Das Gute ist der Feind des Besseren
In der Kaiserzeit wurde viel über die Gestaltung der Reichsmünzen gestritten, und es gab auch bemerkenswerte Vorschläge



Was sich hinter der Neorenaissance-Fassade der Königlichen Münze an der Unterwasserstraße abspielte, ist im Großen und Ganzen bekannt. Aber manche Details bedürfen noch der Klärung, wenn das nach so langer Zeit überhaupt möglich ist. Das betrifft etwa die Frage, wer über Münzentwürfe befand und diese zur Prägung frei gab und andere nicht.



Dass man sich in der Kaiserzeit Gedanken über die Gestaltung der Reichsmünzen Gedanken machte, hat Behrendt Pick 1912 mit seiner exzellenten Studie unter Beweis gestellt.





Dass man bei dem für die Rückseiten bestimmten Reichsadler Verbesserungen vornehmen konnte, zeigen die Drei-Mark-Stücke von 1910 zur Hundertjahrfeier der Berliner Universität und 1915 und mit dem Heiligen Georg als Drachentöter.





Das preußische Drei-Mark-Stück von 1912 mit dem Porträt Kaiser Wilhelms II. und kleinem Monogramm und das bayerische Fünf-Mark-Stück von 1913 mit dem Bildnis von König Ludwig III. und ungewöhnlich gestaltetem Reichsadler schafften es nicht zur Massenprägung. Von ihnen und anderen Vorschlägen existieren nur teure Probeabschläge.



Der jugendstilig gestaltete Fünfundzwanziger von 1912 fiel in der Gunst des Publikums durch, heute ist die massenhaft eingeschmolzene Nickelmünze ein gesuchtes Sammelstück.





Österreichische Münzen wie das goldene Hundert-Kronenstück auf die Sechzigjahrfeier der Thronbesteigung von Kaiser Franz Joseph I. wurden in Deutschland als vorbildlich angesehen. Die von Oscar Roty gestalteten Münzen mit der Marianne als Säerin, für die man sich in der deutschen Kaiserzeit begeisterte, werden in Frankreich in immer neuen Versionen geprägt. Nur in Ausnahmefällen bequemten sich deutsche Reichs- und Landesbehörden, über das Übliche hinausgehende Motive zur Massenprägung zuzulassen. (Fotos/Repro: Caspar)

Die gestalterische Modernisierung der ab 1871 geprägten Münzen des Deutschen Reichs wurde nach 1900 sowohl von Politikern als auch in den damaligen numismatischen Zeitschriften immer wieder eingefordert, und so nimmt es nicht Wunder, dass sich auch der Reichstag und die Landesparlamente mit dieser Frage beschäftigten. Nicht nur Kunstexperten, Numismatiker und Münzsammler, sondern auch Politiker fanden in der Kaiserzeit an den Kurs- und Gedenkmünzen, aber auch an der Gestaltung der Banknoten manches auszusetzen.

Im Preußischen Landtag entspann sich am 9. Februar 1912 anlässlich der Vorlage des Etats der Münzverwaltung eine interessante Debatte über das Aussehen der aktuellen Münzen. Der Abgeordnete von Conrad (Freikonservative) betonte, die Münzverwaltung habe in den vergangenen Jahren keine „glückliche Hand“ gehabt. Er forderte die Abschaffung des Fünf-Mark-Stücks und des Fünfundzwanzigers. Beide Nominale könnten „ohne Schaden“ aus dem Verkehr gezogen werden, die anderen Münzen würden völlig ausreichen. In seiner Antwort betonte der Geheime Oberfinanzrat und Regierungskommissar Sachs, die preußische Münzverwaltung sei für solche Vorschläge die falsche Adresse. Sie sei lediglich ausführendes Organ für die vom Bundesrat beschlossenen Ausprägungen, soweit sie auf Preußen entfallen. „Einen direkten Einfluss auf die Art der Münzen, die geprägt werden sollen, vor allem auf die Form der Reichsbanknoten hat die preußische Münzverwaltung nicht.“ Der Abgeordnete Becker (Zentrum) aus dem Siegkreis monierte, der Fünfundzwanziger sei nur als „Kastenmännchen“ beliebt, womit wohl eine Art Spargroschen gemeint war. Seine Form habe sich nicht bewährt. Wenn die Münze verschlissen ist, könne man sie vom Markstück schlecht unterschieden. Deshalb müsse das Geldstück kleiner werden. Der von anderen Rednern als Numismatiker beschriebene Abgeordnete Dr. Arendt aus Mansfeld (Freikonservative) forderte, Preußen sollte die Wünsche seiner Volksvertretung auf dem Gebiet des Münzwesens im Bundesrat stärker zum Ausdruck bringen. Die gute Idee beim Fünfundzwanziger sei schlecht ausgeführt.

