„Wie aus einem anderen Jahrhundert“
Wie man in der Berliner Münze gearbeitet hat und was dort gezahlt wurde



Ein Gießarbeiter in der Königlichen Münze zu Berlin schmückt das Titelblatt des Berichts des Münzwardeins Ludwig Kachel aus dem Jahr 1823 an seine Regierung in Karlsruhe. Das Manuskript wird im Generallandesarchiv Karlsruhe verwahrt.





Was sich im frühen 19. Jahrhundert in der Berliner Geldfabrik am Werderschen Markt und in der Münzstraße zutrug, wurde von auswärtigen Gästen sorgsam registriert und mit Wohlwollen weitergegeben. Die Besucher aus Karlsruhe und Dresden sahen noch, wie in Berlin altertümlich anmutende Geräte wie das Klippwerk (links) und mit kräftigem Schwung die Spindelpresse benutzt wurden. Sofern sie nicht verschrottet wurden, schmücken sie heute Technik- und Münzmuseen, allen voran die Alte Münze in Stolberg (Harz).



Wer das Berliner Münzgebäude betreten wollte oder dort auch wohnte, musste sich mit solchen Kupfermarken ausweisen.



Um solche Taler und Goldstücke zu verdienen, brauchten einfache Münzarbeiter viele Tage. Ihre Vorgesetzten wurden entschieden besser entlohnt.



Die preußische und englische Medaille zeigen die Uhlhornsche Kniehebelpresse, die nach 1817, von Grevenbroich am Rhein ausgehend, die damaligen Geldfabriken eroberten und bis ins 20. Jahrhundert in Betrieb waren.



Die Kulturbundmedaillen von 1987 zur Siebenhundertfünfzigjahrfeier Berlins bilden die Münzstätten auf dem Werderschen Markt mit einer Spindelpresse darunter und die Geldfabrik an der Unterwasserstraße und eine Kniehebelpresse ab. Beide Gebäude existieren schon lange nicht mehr.





Die Medaillen der mit dem Kennbuchstaben G zeichnenden Geldfabrik zeigen das Gebäude außen und innen unweit des Karlsruher Schlosses analog zu Darstellungen aus dem frühen 19. Jahrhundert sowie das Schema der in der Barockzeit als Planstadt angelegten badischen Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe. (Fotos/Repros: Caspar)

Im Jahr 1823 besuchte der badische Münzwardein Ludwig Kachel im Auftrag seines Großherzogs mehrere deutsche Münzstätten, um Informationen für die Verbesserung der eigenen Münzproduktion zu sammeln. Kachel berichtete nach Karlsruhe von zwei Berliner Geldfabriken - der Hauptmünze am Werderschen Markt und der Neuen Münze in der Münzstraße 10 bis 12 unweit des Alexanderplatzes, die 1752 auf Geheiß Friedrichs II., des Großen, errichtet worden war. Kachel mit Blick auf die Verhältnisse in der Karlsruher Münze, welche Maschinen und Geräte in Berlin eingesetzt und wie die Arbeitsabläufe organisiert sind.

Dem Gast aus Karlsruhe fiel auf, dass Altertümliches und Modernes nebeneinander existierten. „Die Klippwerke, worauf in Berlin die Einpfennigstücke mit dem Hammer ausgeschlagen werden, sind bekannt. In dieser Werkstätte glaubt man sich in ein früheres Jahrhundert geweht in Ansehung der Werkzeuge als [auch] der Costüme der Arbeiter. […] Letztere sind mit Blechhauben und langen Lederschürzen bewaffnet, um sich gegen Stahlstücken zu schützen, welche von Zeit zu Zeit der Hammer von dem Stempel abschlägt. Man hat diese einfache Prägung für die kleineren Kupferpfennige beibehalten, weil sie die wohlfeilste ist."

Mehr Lohn durch Nachtarbeit

Ludwig Kachels Bericht enthält neben Beschreibungen von Arbeitsabläufen und benutzten Maschinen auch aufschlussreiche Informationen über soziale Belange, dienstliche Hierarchien, Entlohnung sowie Sicherung der Edelmetallbestände beziehungsweise der fertigen Münzen. "Die gewöhnlichen Arbeiter werden gleich anderen Tagelöhnern ohne weitere Verbindlichkeit übernommen und entlassen. Einer weiteren Klasse derselben wird 14 Tage vor ihrer Entlassung aufgekündigt, und nach 14 Tagen nach derselben erhalten sie die Hälfte des während ihrer Anstellung erhaltenen Lohnes. Bleibend sind die Oberarbeiter und die Medaillenpräger. Zu einer Tagschicht werden 12 Stunden gerechnet von morgens 6 Uhr bis abends 6 Uhr, wobei Essen und Vesperstunde mitbegriffen sind." Einem Oberarbeiter wurden pro Schicht 22 ½ Silbergroschen, einem stellvertretenden Oberarbeiter 17 ½ und einem Arbeiter 15 Silbergroschen gezahlt.

