König ohne Land
Georg V. von Hannover setzte im Deutschen Krieg von 1866 aufs falsche Pferd und musste ins Exil gehen





Die in Clausthal geprägten Münzen sind mit dem Kopf des jeweiligen Landesherrn und seinem gekrönten Wappen, aber auch dem springenden Welfenross geschmückt, mit dem sich Bundesland Niedersachsen ausweist.



Beim Regierungswechsel von 1830 ließ Georg IV. in Clausthal Ausbeutetaler mit der schönen Inschrift DES BERGWERKS WOHLFAGHRT IST DES HARZES GLÜCK fertigen. Ernst August regierte Hannover mit harter Hand, das B unter seinem Kopf weist auf den Stempelschneider Ludwig Theodor Brüel hin.



Ernst August, dessen Reiterdenkmal auf vor dem Hauptbahnhof in Hannover steht, ging unrühmlich als derjenige in die Geschichte ein, der die „Göttinger Sieben“ entließ und aus dem Land vertrieb. An sie erinnert seit 1998 vor dem Landtagsgebäude ein aus mehreren Bronzefiguren bestehendes Denkmal.





Mit Gedenktalern erinnerte Georg V. von Hannover 1854 an den Besuch der Königsfamilie in der Münze zu Hannover. Der Doppeltaler von 1866 war die letzte Münze, die in seinem Auftrag geprägt wurde. Noch im selben Jahr verlor der König Land und Krone.



Hannover war auf seine Beteiligung am Sieg über Napoleon I. in der Schlacht von Waterloo so stolz, dass von 1825 bis 1832 in der Haupt- und Residenzstadt eine knapp 47 Meter hohe, inwendig begehbare Säule errichtet wurde. Ihre Errichtung war die Prägung einer Medaille wert. Georg V. verdanken wir interessante Geschichtstaler wie den so genannten Waterlootaler,der 1865 anlässlich des 50. Jahrestags der Schlacht von Waterloo in einer Auflage von 15 000 Exemplaren mit der Aufschrift DEN SIEGERN BEI WATERLOO GEWIDMET DEN 18 JUNI 1865 geprägt wurde.



Der Taler von 1865 ist der Inbesitznahme von Ostfriesland gewidmet. Sprachforscher und Historiker meinen, dass es sich um einen Grenzbaum, eine Sperre oder einen Pfahl gehandelt haben könnte. Das aus dem Flämischen und Brabantischen stammend Wort „Upstall“ lässt sich als eingezäuntes Flurstück deuten, das die Dorfgemeinschaft als gemeinsames Weidegebiet, die so genannte Allmende, nutzte. Archäologen haben den auch als Grabstätte genutzten Hügel untersucht und Urnen aus der Bronze- und Eisenzeit gefunden.



Die seltene Sterbemedaille von 1878 im Gewicht eines Doppeltalers ehrt den 1866 ins österreichische Exil gegangenen König, der mit weiteren Herrschern Krone und Land verloren hatte. Auch die Freie Stadt Frankfurt am Main wurde den siegreichen Preußen zugeschlagen. (Fotos/Repros: Caspar)

Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 gab es im Deutschen Bund, dem Zusammenschluss von zahlreichen Fürstentümern und Freien Städten, bemerkenswerte Machtverschiebungen und Grenzveränderungen. Das Königreich Sachsen musste seine Bündnistreue zu Frankreichs Kaiser Napoleon I. mit Landverlusten zu Gunsten von Preußen bezahlen, andere Fürsten erlangten den Status von Großherzögen und ließen sich mit Königliche Hoheit anreden Das bisherige Kurfürstentum Hannover wurde auf dem Wiener Kongress in ein Königreich umgewandelt, das von London aus durch König Georg III. von England, einem der Sieger der Befreiungskriege von 1813 bis 1815, regiert wurde.

