Weinmarken für den Hohen Rat
Das neue Jahrbuch des Vereins der Kölner Münzfreunde enthält Studien von der Antike bis zur Gegenwart



Als diese farbige Ansicht des spätmittelalterlichen Köln mit dem gut sichtbaren Kran am unvollendeten Dom entstand, haben Ratsherren Weinmarken als Sitzungsgelder empfangen.



Die unscheinbaren Ratspräsentger raten BIBITE CUM LAETITA (Trinkt mit Fröhlichkeit). Trotz ihres geringen Metallwerts war ihre Kaufkraft nicht klein, weshalb sie auch gefälscht wurden.



Wie Münzen entstehen und am Amboss geprägt wurden, wird über dem Portal der Kirche von Carrión de los Condes, aber auch auf einem Glasfenster aus Schaffhausen und in der Barbarakirche in der böhmischen Bergstadt Kutna Hora (Kuttenberg) gezeigt.



Ein Adler und ein Löwe sowie das christliche Kreuz schmücken Denare des ungarischen Königs Bela III., der nach byzantinischem Vorbild eine Finanzreform veranlasste. Er beendete das Chaos in der Geldwirtschaft seines Landes, prägte wertbeständige Silbedenare und bezog auch Kupfermünzen in sein mehrstufiges Geldsystem ein.



Im 15. Jahrhundert prägten der Kölner Erzbischof Hermann IV. von Hessen und Herzog Wilhelm IV. von Jülich-Berg in Deutz beziehungsweise Mülheim sich ähnelnde Silbermünzen.



Als aus Riehl stammend gibt sich der Goldgulden des Kölner Erzbischofs Dietrich II. von Moers zu erkennen. Seine ungewöhnlich lange Amtszeit von 1414 bis 1463 war geprägt von kriegerischen Auseinandersetzungen mit selbstbewussten Nachbarn und ständiger Geldnot.





Die Päpste Innozenz XI. und Paul III. machten sich mit solchen Medaillen Mut und feierten sich als Vollstrecker göttlichen Willens im Kampf gegen die Osmanen.







Wer historische Münzwaagen wie diese und die passenden Gold- und Silbermünzen sein eigen nennen kann, besitzt historische Zeugnisse von großer Aussagekraft. (Reproduktionen aus dem Kölner Jahrbuch Bd. 4)

Neben regulären Münzen gab es auch solche, die ersatzweise in den Umlauf kamen. Im „Wörterbuch der gesammten Münzkunde für Münzliebhaber und Geschäftsleute“ (Halle und Berlin 1811) beschreibt Karl Christoph Schmieder die so genannten „Ratspräsentger“ als alte Silbermünzen der Reichsstädte Aachen, Köln und Frankfurt am Main, die seit 1400 statt Groschen und Gulden ausgegeben wurden. Die Herren vom Hohen Rat, wie sie sich nannten, bekamen, wenn sie sich zu Beratungen trafen, Weinmarken, mit denen sie sich im Ratskeller bewirten ließen. Werner Schäfke, der frühere Direktor des Kölnischen Stadtmuseums, schildert im neuesten Jahrbuch der Kölner Münzfreunde e. V., wie sich die kleinen, mit dem Kölner Stadtwappen sowie Pokalen und Weinflaschen geschmückten Marken zu einer Art Nebenwährung entwickelt haben.

Die Weinmarken wurden mit der Zeit Teil des Kölner Geldumlaufs. Die große Zahl der Stempelvarianten deutet auf eine umfangreiche Prägetätigkeit der zu Beginn des 19 Jahrhunderts mit einem halben Taler bewerteten Marken. Da man auch Geschäfte mit ihnen machen konnte, haben sich Fälscher ihrer bemächtigt, weshalb sie beim Kauf auf ihre Echtheit geprüft werden sollten.Der von den Kölner Münzfreunden von 1957 e. V. herausgegebene nunmehr 4. Jahrgang bietet neue Erkenntnisse über Münzen und Medaillen von der Antike bis zur Gegenwart und gewährt auch einen Blick in das Innenleben des Vereins. Gegen eine Schutzgebühr von 15 Euro kann das farbig illustrierte Heft mit 262 Seiten unter der Adresse vorstand@muenzfreunde.koeln bezogen werden.

