Bei den „Medeyen“ ist großer Betrug
Wo vor 500 Jahren nichts Echtes und Altes vorhanden war, halfen Münzfälscher und Nachahmer nach



Wegen der internationalen Verständlichkeit in lateinischer Sprache verfassten Münzkatalogen und gelehrten Abhandlungen der Barockzeit gefiel man sich, direkte Linien von den alten Römern zu aktuell herrschenden Dynastien zu ziehen. Dabei leisteten auch antike Münzen gute Dienste.



Johann Wolfgang von Goethe war ein begeisterter Sammler von Münzen und Medaillen, die geschlossen in Weimar erhalten sind. Ihn störten die in Padua von Antonio Cavino gefertigten Nachahmungen nicht, die als solche sofort zu erkennen sind und niemals so taten, als würden sie antik sein.





Bei seinen Medaillen orientierte sich Antonio Cavino an bewährte Vorbilder, hier ein Paduaner in der Art eines Sesterzen des Kaisers Commodus und eine Erfindung, die Julius Caesar mit dem ihm nachgesagten Spruch VENI VIDI VICI (Ich kam, ich sag, ich siegte) zeigt. Viele Nachahmungen zeigen Spuren intensiven Nachbearbeitung bei den Buchstaben und an anderen Stellen auf und sind schon deshalb als nicht aus der Antike stammend zu erkennen.



Der friesländische und der pommersche Taler von 1529 und 1498 sind Erfindungen nach dem Vorbild echter Geldstücke. Sammler mögen vergeblich viel Mühe aufgewandt haben, um sie aufzuspüren und zu kaufen.



Der falsche Taler aus Dortmund von 1482 ist so miserabel gelungen, dass man ihn von hundert Metern Entfernung erkennt. Interesse verdient dieses und ähnliche Machwerke wegen der Unverfrorenheit, mit der Münzfälscher Sammler hinters Licht zu ziehen suchten.Die Stadt nahm erst 1541 die Talerprägung auf.



Der niederländische Maler Hubertus Goltzius hatte mit erfundenen Kaisermünzen Erfolg. Seine mit vergrößerten Holzschnitten geschmückten Bücher sind heute bibliophile Kostbarkeiten. Der Weimarer Bibliothekar, Kantatendichter und Aufseher des herzoglichen Münzkabinetts Salomon Franck hat seine Zeitgenossen mit der Darstellung von sächsischen Talern beeindruckt. Sein 1723 in Weimar gedrucktes Buch zeigt Fantasiemünzen aus der Zeit vor 1500, das heißt vor Ausgabe der Klappmützentaler. Seine „Geistermünzen“ sind ein kläglicher Versuch, das Buch durch Raritäten und sich selbst als berühmten Forscher aufzuwerten.



Im frühen 19. Jahrhundert haben sich Fachleute mit Fälschungen und wie man sie erkennt befasst. Die Methoden haben sich seither entwickelt, die Fähigkeiten der Betrüger allerdings auch. (Fotos/Repros: Caspar)

Vor etwa 600 Jahren begann man, an antiken Gefallen zu finden. Gelehrte und Sammler stellten Überlegungen zur Genealogie der Caesaren an und trachteten danach, deren Münzreihen möglichst komplett zu besitzen. Natürlich waren die Originale rar, auch wenn da und dort in Italien antike Münzen entdeckt wurden. Denn die großen Funde mit tausenden dieser wunderbaren Darstellungen des Götterhimmels der Griechen, Perser und Römer und Bildnissen von Königen und Kaisern waren noch nicht gehoben. Demzufolge war das Angebot an Originalen gering, denn die großen Schätze kamen erst im 19. und 20. Jahrhundert ans Tageslicht und in den Münzhandel.

Münzen wurden mit den Berichten antiker Schriftsteller und in Staatsdokumenten sowie Inschriften von Tempeln, Monumenten und Grabmälern als erstklassige Geschichtsquellen entdeckt und nach Kräften ausgewertet. Sammler trachteten danach, die metallenen Hinterlassenschaften antiker Völker in ihren Besitz zu bekommen. Damit begann die eigentliche Geschichte der Münzfälschung zum Schaden der Sammler. Sie ist von der „gemeinen“ Falschmünzerei zu trennen, die den Staat durch Herstellung von Geldstücken aus minderwertigem Metall oder nachgemachten Banknoten schädigt und für die Täter schwerste Strafen an Leib und Leben zur Folge hatte.

