Herkules, Fortuna und der geflügelte Saturn
Mit der Darstellung heidnischer Götter auf Münzen und Medaillen hatte man in christlicher Zeit kein Problem



Balthasar Permosers Hercules Saxonicus schmückt den Wallpavillon des Dresdner Zwingers. Die Figur mit der Weltkugel wiegt beachtliche 5,5 Tonnen und ist eine Hommage an August den Starken, der einen prachtvollen Hof unterhielt und aus Dresden das berühmte Elbflorenz machte.



Die Talerklippe von 1697 feiert August den Starken als unbezwingbaren Helden, der er in , der er in Wirklichkeit aber nicht war. Schon früher hatten die sächsischen Kurfürsten solche Münzen prägen lassen.



Die sächsische Medaille von 1719 feiert mit Anspieungen auf die antike Götterwelt die „Saturnalien“ anlässlich der Fürstenhochzeit in Dresden.



Zur Hochzeit des Kurprinzen Friedrich August von Sachsen, ab 1733 Kurfürst Friedrich August II. und als König von Polen August III. kamen sieben Medaillen mit Personifikationen der sieben Planeten Jupiter (Foto), Diana, Mars, Merkur, Saturn, Sol (Sonne) und Venus heraus.



Der dem römisch-deutschen Kaiser Franz I. gewidmete und auf seine Leidenschaft für Münzen und Medaillen anspielende Kupferstich aus dem 18. Jahrhundert zeigt Saturn und die drei für die Münzprägung zuständigen Monetae. Beliebtes Attribut barocker Kupferstiche mit Bezug auf Münzen und Medaillen waren Saturn und die Spindelpresse.



Der bärtige Chronos oder Saturn beschützt in der Klosterkirche zu Zinna (Land Brandenburg) ein barockes Grabmal. Hier haben die Kurfürsten von Brandenburg und von Sachsen 1667 den Zinnaer Münzvertrag zur Angleichung ihrer Münzangelegenheiten abgeschlossen. Er war ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Münzeinheit, die gut 200 Jahre später durch die Einführung von Mark und Pfennig hergestellt wurde.





Fortuna war auf Münzen und Medaillen und auch auf Spielmarken - hier aus dem Fürstrentum Waldeck - ein außerordentlich beliebtes Motiv. Die Glücksgöttin wird als Symbol des nie ganz beherrschbaren Schicksals auf einer Medaille zur Teuerung und den Hunger in den Jahren 1816/17 gezeigt.



Der braunschweigische Lösertaler von 1618 bildet die antike Göttin Fortuna ab, wie sie auf einer geflügelten Kugel mit ihrem Segel allen Gefahren standhält, aber auch auf schwankendem Boden steht. Die Inschrift auf dem seltenen mecklenburgischen Taler FORTUNE IN FORTUNE FORT UNE meint, dass das Glück des einen das Unglück des anderen ist. Die Aussage der Prägungen ist, dass man sich nicht nicht passiv seinem Schicksal ergeben, sondern es kraftvoll in die eigene Hände nehmen soll.



Die nackte Fortuna auf der Kugel mit dem Segel in den Händen ist eine Anspielung auf den Namen der vom dänischen König Christian IV. gegründeten Hafen- und Festungsstadt Glückstadt im heutigen Bundesland Schleswig-Holstein.



Die Medaille des Münsterschen Stempelschneiders Hermann Ketteler auf den Spanisch-niederländischen Frieden zu Münster 1648 zeigt wie die Friedensgöttin Pax Waffen und Rüstungen zermalmt.



Auf volkstümlichen Zinnmedaille von 1779 posaunt Fama den Friedensschluss von Teschen zwischen Preußen und Österreich in alle Welt. Mit ihm wurde der Bayerische Erbfolgekrieg beendet. Die auch für die Jugend und Fruchtbarkeit zuständige Göttin Flora schüttet mit dem Füllhorn Blüten und Früchte über dem Erdkreis aus.(Fotos/Repros: Caspar)

Die Frage, was „heidnische“ Götter auf christlichen Münzen und Medaillen zu suchen haben, lässt sich nicht einfach beantworten. Wir finden sie überall auf Gemälden aus der Zeit seit der Renaissance, aber auch als Skulpturen etwa in Form von Grabdenkmalen oder Gartenplastiken. Sie bevölkern Silberarbeiten und Porzellane und sind auch als Buchschmuck präsent. Maler der Barockzeit wie Velázquez, Rembrandt und El Greco haben Gestalten aus der antiken Mythologie neu belebt und gleichzeitig Motive aus der Bibel und von christlichen Märtyrern geschaffen. Wenn wir Münzen und Medaillen Augusts des Starken, seit 1694 Kurfürst von Sachsen und seit 1697 König von Polen, betrachten, dann sehen wir, dass sich der prunkliebende und kunstsinnige Monarch als Hercules saxonicus feiern ließ.

