Prager Groschen kamen aus Kuttenberg
Mittelalterliche Silbermünzen haben unterschiedliche Namen und verloren ihr Ansehen

Eine Münzreform schuf 1266 in Frankreich eine handliche Münze, die 12 kleine ersetzte. Dieser nach dem Prägeort Tours benannte Gros tournois besaß Vorbildfunktion und verbreitete sich über die Grenzen Frankreichs und wurde an vielen Orten mit unterschiedlichen Bildern und Aufschriften nachgeprägt.


Die Prager und Meißner Groschen waren beliebte Zahlungsmittel, die in vielen Münzfunden des Mittelalters und der frühen Neuzeit vorkommen. Diese Prager Groschen mit der Inschrift „Grossus Pragensis“ entstanden unter dem Einfluss der in Tour erstmals geprägten Turnosen.


In der Barbarakirche zu Kutná Hora (Kuttenberg) erinnern Wandmalereien an Bergleute und Münzpräger. Die farbenfreudigen Bilder wurden erst im 19. Jahrhundert von dicken Übermalungen befreit. Selbstbewusst präsentieren Bergleute das Kuttenberger Wappen.

Der Welsche Hof in Kuttenberg war königliche Residenz und bis zum frühen 18. Jahrhundert auch böhmische Münzstätte. Eine Ausstellung berichtet über die Herstellung der Prager Groschen und anderer Geldstücke.

Ein segnender Kirchenfürst schmückt den Groschen, den Dietrich von Boppard als Bischof von Metz im späten 14. Jahrhundert schlagen ließ.

Die Soldaten des preußischen Königs Friedrich II. bekamen alle fünf Tage acht Groschen Lohn, was zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel war.

Die schwere körperliche Arbeit im Bauwesen, in der Weberei und vielen andern Bereichen wurden mit kläglichen Pfennigen und Silbergroschen bezahlt. Die meist kinderreichen Arbeiterfamilien konnten mit den geringen Löhnen kaum ernährt werden.

