Diamantenherzog suchte das Weite
Wovon braunschweigische Gold- und Silbermünzen des 19. und 20. Jahrhunderts erzählen





Herzog Karl II. stiftete die Medaille für braunschweigische Soldaten, die sich in den Befreiungskriegen durch Heldentaten hervorgetan hatten. Die Halbtalerprobe von 1829 zeigt Herzog, der den Braunschweigern unrühmlich als Despot in Erinnerung blieb.





Der schwarze Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg und sein Sohn, der „Diamantenherzog“ Karl II. hätten unterschiedlicher nicht sein können.





Das Schloss in Braunschweig ging im September 1830 während der so genannten Braunschweigischen Revolution in Flammen auf. Der Neubau aus den Jahren 2005 bis 2007 ist mit der klassizistischen Fassade aus den 1840er Jahren und mit einer Quadriga wie auf dem Brandenburger Tor in Berlin versehen.





Gold und Silbermünzen des frühen 19. Jahrhunderts nennen Prince of Wales Georg August, der 1820 als König Georg IV. den englischen Thron bestieg, als Regenten für den minderjährigen Karl II. Der Taler von 1821 bezeichnet Georg IV. von England als Tutor (Vormund, Beschützer) des noch minderjährigen Herzogs Karl II. von Braunschweig und Lüneburg.



Eine numismatische Rarität und Liebhaberstück ersten Ranges ist die Doppeltalerprobe von 1850, die in den Katalogen mit LP für Liebhaberpreis vermerkt wird.



Die von Ex-Herzog Karl II. mit einem Millionenerbe bedachte Stadt Genf finanzierte mit dem Geld ein Opernhaus und ehrte ihren Gast mit einem am Quai du Alpes am Genfer See errichteten pompösen Grabdenkmal, das von Helden der braunschweigischen Geschichte sowie Löwen und Greifen bewacht wird. Foto: Wikipedia



Für Sammler ist es eine Ehrensache, die beiden Versionen der braunschweigischen Fünf- und Drei-Mark-Münzen von 1915 in ihren Besitz zu bringen. (Fotos/Repros: Caspar)

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts existierten die braunschweigische Herzogtümer nicht. Sie waren im Ergebnis der napoleonischen Kriege und des Friedens von Tilsit (1807) dem von König Jerôme, einem Bruder von Kaiser Napoleon I., regierten Königreich Westphalen zugeschlagen worden. Das gleiche Schicksal erlitten bedeutende Teile der preußischen Monarchie und des Kurfürstentums Hannover, das seit dem frühen 18. Jahrhundert in Personalunion mit dem englischen Königreich verbunden war, dem Hauptfeind des Franzosenkaisers. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig am 18. Oktober 1813 und den folgenden Feldzügen gegen Frankreich gelang die Wiederherstellung sowohl von Hannover als Königreich als auch des Herzogtums Braunschweig. Dessen nach 1806 seines Landes verlustig gegangener Herzog Friedrich Wilhelm erwarb in den Befreiungskriegen als Führer eines Freikorps, das man wegen der Farbe der Uniformen „schwarze Schar“ nannte, einen guten Namen. In der Schlacht von Waterloo im Juni 1815 erlitt der „schwarze Herzog“ den Heldentod. Trauernde Bürger errichteten für ihn und seinem ebenfalls im Krieg gegen Frankreich gefallenen Vater nicht nur einen Obelisken und zwei Reiterdenkmäler, sondern sammelten auch fleißig Erinnerungsstücke an sie und die Befreiungskriege. Diese Souvenirs bildeten den Grundstock des 1891 eröffneten Vaterländischen Museums, aus dem das heutige Braunschweigische Landesmuseum hervorging.

Wilde Männer schützen das Landeswappen

Nachdem der 1804 geborene Karl II. 1823 mündig geworden war, entfaltete er eine reiche Silber- und Goldprägung, die bei Sammlern hoch im Kurs steht. Auf einer Probe zu einem halben Taler von 1829 erscheint der souveräne Herzog, wie er sich nannte, im Schmuck seiner Orden, während auf der Rückseite das Landeswappen unter einem mit der Krone geschmückten Hermelinmantel von zwei „wilden Männern“ beschützt wird. Diese Form heraldischer Präsentation findet man auf braunschweigischen, preußischen und anderen Münzen dieser Zeit.