August war ein barocker Lebemann, dem man nachgesagt hat, dass er mit seinen diversen Mätressen 300 Kinder hatte und über geradezu übermenschliche Kräfte verfügte. Das erste ist stark übertrieben das andere mag zutreffen, denn es ist überliefert, dass der Hüne von Mann Hufeisen, Silberteller und Eisenrohre mit den bloßen Händen biegen konnte und auch schon mal zum Spaß Höflinge am langen Arm aus dem Fenster seines Schlosses gehalten hat.

Antiker Löwenbezwinger als Vorbild

Gern verglich sich der Wettiner mit Hercules, dem Löwen bezwingenden Helden der antiken Mythologie, und so ließ er sich wie sein Vorbild als Hercules saxonicus darstellen, der mit einem Löwenfell über der Schulter den Erdball trägt und seine Feinde kraftvoll mit der Keule niederstreckt. Ein Vertrauter beschrieb ihn so: „Der König ist ein gut aussehender Fürst, der zu gefallen versteht und die Herzen jener gewinnt, die ihn sehen. Er ist kräftig und gesund geartet, und wenn er sich nicht allzu viel zumuten würde, so könnte er auch ein hohes Alter erreichen.“ Diese Voraussage traf nicht ein, denn August starb 1733 mit 62 Jahren als übergewichtiger, an Diabetes mellitus, Bluthochdruck und anderen damals schwer zu behandelnden Krankheiten leidender Mann.

Da Friedrich August ein zweitgeborener Prinz war, hatte er auf die Thronfolge kaum Aussicht. Die trat überraschend ein, als Johann Georg IV. 1694 überraschend an den Blattern starb, ohne Kinder zu hinterlassen. Folglich bestieg Friedrich August mit 24 Jahren den Thron. „Das ganze Land jubelte“, behauptete August der Starke, „mich an die Stelle meines Bruders treten zu sehen, da man mein sanftes Gemüt kannte. (...) Mein einziger Wunsch war kriegerischer Ruhm“. Dieses im Verständnis der Barockzeit höchste Glück blieb dem ehrgeizigen Herrscher jedoch versagt, er verlor sogar im Nordischen Krieg (1700 bis 1721) für einige Zeit die polnische Königskrone. Erfolg hatte er bei der Zentralisation der Verwaltung, beim Ausbau der Wirtschaft, als Bauherr und Kunstsammler. Nach dem Übertritt zum Katholizismus und der Zahlung von Bestechungsgeldern gelang es ihm 1697, die Wahlmänner auf seine Seite zu ziehen und die polnische Königskrone zu erwerben. August der Starke hinterließ 1733 ein geordnetes, wirtschaftlich gesundetes Land, das alsbald in den Strudel der vom Preußenkönig Friedrich II. angezettelten Schlesischen Kriege gezogen wurde.

Was die Anleihen aus der antiken Mythologie betrifft, so hatte man damit weder in katholischen noch in evangelischen Ländern kein Problem. Zwar dominierten auf deren Münzen und Medaillen Gottvater, Jesus Christus und seine Mutter Maria sowie zahlreiche heilige Männer und Frauen. Es kam aber vor, dass ergänzend zu diesen christlichen Motiven auf Münzen und Medaillen auch jene Figuren aus dem antiken Götterhimmel erschienen, für die es keine Entsprechung in der Bibel und anderen Schriften gab. Die Wiedererweckung der antiken Kunst und Kultur in der Zeit der Renaissance während des 15. Jahrhunderts und spektakuläre Funde von Skulpturen und anderen Hinterlassenschaften der Römer und zum Teil auch der Griechen machten es möglich, dass man Anleihen bei den antiken Göttern vornahm.

Glück und Unglück, Klugheit und Fruchtbarkeit

Wie August der Starke und einige seiner Vorgänger auf dem sächsischen Thron hat man sich mit ihnen geschmückt und deren legendären Ruhm auf sich selbst und die eigene Dynastie projiziert. Und so tummeln sich auf geprägtem, manchmal gegossenem Metall, aber auch als Skulpturen und auf Gemälden Helden und Heldinnen der antiken Mythologie. Zu nennen wären Jupiter als Göttervater und Mars als Gott des Krieges, ferner Apoll als Gott des Lichts sowie der Künste, Musik, Dichtung und des Gesangs, hinzu kommen der mit Flügeln an den Beinen versehene Hermes/Merkur als Gott des Handels und der Diebe, Fama als Verkünderin guter und schlechter Nachrichten, Saturn als Gott des Ackerbaus und der guten Ernte sowie Wächter des römischen Staatsschatzes. Ferner sind Minerva als Göttin der Weisheit und Kriegführung, Ceres und Flora haben als Göttinnen des Landbaus und der Fruchtbarkeit ebenfalls wichtige Aufgaben zu erfüllen. Nicht zuletzt sind Fortuna als Göttin des Glücks und des Schicksals zu nennen, aber auch Venus und Amor als Götter der Liebe und der geflügelte Chronos mit dem Stundenglas und der Sense als Begründer des Goldenen Zeitalters und Wächter über die Zeit. In der Bildenden Kunst hat man es seit der Renaissance mit der Zuordnung der antiken Götter für ein ihnen speziell zugedachtes „Fach“ nicht immer ganz genau genommen.

