muss die Glocke werden! / Frisch, Gesellen, seid zur Hand! / Von der Stirne heiß / Rinnen muss der Schweiß, / Soll das Werk den Meister loben; / Doch der Segen kommt von oben. / Heute muss die Glocke werden! Frisch, Gesellen, seid zur Hand! […] Jetzt mit der Kraft des Stranges / Wiegt die Glock mir aus der Gruft, / Dass sie in das Reich des Klanges / Steige, in die Himmelsluft. / Ziehet, ziehet, hebt! / Sie bewegt sich, schwebt, / Freude dieser Stadt bedeute, / Friede sei ihr erst Geläute.“

Als ob er auch in ein Lehrbuch für Gießerkunst geschaut hätte, schildert der Dichter, allerdings viel schöner und poetischer, was sich in einer Glockengießerei tut und welche Mühen nötig sind, um die Form zu schaffen, die flüssige Bronze in sie zu leiten, „dass die zähe Glockenspeise / fließe nach der rechten Weise“, die Umhüllung zu entfernen, denn „wenn die Glock' soll auferstehen / Muss die Form in Stücke gehen“, das noch rohe Metall zu glätten. Und er beschreibt die Erwartungen, die an das neue Geläut gerichtet werden, denn mit seinen Klängen wurden die Gläubigen nicht nur in die Kirche gerufen, sie erkannten auch, was die Stunde geschlagen hat, und hörten Glocken, wenn Menschen zu Grabe getragen wurden. Sie erklangen, wenn Feuersbrünste ausgebrochen waren, aber auch wenn vor Feinden gewarnt und ein Friedensschluss gefeiert wurde.

Wo rohe Kräfte sinnlos walten...

Friedrich Schiller mischt in die Beschreibung des Glockengusses Betrachtungen über Menschen, ihre Wünsche und die aktuelle Zeit. Unter dem Eindruck der Französischen Revolution von 1789 rät er in seinem langen Gedicht zur Ruhe und Besonnenheit, wie man sie auch beim Glockenguss benötigt, damit er gelingt. Revolutionäre Veränderungen, Blutvergießen, Krawall und Geschrei sind dem Dichter und Historiker ein Gräuel. In Kenntnis der Ereignisse im Krieg der Niederlande gegen die spanischen Besatzer im 16. Jahrhundert und im Dreißigjährigen Krieg erteilt er dem Drängen der Volksmassen nach radikaler, durch schrilles Geläut verstärkte Veränderung der feudalen Verhältnisse eine Absage, wenn er schreibt: „Wo rohe Kräfte sinnlos walten, / Da kann sich kein Gebild gestalten, / Wenn sich die Völker selbst befrein, / Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn. / Weh, wenn sich in dem Schoß der Städte / Der Feuerzunder still gehäuft, / Das Volk, zerreißend seine Kette, / Zur Eigenhilfe schrecklich greift! / Da zerret an der Glocken Strängen / Der Aufruhr, dass sie heulend schallt / Und, nur geweiht zu Friedensklängen, / Die Losung anstimmt zur Gewalt. / Freiheit und Gleichheit! hört man schallen, / Der ruhge Bürger greift zur Wehr, / Die Straßen füllen sich, die Hallen, / Und Würgerbanden ziehn umher, / Da werden Weiber zu Hyänen / Und treiben mit Entsetzen Scherz...“ Friedliche Veränderung und Harmonie fordert Schiller, bloß keinen wütenden Aufruhr. Er übersieht dabei, dass die zu seiner Zeit tonangebenden und bestimmenden Mächte nicht bereit sind, einen einzigen Zipfel von ihrer Macht und Privilegien freiwillig abzugeben. 1805 verstorben, konnte er nicht mehr sehen, wie sich gut 40 Jahre später in der Revolution von 1848/49 die Gewalt Bahn brach und die Fürsten das Fürchten lehrte.

Blicken wir weiter zurück in die Vergangenheit auf Münzen mit der Darstellung von Glocken. Im frühen 16. Jahrhundert traten im Römisch-deutschen Reich und anderen Ländern, italienischen Vorbildern folgend, zu den so genannten Schautalern spezielle Medaillen. Zunächst gegossen, dann aber in einem aufwändigen Verfahren mit Hilfe schwerer Pressen geprägt, boten sie weitaus mehr Möglichkeiten für künstlerische Entfaltung als die flachen Guldengroschen beziehungsweise Taler. Diese Großsilbermünzen spielten als Mittel fürstlicher oder städtischer Repräsentation eine große Rolle. Manche Münzstände ließen sich auf ihnen mit allen Symbolen ihrer Macht darstellen. In den braunschweigischen Herzogtümern wurden seit dem 16. Jahrhundert bemerkenswerte Gedenktaler geprägt, von denen der Münzhandel viele interessante Stücke anbietet.

