Verteidigerin des Glaubens
Queen Viktoria war nicht nur Königin von England, sondern auch Kaiserin von Indien



Als 1547 der 160 Kilogramm schwere und kranke König Heinrich VIII., den man auch Vielfraß, englischen Nero und „widerlichen Blut- und Fettfleck im Buch der englischen Geschichte“ nannte, starb, atmete das Land auf. Die Grafik aus dem 19. Jahrhundert zeigt, wie Untergebene das zügellose Treiben ihres Herrn misstrauisch beobachten.





Heinrichs Sohn Edward VI. starb bereits 1553 mit nur 16 Jahren. Traditionell führte auch er neben dem englischen auch den französischen Königstitel. Die Münzen aus der Zeit von Vater und Sohn sind nachlässig geprägt und wurden zum Zweck der Metallgewinnung auch beschnitten.





Mit der Standeserhöhung konnte sich Queen Victoria, nach der ein ganzes Zeitalter benannt wird, mit dem deutschen, österreichischen und russischen Kaiser gleichberechtigt fühlen. Die englische Münzen und die von Britisch-Indien nennen die Queen Imperatrix oder Empress. Ihr Sohn Edward VII. regierte bis 1911.e





Die Briefmarke von 1931 ist dem 20. Jahrestag der Krönung von Georg V. in New Delhi als Kaiser von Indien gewidmet. Das Kaiserreich umfasste das heutige Indien, Pakistan, Bangladesch und Myanmar.



König Georg VI. war der letzte Kaiser von Indien, seine Tochter trug diesen Titel nicht mehr. (Fotos: Caspar)

Zahlreiche englische Münzen enthalten im Königstitel die lateinische Bezeichnung F. D. für FIDEI DEFENSOR oder auf deutsch Verteidiger des Glaubens. Hinzu kam auf Münzen der seit 1837 herrschenden Königin Viktoria und ihrer Nachfolger noch die Abkürzung R. I. zu lesen. Sie bedeutet Regina/Rex (Königin/König) und Imperatrix/Imperator (Kaiserin/Kaiser). Der Brauch, sich als Verteidiger des Glaubens zu bezeichnen, führt in die Zeit König Heinrichs VIII., der 1509 mit 18 Jahren den Thron bestieg. Seiner Heirat mit Katharina von Aragon folgten fünf weitere Eheschließungen, und alle gingen mehr oder weniger blutig zu Ende.

Hochgebildet, belesen und an Künsten und Wissenschaften interessiert, dazu gut aussehend und als Tennisspieler glänzend, litt der typische Renaissancefürst darunter, keinen männlichen Erben zu haben und damit die Thronfolge zu sichern. Das einzige gemeinsame Kind mit Katharina von Aragon war Maria, die aber in den Augen ihres enttäuschten Vaters nicht den Wert eines Prinzen hatte. Um die Aussichten auf einen Sohn zu verbessern, strebte Heinrich VIII. die Scheidung von Katharina an, doch dazu benötigte er die Genehmigung von Papst Clemens VII. Er konnte und wollte die Ehe nach den damaligen Glaubensregeln nicht annullieren, und auch ein vom englischen König eingesetztes Schiedsgericht sprach sich gegen die Scheidungsabsichten aus. In seiner Wut löste Heinrich VIII. seine Bindungen zur römischen Kirche. Er hob die Klöster im Lande auf, eignete sich deren Schätze und Grundbesitz an und füllte damit seine Staatskasse. Einen Teil des Raubgutes überließ er ihm ergebenen Adeligen.

Guter Tennisspieler, blutgieriger Despot

Der Papst ließ sich die Eigenmächtigkeit des Königs und sein gewaltsames Vorgehen gegen die katholische Kirche nicht bieten. Er exkommunizierte ihn, worauf sich dieser offiziell von Rom lossagte und eine eigene Staatskirche mit ihm als Oberhaupt begründete. Der in Angst und Schrecken versetzte Klerus erkannte ihn als Oberhaupt an. Nach Ausschaltung von Kritikern und Mahnern konnte Heinrich VIII. machen was er wollte. Wer sich ihm in den Weg stellte und den Treueid verweigerte, wurde verfolgt und hingerichtet. Selbst engste Vertraute erlitten dieses Schicksal. In der Hoffnung auf einen männlichen Erben heiratete der König mehrfach nacheinander. Erst 1537 gebar Anne Seymor, seine dritte Frau, den ersehnte Sohn Edward VI., der als Minderjähriger von 1547 bis 1553 regierte. Nur eine Ehefrau überlebte den Herrscher, aus dem mit den Jahren ein blutgieriger Despot geworden worden war.

Als Heinrich VIII. noch gute Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche pflegte, empfahl er sich 1521 Papst Leo X. mit einer gegen den deutschen Reformator Martin Luther gerichteten Kampfschrift, die das Sakrament der Ehe und die herausragende Stellung des Papstes im christlichen Abendland verteidigte. Dieses Schriftstück war dem Kirchenoberhaupt so wichtig, dass er seinem Verfasser den Titel „Verteidiger des Glaubens“ verlieh. Nach dem Bruch mit Rom wurde ihm die Ehrung entzogen, aber das hinderte das Parlament in London, von sich aus dem Monarchen diesen Titel zu verleihen. Mit ihm war aber nicht mehr die katholische, sondern die anglikanische Kirche gemeint. In der Folgezeit avancierten die Könige von England zu Hoffnungsträgern der protestantischen Welt, was auch auf einschlägigen Münzen und Medaillen und weiteren Zeitzeugnissen zum Ausdruck gebracht wurde.

Auf Augenhöhe mit anderen Herrschern

Als sich Queen Victoria 1877 aus eigener Machtvollkommenheit zur Kaiserin von Indien erhob, trat zu ihrem königlichen Titel die Bezeichnung IMPERATRIX (Kaiserin) hinzu. Die „Europas Großmutter“ genannte Königin mit deutschen Wurzeln soll sich darüber gegrämt haben, dass ihre älteste Tochter Victoria, genannt Vicky, nach ihrer Heirat mit dem deutschen und preußischen Kronprinzen Friedrich eines Tages deutsche Kaiserin werden wird. Dieser Fall trat 1888 ein, doch war es dem krebskranken Kaiser Friedrich III. nur vergönnt, 99 Tage zu regieren. Indem Victoria auf Betreiben des Premierministers Benjamin Disraeli den Titel annahm, wollte sie unterstreichen, dass der unter britischer Kolonialherrschaft stehende Subkontinent fester Bestandteil des Britischen Empire ist und immer sein wird. Die Königin und Kaiserin ließ sich bei den Krönungsfeierlichkeiten durch einen Vizekönig vertreten, nahm aber den Staatsakt zum Anlass, nach langer Trauerzeit um ihren 1861 verstorbenen Prinzgemahl Albert von Sachsen Coburg und Gotha wieder in die Öffentlichkeit zu treten. Nachdem Indien 1947 die Unabhängigkeit erlangt hatte, nannte sich Georg VI. auf seinen Münzen nur noch „Von Gottes Gnaden König aller britischen Territorien und Verteidiger des Glaubens“. Seine Tochter Elizabeth, die 1952 ihrem Vater folgte und 2022 starb, hielt an diesem Brauch fest. Ihr Sohn und Nachfolger Charles III. hat daran nichts geändert.

29. Dezember 2023