Anlässlich der 1719 in Dresden prunkvoll gefeierten Hochzeit des Kurprinzen Friedrich August mit der Kaisertochter Josepha von Österreich gab Feste, Turniere und Feuerwerke. Außerdem hat August der Starke, der sich durch die neue Verbindung nach Wien Chancen für den römisch-deutschen Kaiserthron ausrechnete, gab auch eine Reihe von so genannten Planetenmedaillen in Auftrag. Sie zeigen keine christlichen Motive, sondern bilden Jupiter, den antiken Göttervater auf einer Wolke sitzend, und sein Gefolge ab. Die Rückseite einer von Oluf Wif geschaffenen Medaille zeigt den damals noch im Bau befindlichen Dresdner Zwinger, in dessen Hof die Festlichkeiten stattfanden. Eine weitere Medaille nennt die Festlichkeiten ausdrücklich „Saturnalia“ und zieht vom Jahr 1719 eine direkte Linie in die römische Antike. Die Saturnalienmedaille von 1719 und die komplette Folge der Planetenmedaillen, die von Apollo bis zur Venus reicht, sind in dem 1888 von Julius und Albert Erbstein herausgegebenen Katalog der Sammlung Engelhardt unter der Nummer 1363 und 1364 verzeichnet und wurde zum Preis von 400 Mark angeboten.

Glücksbringer an Feiertagen

Eine andere Planetenmedaille ohne Signatur zeigt den Dresdner Altmarkt und den Kriegsgott Mars im „römischen Habit“ mit einem Schwert und einem Schild an der Seite. Dass hier durch ein antikisierendes Motiv die Übereinkunft von zwei christlichen Ländern symbolisiert wird, erregte in der damaligen Zeit keinen Anstoß. Den 1742 geschlossenen Frieden von Breslau mit dem der erste Schlesische Krieg zwischen und Österreich geschlossen wurde, hat man mit einer Serie von Medaillen gefeiert. Eine ehrt den preußischen König Friedrich II. als neuen Herrn über die dem Haus Habsburg abgenommenen schlesischen Herzogtümer und zeigt auf der Rückseite den auf seine Keule gestützten Herkules samt Rüstung, Fahnen und Waffen.

Zu Weihnachten, zum Jahreswechsel oder Ostern, anlässlich einer Geburt oder Hochzeit Münzen oder Medaillen aus edlem Metall zu verschenken, ist ein alter, heute kaum noch bekannter Brauch. Zahlreiche Prägungen dieser Art sind überliefert, kleine Wertstücke, die man in kurantes Geld umwechselte oder einschmolz, wenn einmal Not am Mann war. Beliebt waren Motive, die sich auf Glück, Wohlstand und Frieden beziehen. Sucht man gezielt, findet man Belege aus Mecklenburg und Braunschweig sowie aus Glückstadt in Schleswig-Holstein, wo man zahlreiche Münzen mit der Glücksgöttin Fortuna geprägt hat. Fortuna dient hier als redendes Wappen, vergleichbar mit Magdeburg (Magd über der Burg), Schaffhausen (aus einem Haus springendes Schaf) oder Henneberg (Henne auf einem Berg). Glückstadt sollte nach dem Willen seines Gründers in wirtschaftlich in Konkurrenz zu Hamburg treten und diente auch als befestigter Vorposten zum Schutz der Dänen.

Herrscher und ihre Tugenden

Den antiken Gott Saturn hat man mit Sorgen, Krankheit und harter Arbeit, jedoch auch mit Ordnung und Maß in Verbindung gebracht und einer Sichel oder Sense dargestellt. Als Sohn von Uranus (dem Himmel) und Gaia (der Erde) spielte er nach der Legende eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung unserer Welt. Er herrschte im Goldenen Zeitalter, in dem Frieden und Wohlstand an oberster Stelle standen. Ihm wird allerdings auch nachgesagt, dass er seine eigenen Kinder verschlang. Sein Sohn Zeus, den die Römer Jupiter nannten, stürzte ihn und übernahm die Kontrolle über das Universum. Saturn hat man mit der Zeitrechnung, Landwirtschaft und Reichtum in Verbindung gebracht. Seine Sichel oder Sense wird als Symbol für reiche Ernte gedeutet.

Saturn schmückt Grabmäler anstelle von gräulichen Gerippen und als allegorische Figur zur Huldigung von Herrschern und ihren Tugenden. Das hätte man auch mit Hilfe von Motiven aus der Bibel und mit heiligen Männern und Frauen tun können und hat es auch getan. Aber offenbar bevorzugte der Zeitgeist vor allem mythologische Helden und Motive, um das gleiche Ziel zu erreichen. Im antiken Rom hat man mehrere Tage die Saturnalien zu Ehren des Saturn zum Abschluss der Winteraussaat gefeiert. Sie waren verbunden mit Opfern für den Saturntempel auf Forum Romanum und karnevalesken Umzügen. Dabei spielte die kurzzeitige Beseitigung der Standesunterschiede ebenso eine Rolle die gegenseitiges Beschenken und dass die Herren ihre Sklaven bedienten. -->

16. Februar 2024