Bis zum Ende vom Mark und Pfennig hielt sich die Bezeichnung Groschen für das Zehn-Pfennig-Stück. Hier auch „Alu-Chips“ genannte Beispiele aus der 1990 beendeten Geldgeschichte der DDR. (Fotos/Repros: Caspar)
Der uns noch aus DM-Zeiten bekannte Groschen ist eine massenhaft seit dem Mittelalter geprägte Silbermünze. Schwerer als alle zuvor geprägten Nominale, löste das auch Grossus denarius oder Dicker Pfennig genannte Geldstück im 13. Jahrhundert die Brakteaten und andere Nominale ab. Benannt ist der Groschen nach dem Gros tournois, der 1266 vom französischen König Ludwig IX. in der Stadt Tours aus der Taufe gehoben wurde. Der Erfolg der Turnose, wie man diese Münze auch nannte, war so groß, dass man sie vielfach nachgeahmt hat. Als Mariengroschen, Engelgroschen, Löwengroschen, Bauerngroschen, Zinsgroschen sowie Apfel-, Schild- und Schwertgroschen oder auch Schreckenberger erlebte die Münze einen Siegeszug sondergleichen, bis sie nach vielfältigen Modifikationen und Umwertungen im Zusammenhang mit der Einführung des Euro 2002 Geschichte wurde.
In vielen Münzfunden des Mittelalters und auch danach ist der Prager Groschen anzutreffen. Wer vom Namen ableitet, die mit einer Krone und dem böhmischen Löwen geschmückten Geldstücke würden aus Prag stammen, der Hauptstadt des Königreichs Böhmen, irrt. Denn die Geldfabrik befand sich in der Bergstadt Kuttenberg, dem heutigen Kutná Hora, etwa 70 Kilometer von Prag entfernt. Hier wurden unter den Augen der böhmischen Könige und ihrer Statthalter ab 1300 das in der Region geschürfte Silber aufbereitet und in klingende Münze verwandelt.
Wandmalereien in der Barbarakirche
Auf den Geldstücken erscheint der Prägeort nicht, vielmehr sind sie als GROSSUS PRAGENSIS, also Prager Groschen, ausgewiesen. Noch heute sind im so genannten Welschen Hof zu Kutná Hora die alten Münzschmieden samt Prägewerkzeugen zu sehen. Die Geldfabrik wurde 1726 aufgehoben, nachdem der Silberertrag der Gruben drastisch zurückgegangen war. In der Barbarakirche zu Kuttenberg sind spätmittelalterliche Wandgemälde erhalten, die Bergleute und Münzpräger bei der Arbeit zeigen. Ein österreichischer Doppelgulden aus dem Jahr 1887 würdigt mit der Darstellung des gotischen Gotteshauses die lange Tradition des Erzbergbaus in Kuttenberg und seine Wiederaufnahme unter Kaiser Franz Joseph I., den ein prächtiges Glasfenster in der Kirche betend zeigt.
Nicht nur in Böhmen wurde Silberbergbau getrieben, auch das Erzgebirge war mit dem Edelmetall so reich gesegnet, dass die Kurfürsten von Sachsen hier eine großartige Groschenemission entfalten konnten und ab 1500 massenhaft Guldengroschen prägen ließen, die man alsbald analog zu den im böhmischen Sankt Joachimsthal hergestellten Großsilbermünzen Joachimsthaler oder nur noch Taler nannte. Der auch heute umlaufende US-Dollar bezieht sich auf diese in zahlreichen Versionen hergestellte Silbermünze. Zu den bei Sachsen-Sammlern beliebten Geldstücken gehören die Meißner Groschen. Ihr Namen ist nicht von der markgräflichen und kurfürstlichen Residenzstadt Meißen abgeleitet, sondern von der Inschrift GROSSUS MARCHIONATUS MISNENSIS (Groschen der Markgrafschaft Meißen). Die nach dem Vorbild der Prager Groschen geprägten Silberstücke mit dem Thüringer Löwen und dem Lilienkreuz kamen um das Jahr 1338 auf den Markt und hielten sich bis ins frühe 15. Jahrhundert. Indem man sie mit Gegenstempeln oder Kontermarken versah, hat man Meißner Groschen auch fernab ihres Herkunftslandes zugelassen und mit ihnen bezahlt.
Interessante Sammelobjekte
Ungeachtet strenger Vorschriften und an Fälscher gerichteter Strafandrohungen sank im Laufe der Jahrhunderte die Qualität der Groschen nach und nach, und aus ihnen wurden billige, oft mehr aus Kupfer denn aus Silber bestehende Scheidemünzen mit geringer Kaufkraft. Acht gute Groschen oder einen Dritteltaler zahlte König Friedrich II. von Preußen, genannt der Große, Mitte des 18. Jahrhunderts jeden fünften Tag an seine Soldaten. Das war wenig angesichts des großen Blutzolls, den die Rekruten für ihren obersten Feldherrn und seine Ruhmsüchtigkeit entrichten mussten.
In Berlin und anderswo sagte man früher zum Zehnpfennigstück Groschen, zum Fünfpfennigstück, also dem halben Groschen, aber Sechser, weil ein Groschen vor langer Zeit zwölf Pfennig wert war. Ein Achtgroschenjunge ist ein kleiner Ganove, der für ein bisschen Geld zu jeder Schweinerei bereit ist. Ein Dreigroschenheft wird als minderwertiges Machwerk verachtet, und die „Dreigroschenoper“ ist ein bekanntes Gemeinschaftswerk von Bertolt Brecht und Kurt Weill.
Heiligenbilder und Wappenschilder
Nach ihren Bildern tragen die Groschen verschiedene Namen. Die Helm- und Mariengroschen, die Reiter-, Kronen-, Schwert- und Löwengroschen, die Neuen Groschen und viele andere Gepräge des sprichwörtlichen kleinen Mannes sind interessante Sammelobjekte, und wer sich auf sie konzentriert, erhält nach und nach eine interessante und aussagekräftige Serie, die viel über das Leben vergangener Generationen und künstlerische Bemühungen erzählt. Viele, meist unbekannte Stempelschneider schufen wahre Kunstwerke, als sie Heiligenbilder, Porträts und Wappenschilder schufen und damit den flachen Silbergeprägen ein ansehnliches Aussehen verliehen. Besonders begehrt sind Stücke aus der Gotik, die einem Vergleich mit gotischen Skulpturen und Gemälden durchaus standhalten, auch wenn sie ganz klein in der Hand liegen.
Würde man die Stücke nebeneinander legen, dann könnte man den Abstieg einer ehemals angesehenen Münze zu einem billigen Geldstück feststellen. Gelehrte und Sammler, die beides oft in einer Person waren, haben im 18. Jahrhundert neben Taler-, Gulden- und Dukatenkabinetten auch Groschenkabinette in Form dickleibiger Kataloge verfasst, die heute zu lesen viel Freude bereitet, auch wenn ihr Inhalt schon lange überholt ist. Im Unterschied zu den vielen sächsischen Groschen aus der Zeit vor und nach 1500 zählen die Groschen des Kurfürstentums Brandenburg und anderer Territorien ohne größere Edelmetallvorkommen zu den numismatischen Seltenheiten und werden viel besser bezahlt als die häufigen Münzen der in dieser Hinsicht besser situierten Territorien.
21. Mai 2024