Nach der Aufhebung der Personalunion mit Großbritannien im Jahr 1837 regierte bis 1851 in Hannover König Ernst August. Sein von Albert Wolff geschaffenes Reiterdenkmal aus Bronze vor dem Hauptbahnhof der Landeshauptstadt ist ein beliebter Treffpunkt. Beim Anblick des Monuments sind Zweifel angebracht, ob die Widmung DEM LANDESVATER SEIN TREUES VOLK zutrifft. Denn der erzkonservative Monarch stand allen Neuerungen gegenüber kompromisslos ablehnend gegenüber. Der Historiker Heinrich von Treitschke charakterisierte ihn als roh und grausam, feige, unritterlich, schlecht erzogen und befand, er sei „nicht bloß aller Bildung bar, sondern ein abgesagter Feind der Wissenschaft“. Der spätere Reichskanzler Otto von Bismarck, der wesentlich dazu beitrug, dass 1866 das Königreich Hannover liquidiert wurde, beschrieb Ernst August als „wüste Natur“. Er hätte den Landeskindern die Beine einzeln abgehackt, wenn er dafür nur genügend Dukaten in die Privatschatulle bekommen hätte.

Autokratische Herrscher gegen Göttinger Sieben

Als Ernst August 1837 in seine Haupt- und Residenzstadt einzog, verlief die Begrüßung frostig. Schon kurz darauf setzte der neue König das Staatsgrundgesetz außer Kraft und errichtete eine Alleinherrschaft, gegen die sich Protest regte. In einer „Untertänigsten Vorstellung“ forderten sie den König auf, er möge von seinem offenkundigen Rechtsbruch Abstand nehmen. Schließlich habe er bei seiner Thronbesteigung versprochen, an der Landesverfassung unverbrüchlich festzuhalten. Unterzeichner der Petition waren der Jurist Wilhelm Eduard Albrecht, der Historiker und Staatsrechtler Friedrich Wilhelm Albrecht, der Orientalist Heinrich Ewald, der Literaturhistoriker Georg Gottfried Gervinus, die Germanisten Jacob und Wilhelm Grimm, die uns das Deutsche Wörterbuch und eine berühmte Sammlung von Märchen beschert haben und in Berlin ehrenvoll aufgenommen wurden, sowie der Physiker Wilhelm Weber. Die wegen Aufsässigkeit ihrer Ämter enthobenen Professoren als „Göttinger Sieben“ und als Vorbilder für persönlichen Mut und den unbedingten Willen ein, Rechtsauffassungen zu verteidigen, auch wenn diese Haltung das Amt und vielleicht sogar das Leben kosten würde. Die mutigen Gelehrten wurden 1998 vor dem Niedersächsischen Landtag in Hannover durch ein aus mehreren Figuren bestehendes Bronzedenkmal geehrt, das von Floriano Bodoni geschaffen wurde. Mit dem sogenannten Landesdenkmal legt das Denkmal für&xnbsp;Zivilcourage&xnbsp;und ein „Bekenntnis zu den&xnbsp;Bürgertugenden&xnbsp;als tragende Grundlagen unseres&xnbsp;Gemeinwesens“.

Als Ernst August 1851 starb, nahm sein Sohn, der blinde König Georg V., liberale Errungenschaften zurück, die die Hannoveraner in der Revolution von 1848/49 erkämpft hatten, und machte sich durch eine reaktionäre Politik unbeliebt. Als er sich 1866 im preußisch-österreichischen Krieg auf die Seite Österreichs stellte und mit dessen Kaiser Franz Josef verlor, war es um seine Herrschaft geschehen. Das Königreich Hannover wurde in eine preußische Provinz verwandelt. Georg V. ging ins österreichische Exil und starb dort 1878. Sein Vermögen in Höhe von 48 Millionen Reichsmark wurde beschlagnahmt und in den so genannten Welfenfonds überführt, aus dessen Erträgen Otto von Bismarck „welfische Umtriebe“ bekämpfte.

Lebhafte Münzung nach 1816

Ab 1816 wurde in Hannover „sehr lebhaft“ gemünzt, wie Johannes Kretzschmar in einem umfangreichen Beitrag über die Königliche Münze zu Hannover in der Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen (1902) berichtete. Der Aufsatz ist wichtig, weil er aus Akten des Finanzministeriums zitiert, die Ende des Zweiten Weltkriegs durch Brand und Wasserschaden verloren gingen. Kretzschmar zufolge lag die hannoversche Münze, was ihre technische Ausstattung betraf, weit hinter der anderer deutscher Prägeanstalten zurück. Außerdem wurden die dort produzierten Geldstücke als minderwertig eingestuft und in Preußen sogar verboten. Man hatte wohl auch wenig Glück mit guten Stempelschneidern, die keine sonderlichen Meisterwerke der Münzkunst anfertigten. Erst als man den Münzgraveur und Medailleur Heinrich Friedrich Brehmer engagierte, verbesserte sich die Qualität der Gepräge. Umliegende Fürstentümer wie Braunschweig, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, Reuß ältere Linie und Schaumburg-Lippe fühlten sich daraufhin veranlasst, bei Brehmer Münzstempel zu bestellen, der überdies hervorragende Medaillen schuf.