Stattliche Leute übervorteilt

Was aber tun, wenn Echtes und Altes fehlte, wenn Kirchenfürsten, Feudalherren, reiche Patrizier und Gelehrte unbedingt die geprägten Caesaren möglichst vollständig besitzen wollten? Wo sie fehlten, sprangen Fälscher und Nachahmer ein, was allerdings nicht jedem gefiel und kritische Fragen hervor rief. In einer Schrift über die kurfürstlich-sächsische Kunstkammer von 1587 wird festgestellt, bei den „Medeyen“ sei großer Betrug, womit unterschiedslos Münzen u n d Medaillen gemeint waren. Dringend wird abgeraten, dafür „unmmessige kosten zu verwenden. Es seint vil statlicher Leuthe hirin verforteilet, vnd new für altes thewer verkaufft worden“. Johann Wolfgang von Goethe sah das anders, denn die etwa 4000 Münzen und Medaillen umfassende Sammlung des Dichters und Ministers in Weimar enthält auch Nachbildungen aus Italien sowie Güsse statt Prägungen. Er hatte Freude, „die Cavinischen Arbeiten zu sammeln, um an der täuschenden Nachbildung sein Gefühl für die Originale immer mehr zu schärfen“, schrieb er. Das ist auch heute anzuraten. Denn legt man beide Kategorien nebeneinander, so fallen die Unterschiede schnell ins Auge.

Zur genauen Prüfung ruft die bis 21. September 2025 im Bode-Museum auf der Berliner Museumsinsel vom Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz gezeigte Ausstellung „Lange Finger - Falsche Münzen. Die dunkle Seite der Numismatik“ auf. Sie zeigt an eindrucksvollen Beispielen, was unter Falschmünzerei und Münzfälschung verstanden wird und was berühmt-berüchtigte Fälscher taten und was mit ihnen geschah, wenn man ihnen auf die Schliche kam. Martin Hirsch, der Direktor der Staatlichen Münzsammlung München, schildert in dem Buch zur Ausstellung unter anderem, wie in Rom der Münzhandel während der Renaissance organisiert war und auf welchen Wegen die Händler an ihre Ware gelangten. Arbeiter, die in den Weinbergen rund um die Ewige Stadt tätig waren, verkauften zufällig gefundene Münzen und andere Antiken an Juweliere oder Trödler. Zwischenhändler gaben die gelegentlich verschönte, mit echter oder nachgemachter Patina versehene Ware profitabel an Sammler weiter. Diese bedienten sich zudem aus Kollektionen, die nach dem Tod der Besitzer zum Verkauf anstanden. Es gab international agierende Netzwerke noch ganz ohne Internet und Telefon, die bei der Beschaffung von alten Münzen und den damals erst langsam in Mode gekommenen Medaillen halfen. Goethe hat in seinen Schriften geschildert, wie er Verbindungen auch ins Ausland nutzte, um an seine numismatischen Schätze zu gelangen.

Deutliches Zeichen der Hochachtung

Selbstverständlich war der Münzhandel im 16. Jahrhundert und danach nicht frei von kriminellen Machenschaften. Wie heute auf Münzenmessen und im Internet mögen auch damals manche auf „alt“ getrimmte Fälschungen und Nachahmungen gutgläubigen Sammlern untergeschoben und erst später als solche erkennt worden sein. Nicht einmal der Papst und andere prominente Sammler waren vor Nachahmungen sicher. Im Übrigen genossen manche Kopisten viel Ansehen. Martin Hirsch zitiert dankenswerterweise aus Inschriften auf Epitaphien in Kirchen, die die teuren Toten als exzellente Imitatoren antiker Münzen loben. Ein deutlicheres Zeichen der Hochachtung sei kaum vorstellbar.

Mit den in Goethes Sammlung neben echten Antiken liegenden „Cavinischen Arbeiten“ waren Werke des in Padua tätigen Goldschmieds, Stempelschneiders und Medailleurs Antonio Cavino (1500 bis 1570) gemeint. Der Herkunftsort gab ihnen auch den Namen Paduaner. Die geprägten oder gegossenen Arbeiten meist in der Größe römischer Sesterzen aus Bronze und manchmal aus Silber waren zu ihrer Zeit begehrt und erzielen heute, da sie inzwischen als eigenständige künstlerische Leistungen der Renaissance anerkannt sind und wegen ihres besonderen Hintergrunds geschätzt werden, ähnlich hohe Preise wie die Originale.

Faszination der Antike

Warum die Paduaner in Fälschungsabteilungen numismatischer Sammlungen fehl am Platze sind und welche eigenständigen Kunstwerke sich unter ihnen befinden, dokumentiert das Buch „All’ antica – Die Paduaner und die Faszination der Antike“ (Battenberg Gietl Verlag Regenstauf 2018, 376 S., zahlr. Abb., 39,90 Euro, ISBN 978-3-86686-166-6). Herausgegeben von Michael Matzke im Auftrag des Historischen Museums Basel und der Numismatischen Gesellschaft Speyer e. V., ist das hervorragend mit Fotos von Alwin Seiler ausgestattete Referenzwerk weitaus mehr als ein bloßer Katalog mit Nummern, Bildern und Beschreibungen. Die Beiträge die „All’ antica“, also in der Art und im Geist der Antike, geschaffenen Medaillen im Besitz des Historischen Museums Basel. Die über lange Zeit versuchte Abqualifizierung der Paduaner als Fälschungen ist nach heutiger Sicht nicht mehr gerechtfertigt, lautet das Facit dieses wichtigen Katalogs.

