Kleingeld aus der Kipperzeit
Im Landkreis Notheim haben Sondengänger einen alten Schatz entdeckt



Die von einem Unbekannten gehorteten und im Kreis Notheim gefundenen Kippermünzen stammen aus der Region und lassen sich gut bestimmen.







Als das minderwertige Geld – hier ein Dresdner Kippertaler von 1622, ein solcher aus München von 1621 und Kleingeld aus Berlin - über Steuern und Abgaben in die Landeskassen zurück floss, kehrte sich der zeitweilige Vorteil ins Gegenteil um, und die Obrigkeit bereitete den Machenschaften der Kipper und Wipper alsbald ein Ende.



Die Umtriebe der Kipper und Wipper, hinter denen nach damaliger Auffassung nur der Teufel stecken konnte, richteten großen wirtschaftlichen Schaden und stürzten viele Familien ins Elend.



Mit zahlreichen auch illustrierten Pamphleten machten sich unter der elenden Kipperei leidende Menschen Luft, doch klar zu sagen, wer die wahren Hintermänner und Profiteure der massenhaften Geldentwertung sind, hat sich kaum jemand getraut.



Die manuelle Münzprägung öffnete Fälschern sowie Kippern und Wippern Tür und Tor. Erst der Einsatz von Spindel- und ab dem 19. Jahrhundert von Kniehebelpressen und anderen technischen Errungenschaften erschwerte ihnen das Handwerk. Wer Kipper und Wipper bei den Behörden anzeigt, sollte laut Edikt von 1764 anonym bleiben und eine Geldprämie bekommen. Mit solchen Zahlungen wurde dem Denunziantentum Tür und Tor geöffnet, und das nicht nur beim Auftauchen minderwertiger Geldstücke, sondern auch ganz allgemein bei allem, was gegen die Interessen der Monarchie gerichtet ist oder sein kann. (Fotos/Repros: Caspar)

Die Sondengänger Heike Müller-Otte und Marco Womann haben auf einem Acker am Glockenborn bei Moringen im niedersächsischen Landkreis Notheim 135 Münzen aus den Jahren 1620 und 1621 gefunden. Die Flitter und Pfennige sind interessante Zeugnisse aus der berüchtigten Kipper- und Wipperzeit, die zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs großes Unheil in der Geldwirtschaft angerichtet und viele Existenzen vernichtet hat. Hauptsächlich bestehen die dünnen Kleinmünzen mit Gewichten weit unter einem Gramm aus minderwertigem Silber, das stark mit Kupfer „gestreckt“ wurde. Als Münzstätten wurden unter anderem Einbeck, Göttingen und Lüneburg identifiziert. Materialwert und damalige Kaufkraft sind gering, aber die historische Bedeutung ist groß, wie Kreisarchäologin Petra Lönne erklärt. Die Menge der gefundenen Geldstücke ist bemerkenswert, und die Frage steht im Raum, warum jemand damals solches Teufelszeug, wie man sagte, gehortet und versteckt hat, obwohl seine Kaufkraft gering ist. Der Unbekannte dürfte nicht gerade wohlhabend gewesen sein, sonst hätte er Silbertaler und Goldgulden versteckt, die ab und zu von Archäologen und Sondengängern ans Tageslicht gefördert werden.

Geldgierige Landesfürsten

Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) zogen Geschäftemacher durch deutsche Lande und kauften die guten alten Reichstaler und anderes vollhaltiges Geld auf. Die Silbermünzen wurden gewogen, und die zu schwer waren, hat man von der Waage (Wippe) gekippt, um sie einzuschmelzen. Das Edelmetall wurde mit Kupfer vermischt und in billiges Geld, die so genannte Usualmünze, verwandelt. Die Umtriebe der Kipper und Wipper wurden zunächst von geldgierigen Landesfürsten geduldet, denn die neu geprägten Taler, Gulden, Groschen, Kreuzer und Pfennige ergaben einen willkommenen Profit, mit dem teure Hofhaltung, aber auch Ausgaben für den Krieg bestritten wurde.

Die Geldverschlechterung um das Jahr 1622 war nicht der erste Fall dieser Art. Inflationäre Erscheinungen gab es schon vorher und nachher, doch nahmen die Umtriebe der Kipper und Wipper zu Beginn des 17. Jahrhunderts bisher nicht gekannte Ausmaße an und waren von heftiger Polemik begleitet. Das Nachsehen hatten bei der elenden Kipperei unter anderem protestantische Geistliche, die mit ihren bisher aus guten alten Talern bestehenden Einkünften recht ordentlich leben konnten. Mit dem nun in gleicher Höhe ausgezahlten „leichten“ Geld kamen sie aber nicht mehr über die Runden, und so verschafften sie sich mit wütenden Protesten von den Kanzeln herab und in Flugblättern Luft. Dort werden die Kippermünzen als Teufelszeug angeprangert, die sowohl die Landesfürsten als auch die allerletzten Bettelleute zugrunde richten, und es wird den Betrügern alles Böse der Welt an den Hals gewünscht.

