„Nicht durch Kraft, sondern durch Geschick“
Magdeburgs berühmter Bürgermeister Otto von Guericke auf Medaillen und Münzen / Landesteilungen waren von Übel

Das von Carl Echtermeier geschaffene und 1906 enthüllte Otto-von-Guericke-Denkmal am Alten Markt in Magdeburg zeigt einen selbstbewussten Kommunalpolitiker, der seine Heimatstadt durch Experimente mit den Magdeburger Halbkugeln berühmt machte und seine Stadt nach dem furchtbaren Stadtbrand im Jahr 1631, mitten im Dreißigjährigen Krieg, zu neuer Blüte führte. Die Halbkugeln zu den Füßen weisen auf Guerickes Versuche zum Nachweis des Vakuums hin und und ehren ihn zugleich als bedeutenden Naturwissenschaftler des 17. Jahrhundert.

Guerickes Experiment mit 16 Pferden sah eindrucksvoller aus, als wenn die Halbkugeln, mit schweren Gewichten an einen Baum hängend, auf die Probe gestellt worden wären.

Auf dem barocken Kupferstich schauen vornehme Leute zu, wie sich geflügelte Putten an Luftpumpen und Ballons zu schaffen machen. Daneben die Vorderseite eines Magdeburger Notgeldscheins zu 50 Pfennigen von 1921, der an Guerickes Halbkugelversuche mit jeweils vier entgegen gesetzt ziehenden Pferden erinnert.

Otto von Guericke hat in Magdeburg sein eigenes Museum. In der Lucasklause wird in Bild und Schrift und mit vielen wissenschaftlichen Geräten an den großen Sohn der Stadt erinnert.
Zum 375. Geburtstag von Otto von Guericke brachte die DDR 1986 eine Zehn-Mark-Münze in der Normalausführung mit der Halbkugel und als undatierte Probe mit den an den Halbkugeln ziehenden Pferden heraus.

Zum 1200-jährige Bestehen von Magdeburg wurde 2005 eine Zehn-Euro-Münze herausgegeben. Gestaltet von dem Berliner Münzdesigner Heinz Hoyer, zeigt das Silberstück auf der Bildseite das von Ernst Barlach geschaffene Mahnmal für die Toten des Ersten Weltkriegs im Dom, daneben ist der Magdeburger Reiter, die Magdeburger Halbkugeln und eine Schellenkappe als Hinweis darauf, dass der legendäre Eulenspiegel derbe Späße mit gutgläubigen Magdeburgern machte. Unten ist der Jahrtausendturm und das als Kunstmuseum genutzte Liebfrauenkloster. Die Hauptfassade des Magdeburger Doms bildet das Hauptmotiv der Vorderseite.

Die seltenen Luftpumpen- oder auch Zwietrachtstaler von 1702 kommen als zwei in winzigen Details abweichende Varianten vor. Die Buchstaben RAV beziehen sich auf die herzoglichen Brüder Rudolf August (RA) und Anton Ulrich (AV).