Was Funde und Statistiken aussagen

Hermann Twiehaus befasst sich zu Beginn des Jahrbuchs mit Wertzeichen auf Bronzedrachmen aus Syrakus, und Rainer Pudill blickt auf den Zweiten Jüdischen Krieg zur Zeit Kaiser Hadrians (117-138) und die die Notmünzen, die während des von Simon bar Kochba angeführten und nach ihm benannten Aufstand mit Aufschriften wie „Gottesstaat Israel“ und „Befreiung Jerusalems“ geprägt wurden. Der Verfasser stellt einige Bar-Kochba-Münzen sowie mit Gegenstempeln römischer Legionen versehene Bronzemünzen aus der Zeit des Ersten Jüdischen Kriegs und des Diasporaaufstandes vor und wertet sie als wichtige Sach- und Geschichtszeugen, die die spärlichen Berichte über dieses bedeutsame Ereignis hervorragend ergänzen.

Mit dem Einsatz statistischer Methoden bei der Gewichtsberechnung befasst sich Patrick Breternitz am Beispiel von friesischen Sceattas. Die anhand der erhaltenen Münzen berechnete Durchschnittsgewichte suggerieren eine große Exaktheit - vor allem wenn sie viele Stellen hinterm Komma haben. Allerdings ist die Aussagekraft in Bezug auf die "Normgewichte" zum Zeitpunkt der Prägung begrenzt. Breternitz untersucht, welche Konventionen bei der Datenaufbereitung Einfluss auf die berechneten Mittelwerte haben und welche das Ergebnis nicht beeinflussen. Er rät zur Vorsicht, die heute erzielten Mittelwerte bei Fundmünzen mit dem Normgewicht der Stücke zur Zeit ihrer Prägung gleichzusetzen. Er betont die Ungenauigkeit solcher Überlieferungen und weist auf die Grenzen der Erkenntnismöglichkeiten hin, wenn die numismatischen Forschung aufgrund fehlender Schriftquellen allein auf die überlieferten Münzen selbst angewiesen ist.

Entdeckung am Jakobsweg

Wenn man am Jakobsweg zwischen Leon und Burgos die Kirche in Carrión de los Condes besucht, kann man an der um 1160 bis 1170 erbauten Westfassade, die zu den Höhepunkten der romanischen Kunst in Spanien gezählt wird, Handwerker bei der Arbeit sehen. Unter ihnen befinden sich auch fünf Männer, die sich mit der Fertigung von Münzen befassen. In seinem Beitrag erläutert Henner M. Meding die Herstellung der Zaine und Rohlinge sowie deren Glättung, aber auch das Weißsieden und schließlich das abschließende Prägen am Amboss. Wer sich auf die Suche nach ähnlichen Darstellungen quer durch Europa macht, wird sehen, dass ihre Zahl ist nicht gering ist, denn die Münzprägung war ein angesehenes Handwerk, das unter der Aufsicht von Fürsten und städtischen Magistraten stand und auf Gemälden, Grafiken und Skulpturen, seit der Barockzeit auch auf Münzen und Medaillen gewürdigt wurde.

Wie es dem ungarischen König Bela III. (1172 bis 1196) gelang, das marode Münzwesen seines Landes zu reformieren und die elenden Verrufungen zu überwinden, schildert Armin Müller in einer umfangreichen Studie mit Resümee in ungarischer Sprache. Die Silberdenare des reformfreudigen Herrschers sind mit dem Kreuz, seinem Namen und weiteren Bildern geschmückt und lehnen sich an mittel- und westeuropäische Geldstücke an. Ungewöhnlich war die zeitweilige Prägung von Kupfermünzen, für die solche aus Byzanz und muslimischen Ländern Pate standen. Aufgrund umfangreicher Goldfunde konnte Ungarn lange nach Bela III. mit der Prägung von Goldgulden beginnen, was die hier herrschenden Könige zu den reichsten Männern im damaligen Europa machte.