Da der Taler 30 Silbergroschen galt, erhielt ein Arbeiter am Tag einen halben Taler Lohn, das waren in einem Monat bei sechstägiger Arbeitswoche zwölf Taler und im Jahr bei Vollbeschäftigung 144 Taler. Allerdings konnten die Arbeiter ihre Bezüge durch "einfache Nachtarbeit" ein wenig aufbessern, wie Kachel notierte. Als besondere Errungenschaft galt die Existenz einer Art Sparkasse, in die Besucher der Münzstätte einen Obolus legten und auch etwas aus den Arbeitslöhnen eingezahlt wurde. Aus dieser Kasse wurden kranke Arbeiter unterstützt.

Besondere Gratifikationen

Gegen die kümmerliche Entlohnung der Arbeiter nahmen sich die Gehälter der leitenden Beamten geradezu fürstlich aus. Als Generalmünzdirektor erhielt Christian Friedrich Goedeking 3000 Taler im Jahr, der Münzmeister 2000, der Wardein 1500 und der Münzmechaniker immerhin noch 1000 Taler. Hinzu kamen verschiedene Vergünstigungen wie freie Dienstwohnungen und bei Graveuren besondere Gratifikationen, wenn beispielsweise eine Medaille oder ein Münzbild dem König besonders gefielen. In der Berliner Münze wurde nach Taglohn- beziehungsweise Akkordarbeit bezahlt. „Das Schmelzen, Sieden, Durchschneiden, Rändeln und Beitzen wird nach Taglöhnen bezahlt, das Justieren und Prägen aber ist in Akkord gegeben, wo natürlich der Akkord niedriger gesetzt ist als die Taglohnarbeit, [und] zwar so, dass während die Münze Vorteil dabei hat, die Arbeiter im Verhältnis zu ihren größeren Anstrengungen belohnt sind". Die Justierer, die die noch nicht geprägten Metallronden wiegen und gegebenenfalls befeilen mussten, wenn sie zu schwer waren, wurden nach den "wirklich justierten Platten“ bezahlt. Schon 1769 hatte Friedrich der Große seine Porzellanmanufaktur angewiesen: "Es ist besser, denen ouvriers (Arbeiter) ihre Arbeiten stückweise zu bezahlen und sie dadurch zu mehreren Fleiß zu bringen, als sie auf Pensionen arbeiten zu lassen, woran sie nur nachlässig und faul werden." Ähnlich verfuhr man, um Arbeitseifer zu fördern und die Kosten zu drücken, auch in der Berliner Münze und vermutlich nicht nur dort.

Rangordnung der Beamten

Als der sächsische Münzmeister Gustav Julius Buschick die Berliner Prägeanstalt besuchte, fasste er seine Eindrücke ebenfalls in einem Bericht nach Dresden zusammen. I Buschick bemerkte, dass technische Beamte besser bezahlt werden als Kassierer und Kontoristen, „weil ersteren einmal sich weit mehr Gelegenheit zur Untreue biete, die weniger leicht bemerkt werden könne als in der Kasse selbst, dann der Dienst eines technischen Beamten verschiedenartiger und beschwerlicher sei und drittens Techniker [sich] einer kostspieligeren und mühevolleren Vorbildung und Studien sich zu unterwerfen hätten. Die Rangordnung der Beamten ist daher ebenfalls auf diese Arbeit basiert". Interesse verdienen die von Buschick beschriebenen Vorkehrungen gegen Veruntreuung und Diebstahl.

Wie erfahren weiter, dass in der Berliner Münze nach Taglohn- beziehungsweise Akkordarbeit bezahlt. „Das Schmelzen, Sieden, Durchschneiden, Rändeln und Beitzen wird nach Taglöhnen bezahlt, das Justieren und Prägen aber ist in Akkord gegeben, wo natürlich der Akkord niedriger gesetzt ist als die Taglohnarbeit, [und] zwar so, daß während die Münze Vorteil dabei hat, die Arbeiter im Verhältnis zu ihren größeren Anstrengungen belohnt sind". Die Justierer, also jene Fachkräfte, die die noch nicht geprägten Metallronden wiegen und gegebenenfalls befeilen mussten, wenn sie zu schwer waren, wurden nach den "wirklich justierten Platten" bezahlt.

