Taler, Taler du musst wandern
Heinrich Heine besuchte 1824 auf seiner Harzreise die Münze zu Clausthal





Als der spätere König Ludwig I. von Bayern 1806 die Monnaie de Paris besuchte, hat man ihm eine Medaille gewidmet. Solche Ehrungen gehörten zum Programm fürstlicher Gäste der Pariser Münze. Die nach dem Schema Bildnis/Inschrift gestalteten Prägungen bilden ein interessantes Sammelgebiet. Die königlich-preußische Münze in Düsseldorf dedizierte Friedrich Wilhelm III. 1821 ein Besuchsmünze. In jenem Jahr erlebte die Hohenzollernmonarchie eine Münzreform, die auch die technische Ausstattung der preußischen Geldfabriken auf den neuesten Stand brachte.



Wie die Geldfabrik in Clausthal aussah, ist nicht bekannt, hier dürfte aber noch viel Handarbeit geleistet worden sein. Ob Heine zugesehen hat, wie frische Silbermünzen auf Kniehebelpressen (rechts) entstanden, ist fraglich. In Preußen waren diese effektiv arbeitenden Maschinen bereits im Einsatz.





Die DDR und die Bundesrepublik Deutschland ehrten 1997 Heinrich Heine zu seinem zweihundertsten Geburtstag mit unterschiedlich gestalteten Gedenkmünzen.



Heinrich Heine blickt nachdenklich auf dem Hamburger Rathausplatz, geschaffen von Waldemar Otto anstelle des von den Nationalsozialisten vernichteten Denkmals von Hugo Lederer aus dem Jahr 1926. Daneben Heine, ein Gedicht vortragend, neben der Humboldt-Universität zu Berlin. Es handelt sich hier um einen Zweitguss aus Bronze, denn die von den Kommunisten verschmähte Skulptur, ein Werk von Waldemar Grzimek von 1954, war klammheimlich in den Volkspark am Weinbergsweg abgeschoben worden.







Bei der Herstellung solcher Silbermünzen mit dem Welfenross und dem Kopf von König Georg IV. könnte Heine in Clausthal zugeschaut haben. Die Talerserie begann 1830 mit einer Würdigung des Clausthaler Silbergergbaues.



Das portugiesische Goldstück von 1782 mit königlichem Doppelbildnis könnte unter den Schätzen der Madame Jansen gewesen sein, die in der Erzählung „Im Nachbarhause links“ eine Rolle spielen.



Die Medaille ehrt Theodor Storm, der fast sein ganzes Leben in Schleswig-Holstein verbracht hat. (Fotos/Repros: Caspar)

Wer sich für die Geschichte von Münzstätten interessiert, stößt bald auf Gepräge, die speziell aus Anlass des Besuchs hochstehender Persönlichkeiten geschlagen wurden. Viele Stücke sind selten und erzielen in Auktionen beachtliche Preise. Andere Souvenirs sind auch mit kleinem Geldbeutel zu haben. Dass Fürsten und hohe Herren Münzstätten besucht haben, wird in zahlreichen Chroniken berichtet und auch auf Miniaturen und Holzschnitten gewürdigt. Als allerdings der Göttinger Student und angehende Dichter Heinrich Heine 1824 zu Fuß seine Harzreise unternahm und sich, aus Göttingen kommend, in den Silberhütten, im Erzbergwerk und der Königlichen Münze in Clausthal-Zellerfeld umschaute, hat man seinen Besuch nicht extra durch eine Medaille gewürdigt.

Heinrich Heines Beobachtungen geben nichts über die technische Ausstattung der Geldfabrik her, auch nichts über die Gebäude und die Leute, die dort arbeiten. Das musste er auch nicht, denn das war nicht seine Aufgabe, er war ja Poet und kein Fachmann für Finanz- und Münzprobleme. Einschlägige Beschreibungen fand man in technologischen Handbüchern und Studien zur Verbesserung des Münzwesens, das eine wichtige Einnahmequelle der Staaten war und von ihnen sorgsam vor Betrug geschützt wurde.

Ertrag der Harzer Silbergruben

Als Heine einen blitzblanken Taler mit dem Bildnis von Georg IV., seines Zeichens König von England und Hannover, in der Hand hielt, kam er ins Grübeln und dachte nach, welches Schicksal diese Münze in der Zukunft wohl haben wird. Korrekterweise muss gesagt werden, dass Heine keinen ganzen Taler sah, sondern einen Zweidritteltaler, auch Gulden genannt. Der König ließ erst 1830 Taler prägen und eröffnete die bei Sammlern beliebte Serie mit einem Silberstück, das den in Clausthal gewonnenen Ertrag der Harzer Silbergruben feiert. Solche Ausbeutetaler, die auch in anderen Staaten herausgebracht wurden, sind eine Errungenschaft der Barockzeit und bilden ein hochinteressantes, durch Medaillen erweitertes Sammelgebiet, das durch Kataloge und spezielle Studien gut erschlossen ist.

