Sammeln, forschen, mehren
Berliner Münzkabinett feierte 300 Jahre Mittelaltersammlung, 120 Jahre Bode-Museum und 20 Jahre Erivan und Helga Haub-Stiftung
Unvergessen ist der Besucherandrang vor dem Bode-Museum. Viele Gäste hatten 2004 die einmalige Gelegenheit, auch einen Blick in den 50 Meter langen Tresor zu tun, in dem über eine halbe Million Münzen, Medaillen und andere Objekte sicher verwahrt werden und der Forschung und Lehre zur Verfügung stehen.
Das Berliner Münzkabinett gewann vor 20 Jahren in Erivan und Helga Haub (Bildmitte mit Bernhard Weisser und Antje Scherner) zwei wichtige Freunde und Förderer. In seiner Rede in der Basilika des Bode-Museum hob er die Verdienste der Mäzene um das Kabinett hervor.
Das Münzkabinett verdankt Erivan und Helga Haub bedeutende Schenkungen wie den seltenen Berliner Goldgulden des brandenburgischen Kurfürsten Joachim I. von 1518.
In der Feierstunde wurde dem Münzkabinett ein seltener Taler des Grafen Jobst Nikolaus II. von Hohenzollern-Hechingen aus dem Jahr 1544 überreicht, Silber Ø 41 mm
Einer der Förderer des Berliner Münzkabinetts ist der Osnabrücker Münzhändler Fritz Rudolf Künker, hier im Gespräch mit Bernd Kluge. Der früheren Kabinettsdirektor und Ehrenmitglied der Numismatischen Gesellschaft zu Berlin widmet sich in seinem „Unruhestand“ ganz der Erforschung der Münzen des Ostfränkischen Reichs aus der Zeit nach Karl dem Großen.
Die Numismatische Gesellschaft zu Berlin gehört zu den Förderern des Münzkabinetts. Die mit einem Blick in den Studiensaal des Münzkabinetts und dem Bildnis des auch für die Münzkunde zuständigen Heiligen Eligius geschmückte Medaille ist ein Werk von Bodo Broschat und erschien 2018 zur 175-Jahrfeier der Vereinsgründung.
(Fotos/Repros: Caspar)
Das Münzkabinett der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz blickt auf eine lange, in die Zeit brandenburgischen Kurfürsten und preußischen Könige reichende Geschichte. Im 1904 eröffneten Kaiser-Friedrich-Museum auf der Berliner Museumsinsel tätig und dort mit einer eindrucksvollen Dauerausstellung sowie wechselnden Sonderschauen präsent, ist es mit mehr als 500 000 Münzen, Medaillen und weiteren numismatisch relevanten Objekten weltweit eine der größten und bedeutendsten Sammlungen dieser Art. Am 18. Oktober 2024 gab es im Bode-Museum eine eindrucksvolle Feier anlässlich eines dreifachen Jubiläums: Das Münzkabinett erinnerte an 300 Jahre Mittelaltersammlung, an 120 Jahre Bode-Museum und an 20 Jahre Erivan und Helga Haub-Stiftung. Der Direktor des Münzkabinetts, Bernhard Weisser, zog eine erfreuliche Bilanz der Arbeit in den vergangenen Jahrzehnte und dankte insbesondere Helga Haub und ihrem 2018 verstorbenen Mann Erivan Haub für ihre großzügige Unterstützung der Arbeit dieser Sammlung.
Als vor 20 Jahren das Münzkabinett im Bode-Museum nach langer Sanierungs- und Umbauzeit neu eröffnet wurde, standen lange Besucherschlangen vor der Tür. Man konnte den 50 Meter langen Tresor anschauen, in dem Schätze vom siebenten vorchristlichen Jahrhundert bis zur Gegenwart aufbewahrt werden und Gegenstand intensiver Forschung sind. Immer waren es geschichts- und kunstinteressierte Mäzene, die durch finanzielle Zuwendungen, Schenkungen und auf andere Weise für den Ausbau der Sammlung und Erkenntnisgewinn aus ihr beitrugen.
Gute Beziehungen zum Kaiser
Wie überall im Leben spielten schon damals „Beziehungen“ bei der Beschaffung von Sachspenden und Finanzmitteln eine große Rolle. So verstand es der Kunsthistoriker und Publizist Wilhelm von Bode vor und nach 1900 reiche Kunstfreunde für Spenden sowie Ankäufe zugunsten der Königlichen Museen zu Berlin und auch Kaiser Wilhelm II. als Mäzen zu gewinnen. Ihm gelang der Aufbau einer weltweit einzigartigen Skulpturensammlung mit dem Schwerpunkt italienische Renaissance sowie die Erweiterung der Gemäldegalerie um Werke italienischer, spanischer, französischer, englischer und deutscher Meister.Unter ihnen sind Hauptwerke von Rembrandt, Rubens und Dürer.