Viele Vorschläge blieben auf der Strecke

Beachtenswert sind die Vorschläge des Abgeordneten für weitere Gedenkmünzen, und zwar zum 200. Geburtstag Friedrichs des Großen (1912), zu den 50. Jahrestagen der Schlachten von Königgrätz und Sedan (1916 und 1920) sowie zum 25-jährigen Regierungsjubiläum von Kaiser Wilhelm II. (1913). Außerdem regte er die Neuprägung des Mansfelder Segenstalers an. Von diesen Vorschlägen wurden nur die Ausgaben von 1913 (Wilhelm II.) und 1915 (100 Jahre Zugehörigkeit der Grafschaft Mansfeld bei Preußen) realisiert. Von einer Gedenkmünze zum einhundertsten Jahrestag der Befreiungskriege von 1813 war 1912 im Reichstag noch nicht die Rede.

Warum das Deutsche Reich und speziell Preußens als tonangebender Bundesstaat auf die Prägung einer Gedenkmünze zum 200. Geburtstag Friedrichs des Großen verzichtete, lässt sich aus den Akten im Geheimen Staatsarchiv Berlin-Dahlem nicht ersehen. Es müsste auch geprüft werden, ob für 1915 eine Bismarck-Gedenkmünze anlässlich des einhundertsten Geburtstags des allgemein als „Schmied des Reiches“ verehrten Kanzlers geplant war. In der Münzliteratur ist davon zwar die Rede, doch ein Nachweis für das Projekt und über die Gründe, warum es scheiterte, fehlt. Zwar trug Otto von Bismarck den Titel eines Fürsten und wurde nach seiner wenig ehrenvollen Entlassung 1890 von Wilhelm II. zum Herzog von Lauenburg erhoben, doch war der Kanzler damit noch lange kein regierender Reichsfürst, dem es zugestanden hätte, auf einer regulären Gedenkmünze zu erscheinen. Hingegen gab es massenhaft produzierte Bismarck-Medaillen. Erst 2015 hat die Bundesrepublik Deutschland den 200 Jahren zuvor geborenen Politiker durch ein Zwanzig-Euro-Stück geehrt.

Auch heute lesenswerten Analyse

Da bekanntlich das Gute der Feind des Besseren ist, hat m an sich nach 1900 mit der Frage befasst, wie das Aussehen des zeitgenössischen deutschen Hartgeldes optimiert werden kann. 1912 meldete sich der bekannte Numismatiker Behrendt Pick mit einem Beitrag in der „Internationalen Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik“ zu Wort. Er reiht sich in Überlegungen namhafter Numismatiker, Kunsthistoriker und anderer Personen darüber ein, wie man die Münz- und Medaillenkunst den Erfordernissen der Gegenwart inhaltlich und formal anpassen kann. Der klassische Philologe, ab 1896 Professor für Altertumswissenschaft an der Universität Jena sowie von 1899 bis zu seiner Entlassung 1934 aus „rassischen Gründen“ Direktor des Gothaer Münzkabinetts, unterzog in seinem Beitrag die Gestaltung der deutschen Reichsmünzen einer fundierten, auch heute noch lesenswerten Analyse und Kritik. Ausgangspunkt von Picks Klagen über die „Unschönheit unserer Reichsmünzen“ war das mehrfach erwähnte Fünfundzwanzig-Pfennig-Stück aus Nickel. Die zu einem 1907 vom Dürer-Bund ausgeschriebenen Preisausschreiben eingesandten Modelle unterstreichen Pick zufolge Meinung eine übertriebene Furcht vor Neuerungen, „aber das beruhte in letzter Linie doch auf der durchaus richtigen Erkenntnis, dass die Ausstattung der Münzen keine rein künstlerische Angelegenheit ist, bei der Wahl der Bilder vielmehr staatliche Rücksichten den Ausschlag geben müssen.“