Die Regierungszeit von Karl II. war durch seinen autokratischen Herrschaftsstil, extravagantes Auftreten und höfische Verschwendungssucht gekennzeichnet. Der Herzog brachte seine unter Despotie und Armut leidenden Untertanen gegen sich auf. Wegen Missernte und großer Hungersnot brach 1830, als sich die Franzosen in der Pariser Julirevolution gegen die Bourbonenherrschaft erhoben, ein Volksaufstand aus, der im Deutschen Bund, der losen Vereinigung zahlreicher Fürstentümer und einiger Freier Städte, starken Widerhall fand. In seinem Verlauf ging das aus dem 18. Jahrhundert stammende Braunschweiger Residenzschloss in Flammen auf. Der bald darauf errichtete Nachfolgebau wurde im Zweiten Weltkrieg ausgebombt und 1960 abgerissen. Die Beseitigung der Ruine gegen massive Proteste von Denkmalpflegern und großen Teilen der Bevölkerung wurde mit zu Recht mit der Sprengung des Hohenzollernschlosses in Ost-Berlin 1950 auf Weisung der SED-Führung verglichen und verurteilt. Ein Neubau mit rekonstruierter Fassade im Herzen von Braunschweig beherbergt heute ein Schloss-Arkaden genanntes Einkaufszentrum.

Volkswut ließ Schloss abbrennen

Statt auf die Forderungen aus der Bevölkerung einzugehen, die sich vor seinem Schloss versammelt hatte und verzweifelt nach Brot rief, tat der Herzog das, was alle Selbstherrscher ohne Gefühl für die Nöte ihrer Untertanen tun. Er ließ die Wachen verstärken, Kanonen auffahren und die Pulvervorräte aufstocken. So genanntes Umherstehen von mehr als sechs Personen war verboten, ebenso regierungskritische Agitation. Die Volkswut drohte, sich in einem Aufstand zu entladen wie 18 Jahre später in Paris, Wien, Berlin, Dresden und an anderen Orten. Die Erhebung war ein wichtiges, freilich wenig bekanntes Ereignis auf dem Weg der Deutschen zur Überwindung der elenden Fürstenherrschaft und Erlangung demokratischer Verhältnisse.

Wäre der von seinem Gottesgnadentum überzeugte Herzog Karl II. nicht von seinen Leuten daran gehindert worden, er hätte den Schießbefehl erteilt und schreckliche Schuld auf sich geladen. Doch es kam anders. Die aufgebrachte Menge überwand die Absperrungen am Schloss und näherte sich bedrohlich den herzoglichen Gemächern. Jetzt entschloss sich der bis dahin so hochmütige, nun aber verängstigte Herrscher zur Flucht. Man erinnerte sich, dass der schlecht getarnte Fluchtversuch Ludwigs XVI. und seiner Gemahlin Marie Antoinette im Juni 1791 mit der triumphalen Rückführung des Königspaars nach Paris und seiner Hinrichtung zwei Jahre später endete. Um nicht erkannt und gar erschossen zu werden, verkleidete sich Karl II. als einfacher Offizier und machte sich aus dem Staub in der Hoffnung, seine „Reise“ werde zur Beruhigung der Lage beitragen und er könne bald wieder das Zepter übernehmen. In der Revolution von 1848/9 hatten der preußische König Friedrich Wilhelm IV. und andere Herrscher allen Grund, sich vor der Guillotine zu fürchten. Sie waren ihres Lebens erst wieder nach der blutigen Niederschlagung der Aufstände sicher. Die überstürzte Flucht des Braunschweiger Herzogs hatte zwar zur Folge, dass nicht geschossen wurde, wohl aber kam es zu Ausschreitungen auf allen Seiten.

Zeichen an der Wand nicht erkannt

Wer das Schloss in Brand setzte, wurde nie ermittelt. Es wurde aber als Menetekel, als biblisches Zeichen an der Wand und als Signal für den Aufbruch zu neuen Ufern interpretiert. Noch lange erinnerte man sich daran was passiert, wenn sich die Volkswut gegen fürstliche Autokraten richtet. Karl II., der in seiner Borniertheit das Zeichen an der Wand nicht erkannt hatte, wurde in Abwesenheit für regierungsunfähig erklärt und gab, nach Paris und Genf entwichen, niemals die Hoffnung auf, auf den Thron seiner Vorfahren zurückzukehren. Nach seinem Tod 1873 im Genfer Exil fand man in seinem Nachlass 5000 Uniformen zur Ausrüstung von Freiwilligen, die mit ihn in Braunschweig wieder an die Macht bringen sollten. Der Ex-Herzog, der als Schachspieler einen hervorragenden Ruf besaß, blieb unverheiratet und hatte keine legitimen Erben. Er hinterließ ein bedeutendes, vor allem aus Diamanten und Beteiligungen an Eisenbahngesellschaften bestehendes Vermögen.

