„Unendlicher Frühling von Früchten der Kunst“
Florian Haymann gibt Ratschläge für Antikensammler und solche, die es werden wollen, und was beim Kauf zu beachten ist



Es ist noch nicht lange her, dass die Beschäftigung mit alten Münzen als Spleen von Sonderlingen belächelt wurde, dabei tragen sie in signifikanter Weise dazu bei, das Leben in längst vergangenen Zeiten zu verstehen. Der bronzene Gelehrter mit Filzpantoffeln vertieft sich im Studiensaal des Berliner Münzkabinetts in ein Buch. Die Karikatur aus dem 19. Jahrhundert macht sich über Leute lustig, die sich an alten Münzen erfreuen.





Die Athener „Eulenmünzen“ waren beliebt und weit verbreitet, man könnte sie auch Euro der Antike nennen. Die Tetradrachmen von Alexander dem Großen, König von Makedonien, waren bis nach Indien verbreitet.



Das Relief aus Neumagen bei Trier aus dem dritten nachchristlichen Jahrhundert stammt von einem Grabmal und zeigt, wie die Römer ihre Pacht bezahlten.



Von dem für Julius Caesar geprägten Aureus sind nur zehn Exemplare bekannt, entsprechend hoch ist der Preis. Hin und wieder erscheinen auf Römermünzen Familienangehörige der amtierenden Kaiser, hier Otacilia Severa, die Gemahlin des Philippus Arabs, auf einem Dupondius von 248.







Eine Strahlenkrone schmückt den Kopf von Kaiser Caracalla. Er ließ seine Gegner ermorden und fiel selber einem Attentat zum Opfer.





Um die ungewöhnlich, manchmal wie kleine Näpfe oder Schüsseln geformten Münzen der Kelten ranken sich manche Legenden. Eine behauptet, dass man sie am Ende eines Regenbogens finden kann, was ihnen den volkstümlichen Namen Regenbogenschüsselchen eintrug. Bei vielen Stücken kann man beobachten, wie ehemals edel gestaltete Porträts sowie Tiere und Pflanzen verballhornt wurden, ja wie aus klaren Inschriften unlesbare Zeichen entstanden.



Wichtigstes Nominal des Byzantinischen Reichs war der mit christlichen Motiven und Herrscherbildern geschmückte Solidus, eine Goldmünze im Gewicht von etwa 4,2 Gramm, die dem 72. Teil dieses römischen Pfundes entsprach und leichter als der Aureus der Römer war. Kleine Beträge wurden mit Follis aus Kupfer bezahlt, von denen 420 Stück auf einen Solidus gingen. Fotos Caspar/Repros aus dem hier besprochenen Buch

Obwohl es Hinweise gibt, dass man schon in der Antike Münzen gesammelt hat, die ein besonderes Ereignis feiern oder eine berühmte Person abbilden oder weil man nur schön fand – erst richtig kam das Münzensammeln in der Renaissance auf. In jener Zeit also, da sich Gelehrte und Künstler auf die Kultur und Kunst der alten Griechen und Römer besannen und nach Zeugnissen aus dieser Epoche suchten. Da nimmt es nicht Wunder, dass dabei auch das Geld dieser untergegangenen Völkerschaften ins Blickfeld rückte. Fürstliche Heerführer sollen sich beim Anblick von Kaiserbildnissen auf Römermünzen zu Mut aufgefordert gefühlt haben, und auch die Verarbeitung solcher Gepräge zu Hals-, Finger- oder Gefäßschmuck spricht für die besondere Wertschätzung alten Geldes. Von da ab war es nicht weit, dass Münzkabinette systematisch angelegt und die ersten Kataloge veröffentlicht wurden.

Bis heute hält die Liebe zu antiken Münzen an, der Handel hält große Mengen bereit. Unter ihnen sind teure Raritäten ebenso wie häufige und preiswerte Stücke zu finden, die sich als Einstieg in die faszinierende Welt der Statere und Drachmen, der Aurei und Solidi, der Denare und Sesterzen und wie sie alle heißen eignen. Der auf antike Münzen spezialisierte Sachverständige Florian Haymann hat 2024 im Battenberg Gietl Verlag Regenstauf in zweiter überarbeiteter Auflage den Ratgeber „Antike Münzen sammeln – Einführung in die griechische und römische Numismatik, Exkurse zu keltischen und byzantinischen Münzen“ herausgebracht (171 Seiten, zahlreiche farbige Abb., ISBN 978-3-86646-248-9). Das Buch, das sich an Antikensammler und solche, die es werden möchten, wendet, beginnt mit Hinweisen auf die Geschichte der Numismatik und des Münzensammelns und die Entwicklung von Preisen und Prioritäten früher und heute, um dann auf die uns sehr archaisch anmutende Metallgewinnung, Metallverarbeitung und Prägetechnik in antiker Zeit einzugehen.