Bedenklich findet Pick, dass die Stempel für die neue Münze von zwei Künstlern herrühren. Doch sei es nicht ungewöhnlich, dass die Vorderseiten und Rückseiten der Reichsmünzen, aber auch von älteren Geldstücken bis in die Antike zurückreichend häufig von unterschiedlichen Künstlern geschaffen wurden. Erfreulich sei es hingegen, „dass eine neue Gestalt des Reichsadlers statt der jetzigen heraldisch richtigen, aber sonst ausnehmend hässlichen und unangenehm gespreizten für zulässig erklärt wurde“. Im fernen Gotha lebend, konnte sich Pick diese Kritik leisten, denn sicher wird er gewusst haben, dass der unansehnliche Reichsadler auf eine persönliche Initiative Kaiser Wilhelms II. zurück ging und damit sakrosankt ist. Im Unterschied zur Münzprägung im Altertum und danach seien wir heute in der Technik durch bessere Werkzeuge den Alten überlegen, stellte Pick weiter fest. Der moderne Künstler könne sich darauf verlassen, dass sein Werk genau nach seinen Absichten fertig gestellt wird, während bei der Hammerprägung im Altertum viele Verprägungen und unvollständige Münzbilder zustande kamen. Künstlerisch sei die Arbeit der modernen Stempelschneider aber dadurch erschwert, dass nur ein flaches, durch die Reduktionsmaschine vom Modell auf den Stempel übertragenes Relief zulässig ist.

Französische und österreichische Vorbilder

Zwar bemerkte der Verfasser bei aktuellen französischen Münzen mit der von Oscar Roty entworfenen „Säerin“ und badischen Münzen mit dem Bildnis von Großherzogs Friedrich I. eine „weiche Modellierung“, die in stempelfrischem Zustand sehr gut aussieht. Aber wenn diese Münzen einige Zeit im Verkehr waren, seien sie ganz verwischt und würden sich unangenehm fettig anfühlen, während viele alte Münzen der napoleonischen Zeit mit ihrem scharfen Gepräge noch sehr gut erhalten sind. Pick und weitere Experten konnten so viel wettern wie sie wollten und die schönsten Vorschläge unterbreiten, die „Entscheidungsträger“ verhielten sich zögerlich, und wenn im damaligen Münzwesen neue Wege beschritten wurde, wie die im Preußischen Landtag monierten Drei-Mark-Stücke von 1910 und 1911 auf das Berliner und das Breslauer Universitätsjubiläum lehren, mussten sie manche Kritik einstecken.

In München und Berlin tüftelten Stempelschneider und Techniker neue Bild- und Wappenseiten für Großsilbermünzen und für Kleingeld. An der Suche nach neuen Bild- und Wertseiten war neben dem Berliner Münzgraveur Otto Schultz auch der königlich-bayerische Hofmedailleur Alois Börsch beteiligt, der zahlreiche Stempel für bayerische Münzen und Medaillen, aber auch für auswärtige Auftraggeber schuf. Bei den Entwürfen ging es unter anderem um die Gestaltung neuer Halb-Mark-Stücke, für die zeitgemäße Formen gesucht wurden. Karl Gebhardt hat die Proben und weitere Arbeiten in seinem 1998 erschienenen Buch über Alois Börsch ausführlich vorgestellt und dabei auch mitgeteilt, was Zeitgenossen des Künstlers von ihnen hielten.

Sachverständige und Nichtsachverständige

Da Abschläge an die Öffentlichkeit gelangten und sich Sammler für sie interessierten, findet man in den damaligen Münzzeitschriften verschiedentlich Meldungen und Kommentare über sie. Emil Bahrfeldt beispielsweise stellte in den Berliner Münzblättern Juni und Juli 1904 die neuen deutschen Fünfzig-Pfennig-Stücke vor und bemerkte, dass das Thema schon seit Längerem im Gespräch ist. Man habe Sachverständige und Nichtsachverständige beigezogen, „aber dass eine unserer deutschen Numismatischen Zeitungen, die doch wohl als sachverständig angesehen werden dürften, zur gutachterlichen Äußerung aufgefordert worden wäre, habe ich nicht gehört“. Bahrfeldt schildert, was alles vorgeschlagen wurde – eckige, runde und durchlochte Stücke, solche mit größerem und dickerem Schrötling usw. In der letzten Kommissionssitzung seien sämtliche Anträge auf Abänderung des jetzigen Fünfzig-Pfennig-Stücks abgelehnt worden. „Es wär’ so schön gewesen, hat nicht sollen sein!“, fügt der Münzforscher hinzu.