Die deutsche und internationale Geschichte kennt viele Beispiele, dass die Lasten von Münzverschlechterungen und Inflationen vom sprichwörtlichen „kleinen Mann“ getragen wurden und die Länder, in denen sie stattfanden, großen Schaden erlitten. Zwar bestanden im Römisch-deutschen Reich strenge Ordnungen, die die Qualität des Silbergeldes garantierten und die Münzstände, also die Fürsten und Kommunen, zu Ehrlichkeit und Gesetzestreue verpflichteten. Die bei regelmäßigen Zusammenkünften, den so genannten Probationstagen, immer wieder bekräftigte Forderung nach Ehrlichkeit im Münzwesen ließ sich nur unvollkommen durchsetzen, bewirkte aber eine Flut von Edikten, in denen vor schlechten Münzen gewarnt und verboten wurde, das eigene gute Geld einzuschmelzen und/oder außer Landes zu bringen.

Feudalordnung in Gefahr

Um ihren Lebensunterhalt und ihre Existenz besorgte Menschen griffen zu Äxten und Fackeln, zündeten die illegalen Geldschmieden an und ermordeten da und dort auch deren Personal. Die Tumulte in Brandenburg, Sachsen und anderen Territorien riefen die Staatsmacht auf den Plan, denn sie sahen die gottgewollte Feudalordnung in Gefahr. So wurden Truppen in Marsch gesetzt, um gewalttätige Protestaktionen im Keim zu ersticken und die Rädelsführer zu bestrafen. In den meisten Fällen aber blieb es bei landesväterlichen Appellen und ätzenden Streitschriften und Flugblättern.

In seinem Buch „Inflationen. Das Drama der Geldentwertungen vom Altertum bis zur Gegenwart“ (Richard Pflaum Verlag München 1955) hat der bekannte Numismatiker Richard Gaettens die Schwierigkeiten im deutschen Geldwesen zu Beginn des 17. Jahrhunderts auf Unzulänglichkeiten der Reichsmünzordnung von 1559 und ihr starres Festhalten an den Wertverhältnissen zwischen Gold und Silber zurück geführt. Kleine – und wie man hinzufügen muss – auch große Münzherren „mit weitem Gewissen“ suchten dem Kleingeldmangel durch Ausmünzung kleiner Sorten entgegen den Vorschriften der Reichsmünzordnung abzuhelfen. Indem Heckenmünzen in immer größerer Zahl ihre Arbeit aufnahmen, kam es zu einem kaum zu überblickenden Ausstoß an Groß- und Kleinmünzen, die mehr aus Kupfer denn aus Silber bestanden. Die vereidigten Münzbeamten und -arbeiter waren über die Entwicklung entsetzt, denn ihr sonst sehr angesehener Berufsstand nahm Schaden, und es kam vor, dass es ehrliche Münzer ablehnten, sich an den Machenschaften zu beteiligen, und es erst taten, wenn man sie ihres Eides gegenüber der Obrigkeit entband und sie auch nicht ihr Signum auf die Kippermünzen setzen mussten.

Höllstinkende Wucherer und Geizhälse

Die Heckenmünzen schossen wie Pilze in kleinen Städten und an verschwiegenen Orten aus dem Erdboden. Sie unterlagen keiner staatlichen Kontrolle, und ihre Betreiber hielten sich nicht an die Gesetze. Da Landesherren wie die Kurfürsten von Sachsen und von Brandenburg, die Herzöge von Braunschweig, die Grafen von Sayn-Wittgenstein und die Grafen von Hohenlohe-Schillingsfürst sowie manche Kommunen und selbst Kaiser Ferdinand II. und sein Generalissimus Albrecht von Wallenstein bei der Münzverschlechterung die Hände im Spiel hatten und an ihr verdienten, war es schwer, den Betrügern ihr Handwerk zu legen, mochte der Volkszorn noch so viel hochkochen. „Es ist eitel altes Kupfer, / Von Kesseln, Blasen und Pfannen / Kupfernen Rinnen und Badewannen / Übern Haufen zsamen gschlagen / Das führe ich auf meinem Wagen / Eitel Geld will man draus machen“, heißt es in einem dieser schnell von Hand zu Hand gehenden Drucke. Ein anderer ruft auf: „Schla doet / schla doet dat lose Pack / Met öhren Knechten unde Packenack / Schla doet / latet se nich leven / Nimm weg öhr Guet / heff gueten Moet / Van Godt isst diek al vorgeven“. In anderen Streitschriften wird die Bande der Geldwechsler sowie der Kipper und Wipper als „höllstinkende Wucherer, eingeteuffelte und durchgeteuffelte Geitzhälss, abgefaummte, abgetriebene und Ertzkipper und leichtsinnige Schandfunken“ bezeichnet, und es fehlt auch nicht an Ausdrücken wie Arschloch und Beschisser. Da viele Leuten nicht lesen und schreiben konnten, hat man auf Grafiken gezeigt, wer diese „Ertzdiebe und Grundschelme“ sind und dass ihnen höllisches Feuer und ewige Verdammnis droht. „Das beste Mittel wer auf Erden / Dass man sie sampt jhrem Stempel / Andern zum schew und Exempel / Mit Fewr verbrennen / oder aufhenck Amen“, war eine einhellige Meinung.