Ein von den herzoglichen Brüdern Rudolf August und Anton Ulrich in Auftrag gegebener Eintrachtstaler von 1698 unterstreicht, dass nichts und niemand familiäre Harmonie und Liebe im braunschweigischen Herrscherhaus stören kann. In Wahrheit gab es hier und anderswo viel Streit um Titel, Ländereien, Menschen, mit einem Wort um Macht.
(Fotos/Repros: Caspar)
Magdeburg, die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt, erinnert sich gern an den am 20. November 1602 geborenen Bürgermeister und Naturwissenschaftler Otto von Guericke. Ursprünglich hieß der aus einer angesehenen Patrizierfamilie stammende große Sohn der Stadt Otto Gericke. Doch als er 1666 wegen seiner herausragenden Verdienste als Bürgermeister und Diplomat sowie für seine Leistungen als Naturforscher in den Adelsstand aufgenommen wurde, nannte er sich Otto von Guericke. In der Lucasklause, dem Magdeburger Guericke-Museum, werden Bilder, Bücher und Handschriften gezeigt, ergänzt durch Instrumente sowie Münzen und Medaillen, die das Leben und Nachwirken des berühmten Kommunalpolitikers, Diplomaten und Erfinders anschaulich dokumentieren.
Guericke wollte wissen, was das Vakuum bedeutet. „Weil die Gelehrten nun schon seit langem über das Leere, ob es vorhanden sei, ob nicht, oder was es sei, gar heftig untereinander stritten (...) konnte ich mein brennendes Verlangen, die Wahrheit dieses fragwürdigen Etwas zu ergründen, nicht mehr eindämmen.“ Er zeigte vor dem 1654 zum Reichstag in Regensburg angereisten Fürsten und später auch vor dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, dass es in entgegengesetzter Richtung ziehende Pferde nicht vermögen, die durch die Kraft des äßeren Luftdrucks miteinander verbundenen Halbkugeln zu trennen.
Spektakulärer Versuch mit 16 Pferden
Guericke hätte die Halbkugeln an einer Seite auch an einen Baum hängen können, aber der Versuch mit insgesamt 16 Pferden machte auf die erstaunten Zuschauer deutlich mehr Eindruck. So wird auch das Experiment auf zeitgenössischen Grafiken gefeiert. Da dieses Detail in der Literatur und auf Internetseiten kaum Beachtung findet, sei an dieser Stelle daran erinnert, dass Guericke auch ein guter Psychologe gewesen sein muss, als er auf spektakuläre Weise für sein Experiment rund um das Vakuum warb.
Nur indirekt erinnern überaus kostbare Silberprägungen von 1702 an das berühmte Experiment mit den Magdeburger Halbkugeln. Die so genannten Luftpumpentaler wurden vermutlich in der braunschweigischen Münzstätte Goslar in zwei Varianten geprägt. Hinzu kommt eine Medaille zum gleichen Thema. Es war wohl eher ein Zufall und nicht eine Reverenz an Guericke, dass 1702 zu seinem einhundertsten Geburtstag diese numismatischen Raritäten geprägt wurden. Warum sich die falsche Bezeichnung Luftpumpentaler eingebürgert hat, ist nicht klar. Denn offensichtlich ist keine Luftpumpe dargestellt, sondern die Magdeburger Halbkugeln. Daher wäre der Name Halbkugeltaler richtiger.
Brüderliche Eintracht gestört
Wie dem auch sei, die Darstellung beweist, dass Guerickes Versuche knapp ein halbes Jahrhundert später noch so populär waren, dass man sie für eine feinsinnige Allegorie auf die Zersetzung der Eintracht unter fürstlichen Brüdern nutzte. NON VI SED ARTE lautet das Motto auf dem ersten Luftpumpentaler, übersetzt „Nicht durch Kraft, sondern durch Geschick oder Kunstfertigkeit“ liest, während man auf dem zweiten Taler QUOD VI NON POTVIT DISIEGTVM EST ARTE MINISTRA die Worte mit „Was nicht mit Gewalt auseinander gebracht werden kann, ist durch die einende List geschehen“, deuten kann.
Hintergrund der für die Barockzeit noch recht ungewöhnliche Darstellung eines technischen Geräts auf Talern und einer Medaille ist die angebliche oder tatsächliche Störung der brüderlichen Eintracht durch Elisabeth Juliane, die Gemahlin von Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel. Die aus dem 18. Jahrhundert übernommene Deutung ist nicht ganz klar, denn es gibt auch andere Interpretationen. Dass die Dame eine holsteinische Prinzessin ist, unterstreicht das mit einem Nesselblatt geschmückte Armband.
Historische Münzbelustigungen
In seinen „Historischen Münzbelustigungen“ von 1744 ging Johann David Köhler auf das der Welt bescherte „neue Wunder“ der durch Luftdruck zusammen gehaltenen Halbkugeln so ein: „Denn, als er (Guericke) durch Hülffe seiner Lufftpumpe die dicke Luft herausgezogen, so hat sich gefunden, wie die äussere umliegende Lufft die zwey Kugelstücke so fest und unzertrennlich zusammen halte, daß die Gewalt von Roß und Mäulern nicht vermöge, selbige von einander zu reissen. So fest hielten also auch die Nahmen der Fürstlichen Herren Brüder Rudolf August und Anton Ulrich in dem Monogrammate RAV zusammen.“
