Sterntaler, Hirschgulden, Love Dollar
Was von Legenden um alte Münzen zu halten ist und wie sie zu ungewöhnlichen Namen kamen


Der Hurenkarrentaler von 1622 ist eine erstklassige Magdeburger Rarität, die 1750 in den „Wöchentlichen Historischen Münzbelustigungen“ abgebildet und kommentiert wurde.

Mit so genannten Sterntalern von 1778 hat Landgraf Friedrich II. von Hessen Kassel im späten 18. Jahrhundert die Hinterbliebenen seiner in Amerika verbluteten „Landeskinder“ entschädigt.

Stolz präsentiert sich Frankfurt am Main auf dem doppelten Vereinstaler von 1860 mit der Francofurtia, der Symbolfigur der Freien Stadt, da Fürstenbilder hier ausgeschlossen waren. Die Deklaration als Love Dollar verschaffte den Silberstücken in den USA guten Absatz.

Wie alle Münzen der Kipper und Wipper waren auch die doppelten und einfachen Hirschgulden zu 120 und 60 Kreuzer von 1623 unbeliebt und wurden nach Überwindung der Finanzkrise aus dem Verkehr gezogen. Die Legende will sagen, dass für einen solchen Hirschgulden die Stadt von Balingen und Umgebung an den württembergischen Landesfürsten verkauft wurde. Das war für den einen ein schlechtes und den anderen ein gutes Geschäft.

Bis weit in die Neuzeit wurden antiken Silbermünzen nachempfundene „Schekel“ in einem Nachbau des Heiligen Grabes von Jerusalem in Görlitz an Pilger verkauft.

Dass auf den Ursulatalern auch ein Papst mit seiner dreifachen Krone dargestellt ist, geht auf die Legende zurück, dass dieser mit weiteren Kirchenfürsten an der Rückfahrt nach Rom teilgenommen hat. Die Nachprägung stammt aus der Zeit um 1620.

