„Wenn hundert Jahre vergangen sind...“
Der Magdeburger Hus-Luther-Taler von 1617 setzte zwei Reformatoren ein ungewöhnliches Denkmal


Die von Jan Hus - hier sein Denkmal in Prag - angestoßene und 1517 von Martin Luther ausgelöste Bewegung zur Erneuerung der Kirche fand ihren Niederschlag auf zahlreichen Flugschriften, Büchern und Bildern. Links führt der Reformator die Menschen aus der Finsternis des Aberglaubens und zeigt ihnen den Weg zu Jesus Christus, beobachtet vom Papst und seinen als verachtenswert karikierten Anhängern beobachtet.

Jan Hus und Martin Luther auf dem Magdeburger Taler von 1617 unterstreicht Kontinuitäten in Glaubensfragen.

Bei der Verunglimpfung der jeweils anderen Seite war man in den Glaubenskämpfen des 16. Jahrhunderts nicht zimperlich. Die Gussmedaille macht aus dem Papst einen Teufel und dem Kardinal einen Narren.

Der Reformationstaler von 1617 ehrt den sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. und Luthers Beschützer Friedrich den Weisen.

Die talerförmige Medaille von Christian Wermuth aus der Zeit um 1717 erinnert an die Verbrennung von Jan Hus 1415 in Konstanz.

Danzig feierte 1717 das zweihundertjährige Jubiläum der Reformation mit einer Medaille, die das Bildnis von Jan Hus mit dem von Martin Luther kombiniert.

Die Hamburger Medaille von 1717 ehrt Martin Luther und zeigt, wie seine Lehre hier gesegnet und und dort angefeindet wird.