Numismatischen Mikrokosmos

Wer sich auf die Gepräge der silberreichen braunschweigischen Herzogtümer einlässt, findet einen ganzen numismatischen Mikrokosmos, in den einzudringen nicht ganz leicht ist. Die braunschweigischen Herzöge leisteten sich eine üppige Münzprägung mit vielen Gedenkstücken, die schon immer Sammler und Forscher interessiert haben. Einfache und mehrfache Taler, aber auch kleinere Werte wurden geprägt. Die Bedeutung der Bilder und Inschriften zu entschlüsseln, fällt nicht immer leicht. Neben den allbekannten Wildemann- und Hausknechtstalern gibt es die nach Merkmalen und Emblemen benannten Glocken- und Glückstaler, aber auch die Brillen-, Eintrachts-, Jakobs-, Licht-, Luftpumpen- und Lügentaler, die Pelikan-, Pfaffenfeind-, Rebellen-, Reise-, Wespen- und andere Taler. Diese emblematischen Münzen mit allen ihren Varianten zu bekommen und ihren Sinn zu ergründen, ist eine kaum zu schaffende Lebensaufgabe. Die in Zellerfeld aus Harzer Silber geprägten Glockentaler feiern in ihrer damals sehr beliebten barock-verschlüsselten Art die Befreiung der von kaiserlichen Truppen besetzten Residenzstadt und Festung Wolfenbüttel im Jahr 1643. Herzog August II., der Jüngere, konnte nach langem Warten unter dem Läuten der Kirchenglocken wieder in seine Residenzstadt einziehen und sich an die große Aufgabe machen, sein kleines, durch den Krieg verwahrlostes und entvölkertes Reich wieder aufzubauen. Der Herzog hatte 1635 die Herrschaft angetreten und Wolfenbüttel zu hoher kultureller Blüte gebracht. Er reformierte das Kirchen-, Schul- und Justizwesen, erfasste die Kriegsschäden in den Städten und auf dem Land und kümmerte sich um die Gesundung des Finanzwesens. Die bedeutenden Einkünfte aus dem Bergbau im Harz, dokumentiert durch eine reiche Münzprägung, und seine recht bescheidene Hofhaltung halfen, dass sich das Land relativ schnell erholen konnte.

Endlich siegt die gute Sache

Die von August dem Jüngeren in Auftrag gegebenen Glockentaler symbolisieren auf anschauliche Weise das lange Warten auf die Wiederinbesitznahme der von starken Bastionen gesicherten Residenzstadt nach der Vertreibung der kaiserlichen Truppen. Die Münzen mit den Umschriften ALLES MIT BEDACHT und BONA CAUSA TRIUMPHAT (Endlich siegt die gute Sache) zeigen das geharnischte Hüftbild des Landesherrn sowie Glocken ohne Klöppel (Taler 1-3) beziehungsweise mit diesem (Taler 5-6). Beim vierten Glockentaler erkennt man nur den Klöppel, der an einen Stein gelehnt ist und gleichsam darauf wartet, wieder einhängt zu werden und die Glocke zum Klingen zu bringen. Beim letzten und siebenten Taler erkennt man, wie die von drei Händen gezogene Glocke über der wieder befreiten Stadt Wolfenbüttel erklingt.

Die siebente Ausgabe mit der über dem Panorama der Residenz- und Festungsstadt Wolfenbüttel ist die häufigste der Serie. Da man von ihr mindestens zwölf Varianten kennt, darf auf eine hohe Auflage und Verbreitung geschlossen werden. Gefeiert wird die Vertreibung der kaiserlichen Besatzer und der vom Glockenläuten begleitete Einzug des Herzogs. Neben den ganzen Glockentalern kommen auch Halb- und Vierteltaler vor. Diese Stücke sind oft seltener als die ganzen Taler, vermutlich weil man sie eher eingeschmolzen hat als die ganzen Stücke, die als Andenken an eine dramatische Zeit in Ehren gehalten wurden. In einem „Thaler-Cabinet“ genannten Katalog von Michael Lilienthal aus dem Jahr 1735 wird die Beschreibung der Münzen mit diesem Gedicht abgeschlossen: „Eine Glocke lang gezogen / Ohne Schwengel giebt kein Thon. / Gute Anschlag ohn vollzogen, / Gibt der Arbeit schlechten Lohn. / Auch der Schwengel ohn Glock / Liegt vergebens auf dem Block: / Wird der Schwengel eingehenckt / Dann die Glocke laut erklingt. / Rath und That, sammt dem Gedeyen / Himmel und Erd macht erfreuen. / Leut nun Glocke mit dem Schwengel, / Da sich freuen Gott und Engel.“

8. Mai 2023