Nachfolger des 1830 gestürzten Karl II. wurde sein Bruder Wilhelm, der Braunschweig bis 1884 regierte und auf Münzen mit seinem langsam älter werdenden Bildnis vertreten ist. In der Kaiserzeit ließ Wilhelm nur einmal eine Münze, und zwar das mit seinem Kopf geschmückte Zwanzig-Mark-Stück von 1875, in einer Auflage von 100 000 Stück prägen. Nach dem Tod von Herzog Wilhelm, der keine legitimen Erben hinterließ, übernahm ein Regentschaftsrat die Regierungsgeschäfte in Braunschweig. Da Preußen und das 1866 im Ergebnis des Deutschen Kriegs vertriebene Haus Hannover verfeindet waren, konnte der eigentliche Thronanwärter, der im Exil lebende König Ernst August von Hannover, die Regierung in Braunschweig nicht antreten. Deshalb übernahmen Vertreter anderer Fürstenhäuser von 1885 bis 1913 die Regentschaft. Braunschweig gab in dieser Zeit keine eigenen Reichsmünzen aus.

Stempel mit unvollständigem Titel

Erst 1913 gelang die Aussöhnung zwischen den Hohenzollern und den Welfen mit der Hochzeit zwischen der Prinzessin Viktoria Luise, einer Tochter von Kaiser Wilhelm II., und dem Welfenprinzen Ernst August. Nachdem er auf seine Ansprüche auf das ehemalige Königreich Hannover verzichtet hatte, konnte er in Braunschweig als neuer Herzog den Thron besteigen, was erst 1915 zur Ausgabe von Drei- und Fünf-Mark-Stücken mit seinem und dem Bildnis seiner Frau führte. Da der herzogliche Titel zunächst unvollständig wiedergegeben wurde, weil der Landesteil U. LÜN. (und Lüneburg) fehlte, musste in Berlin ein neuer Stempel mit etwas verlängerter Umschrift angefertigt werden.

Warum man zwei Jahre brauchte, um diese Gedenkstücke mit der Jahreszahl 1915 herzustellen, geht aus der numismatischen Literatur nicht klar hervor. Von den Drei- und Fünf-Mark-Stücken der unvollständigen Variante wurden nur 1700 beziehungsweise 1400 Exemplare geprägt, was sie zu numismatischen Raritäten machte. Ursprünglich waren für die Hochzeitsmünzen weitaus größere Stückzahlen geplant und vom Bundesrat genehmigt, der als Vertretung der Länder im Deutschen Reich unter anderem für „Münzsachen“ zuständig war. Doch statt in Berlin 333 335 Stück von der Drei-Mark-Münze und 99 999 Stück von der Fünf-Mark-Münze herzustellen, kam man wegen der aktuellen Silberknappheit und der angespannten Stimmung und militärischen Lage im zweiten Jahr des Ersten Weltkriegs nur auf 31 634 beziehungsweise 8600 Exemplare beim Drei- und Fünf-Mark-Stück.

Die Hochzeitsmünzen von 1915 haben einen interessanten historischen Hintergrund. Kaiser Wilhelm II. und seine Gemahlin Auguste Victoria gaben ihre Tochter Viktoria Luise nicht irgendeinem deutschen Bundesfürsten zur Frau. Indem sie die Hochzeit am 24. Mai 1913 unter Aufbietung des ganzen kaiserzeitlichen Prunks in Berlin großartig feierten, trugen sie zur Aussöhnung der Hohenzollern mit den Welfen bei.

Seit dem Krieg von 1866 waren Preußens Beziehungen zum hannoverschen Königshaus außerordentlich gespannt. Die Königreiche Bayern, Hannover, Sachsen und Württemberg hatten mit ihren meist in Süddeutschland ansässigen Verbündeten auf der österreichischen Seite gekämpft und gegen Preußen und dessen Koalitionäre verloren. Die Folge war die Annexion von Hannover, Hessen-Kassel, Nassau und Frankfurt am Main durch Preußen. König Wilhelm I. und sein Ministerpräsident, ab 1871 Reichskanzler Otto von Bismarck sahen in dem Landraub nicht nur eine willkommene Erweiterung des preußischen Staatsgebietes, sie verhinderten der Entmachtung der dort herrschenden Dynastien auch, dass sich diese Bundesstaaten in einem möglichen Krieg mit Frankreich gegen Preußen stellen. Ziel war ein Deutsches Reich unter preußischer Führung ohne Österreich mit nur noch willfährigen Bundesfürsten als Partner. Dass das mit vielfältigen Querelen und Rückschlägen, am Ende aber doch gelang, muss man sich bei Anblick der numismatischen Hinterlassenschaften aus dieser Zeit hinzu denken.

21. Dezember 2023