In Wahrheit ging es bei dem Zwist der herzoglichen Brüder um Erbfolgeangelegenheiten, Landbesitz und den Kurfürstentitel. Anton Ulrich, der jüngere Bruder von Rudolf August, wird als Prototyp des aufgeklärt-absolutistischen Herrschers beschrieben. Er führte nach französischem Vorbild ein Luxusleben, das seinem Land große Schulden bescherte, war aber auch an Kunst und Bildung interessiert und machte sich als Schriftsteller und Gründer des nach ihm benannten Museums in Braunschweig einen Namen. Er wandelte sich vom Freund zum Gegner des römisch-deutschen Kaisers Leopold I., der ihm und seine Linie die neunte Kurwürde nicht verleihen wollte, sondern die calenbergische Linie der Welfendynastie bevorzugte. Dessen Vertreter Herzog Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg wurde 1698 Kurfürst und bestieg 1714 als Georg I.den englischen Königsthron. Anton Ulrich wurde vom Kaiser für seine Allianz mit Frankreich bestraft und musste zeitweilig außer Landes gehen, übernahm aber 1704 nach dem Tod von Rudolf August die Alleinherrschaft in Braunschweig-Wolfenbüttel.
Kriege um Erbschaftsangelegenheiten
Dass es in fürstlichen Familien wegen Erbschaftsangelegenheiten immer wieder zu Streitigkeiten, ja blutigen Kriegen kam, ist bekannt. Um dem vorzubeugen, gab es Abkommen, die die Teilung eines Landes unter den Söhnen eines verstorbenen Monarchen verboten. Dessen ungeachtet kam es in Anhalt, Baden, Bayern, Braunschweig, Mansfeld, Mecklenburg und anderen Fürstentümern zu Landesteilungen, die sich alles andere als segensreich, sondern auch zerstörerisch für die jeweilige Familie erwiesen und die territoriale und politische Zersplitterung im römisch-deutschen Reich forcierten. Ein 1473 vom brandenburgischen Kurfürsten Albrecht Achilles erlassenes Hausgesetz, die Dispositio Achillea, verbot, dass das
hohenzollernsche Herrschaftsgebiet jemals aufgeteilt, verkauft oder verpfändet wird und stets als Ganzes an den Erstgeborenen der Familie vererbt werden soll.
In Sachsen und Thüringen waren die Brüder Kurfürst Friedrich II. und Herzog Wilhelm in blutige Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in diesen Territorien verstrickt. Der Streit wurde friedlich beigelegt, und so regierten Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht, die Söhne von Friedrich II., zunächst gemeinschaftlich. Die brüderliche Eintracht allerdings bekam bald Risse, und so entschlossen sich Ernst und Albrecht, das Land unter sich aufzuteilen. Als Älterer behielt Ernst den Kurkreis mit Wittenberg als Hauptstadt sowie die thüringischen Lande, während Albrecht mit dem Beinamen „der Beherzte“ die östlichen Landesteile um Dresden, Meißen und Leipzig erhielt. Die erzgebirgischen Anteile und weitere kleine Territorien wurden von den Ernestinern und den Albertinern, wie man Linien nannte, gemeinsam verwaltet.
Der zu den Ernestinern gehörende Kurfürst Friedrich der Weise ging als Beschützer des Wittenberger Mönchs und Universitätsprofessors Martin Luther in die Geschichte ein. Mit den Jahren gerieten die beiden Linien aneinander, und es kam 1547 zu einem Krieg, in dem es vor allem um die Zurückdrängung des Protestantismus ging und in dessen Verlauf die Kurwürde von den Ernestinern an die Albertiner überging. Neuer Kurfürst wurde der zu den Albertinern gehörende Herzog Moritz, und so stammen alle folgenden Kurfürsten und ab 1806 sächsischen Könige aus dieser Linie.
Miniaturfürstentümer in Thüringen
Die Ernestiner richteten sich in Thüringen ein und leisteten sich weitere Landesteilungen. So entstanden dort mehrere Miniaturherzogtümer mit prächtigen Residenzschlössern, die heute beliebte Touristenziele sind. Zur Freude der Münzsammler und Numismatiker prägten selbst winzige und kurz existierende Herzogtümer fleißig Münzen und Medaillen, denn nach damaliger Auffassung brauchte man solche „numismatischen Dokumente“, um seine Existenz und auch vornehme Abstammung zu unterstreichen.Das Thema ist gut erforscht und kommt in den Angeboten des Münzhandels regelmäßig vor. Da die Auflagen der Taler, Dukaten, Gulden und Groschen in der Regel nicht groß war und viele Stücke bald wieder eingeschmolzen wurden, sind zumeist selten. Bei manchen Stücken müssen Sammler tief in die Tasche greifen, zumal wenn es sich um exzellente Erhaltungen handelt.
6. Dezember 2024