Bei den Entwürfen für neue Münzen ging es vor allem um die Neugestaltung der Halb-Mark-Stücke beziehungsweise Fünfzigpfennigmünzen. Karl Gebhardt hat diesbezügliche Proben und weitere Arbeiten in seinem 1998 erschienenen Buch über Alois Börsch vorgestellt und auch mitgeteilt, was Zeitgenossen des Künstlers von ihnen hielten. Da eigentlich nur für die interne Diskussion bestimmte Modelle und Abschläge an die Öffentlichkeit gelangten und sich Sammler für sie interessierten, findet man in den damaligen Münzzeitschriften verschiedentlich Meldungen und Kommentare über die Versuche, das deutsche Münzwesen aus seiner klassizistischen Erstarrung zu lösen. Emil Bahrfeldt beispielsweise stellte in den Berliner Münzblättern Juni und Juli 1904 die neuen Fünfziger vor und bemerkte, das Thema sei schon seit Längerem im Gespräch. Man habe Sachverständige und Nichtsachverständige beigezogen, „aber dass eine unserer deutschen Numismatischen Zeitungen, die doch wohl als sachverständig angesehen werden dürften, zur gutachterlichen Äußerung aufgefordert worden wäre, habe ich nicht gehört“. Der Berliner Münzexperte schildert, was alles vorgeschlagen wurde – eckige und runde und solche mit einem Loch in der Mitte, sowie mit größerem und dickerem Schrötling. In der letzten Kommissionssitzung seien sämtliche Anträge auf Abänderung des jetzigen Fünfzig-Pfennig-Stücks abgelehnt worden. „Es wär’ so schön gewesen, hat nicht sollen sein!“, fügt der bekannte Münzforscher seinem Bericht hinzu.

So kamen die neuen Halbmark- oder Fünfzigpfennig-Stücke über Probeabschläge nicht hinaus. Sie sind in den einschlägigen Katalogen zu finden und erzielen, wenn sie im Münzhandel angeboten werden, beachtliche Preise. Bei der Durchsicht wird deutlich, dass man viel und gern experimentierte und interessante Vorlagen für neue Reichsadler sowie Wertseiten mit Blumen und Laubwerk als Verzierung um die Wertangabe 50 PFENNIG beziehungsweise ½ MARK anfertigte. Alois Börsch schnitt zahlreiche Stempel mit großen und kleinen Zahlen. Probeweise geprägt wurden Fünfziger mit Königskopf beziehungsweise der Germania mit Kaiserkrone, mit der Reichskrone statt des Reichsadlers, mit dem Hoheitszeichen in einem auf der Spitze stehenden Quadrat und manch anderen Darstellungen.

Bemerkenswert ist, dass der Entwurf für das neue Fünfundzwanzig-Pfennig-Stück aufgrund eines Preisausschreibens zustande kam. Über 500 Künstler, und zwar laut Ausschreibung nur deutsche, sollen sich beteiligt haben. Unter ihnen befanden sich man bekannte Stempelschneider und Medailleure wie Maximilian Dasio, Karl Goetz, der besonders viele, aber nicht verwirklichte Entwürfe schuf und durch seine Medaillen auf Ereignisse und Gestalten seiner Zeit bekannt ist, sowie Fritz Hörnlein. Die seinerzeit mit den ersten drei Preis ausgezeichneten Arbeiten von August Häusser, Hugo Kaufmann sowie Alexander Kraumann in Frankfurt am Main wurde nicht realisiert, eine Erscheinung, die auch bei späteren Münzwettbewerben, auch solchen in der Bundesrepublik Deutschland, zu beobachten ist, wo Urteile der Preisgerichte manchmal von der Regierung umgestoßen und andere Modelle zur Ausprägung bestimmt wurden und werden.

Aus dem Jahr 1909 sind zahlreiche Probeabschläge für das Fünfundzwanzig-Pfennig-Stück überliefert. Ein großer Teil befindet sich im Geldmuseum der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main, das aus der Münzsammlung der Deutschen Reichsbank hervorging. Weitere Exemplare enthielt die Proben-Sammlung von Egon Beckenbauer, die 1987 von der Münzenhandlung Fritz Rudolf Künker in Osnabrück versteigert wurde. Der Katalog zur 7. Künker-Auktion wurde wegen des großen Interesses noch einmal mit den Ergebnissen gedruckt und bildet ein wichtiges Nachschlagewerk für Sammler von deutschen Münzproben ab 1871.

Die Prägung der neuen Nickelmünzen zu 25 Pfennigen erfolgte ab 1909 in allen sechs deutschen Münzanstalten, doch schieden 1911 erst Stuttgart und dann 1912 Karlsruhe aus. Obwohl die Stücke eine Massenprägung zwischen 9,5 Millionen Stück (1910 A) und 329 000 (1910 (G) und 10 000 (1909 J) erlebten, blieben relativ wenige Exemplare erhalten. Es versteht sich, dass die seltene Hamburger Ausgabe von 1909 Liebhaberpreise erzielt und daher auch gefälscht wurde und wird. Man kann annehmen, dass von dieser 10 000-er Auflage nur wenige Exemplare die Einschmelzungen im Ersten Weltkrieg überstanden haben. Der bei der Reichsbank angesammelte Bestand schrumpfte damals beträchtlich, weil man ihn wegen des hohen Nickelanteils für die Kriegswirtschaft brauchte und deshalb in die Schmelztiegel der Rüstungsindustrie warf.

30. März 2023