Von dem Gelehrten Antonio Bassiano beraten, ahmte Antonio Cavino die Münzen der Römer nach und verdiente damit nicht schlecht. Er versuchte nicht, seinen Arbeiten den Anschein des Alten und Echten zu verleihen, das taten andere mehr oder weniger erfolgreich, wie die Berliner Ausstellung und das Buch dazu zeigen. Er nahm auffällige Abweichungen bei den Metallen in Kauf und riskierte, indem er Silber statt Bronze verwendete, dass man den Stücken ihre „Novität“ ansah. Bei den Inschriften mühte sich der Meister im Unterschied zu gewieften Fälschern nicht, sie ganz und gar den Originalen anzupassen. Neben diesen Stücken mit kleinen Fehlern schuf Cavino auch phantasievolle Gepräge, für die er keine Vorbilder hatte. Damit lag er im Trend, denn auch in der numismatischen Literatur jener Zeit wimmelte es von erfundenen Römern und Griechen. Namhafte Gelehrte hatten keine Bedenken, ihre Leser mit Münzen zu verblüffen, die es nicht gibt.

Mit der Wahrheit nicht so genau

Für viele Sammler war es eine Ehrensache, vor allem die römischen Kaisermünzen in ihrer ganzen Vielfalt zu besitzen und komplett zu bekommen. Da nahm man es mit der Wahrheit nicht so genau, wenn auch Stücke geliefert wurden, die es nie gegeben hat. Das ist auch bei nachantiken Münzen vorgekommen. Erfinderisch war auch der niederländische Kupferstecher, Maler, Drucker und Numismatiker Hubertus Goltzius. Er bereiste im 16. Jahrhundert mehrere europäische Länder und soll 950 Münzsammlungen besichtigt haben. Dabei zeichnete er römische Kaisermünzen und bildete sie, nach Haus gekommen, als zweifarbige Holzschnitte in dickleibigen Büchern ab.

Mit der Wahrheit nahm es der einfallsreiche Niederländer nicht so genau, auch nicht mit der Wiedergabe wirklicher Münzbilder und echter Inschriften. Kaum jemand hatte im 16. Jahrhundert, als die Münzkunde noch in den Kinderschuhen steckte, die Möglichkeit zu überprüfen, was in den Goltzius`schen Werken Dichtung und was Wahrheit ist. Für seinen Übereifer ist Goltzius 200 Jahre später durch den Begründer der antiken Numismatik, Johann Hilarius Eckhel, mit herber Kritik bedacht worden. Der Wiener Gelehrte wies viele Fehler und Ungereimtheiten sowie offensichtliche Fälschungen in den Werken des Niederländers nach. Doch sollte man heute mit ihm milder ins Gericht gehen. Sein Verdienst war es unstreitig, dass er viele Sammler für numismatische Themen begeistert hat, wenn auch mit nicht immer ganz lauteren Mitteln. Echte und erfundene Brakteaten

Natürlich verschlossen frühere Sammlergenerationen nicht die Augen vor dem, was sich auf dem Gebiet der Münzfälscherei tat. Wer sich nicht ganz sicher war, konnte sich in der damaligen Literatur recht gut informieren und war gewarnt. In dem Münzbuch „Einleitung zur Medaillen- oder Münz-Wissenschaft“ von Louis Jobert (Nürnberg 1738) finden sich Tipps, um Fälschungen zu erkennen. Von den Erfindungen des Kupferstechers und Stempelschneiders Nicolaus Seeländer hingegen gibt es auch handfeste Belegstücke aus Silber. Der in Hannover tätige Erfurter bildete kunterbunt wirkliche Brakteaten und seine Fantasieprodukte in seinem Buch „Zehen Schriften von Teutschen Müntzen“ (Hannover 1743) ab und bediente Sammler mit seinen künstlich gealterten und wie mittelalterliche Brakteaten beschädigten Machwerken. Zu jener Zeit begann man, sich auch für die absonderlichen Münzen des deutschen Mittelalters zu interessieren. Dass etwas mit ihnen nicht stimmt, war Seeländers Zeitgenossen nicht bewusst. So wurden die „altdeutschen“ Hohlpfennige unkritisch auch in anderen Katalogen gewürdigt. Im 19. Jahrhundert gelang dem Leipziger Numismatiker C. F. von Posern-Klett der Nachweis, dass sie gefälscht sind.

Siehe auch Eintrag auf dieser Internetseite vom 29. April 2023 (Seeländer) und 28. Mai 2024 (Ausstellung im Berliner Münzkabinett)

3. Juni 2024