Eingesammelte Kupferkessel

Die Obrigkeiten hatten nicht die Macht und den Willen, dem Treiben der Heckenmünzer Einhalt zu gebieten, die man als küpferne Leute, Junker Wolf von Kippenberg, Lux von Wippersheim, Wuchershausen und Schindeberg oder Edle Herren von Schacherheim und Müntzberg verspottete. Wer noch gutes Geld besaß, versteckte es in Krügen und Kisten und wartete die Entwicklung ab. Manche aber ließen sich verlocken und gaben ihre guten Münzen in Erwartung von Profit weg und hielten am Ende nur geprägtes Kupfer fast ohne Wert in der Hand. In seinem zweibändigen Werk „Versuch einer Chur-Sächsischen Münzgeschichte. Von den ältesten, bis auf jetzige Zeiten“ (Chemnitz 1780) schreibt Johann Friedrich Klotzsch: „Das rohe Kupfer ward also fleißig gesuchet, nach und nach immer teurer bezahlet und im Lande endlich ganz aufgekaufet, wodurch solches sich so verlohr, daß, nach den in verschiedenen Zeitbüchern gefundenen Klagen, die Haußväter so gar in den Mitteln, zu Erlangung neuen kupfernen Geschirres, viel Verlegenheit geäusert haben.“ In dem auch heute noch wegen der vielen zeitgenössischen Berichte instruktiven Buch zitiert Klotzsch aus der „Sangerhausischen Chronik“ diese Sätze: „In gegenwärtiger Zeit wurden die Blasen, Kessel, Röhren, Rinnen, und was von Kupfer war, ausgehoben, in die Münzen getragen, und zu Gelde gemachet. Durfte ein ehrlicher Mann sich nicht mehr trauen, jemand zu herbergen, denn er muste Sorge haben, der Gast breche ihm des Nachts die Ofenblasen aus, und lief davon. Wo eine Kirche ein alt Kupfern Taufbecken hatte, das muste fort, der Münze zu.“.

Aufrufe, Warnungen, Drohungen

Die wortgewaltigen Aufrufe, Warnungen und Drohungen verzichteten darauf zu sagen, die eigentlichen Urheber und Nutznießer der „leichten“ Münzprägung sind. Angegriffen wurden kleinen Handlanger, die man gottloses Pack nannte. Der Volkszorn sah sich bei seinen Aufrufen zur Selbsthilfe auf der sicheren Seite, denn nach den damaligen Strafgesetzen waren Verfälschung, Beschneidung und Nachprägung von Münzen streng verboten. Wer erwischt wurde, kam auf grausame Weise durch Hängen, Köpfen, Vierteilen und Verbrennen vom Leben zum Tod. Ende des 17. Jahrhunderts gab es die Wiederholung der Münzfälscherei in Gestalt der „Kleinen Kipperzeit“.

Dass Kipper und Wipper auch im 18. Jahrhundert ihr Unwesen trieben und im Sprachgebrauch präsent waren, zeigt ein „Geschärfftes Edikt“, das Preußens König Friedrich II. am 16. Januar 1764, knapp ein Jahr nach dem Ende des Siebenjährigen Kriegs erließ. Mit ihm versuchte der Monarch, seine Pläne zur Reformierung des preußischen Münz- und Geldwesens zu befördern und gleichzeitig minderwertiges Geld, das massenhaft von außen in sein Reich einströmte, abzuwehren. Bei Androhung schwerer Strafen wurden die Kassen angewiesen, nur jene Münzen anzunehmen, die den gesetzlichen Vorschriften für Schrot und Korn, also Gewicht und Feingehalt, entsprechen. Interessant ist, dass Unterschiede bei der Verfolgung von Menschen gemacht wurden, die gegen die königliche Anweisung verstoßen. So wurde Juden, die beim Kippen und Wippen erwischt wurden, höhere Strafen wie den Verlust ihrer Schutzprivilegien, Festungsarbeit und sogar die Todesstrafe angedroht. Hingegen mussten Christen im gleichen Fall nur das Zehnfache der bei ihnen gefundenen schlechten Münzen ersetzten oder ins Gefängnis gehen.



24. April 2024