Heinrich Heine konnte nur der Geldherstellung zuschauen und gesteht mit Blick auf seine Finanzen: „Freilich, weiter hab ich es auch nie bringen können. Ich hatte bei solcher Gelegenheit immer das Zusehen, und ich glaube, wenn mal die Taler vom Himmel herunter regneten, so bekäme ich davon nur Löcher in den Kopf, während die Kinder Israel die silberne Manna mit lustigen Mute einsammeln würden“. Mit den Kindern Israel dürfte Heine seine jüdischen Glaubensgenossen gemeint haben, die Geld scheffeln, was ihm, dem Studenten und Dichter, nicht möglich ist. „Mit einem Gefühle, worin gar komisch Ehrfurcht und Rührung gemischt waren, betrachtete ich die neugeborenen, blanken Taler, nahm einen, der eben vom Prägestocke kam, in die Hand und sprach zu ihm: Junger Taler! Welche Schicksale erwarten dich! Wie viel Gutes und wie viel Böses wirst du stiften! wie wirst du das Laster beschützen und die Tugend flicken, wie wirst du geliebt und dann wieder verwünscht werden! wie wirst du rastlos umher irren, durch reine und schmutzige Hände, jahrhundertelang, bist du endlich, schuldbeladen und sühnemüd, versammelt wirst zu den Deinen im Schoße Abrahams, der dich einschmelzt und läutert und umbildet zu einem neuen, besseren Sein.“ So hat noch niemand zu einer Münze gesprochen, und so wurde ihr Schicksal nicht vorausgesagt.

Bargeld hat kein ewiges Leben

Sammler und Münzkenner wissen, dass Münzen und Banknoten kein ewiges Leben haben. Was von den Münzen bis heute erhalten blieb, ist nur ein Bruchteil dessen, was in den vergangenen zweieinhalb Jahrtausenden geprägt wurde. Denn immer wieder hat man Stücke aus Silber und Gold nur als Materialreserve betrachtet und in bedeutenden Mengen eingeschmolzen. Das geschah vor Heines Zeiten ebenso wie ein paar Jahrzehnte später, als sich das neue Deutsche Reich ab 1871 eine auf Mark und Pfennig lautende Einheitswährung zulegte und Millionen ausgedienter Geldstücke dem Schmelztiegel übergeben wurden, genau so, wie es Heine nach seinem Besuch in der Clausthaler Münze notiert hatte. Zum Glück blieb noch vieles erhalten und kommt auch durch Schatzfunde ans Tageslicht, sonst hätten Münzforscher nichts zu deuten und zu untersuchen und der Handel könnte die Sammlerschaft nicht mit mehr oder weniger interessanten Objekten erfreuen.

Im Nachbarhause links Dichter vom Schlage eines Heinrich Heine haben sich ganz selten zum Thema Geld geäußert, denn in der Regel waren sie, vergleichbar mit Musikern, arme Schlucker, die von ihren Einnahmen mehr schlecht als recht leben und eine Familie ernähren konnten. In seiner Erzählung „Im Nachbarhause links“ (1875) berichtet Theodor Storm über eine alte Frau, deren letztes Vergnügen es ist, in einem Haufen alter Münzen zu wühlen. Nachts hält sich die Madame Jansen wach, weil sie Angst vor dem „Klapperbein“ hat, also vor dem Tod. Ihre Schätze zu betrachten und die Münzen zu zählen, hält sie noch am Leben. Der bei der Verwaltung einer „trefflichen See- und Handelsstadt“ angestellte Nachbar erinnert sich an seinen Großvater, der ihm von seiner Braut namens Mechthild erzählte.

Im Laufe der Geschichte stellt sich die alte Dame als dieses schöne Mädchen heraus. „Allerlei Zeitvertreib, Schmuck und farbige Gewänder hatte der selten daheim weilende Vater dem einzigen Töchterlein von seinen Reisen mitgebracht; von ausländischen goldenen Münzen und Schaustücken hatte sie eine ganze Sparbüchse voll gehabt. In ihrem Garten war ein seltsames Lusthäuschen gewesen, das der Vater einmal aus den Trümmern eines früheren Schiffes hatte bauen lassen. ,Dort’, sagte der Großvater, ,auf den Treppenstufen saßen wir oft zusammen, und ich durfte dann mit ihr den goldenen Schatz besehen, den sie aus der Blechbüchse in ihren Schoß geschüttet hatte.“

Wo ist der Beutel mit Goldstücken?