Viel hilft nicht viel

Der Verfasser gibt nicht nur wichtige Hinweise für den Kauf und Verkauf von Antiken und worauf man bei ihrer Bewertung achten sollte, also Erhaltung, Patina, Sauberkeit der Prägeweise, Beschädigungen und so weiter. Er rät, gewisse Moden, die kommen und gehen, nicht mitzumachen, also nicht teures Geld auszugeben, nur weil das konkurrierende Sammler tun oder weil ein bestimmtes Thema gerade en vogue ist. Um an antiken Münzen Freude zu haben rät er, sich sogenannten Randgebieten zuzuwenden und lieber weniger aber dafür gut zu kaufen, denn auch in diesem Bereich gilt „Viel hilft nicht viel.“ Weiter geht es zu Themen wie Erhaltungsgrade, Fälschungen und Manipulationen und das vor allem bei den alten Römern so wichtige Thema der Paduaner, die in der Renaissance gefertigt und heute als eigenständige Schöpfungen italienischer Stempelschneidekunst gut bewertet und bezahlt werden. Bei Angeboten z. B. im Internet sollte man sich nicht auf Fotos und Beschreibungen verlassen, sondern danach trachten, die Stücke von allen Seiten zu betrachten. Plastikbehälter mit Echtheitszertifikat, die so genannten Slabs, bieten keine absolute Garantie, denn auch sie können, wie vieles andere, gefälscht werden. Teure und seltene Stücke sollte man nur bei Mitgliedern eines Händlerverbandes kaufen, die für die Echtheit ihrer Stücke einstehen und bei begründetem Zweifel Fälschungen zurück nehmen.

Die farbig voneinander abgesetzten Kapitel mit den Münzfotos und Bildbeschreibungen gehen auf markante Münzen von den Lydien und Griechen bis zu den Byzantinern und Kelten ein. Die Ausgestaltung der Münzen mit Götterbildern,Tieren, Pflanzen und anderen Motiven, aber auch Herrscherporträts zeigt den ganzen Kosmos dieses Genres. Jedesmal ergänzt der Verfasser seine Betrachtungen durch Hinweise auf weiterführende Literatur, die am Ende des Buches in einer umfangreichen Bibliographie zusammengefasst und durch eine Aufstellung berühmter Antikensammlungen sowie Datenbanken im Internet erweitert werden.

Goethe als Sammler

Das Geldwesen der alten Griechen bekam einen Höhenflug nach dem anderen. Vieles aus dieser Zeit wäre vergessen, gäbe es nicht die herrlich gestalteten, dabei auf ganz einfachem Weg erzeugten Münzen. Johann Wolfgang von Goethe sah welche während seiner Italienischen Reise und fand diese enthusiastischen Worte: „Welch ein Gewinn, wenn man auch nur vorläufig übersieht, wie die alte Welt mit Städten übersät war, deren kleinste, wo nicht eine ganze Reihe der Kunstgeschichte, wenigstens doch einige Epochen derselben uns in köstlichen Münzen hinterließ. Aus diesen Schubkasten lacht uns ein unendlicher Frühling von Blüten und Früchten der Kunst, eines in höherem Sinne geführten Lebensgewerbes und was nicht alles mehr hervor. Der Glanz sicilischer Städte, jetzt verdunkelt, glänzt aus diesen geformten Metallen wieder frisch hervor“.

Aus Italien zurück gekehrt bemühte sich Goethe, eine Münzen- und bald schon eine Medaillensammlung aufzubauen. Schriftlichen Hinterlassenschaften und Äußerungen von Freunden und Besuchern ist zu entnehmen, dass Unterhaltungen über Münzen und Medaillen zu Goethes Tagesablauf gehörten, und es war eine besondere Auszeichnung, wenn der Dichter und Weimarer Minister Besuchern seine Schätze zeigte. Dabei dürfte er ihnen auch erklärt haben, wie wichtig die Patina bei alten Münzen ist. Im zweiten Teil des „Faust“ lässt der Dichter den Philosophen Thales sagen: „Das ist es ja, was man begehrt, / der Rost macht erst die Münze wert“, worauf Proteus bemerkt: 2So etwas freut mich alten Fabler! / Je wunderlicher, desto respektabler.“ Auch Florian Heymann weist in seinem Buch darauf hin, wie aussagekräftig die Patina von Münzen ist und dass Fälscher große Mühe haben, sie nachzuahmen.