Zur Vierhundertjahrfeier der Reformation kam 1917 das hochseltene Drei-Mark-Stücks mit dem Bildnis Friedrichs des Weisen zur wert. Das Dresdner Münzkabinett zeigt im wieder aufgebauten Residenzschloss die Prägewerkzeuge. (Fotos/Repros: Caspar)
Kaum eine Persönlichkeit der deutschen Geschichte ist, von Kaisern, Königen und Fürsten abgesehen, ist so oft auf Medaillen und Münzen geehrt worden wie Martin Luther. Regelmäßig wurde seiner bei Jahrhundertfeiern der Reformation gedacht. 1617 erinnerte man mit in Ländern und Städten, die sich seiner Lehre angeschlossen hatten, daran, dass der Augustinermönch am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen wider den Ablasshandel und andere Auswüchse innerhalb der Papstkirche an die Wittenberger Schloss- und Universitätskirche geschlagen hat. Die mutige Tat trug dem Wittenberger Professor große Popularität ein, gefährdete aber auch sein Leben. Die Augsburger Konfession von 1530, die den protestantischen Fürsten Glaubensfreiheit „bis zum nächsten Konzil“ zusicherte, wurde 1630 und später durch weitere Gedenkstücke gefeiert.
Die vielen Gepräge zu Luther und seiner Reformationsbewegung sind in der numismatischen Literatur sorgfältig aufgelistet. Erwähnt seien das informative Buch von Hugo Schnell „Martin Luther und die Reformation auf Münzen und Medaillen“ (München 1983). In dem Buch „Reformatio in Nummis - Luther und die Reformation auf Münzen und Medaillen“ (Verlag Schnell + Steiner Regensburg 2014, 255 S., zahlreiche meist farbige Abb., 12,95 Euro, ISBN 978-3-7954-2900-3) werden die schönsten Stücke vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart gezeigt und erläutert. Der Katalog anlässlich einer Sonderausstellung auf der Wartburg bei Eisenach wurde von Elisabeth Doerk im Auftrag der Wartburgstiftung in Zusammenarbeit mit dem Osnabrücker Auktionshaus Fritz Rudolf Künker herausgegeben. Sammler kennen sicher auch die bereits im frühen 18. Jahrhundert veröffentlichten barock-weitschweifigen Kataloge, insbesondere das Buch von Christian Juncker über das „Guldene und Silberne Ehren-Gedächtniß des Theuren Gottes-Lehrers D. Martini Lutheri“, das 1706 in Schleusingen erschien.
Propaganda und Gegenpropaganda
Wir finden in diesen Publikationen sowie Katalogen zum Thema „Spottmünzen“ auch bemerkenswerte Zeugnisse der Gegenreformation, denn die Widersacher der Lutherschen Lehre nutzten natürlich wie ihre Befürworter neben Stichen und Flugblättern auch Münzen und Medaillen, um Propaganda für ihre Ziele zu machen und die jeweils andere Seite zu verteufeln. Die Methoden in beiden Lagern waren, überblickt man das Material, alles andere als fein.
Als im Jahre 1617 in verschiedenen protestantischen Fürstentümern und Städten des Thesenanschlags einhundert Jahre zuvor gedacht wurde, verfiel die Stadt Magdeburg auf die Idee, die Reformatoren Jan Hus und Martin Luther auf ein und derselben Münze darzustellen. Der böhmische Geistliche Hus und sein Wittenberger Amtsbruder Luther sind, angetan mit pelzverbrämten Mänteln und jeder eine Bibel haltend, auf der Vorderseite des Talers dargestellt. Die in zwei Zeilen umlaufende Legende zitiert eine angebliche Äußerung von Jan Hus über das Fortwirken seiner Lehre und nimmt Bezug auf die reformatorische Tätigkeit Luthers.
Die stark abgekürzte zweizeilige Inschrift in lateinischer Sprache auf dem Magdeburger Taler lautet übersetzt: „Nachdem einhundert Jahre vergangen sind, werdet ihr Gott und mir, dem 1415 verbrannten Jan Hus, Recht geben. Nach Ablauf dieser Zeit wurde Doktor Martin Luther zur Wiederherstellung der himmlischen Lehre von Gott im Jahre 1517 berufen“. Der „Zeitplan“ wurde fast eingehalten. 1521 gewährte der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise dem mit päpstlichem Bann und kaiserlicher Acht belegten Luther auf der Wartburg bei Eisenach Zuflucht, wo er unter dem Namen „Junker Jörg“ das Neue Testament ins Deutsche übersetzte.
Unlösbare Konflikte
Der um 1370 geborene tschechische Prediger an der Bethlehemkapelle zu Prag und Rektor der Prager Universität wurde im Jahre 1410 vom Papst wegen seiner Forderungen nach Erneuerung der Kirche und Kritik am Ablassunwesen exkommuniziert. Hus war der geistige Wortführer einer Bewegung gegen die geistliche und weltliche Feudalobrigkeit. Seine Predigten fanden vor allem im einfachen Volk großen Zuspruch. Indem der Geistlichen tiefgreifende Reformen in der Kirche und Gesellschaft verlangte und dabei Ideengut des englischen Reformators John Wiclif aufgriff, geriet er in unlösbare Konflikte mit der weltlichen und geistlichen Obrigkeit seiner Zeit.