Uhlhörner statt Muskelkraft

Aufschlussreich sind Buschicks Darlegungen über die maschinelle Ausstattung der von ihm besuchten Münzstätten. Während die Berliner Geldfabrik bereits mit Dampfkraft angetriebene „Uhlhörner“ besitzt, standen anderenorts noch altertümliche und mit menschlicher Muskelkraft betätigte Geräte. So sah Buschick in Altona unweit von Hamburg neben einer Uhlhornschen Kniehebelpresse auch noch ältere Spindelpressen. Kritisch bemerkt der sächsische Münzmeister, sein Kollege versuche dort "mit unvollkommenen, ungeschickten und unförmlichen Maschinen und Werkzeugen zu münzen sowie den Goldstücken nur ein nothgedrungen leidliches Äußeres zu geben.“

In Berlin war die technische Ausstattung besser beschaffen. So zählte Buschick 34 Justierbänke für Silber- und zwölf für Goldmünzen. „Durch stärkeren oder geringeren Druck mit dem Schabeisen, welches der Arbeiter über die Platte führt, können mehr oder weniger starke Späne von demselben entfernt werden. Der Arbeiter hat sich stets dabei zu hüten, dass er nicht zu plötzlich drückt, weil er sonst leicht Furchen erzeugt, die sich nicht herausprägen lassen.“ Tagessoll eines Justierers waren 882 Taler. Eine Uhlhornpesse schaffte in Berlin um 1854 pro Minute 45 bis 50 grobe Münzen, etwa Talerstücke, und 56 Zwei-Pfennig-Stücke. Prägeautomaten bewältigen heute bei stark reduzierter Lautstärke pro Minute etwa 700 Münzen, und auch sonst wird in den hellen Räumen der mit dem „A“ zeichnenden Geldfabrik an der Ollenhauerstraße 97 fast alles vollautomatisch erledigt.

Fabrikordnung aus der Kaiserzeit

Weder Kachel noch Buschick haben überliefert, wie die innerbetriebliche Ordnung in der Königlichen Münze beschaffen war. Wir kennen nur die Fabrikordnung der Hamburger Münze aus dem Jahr 1875. Da man davon ausgehen kann, dass solche Vorschriften in anderen deutschen Münzstätten ähnlich lauteten, sei hier ein Auszug wiedergegeben. In einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, heißt es in den Paragraphen 1 bis 3: „Jeder Münzarbeiter ist den vorgesetzten Beamten Gehorsam schuldig und muß sich eines bescheidenen und angemessenen Benehmens befleißigen. Auch den Anordnungen der Vorarbeiter ist Folge zu leisten, und muß der Arbeiter, wenn er glaubt, daß ihm dadurch Unrecht geschieht, sich an den vorgesetzten Beamten wenden, damit dieser entscheide. Jeder Arbeiter soll nach Kräften dahin zu wirken suchen, daß die Ordnung in jeder Richtung erhalten bleibe, namentlich aber ist er verpflichtet, Unredlichkeiten nicht zu dulden und solche, wenn sie zu seiner Kenntniß kommen, einem der Beamten sofort mitzutheilen.“

Arbeitszeit von 6 bis 18 Uhr

Die Arbeitszeit dauerte laut Fabrikordnung einschließlich der Pausen wie in Berlin von morgens sechs bis abends sechs Uhr. „Außer diesen Arbeitszeiten muß auf Anordnung des Münzdirektors zu den für Ueberarbeit festgesetzten Löhnen gearbeitet werden. Kein Arbeiter aber darf ohne Anordnung des vorgesetzten Beamten Ueberarbeit auf eigenen Antrieb machen. Weitere Bestimmungen regelten den Lohnentzug, wenn jemand zu spät zur Arbeit erschien, enthielten ferner das Verbot, vorzeitig den Arbeitsplatz zu verlassen, und verlangten eine schnelle Information darüber, wenn jemand erkrankt war. Selbstverständlich waren alkoholische Getränke und das Tabakrauchen in den Werkstätten mit Ausnahme der Schmelze verboten. Urlaub, der nach damaligem Brauch nicht bezahlt wurde, musste rechtzeitig beantragt werden. Verstöße gegen die Fabrikordnung wurden entweder mit Entlassung oder mit Geldstrafe geahndet.