In seinem Bericht schildert Johannes Kretschmar aufgrund von Aktenstudien ausführlich die Mühen der hannoverschen Regierung und des Münzmeisters Karl Wilhelm Theodor Brüel, um ansehnliches und durch seine Qualität in Schrot und Korn überzeugendes Hartgeld herzustellen. Die innerbetrieblichen und technischen Probleme konnten erst gemeistert werden, nachdem die Münzstätte auf Betreiben von Brüel, der den Wiener Münzvertrag von 1857 mitunterzeichnet hat, in der Landeshauptstadt ein geräumigeres Haus erhalten hatte. Die neuen Räume boten Platz für Uhlhorn’sche Kniehebelpressen und andere Maschinen, was sich auf die Produktivität und den Gewinn der Münzanstalt positiv auswirkte.

Mit Franz Joseph in die Niederlage

König Georg V. hatte als Kleinkind seine Sehkraft verloren und war ab dem 14. Lebensjahr blind, genoss aber trotz alledem eine hervorragende Ausbildung als Thronfolger und wurde, vielleicht auch wegen seiner Behinderung, ein guter Musiker und Komponist. Historiker haben ihn als beliebten, leutseligen und umsichtig regierenden Fürsten geschildert, der sich durch die Förderung der Kunst und speziell der Musik einen Namen machte. Im Unterschied zu seinem Vater Ernst August tendierte Georg V. nicht nach Preußen, sondern nach Österreich-Ungarn. Georg V. stellte sich mit anderen vor allem süddeutschen Fürsten im so genannten Deutschen Krieg von 1866 gegen Preußen und verlor mit ihnen diesen Kampf. Daraufhin wurden Hannover und weitere seiner Verbündeten von Preußen annektiert. Andere Länder wie Sachsen hatten Glück und kamen mit Strafzahlungen davon. Georg V. verlor sein Land und seine Krone und floh nach Wien zu seinem Verbündeten Kaiser Franz Josef. Durch zwei preußische Gesetze wurde im Herbst die Existenz des Königreichs Hannover beendet. Preußens König Wilhelm I. schaltete einen potenziellen Gegner aus, machte aus dem Land der Welfen eine Provinz und besaß nun endlich die ersehnte Landbrücke in seine westlichen Landesteile.

Georg V. hat den Thronverlust nie verwunden, und er hat offiziell auch nicht auf seine Krone verzichtet. Verschiedene von ihm veranlasste Medaillen geben ihn weiterhin als König von Hannover aus, als sei nichts geschehen. Als er 1878 starb, weigerte sich die preußische Regierung, ihn in seiner Heimat zu bestatten. Deshalb bereitete Queen Victoria ihrem Cousin in der Kapelle des Schlosses Windsor ein Grab. Bei der Trauerfeier wurde die auf abenteuerlichem Weg aus Hannover nach England geschmuggelte hannoversche Königskrone zur Schau gestellt. Es sollte noch einige Jahre dauern, bis es zur Aussöhnung zwischen den Hohenzollern und den Welfen, und 1913 sogar zu einer Hochzeit von Mitgliedern beider Familien kam.

Erinnerung an Schlacht von Waterloo

An der Schlacht zwischen den Truppen des aus dem Exil auf der Mittelmeerinsel Elba zurückgekehrten französischen Kaisers Napoleon I. nahmen neben preußischen und englischen Soldaten auch solche aus Hannover sowie weiteren deutschen Staaten teil. Die Verbündeten standen in der Schlacht von Waterloo unter dem Befehl des englischen Herzogs von Wellington. Sie befanden sich in höchster Gefahr, als ihnen der preußische Generalfeldmarschall Blücher mit seinen Truppen zu Hilfe kam. In brenzliger Situation soll Wellington „Ich wollte es wäre Nacht oder die Preußen kämen“ gerufen haben. Beides hätte eine Entlastung gebracht, denn beim Einbruch der Dunkelheit wurden Kampfhandlungen unterbrochen, zum anderen war das preußische Heer für die Briten eine große Hilfe. Unter hohen Verlusten gelang es der nunmehr vereinigten Armee, die Franzosen in die Flucht zu schlagen, danach wurde Paris erneut eingenommen. Nachdem Napoleon I. in Belgien sein sprichwörtliches Waterloo erlebt hatte, musste er noch einmal auf den Thron verzichten. Er wurde er auf die ferne Insel Sankt Helena deportiert, wo er 1821 starb.