Nach einem Abschnitt über das Zeitalter der griechischen Könige, als der Hellenismus seinen Höhepunkt hatte, kommt Heymann auf die bunte Welt der Münzen der Ptolemäer, Seleukiden und Makedonier zu sprechen und macht Lust, solche Stücke zu erwerben. Nicht alle müssen sehr teuer sein, viele Preise bewegen sich im zwei- und dreistelligen Bereichen. Nachdem im ersten vorchristlichen Jahrhundert große Teile Europas und des gesamten Mittelmeerraums unter römische Herrschaft gerieten, behielten griechischsprachige Städte noch eine Zeit lang ihre Autonomie und eigene Münzprägung, die der Verfasser in einem eigenen Abschnitt vorstellt. Es folgt das so genannte Schwergeld der Römischen Republik, das aus eckigen und runden Barren aus Kupfer besteht und mit Götterköpfen, Tieren und Schiffen geschmückt wurde. Diese Stücke zu deuten sei sehr schwer, schreibt Heymann, weil es dazu keine schriftlichen und numismatischen Quellen gibt. Texte einiger antiker Autoren mit Bemerkungen zu diesem Thema wurden erst viel später verfasst und sind daher nicht besonders aussagekräftig.

Sklavenarbeit in Bergwerken und Schmieden

Die schon in der Renaissance und im Barock besonders gern gesammelten Münzen der römischen Kaiser werden im folgenden Abschnitt ausführlich beschrieben. Für ihr riesiges Herrschaftsgebiet benötigten die Römer wurden große Mengen an Gold-, Silber-, Kupfer- und Bronzemünzen. Das Metall zu gewinnen und zu verarbeiten, die Münzen mit einfachen Werkzeugen zu prägen und sodann in Umlauf zu setzen, war eine große technische logistische Herausforderung. Dass Sklaven und Kriegsgefangene in den Bergwerken und Münzschmieden schuften mussten, sollte beim Anblick der mit Kaiserköpfen, Götterbildern, Bauwerken und anderen Motiven geschmückten Münzen nicht außer Acht gelassen werden. Sie waren und sind sicher auch deshalb bei Sammlern beliebt und begehrt, weil sie sehr gut erforscht und publiziert sind, aber auch weil man wunderbare Serien zusammenstellen kann, an denen man Aufstieg, Blüte und Zerfall des Römischen Reiches und seiner Eliten studieren kann. Viele interessante Stücke blieben erhalten. In Münzfunden kommen in großen Mengen auch heute immer wieder neue, manchmal ganz unbekannte Stücke ans Tageslicht.

Das Buch erläutert, welche unterschiedlichen Geldstücke geprägt und wie Aurei, Denare, Sesterzen und all die anderen Nominale untereinander bewertet wurden. Es folgen Darlegungen über typische Legenden, mit denen sich die Herrscher als Sieger über fremde Länder und Völker feierten, sich als Wohltäter und Vater des Vaterlandes ausgaben und unterstrichen, dass für sie das Wohl ihrer Untertanen oberstes Gebot ist. Wir wissen, dass die wenigsten Herrscher diesen Ansprüchen genügten. Unter den Kaisern und Kaiserlingen, wie Goethe formulierte, gab es finstere Despoten und grausame Menschenschlächter, die nicht selten Opfer ihrer Machtgelüste wurden und von denen man damals und heute mit Abscheu spricht. Großen Wert legten die Stempelschneider auf eine möglichst lebenswahre Wiedergabe der Kaiserbüsten, denn die Münzen erfüllten wichtigen Aufgabe nicht nur im Zahlungs- und Wirtschaftsverkehr, sondern auch bei der Kommunikation zwischen Rom und seinen einzelnen Provinzen. Dort sollte man sehen, wie der Imperator aussieht und welche Botschaften hinaus in die damals bekannte Welt er sendet.

Römischer Götterhimmel

Eine herausragende Rolle spielen auf den Münzen die von den Römern verehrten Götter, angefangen von Jupiter und Juno Regina bis hinunter zu Ceres und Vulcanus. Mit ihren Attributen werden in Heymanns Buch auch weniger verbreitete Götter vorgestellt, so Fortuna, Felicitas und Aeternitas. Weitere Motive sind die Kaiser und ihre Familienangehörigen, das Militär sowie Tempel und andere markante Bauten wie der Hafen von Ostia und das unter Kaiser Vespasian erbaute Kolosseum, das mit Tempeln, Triumphsäulen und -bögen, Wasserleitungen, Thermen und Palästen bis heute von der Macht und Größe des Römischen Reiches erzählt.