Auf dem Konstanzer Konzil widerstand Jan Hus der Forderung, seinen Ideen abzuschwören. Als Abschreckung für seine Anhänger wurde er am 6. Juli 1415 in der Bischofsstadt am Bodensee öffentlich als Ketzer verbrannt. Die Nachricht vom gewaltsamen Tod ihres Wortführers, dem freies Geleit nach Konstanz zugesichert worden war, löste in Böhmen große Empörung aus. Hus wurde zum Namensgeber einer militanten Bewegung, die kirchenreformatorische, antifeudale, national-tschechische Ziele verfolgte und große Wirkungen in ganz Europa hatte. Die Hussiten lehrten die damaligen Machthaber durch Überfälle und Brandschatzungen das Fürchten. Die Stadt Magdeburg hat bewusst Verbindungen von Hus zu Luther betont und damit auch dem tschechischen Reformator ein bemerkenswertes numismatisches Denkmal gesetzt. Das war am Vorabend des Dreißigjährigen Kriegs ein mutiges Bekenntnis, denn natürlich waren jene Raubzüge und Morde in schmerzlicher Erinnerung, die die Hussiten zweihundert Jahre zuvor verübt hatten.
Kurfürst und Reformator
Namentlich Kursachsen, die Wiege und mit seiner Residenz- und Universitätsstadt Wittenberg Ausgangspunkt der Reformation von 1517, tat sich vor allem in den Jahren 1617 und 1630 durch Gedenktaler und andere Münzen sowie Medaillen hervor, die die Glaubensstärke des Herrscherhauses unterstreichen. So findet man auf Gold- und Silbermünzen von 1617 Brustbilder des Kurfürsten Friedrich des Weisen, der als Luthers Beschützer in die Geschichte einging, und seines Nachfahren Johann Georg I. Außerdem gibt es Medaillen, auf denen Johann Georg I. und Martin Luther zusammen dargestellt sind, was Kontinuität in Glaubensfragen unterstreichen soll. Die Stücke sind frühe Beispiele für das Bestreben, historische Ereignisse auf Münzen und Medaillen zu verewigen und Fürsten damit in ein positives Licht zu rücken.
Zur Einhundertjahrfeier der Augsburger Konfession 1630, mitten im Dreißigjährigen Krieg, kamen wiederum Gedenkmünzen mit dem Brustbild der beiden sächsischen Kurfürsten heraus. Das war in jener Zeit, als Johann Georg I. dem gerade in Norddeutschland einfallenden Schwedenkönig Gustav Adolf, der sich als Verteidiger der lutherischen Lehre verstand, zu imponieren trachtete. Der Kurfürst hat, wie man weiß, mehrfach die Seiten gewechselt und war zeitweilig auch mit dem Kaiser und der von ihm geführten katholischen Liga verbunden.
Hohenzollern traten Erbe an
Mit Eifer nahmen sich die in den kleinen sächsisch-thüringischen Herzogtümern und anderen protestantischen Herrschaften regierenden Fürsten des Themas an, so dass Sachsen-Sammler hier reiches Material finden. Darüber hinaus taten sich jeweils zu den Säkularfeiern 1617, 1630, 1717, 1730, 1817 und 1830 andere protestantische Stände durch Talerprägungen und Goldmünzen sowie durch viele Medaillen hervor. Nachdem die Kurfürsten und - ab 1806 - Könige von Sachsen als Verteidiger der lutherischen Lehre ausfielen, traten die Hohenzollern deren Erbe an und brachten vor allem im 19. Jahrhundert aufwändigen Reformationsmedaillen hervor. Kaiser Wilhelm II., genannt der Letzte, spielte sich als oberster Bischof und Wahrer des Protestantismus auf, auch um seine Herrschaft zu legitimieren und zu festigen.
Erwähnt sei, dass 1917 die Idee verworfen wurde, Martin Luther anlässlich der Vierhundertjahrfeier der Reformation durch ein Dreimarkstück zu ehren. Da im Kaiserreich nur Fürstlichkeiten beziehungsweise städtische Wappen auf Münzen erscheinen durften, vom Leipziger Völkerschlachtdenkmal auf dem Dreimarkstück von 1913 und dem Heiligen Georg auf dem gleichen Wert von 1915 abgesehen, schnitt der Stempelschneider Friedrich Wilhelm Hörnlein einen Vorderseitenstempel mit dem Bildnis Friedrichs des Weisen, angelehnt an Medaillendarstellungen des frühen 16. Jahrhunderts. Die Auflage betrug nur einhundert Stück, was bei Auktionen zu exorbitanten Preisen führt. Die mit Bildnissen des Reformators versehenen Luthermünzen von 1933 sowie 1983 (Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise DDR) und die vielen dem Reformator gewidmeten Medaillen sind preiswerter zu haben. In Luthers ehemaligem Wohnhaus, der Staatlichen Lutherhalle zu Wittenberg, ist neben vielen anderen Zeugnisse wird auch eine Auswahl von Münzen und Medaillen gezeigt.
12. Mai 2024