Viel Rätselraten gibt es über die so genannten Pfaffenfeindtaler, die der „tolle“ Herzog Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel 1622 prägen ließ. Nachprägungen mit dem aufgespießten Birett katholischer Geistlicher stammen aus dem späten 17. Jahrhundert. (Fotos/Repro: Caspar)
Dass sich um alte Münzen Legenden ranken, ist nicht selten. Da gibt es die Geschichte vom Magdeburger Hurenkarrentaler von 1622, der auf die Gründung der Stadt durch Kaiser Otto den Großen anspielt. Von ihm kommen als einfache und mehrfache Taler, aber auch Klippen und sogar als Zehn-Dukaten-Stücke im Gewicht von 31 bis 34 Gramm vor. Dargestellt ist auf der Vorderseite der reitende Kaiser, während auf der Rückseite vier nackte Frauen auf einem Wagen stehen, der von Schwänen gezogenen wird. Die Inschrift „Venus die heydnisch gottin zart. / so blos hier angebettet wart / Hegegen gepflantzt an dies: ort“ meint, dass der Ort ein Hort des Heidentums und der Lust war, bevor Kaiser Otto I. ihn zu einer christlichen, ganz der Sitte und Moral verpflichteten Stadt machte.
Heidnische Gräuel
In den „Wöchentlichen Historischen Münzbelustigungen“ von 1750 setzte sich der berühmte Münzforscher Johann David Köhler mit der Spottmünze auseinander und bildete sie auch ab. „Unter einem solchen ehrbarn und züchtigen Volcke, welches die Hurerey und den Ehebruch äußerst verabscheuete, und mit der größten Strenge bestrafete, konte ein Römischer Hurentempel keinen Platz haben“, behauptete Köhler. Der Auftraggeber hätte bedenken sollen, „diesen Zucht und Ehrliebenden Teutschen angedichteten Heydnischen Greul mit einem so frechen und geilen Aufzug auf demselben vorzustellen, indem er damit veranlasset hat, daß man denselben auf allerhand Begebenheiten geschlagenen, und deswegen mit gewissen Beynahmen belegten Thalern, unter den schändlichen Nahmen des Hurenkarrenthalers beyzehlen kan“.
Friedrich von Schrötter, der Altmeister der brandenburgisch-preußischen Münzgeschichte, zitiert in seinem Buch von 1909 über die Münzen des Erzbistums und der Stadt Magdeburg aus einer Geschichte der Stadt Magdeburg von 1850, wonach „liederliche Frauenspersonen“ dem öffentlichen Spott preisgegeben und vor einen von Schwänen gezogenen Wagen gespannt und mit Flederwischen und Schellen behängt wurden. „So mussten sie ihn vom Rathause nach den Wohnungen des Bürgermeisters und des Marktrichters ziehen und bekamen Schläge, wenn sie nicht munter zuschritten“. Schrötter zufolge bestand der Brauch bis ins 18. Jahrhundert hinein, also bis in die preußische Zeit. Üblich war es damals, Gesetzes- und Ehebrecher an den Pranger zu stellen und öffentlich auszupeitschen. Dazu gehörte auch, sie durch die Straßen zu führen und öffentlicher Verachtung preiszugeben.
"Juchhe! Nach Amerika!"
Ganz anders lautet die Legende von den Sterntalern, die auf wundersame Weise einem im Wald umherirrenden Mädchen vom Himmel in den Schoß fallen. Das Kind hatte einem armen alten Mann ein Stück Brot und einem frierenden Kind seine Mütze geschenkt. Für seine Freigebigkeit wurde das arme Mädchen auf wundersame Weise belohnt, denn es regnete Taler vom Himmel, die eingesammelt wurden und ihm ein sorgenfreies Leben ermöglichten. Sterntaler gab es tatsächlich, sie wurden 1778 unter Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel geprägt und erhielten in den damals noch jungen Vereinigten Staaten den wenig schmeichelhaften Namen „Blooddollar“. Um seine teure Hofhaltung finanzieren zu können, vermietete der Landgraf Untertanen an auswärtige Staaten, vor allem an Großbritannien. Dessen König Georg III. setzte die Soldaten aus dem fernen Hessen in Nordamerika gegen die Unabhängigkeitsbewegung in Marsch. Ihnen wurde ein sicheres Auskommen versprochen, über die wirklichen Gefahren der Überfahrt und das, was sie auf dem fernen Kontinent erwartete, ließ man im Unklaren. Über 20 000 Hessen mussten für fremde Interessen kämpfen, unzählige starben im Krieg zwischen England und Frankreich in Nordamerika und im Kampf gegen die Unabhängigkeitsbewegung. Der mit dem Stern des 1770 von Friedrich II. für Tapferkeit und Treue gestifteten Hausordens vom goldenen Löwen geschmückte Taler wurde zur „Entschädigung“ jener Familien verwendet, deren Väter und Söhne weit weg von der Heimat verblutet waren oder als Verwundete zurück kamen.
Lange war der Soldatenhandel anerkannte Praxis, erst mit der Aufklärung kam er in Misskredit. Friedrich Schiller fand mit Blick auf die Soldatenvermietung, mit der Herzog Karl Eugen von Württemberg viele Taler verdiente, starke Worte des Abscheus. Im 2. Akt, 2. Szene von „Kabale und Liebe“ erzählt ein alter Kammerdiener, dass die nach Amerika entsandten Männer jene Edelsteine „bezahlen“ musste, die der Fürst verschenkte. „Es traten wohl so etliche vorlaute Bursch’ vor die Front heraus und fragten den Obersten, wie teuer der Fürst das Joch Menschen verkaufe? – Aber unser gnädigster Landesherr ließ alle Regimenter auf dem Paradeplatz aufmarschieren und die Maulaffen niederschießen. Wir hörten die Büchsen knallen, sahen das Gehirn auf das Pflaster spritzen, und die ganze Armee schrie: Juchhe! Nach Amerika! [...] Noch am Stadttor drehten sie sich um und schrieen: ,Gott mit euch, Weib und Kinder! Es leb’ unser Landesvater – Am jüngsten Gericht sind wir wieder da!“
Landverkauf für Nichts