Der Berliner Baumwollhändler James Simon schenkte den Königlichen Museen, von deren Generaldirektor Wilhelm von Bode beraten und stets zu neuen Gaben ermuntert, Gemälde, Skulpturen, kunstgewerbliche Erzeugnisse, Münzen und Medaillen und überließ ihnen auch die Büste der altägyptischen Königin Nofretete, die gleichsam zur Ikone der Berliner Museen wurde. Ludwig Darmstaedter vermachte der Staatsbibliothek seine weltberühmte Sammlung von Handschriften, Eduard Arnhold förderte Künstler der Moderne und ließ dem Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut, aus dem die heutige Max-Planck-Gesellschaft hervor ging, namhafte Beträge für Forschungszwecke zukommen. Sie alle halfen bei Ankäufen und Restaurierungen und finanzierten archäologische Expeditionen. Ohne diese Unterstützung hätte die Berliner Museums- und Wissenschaftslandschaft gewiss nicht diese Weltgeltung erlangt, den sie vor und nach 1900 einnahm, und auch andere deutsche Kunststädte stünden ohne solche Hilfen weniger blendend da.
Schenkungen von hohem Wert
„Die Erivan und Helga Haub-Stiftung ist seit 20 Jahren mit allen Aktivitäten und Erfolgen des Münzkabinetts verbunden. Sie besteht aus einem Stiftungsvermögen, aus dessen Erträgnissen Erwerbungen getätigt werden können. Darüber hinaus hat das Ehepaar Haub viele Einzelschenkungen vorgenommen, die sich mittlerweile zu einem hohen Wert summieren“, sagte Bernhard Weisser in der Feierstunde stellte einen vorzüglichen Brakteaten der Äbtissin Gertrud in Eschwege vor, die diese für Friedrich I. Barbarossa im Jahr 1188 geprägt hat. „Zahlreiche Schenkungen betrafen unseren Sammlungsschwerpunkt Brandenburg und Preussen. Mit Hilfe der Stiftung konnten Lücken etwa bei den Münzen Friedrichs des Großen schließen. Zu diesem „Ausnahmepreußen“, wie Weisser formulierte, veröffentlichte Bernd Kluge 2012 eine neue Monographie, die gemeinsam mit dem Ehepaar Haub gefeiert wurde. Eine bedeutende Schenkung war 2014 der älteste datierte Goldgulden von Berlin aus dem Jahr 1518 anlässlich des Abschieds von Bernd Kluge als Direktor des Münzkabinetts.
Große Verdienste erwarb sich die Erivan und Helga Haub-Stiftung neben besondere Erwerbungen auch um den Interaktiven Münzkatalog des Münzkabinetts. Weisser erinnerte daran, dass Helga Haub die Förderung den Onlinekatalog des Münzkabinetts zu ihrem „Baby“ gemacht hat. Sie stellte dem IKMK erhebliche Mittel zur Verfügung und tut es weiter. Am 20. Mai 2007, dem Internationalen Museumstag, wurde die Datensammlung in einem internationalen Kolloquium der Öffentlichkeit übergeben. „Seitdem feiern wir stets am 20. Mai Geburtstag. Aus dem Baby ist ein veritabler Teenager geworden. Derzeit sind über 31 Institutionen und mehr als 40 Sammlungen an ihm beteiligt. Wir haben inzwischen fast 140.000 Objekte erfasst. Aktuell wird IKMK.net zu einem zertifizierten Dienst weiterentwickelt. An der Betreuung, Pflege und Aktualisierung sind viele Mütter und Väter beteiligt. Weitere Schwesterprodukte sind der Corpus-nummorum.eu zu den antiken Landschaften Thrakien, Moesia Inferior, Mysien und der Troas oder Abkömmlinge wie die Fundmünzenportale zu Priene, Pergamon, Olympia und Assos. Die IKMK-Familie wächst weiter“, sagte Weisser, „und es gibt einen Kreis von Wohlgesonnenen um uns herum, zu dem Sie alle gehören, die sie heute mit uns feiern. Dafür bin ich, dafür sind wir zutiefst dankbar.“
Schätze im 50 Meter langen Tresor