Während bei den Griechen und Römern und anderen Völkern der klassischen Antike die Münzkunst in schönster Blüte stand, prägten keltische Völkerschaften in Anlehnung an diese Geldstücke eigene Münzen. Da die Galater beziehungsweise Gallier, wie die Griechen und Römer diese in weiten Teilen Europas ansässigen Völkerschaften nannten, keine schriftlichen Zeugnisse hinterließen, besitzen ihre materiellen Zeugnisse etwa in Form von Münzen oder Goldschmiedearbeiten großen Quellenwert. Die Geldstücke ahmen ziemlich unbeholfen die Zahlungsmittel der Griechen und Römer nach. Man nimmt an, dass die Kelten geprägtes Geld zur Bildung von Schätzen in Notzeiten, aber auch zur Bezahlung von Söldnern sowie als Tribute und als Opfergabe verwendet haben. Da viele antike Funde auch solche Münzen enthalten, kann man von weitreichenden Beziehungen zwischen keltischen und anderen Stämmen und Völkerschaften ausgehen.

Byzantiner und Kelten

Florian Heymann widmet den Münzen der von Griechen und Römern als barbarisch, feindlich und bedrohlich empfundenen Kelten sowie denen des Byzantinischen Reichs am Ende seines Buches nur zwei Exkurse und verweist auf die umfangreiche Literatur über diese Gebiete. Wie keltische Münzen, so erfreut sich auch das Geld des Byzantinischen Kaiserreiches bei Sammlern großer Beliebtheit. Die zwischen dem fünften nachchristlichen Jahrhundert und dem 15. Jahrhundert geprägten Gold- und Kupfermünzen sind wie die numismatischen Hinterlassenschaften der Kelten gut erforscht und katalogisiert. Das von den oströmischen Kaisern regierte Land war über lange Zeiten „die“ bestimmende Macht im Mittelmeerraum. Seine christlichen Herrscher entfalteten bis zur Eroberung von Konstantinopel durch die Osmanen im Jahr 1443 in der Hauptstadt und an weiteren Orten eine große Pracht, die Besucher aus West- und Südeuropa staunen ließ.

Wenn vom Byzantinischen Kaiserreich gesprochen wird, bezieht sich der Name auf die Hafenstadt Byzantion am Bosporus, die im Jahr 330 von Kaiser Constantin I., dem Großen, zur Hauptstadt des Römischen Reiches erhoben wurde. Die ständigen Kriege, der sprichwörtlich byzantinische Prunk am Kaiserhof, die prächtigen Kirchen und Paläste, die das ganze Land durchziehende Straßen und Wasserleitungen, das Heer und der Beamtenapparat und vieles andere kosteten Unsummen. Die Kaiser legten daher großen Wert auf ein geordnetes Münzwesen und reformierten es mehrfach. Im Unterschied zum Weströmischen Reich spielte im Reich von Byzanz das Silber eine untergeordnete Rolle.

Unaufhaltsamer Niedergang

Die Münzen der byzantinischen Kaiser sind ziemlich einförmig gestaltet. Zum Brustbild des Herrschers mit allen seinen Insignien in Vorder- oder Seitenansicht erkennt man rückseitig das auf drei Stufen gestellte christliche Kreuz, aber auch Inschriften und Ornamente. In der Spätzeit des Oströmischen Reiches hat man Bilder der Gottesmutter mit denen von Jesus Christus kombiniert, der den Kaiser segnet. Dass es mit dem Reich von Byzanz langsam zu Ende ging, erkennt man an immer nachlässiger geschnittenen Münzen, die so gar nichts mehr mit den noch um Individualität bemühten Prägungen aus der Frühzeit gemein haben. Die allerletzten Geldstücke sind pfennigartige Silberstücke, die nur noch in Umrissen den reitenden Kaiser ahnen lassen. Dass es mit „Ostrom“, wie man das Reich von Byzanz auch nannte, unaufhaltsam zu Ende ging, lässt sich auch an den dort geprägten Münzen ablesen, deren Schnitt und Beschriftung mit der Zeit so vernachlässigt wurde, dass man kaum noch etwas erkennen kann.

4. April 2024