Von Neugier getrieben und wegen seiner Arbeit bei der Stadtverwaltung auch befugt, nimmt der Erzähler zu der von einer Wärterin versorgten Greisin Kontakt auf und wird eingelassen. Die Gespräche drehen sich um die Vergangenheit, aber auch um ein Testament einschließlich der Ermittlung des Vermögens und einer Erbschaft. Eines Tages wird der Erzähler in eine Kammer gebeten. „In deren Mitte stand die alte Madame Jansen vor einem Tische und sortierte emsig allerlei Päckchen, wie sich nachher ergab, mit den verschiedensten Wertpapieren; rings herum an den Wänden, so dass nur wenig Platz neben dem Tische blieb, standen eine Menge straff gefüllter Geldbeutel, von denen die meisten aus den Resten alter, sogar seidener Frauenkleider angefertigt schienen. So gesprächig die Alte bei meinem ersten Besuche gewesen war, so wortkarg war sie heute; mit zitternden Händen setzte sie einen Beutel nach dem anderen vor uns hin, mit stummen fast schmerzlichen Blicken verfolgte sie das Zählen des Geldes, das Versiegeln der Beutel, das Nummerieren der Etiketten. – Obwohl die einzelnen Münzsorten sorgsam voneinander gesondert waren, so dauerte die Aufnahme der Wertpapiere und des Barbestandes doch bis in den Abend hinein; zuletzt arbeiteten wir bei dem Lichte einer Talgkerze, die in einem dreiarmigen Silberleuchter brannte. Endlich wurde der letzte Beutel ausgeschüttet. Er enthielt jene schon derzeit seltenen Vierschillingstücke mit dem Perückenkopfe Christians des Vierten, welche in dem Rufe eines besonders feinen Silbergehaltes standen.“

Ab und zu nächtlicher Spuk

Die Frage, ob das alles sei und ob es auch Goldstücke gebe, verneint die Frau. Doch ihr Nachbar bekommt mit, dass es da noch einen Beutel mit Goldmünzen gab. „Sie stieß einen Schreckensruf aus, als sie mich erblickte, und streckte beide Hände über den funkelnden Haufen; gleich darauf aber erhob sie sie bittend gegen mich und rief: ,Oh, lassen Sie mir das! Es ist meine einzigste Freude; ich habe ja sonst gar keine Freuden mehr!’ Eine scharfe zitternde Stimme war es und doch der Ton eines Kinderflehens, was aus der alten Brust hervorbrach.[...] ,Nur das Gold – nehmen Sie mir es nicht – ich bin sonst ganz allein in all den langen Nächten!’“ Im Vorübergehen sieht der Erzähler mexikanische und portugiesische Goldmünzen, die der Vater von seinen Reisen als Mitgift für seine Tochter mitgebracht hatte, wenn sie eines Tages heiratet.

Irgendwann stirbt die alte Frau, ohne ein ordentliches Testament mit frommen Zuwendungen an arme Leute zu hinterlassen, die der Nachbar so gern gesehen hätte. Als das Haus amtlich inspiziert wird, hebt der Schlosser, der es geöffnet hatte, einen Mantel auf. „Ein kleiner zusammengekrümmter Leichnam lag darunter, die Leiche meiner Nachbarin Madame Sievert Jansen. – Das schöne übermütige Kind, das einst das Knabenherz des Großvaters mit so unvergänglicher Leidenschaft erfüllt hatte, das lebensprühende Frauenbild, dessen Scheingestalt noch jetzt von der Wand des öden Saales herabblickte – was hier zu meinen Füßen lag, es war der Rest davon.“ Die Haussuchung ergibt, dass im Keller wie auf den Böden, hinter Dachsparren und Paneelen, „noch mancher Jahrgang ihrer Zinsenernten versteckt lag; nur der rotseidene Beutel mit den fremden Goldmünzen ist niemals aufgefunden worden.“ Lange soll es in dem alten Haus gespukt haben, zumal wenn sich die Todesnacht der armen Greisin jährte. Dann hörte man sie auf Treppen und und Gängen stöhnen, als jammere sie über die vergrabenen Schätze ihrer Jugend.

5. Juni 2024

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