Wichtig war der Paragraph 12, der unberechtigten, also betriebsfremden Personen den Eintritt in die Münzwerkstätten untersagte, „und müssen daher die Münzarbeiter, die sich das Mittagessen oder andere Bedürfnisse von ihren Angehörigen zutragen lassen, dies am Eingange der Fabrik nach Schluss der Arbeiten selber in Empfang nehmen“. Hinter dieser Bestimmung scheint sich die Furcht zu verbergen, jemand könnte Fremden oder Angehörigen etwas von dem gemünzten Geld oder von den Metallplättchen zustecken und damit der Münze Schaden zufügen. Versteht sich, dass Trunkenheit im Dienst, Tätlichkeiten gegen Mitarbeiter „und andere gröbere Disciplinarvergehen in der Münze“ unter keinen Umständen gestattet werden und die unnachsichtliche Entlassung zu Folge hatten.

Genau wiegen und abrechnen

Die vom eingangs erwähnten badischen Münzrat Ludwig Kachel erlassene Haus- und Geschäftsordnung der Karlsruher Münze verpflichtete die Belegschaft zu gutem Betragen, Ehrlichkeit und aufmerksamem Fleiß. Sie verlangte Arbeit „ohne Abweichung von der angegebenen Verfahrensweise“, sorgsamen Umgang mit den Maschinen, Werkzeugen und Gerätschaften, die gewissenhafte Verwendung der anvertrauten Materialien „dass nichts verschleudert wird. Dieses ist ganz besonders bei Gold, Silber und Kupfer wichtig, welche Metalle er mit der sorgfältigsten Gewissenhaftigkeit zusammenhalten muss.“ Die Arbeiter sollten die verbrauchten Gegenstände an ihre bestimmten Plätze bringen und stets Ordnung und Reinlichkeit beobachten. Im weiteren Verlauf beschreibt die Hausordnung, was beim Schmelzen, Strecken und Durchschneiden, Justieren, Beizen, Prägen und schließlich beim Zählen der fertigen Münzen beachten ist. Genaues Wiegen und Abrechnen der empfangenen Materialien war ebenso wichtig wie die Endprüfung, damit nichts verloren geht.

Bei den Gewichten schreibt Kachel den Arbeitern vor, sie hin und her zu tragen und nicht zu schieben, weil durch den Abrieb ein wenig Substanz verloren geht und das Gewicht nicht mehr stimmt. Die noch ungeprägten Platten, auch Schrötlinge oder Ronden genannt, werden vor dem Prägen auf Gewicht und Klang geprüft. „Beim Abwerfen der Platten ist darauf zu hören, ob sie klingen, und es müssen klanglose Platten beseitigt, d. h. zu den Fehlplatten gethan werden. [...] Beim Prägen haben die Präger das Gewicht der ihnen zum Prägen zugewogenen Platten in geprägten Platten und fehlerhaften Platten zurückzugeben. Der Plattenauffüller hat die vom Prägestock kommenden Münzen öfters zu betrachten und sogleich die Prägung einzustellen, wenn er einen Mangel an denselben bemerkt.“ Wie wir wissen, kam es immer wieder vor, dass Fehlprägungen den Kontrollen entgangen sind. Das macht diese Sonderlinge zu begehrten und oft gut bezahlten Sammelstücken!

Aufmerksamer Fleiß und gewissenhafte Treue

Wichtig ist, was den Münzarbeitern verboten war. Sie durften die Schlüssel der Münzanstalt „unter welchem Vorwande es auch seyn mag“ nicht mitnehmen, das betraf auch Werkzeuge „und was sonst es sein möge.“ Auch war es nicht gestattet, sich in arbeitsfreien Stunden in den Werkstätten aufzuhalten. Verboten war auch das Rauchen innerhalb der Geldfabrik. Die Hausordnung schließt mit dem Hinweis, Fremde ohne Erlaubnis in die Münzstätte einzulassen, und wenn sie es tun dürfen, dann müssen stets von einem Mitarbeiter begleitet werden. Die Arbeiter waren bei allem, was sie sehen und tun, zur Verschwiegenheit verpflichtet und hatten nach Kräften den Nutzen der Anstalt zu befördern. Sollte jemand Verbesserungsvorschläge haben, so sollten sie den Vorgesetzten mitgeteilt werden. Mit dem Wunsch „Gutes Betragen, aufmerksamer Fleiß und gewissenhafte Treue sollen einen Münzarbeiter, wie jeden braven Mann, zieren“ endet die Fabrikordnung.

Ein Gießarbeiter in der Königlichen Münze zu Berlin schmückt das Titelblatt des Berichts des Münzwardeins Ludwig Kachel aus dem Jahr 1823 an seine Regierung in Karlsruhe. Das Manuskript wird im Generallandesarchiv Karlsruhe verwahrt.

6. Juni 2024

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