Nachahmungen beliebter Geldstücke

Der Frage, warum und wie gut eingeführte Münzen an anderen Orten mit ähnlichem Aussehen nachgeahmt wurden, geht Henner M. Meding nach. Fremde Herrscher und Kommunen nutzten ihre Beliebtheit und Akzeptanz für sich und ihre Geschäfte. Offenbar störte es niemanden, dass Bilder und Symbole mehr oder weniger genau übernommen wurden. Unterschiede gab es nur bei Inschriften, die den jeweiligen Münzstand benennen. Die in dem Beitrag gezeigten Beispiele sind Spitzenleistungen spätmittelalterlicher Stempelschneidekunst und die Zierde einer jeden Groschensammlung, für die in der Barockzeit sogenannte Groschenkabinette angelegt und gedruckt wurden.

Dass im heutigen Kölner Stadtteil Riehl eine Münzstätte der Kölner Erzbischöfe beheimatet war, schildert Andreas Henseler in einem umfangreichen Beitrag, der auch mit der wechselvollen und kriegerischen Vergangenheit dieser Siedlung bekannt macht. Er listet im 14. und 15. Jahrhundert geschlossene Verträge über die Prägung von Silber- und Goldmünzen auf und zeigt, wer was in Riehl hat prägen lassen. Der mit einem umfangreichen Quellen- und Literaturanhang versehene Beitrag ist ein gutes Beispiel dafür, was Regionalgeschichte und Münzforschung ans Tageslicht bringen, wenn sie Hand in Hand zusammengehen.

Unruhige Zeiten im mittelalterlichen Rom

An unruhige, von blutigen Machtkämpfen geprägte Zeiten in der Stadt Rom während des 14. Jahrhunderts und die Münzprägung des Cola di Rienzo erinnert ein Beitrag von Sascha Winkler. Der 1354 verstorbene Politiker, der sich für einen unehelichen Sohn Kaiser Heinrichs IV. hielt, wurde von den einen als Tribun der Freiheit und Wiederhersteller der Römischen Republik gefeiert und von anderen als machtgieriger Tyrann verteufelt. Um den Geldmangel in der zeitweilig von den Päpsten verlassenen Stadt Rom zu beheben, entfaltete Cola eine umfangreiche Prägetätigkeit. Seine mit dem Kreuz und einem Wollkamm geschmückten Denare beziehen sich auf die in der französischen Stadt Provins von den Grafen von Champagne geprägten Denare. Winkler versteht seine Studie als Aufforderung, sich mit dieser Münzgattung weiter zu befassen und bisher unbeachtete Schriftquellen zu erschließen. Weiter geht es in einem Beitrag von Alexander Rothkopf über Medaillen, mit denen die Päpste ihren Abwehrkampf gegen die Osmanen, den Bau von Häfen und Festungen, die Schaffung von Kriegsflotten und den Abschluss von Bündnissen dokumentiert haben.

Gegen Ende des Jahrbuches befasst sich Lutz Fahron mit einem in Trier erworbenen Satz von Bechergewichten aus der Zeit nach 1816 und legt dar, was die eingeprägten Zeichen bedeuten und was man mit den Messingschüsseln wiegen konnte. Es folgt eine Betrachtung von Helmut Wieting über Münzprüfer aus der Kaiserzeit und der Weimarer Republik, die ohne Gewichte auskommen und helfen, echte von falschen zu unterscheiden. Bliebe noch ein Hinweis auf ein Bildnismedaillon aus Bronze, das der Kölner Dombildhauer Christian Mohr 1878 zum Tod seiner Ehefrau Emilie geschaffen hat. Robert Dabringhaus hatte das Werk bei einem niederländischen Münzhändler erworben und hofft auf weitere Funde aus dem Nachlass dieses Künstlers. Im abschließenden Teil ruft das Jahrbuch Ausstellungen und Exkursionen in Erinnerung und würdigt den 2023 verstorbenen Kölner Münzhändler Hans Linnartz, der Zeit seines Lebens Erinnerungen sammelte und dem die Kölner Münzfreunde viel Rat, Zuwendung und Hilfe verdanken.

28. Dezember 2023