Eine andere Legende dreht sich um den so genannten Frankfurter Love Dollar, mit dem Taler und Doppeltaler gemeint sind, die die Freie Stadt Mitte des 19. Jahrhundert mit ihrer Symbolfigur, der Francofurtia, prägen ließ. Münzfreunde in den USA sahen in der schönen Frau eine Geliebte des Bankiers Rothschild und wollten die mit einer angeblichen Liebesgeschichte verbundenen Münzen unbedingt haben. Zu begehrten Sammelstücken avanciert, haben Geschäftemachern sie profitabel vertrieben. Das auch von dem damals bekannten und wegen seiner antisemitischen Äußerungen berüchtigten Historiker Heinrich von Treitschke kolportierte Gerücht, die Dame auf der Münze habe eine Liebesbeziehung mit einem Vertreter des Frankfurter Bankhauses Rothschild gehabt, war zwar falsch, hatte aber wundersame Werbewirkungen. In der Mainmetropole konnte man über die Spekulationen nur den Kopf schütteln, denn hier war man überzeugt, dass sich der Stempelschneider August von Nordheim die seinerzeit gefeierte Frankfurter Schauspielerin Fanny Janauschek zum Vorbild genommen hatte.
Der Hirschgulden spielt in einer von Gustav Schwab publizierten und von Wilhelm Hauff weiter in dem Räuberroman „Das Wirtshaus im Spessart“ ausgemalten Sage eine Rolle. Danach soll die Stadt Balingen samt dazugehörender Herrschaft an Württemberg weit unter ihrem Wert für diese Münze verkauft worden sein. Wir würden heute bei ähnlichen Geschäften von einem symbolischen Preis von einem Euro sprechen. Tatsächlich gab es diese Münzen aus schlechtem Silber mit einem Hirsch auf der Vorderseite und dem Landeswappen auf der Rückseite. Sie wurde 1622 und 1623 in verschiedenen württembergischen Münzstätten geprägt und sind typische Erzeugnisse der Kipper- und Wipperzeit zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs. Der Hirschgulden hatten einen Nominalwert von 60 Kreuzern, von ihm gibt es auch kleinere Werte. Die Münze wurde zum Inbegriff für das Verschleudern von kostbaren Gütern, in diesem Fall von Territorien und Immobilien, für einen geringen Wert.
Schauen wir in die Bibel, dann finden wir im Neuen Testament (Matthäus Kapitel 27, Vers 3-10) die Angabe, dass Judas seinen Lohn für den Verrat an Jesus Christus den Hohepriestern und Ältesten zurückgebracht hat. Die aber wollten das Geld nicht haben. So warf er den Blutlohn in den Tempel, ging hin und erhängte sich. Die Heilige Schrift fährt fort: „Aber die Hohepriester nahmen die Silberlinge und sprachen: Es taugt nicht, daß wir sie in den Gotteskasten legen; denn es ist Blutgeld. Sie hielten aber einen Rat und kauften den Töpferacker darum zum Begräbnis der Pilger“. Damit war eine Weissagung des Propheten Jesaja erfüllt. Die alten Silberlinge ließen sich anderthalb Jahrtausende später, als sich Humanisten und Kirchenmänner auf die Suche nach ihnen machten, nicht mehr finden.
Nachempfundener Schekel
Während gelehrte Deutern noch darüber nachdachten, was aus ihnen wurde, fertigten geschäftstüchtige Reliquienhersteller „Schekel“ aus Silber, Zinn und anderem Material an und trieben schwunghafter Handel mit ihnen. Sie konnten sich auf antike Vorbilder stützen, die durch Kreuzritter oder Reisende aus dem Heiligen Land nach Europa mitgebracht worden waren. Bei der Nachahmung echter Münzen des antiken Judäa aus der Zeit des ersten Aufstandes der Juden gegen die römisch Fremdherrschaft (66 - 70 n. Chr.) gingen die Kopisten recht unbekümmert vor. Der Kelch auf dem Vorbild wurde in ein Räuchergefäß umgedeutet. Buchstaben über dem Gefäß wurden als Qualmwolke gesehen. Auf der Rückseite ersetzte Lorbeer den Zweig des Granatapfelbaums. Ein anderer Fehler war die Verwendung der neuzeitlichen hebräischen Quadratschrift. Berühmt wurden die Görlitzer Schekel, die von vielen Gläubigen als Amulette gekauft wurden.
An die Verehrung, die die Heilige Ursula in Köln genießt, erinnern die elf schwarzen Flammen oder genauer gesagt die Hermelinschwänze im Stadtwappen. Die bretonische Prinzessin soll auf der Rückfahrt von einer Pilgerreise nach Rom mitsamt 11 000 Gefährtinnen von den Hunnen ermordet worden sein, die Köln belagerten. Die Ursula-Legende ist Gegenstand von Kölner Talern, die im frühen 16. Jahrhundert geschlagen und an Pilger verkauft wurden. Man schrieb ihnen Schutz vor Unglücksfällen, Krankheit und „bösem Blick“ zu. Auf der Vorderseite sind die auch Weisen aus dem Morgenland genannten Heiligen drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar dargestellt, wie sie gleichsam das Kölner Wappen bewachen und segnen. Auf der Rückseite steht die Heilige Ursula in Begleitung der Jungfrauen an Bord eines Segelschiffs. Dass auf ihnen ein Papst mit seiner dreifachen Krone dargestellt ist, geht auf die Legende zurück, dass dieser mit weiteren Kirchenfürsten an der Rückfahrt nach Rom teilgenommen hat. Die Heiligsprechung der frommen Prinzessin und Märtyrerin brachte ihr ehrendes Gedenken, den Bau einer Kirche und Verehrung durch Gemälde und Skulpturen. Die Ursulataler von 1512 und 1516 wurden an Pilger verkauft. Von ihnen kommen Doppelstücke sowie halbe Taler, Zweidrittelstücke und weitere Werte vor, und es gibt auch besonders kostbare Abschläge aus Gold. Ausgaben ohne Jahreszahl sind späteren Datums. Die Vielzahl der Varianten unterstreicht, welch hohen Rang man den Ursulatalern als Amulette und Belege für eine Pilgerfahrt zuschrieb.
Spottmünzen aus Kirchensilber
Der „tolle Christian“, wie man den als tollkühn und wild bewunderten und gefürchtete Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel und Söldnerführer im Krieg gegen Kaiser Ferdinand II. und seine katholischen Verbündeten nannte, verwendete für die Pfaffenfeindtaler mit der Inschrift GOTTES FREVNDT DER PFAFFEN FEINDT vor allem das Silber des Liborius-Schreins im Dom zu Paderborn, nachdem er die alte Bischofsstadt erobert hatte. Indem er kirchliches Silber zur Herstellung der Gedenkmünzen verwendete, gab er seiner Mit- und Nachwelt zu verstehen, dass er vor den Heiligtümern nicht zurück schreckt. Die von den Katholiken als Gotteslästerung verurteilte Maßnahme zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs wurde in Flugschriften kontrovers kommentiert. Im späten 17. Jahrhundert hat man die Spottmünzen noch einmal nachgeprägt.
27. April 2024