Dass Hannover 1865 die fünfzigjährige Zugehörigkeit des ehemaligen Fürstentums Ostfriesland feiern konnte, hatte mit der 1815 unterzeichneten Schlussakte des Wiener Kongresses zu tun. Danach musste Preußen, unter dessen Herrschaft Ostfriesland seit Friedrich dem Großen stand, an Hannover abtreten. König Georg III. von England, der zugleich König von Hannover war, wollte so verhindern, dass sich Preußen an der Nordseeküste festsetzt. Nach der Annexion des Königreichs Hannover 1866 im Ergebnis eines Kriegs gegen Österreich machte sich Preußen an der Nordseeküste breit. Die Eingliederung Ostfrieslands in die neue preußische Provinz Hannover verschaffte der vernachlässigten Küstenregion wirtschaftlichen Auftrieb.

Auf, ihr freien Friesen

Benannt ist der Upstalboomtaler von 1865 nach einer mittelalterlichen Thingstätte bei Rahe südwestlich von Aurich. Umstritten ist, worum es sich beim Upstalboom gehandelt hat, der „Boom“ lässt einen großen Baum als Wahrzeichen eines Versammlungsplatzes vermuten, wie es denn auch auf dem mit dem Motto EALA FRYSIA FRESENIA (etwa „Auf, ihr freien Friesen“) verdeutlicht wird. Sprachforscher und Historiker meinen, dass es sich um einen Grenzbaum, eine Sperre oder einen Pfahl gehandelt haben könnte. Das aus dem Flämischen und Brabantischen stammend Wort „Upstall“ lässt sich als eingezäuntes Flurstück deuten, das die Dorfgemeinschaft als gemeinsames Weidegebiet, die so genannte Allmende, nutzte. Archäologen haben den auch als Grabstätte genutzten Hügel untersucht und Urnen aus der Bronze- und Eisenzeit gefunden. Erstmals 1216 in einer Chronik erwähnt, war der Upstalboom Sinnbild friesischer Freiheit und Unabhängigkeit und besaß als Ort der Rechtsprechung hohe Bedeutung. Eine 1833 auf dem Upstalboom-Hügel errichtete Steinpyramide erinnert an die Ostfriesen, die 1815 im Kampf gegen die Franzosen in den Schlachten von Ligny und Waterloo fielen. Rätselhafte Sterbemünze

Rätselhaft ist der so genannte Sterbe-Doppeltaler von 1878 mit dem Kopf des Toten in der Art, der in den 1860-er Jahren unter Regentschaft Georgs V. mit Stempeln von Heinrich Friedrich Brehmer geprägten einfachen und doppelten Taler. Statt des hannoverschen Wappens findet man auf der Prägung von 1878 unter der Krone die von Palmenzweigen umschlossene Inschrift GEORG V KOENIG V. HANNOVER GESTORBEN DEN 12. JUNI 1878. Der Urheber der in wenigen Exemplaren geprägten Medaille mit der Randschrift NEC ASPERA TERRENT (Auch raue Wege schrecken nicht) ist nicht bekannt. Man weiß nur, dass es zwei Versionen gibt, nämlich eine mit dem Zusatz ZWEI THALER auf der Rückseite und eine ohne diese Angabe. Es handelt sich um keine offizielle Ausgabe, denn es ist kaum anzunehmen, dass eine amtliche Stelle in Preußen Interesse hatte, mit einer solchen Prägung an den „Reichsfeind“ zu erinnern.

Nach der Einführung des neuen Reichsgeldes ab 1871 waren die deutschen Münzstätten ausgelastet. Als der Bedarf gedeckt war, entschied die Regierung, auf die Anstalten in Hannover (Münzzeichen B) und Frankfurt am Main (C) zu verzichten. Mit Blick auf Hannover stellt Kretzschmar fest, so bedauerlich es war, „dass ein Institut, das gerade in der letzten Zeit Hervorragendes geleistet hatte, eingehen musste, so war es doch nur eine unvermeidliche Nothwendigkeit, nachdem das Königreich Hannover aufgehört hatte zu existieren.“

28. August 2023