Nach einem Blick auf die Arbeit im Münzkabinett und einem Lob für die vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schloss der Kabinettsdirektor seine Festrede mit einem leicht aktualisierten Gleichnis, wie es in der Bibel stehen könnte. „Der Herr vertraute seinen zwei Dienern (Ministern) ein Pfund an. Nach zwanzig Jahren kam er zurück. Der eine eilte auf ihn zu und sagte stolz: ‚Herr, ich habe Dein Pfund gut im unserem 50 Meter langen Tresor aufbewahrt. Hier ist es unbeschadet zurück. Keiner hat es angefasst, nur ich habe aufgepasst, es glänzt wie vor 20 Jahren.' Der andere war etwas unsicherer: ,Herr, ich habe Dein Pfund genommen und es ausgegeben. Da gab es ein neues Verfahren, unsere Schätze anderen zu zeigen und sie daran Anteil nehmen zu lassen. Die Leute fanden das gut, und es kamen andere Menschen, die mitmachen wollten. Alle beteiligen sich, auch finanziell, und schau her: Dein Pfund ist weg, aber es ist etwas neues Gutes daraus entstanden, das Pfund hat sich vielfach vermehrt.' Nach zwanzig Jahren legen wir heute gemeinsam Rechenschaft vor Ihnen ab, liebe Frau Haub, liebe Festversammlung, und wir sind gespannt auf Ihr Urteil.“
Die Wiedereröffnung des Münzkabinetts nach sechsjähriger sanierungsbedingter Schließung fiel 2004 mit dem hundertjährigen Jubiläum des nach Plänen von Ernst von Ihne erbauten und 1956 nach dem berühmten Museumsdirektor Wilhelm von Bode benannten Bode-Museums zusammen. 1904 als Kaiser Friedrich-Museum im Beisein von Kaiser Wilhelm II. und den „Spitzen des Reichs“ feierlich eröffnet, ist es eine viel besuchte Heimstatt der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst sowie des Münzkabinetts. Dieses erhielt 1724, vor nunmehr 300 Jahren, den Grundstock seiner weltweit einmaligen Mittelaltersammlung, die heute rund 66.000 Stücke enthält.
Wichtige Geschichtsquellen
Wie Christian Stoess in der Feierstunde berichtete, legte Johannes Rau, seines Zeichens Propst an der Berliner Nikolaikirche, den Grundstock, als er seine 1500 „Blechmünzen“, wie man damals sagte, der Akademie der Wissenschaften überließ. „Bis heute haben viele Generationen an dieser Sammlung weiter gearbeitet, sie ausgebaut, verbessert und wissenschaftlich erschlossen“, sagte Stoess und nannte bedeutende Sammler von Johann Carl Wilhelm Moehsen bis Hermann Dannenberg. Für Johannes Rau waren die Denare und Brakteaten wichtige Quellen für die Historie und gut geeignet, die Genealogie mittelalterlicher Herrscher zu dokumentieren und wichtige Erkenntnisse über die Landesgeschichte zu gewinnen. Nicht der wenig an Wissenschaft interessierte Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. bekam vor 300 Jahren den Schatz, sondern die Berliner Akademie der Wissenschaften. Sie publizierte keinen Katalog, sondern stellte nur ausgewählte Stücke auf 24 Kupferstichtafeln dar, die heute bei der Identifizierung der einen oder anderen Münze aus der Sammlung Rau erlauben.
Im Verlauf der vom Streichorchester der Neuen Philharmonie und der Sängerin Alexandra Kreutz musikalisch umrahmten Festveranstaltung richteten Karsten Dahmen (Münzkabinett), Gero Dimter (Vizepräsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz) und Antje Scherner (Direktorin der Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst im Bode-Museum) den Blick zurück auf geleistete Arbeit und nach vorn auf Projekte, Ausstellungen und andere Vorhaben. Trotz angespannter Haushaltslage stehen im Münzkabinett weder die Forschung noch die Ausstellungsarbeit still. Schon jetzt bereiten sich die Staatlichen Museen auf die Zweihundertjahrfeier der Eröffnung von Schinkels Altem Museum am Lustgarten 2030 und zwei Jahre später auf den Abschluss der Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten im Pergamonmuseum vor. Im Münzkabinett werden mit Unterstützung von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiterhin verschiedene Bestandsgruppen untersucht sowie Ausstellungen und Publikationen erarbeitet.
25. Oktober 2024