„Es hat nicht sollen sein...“
Mühen um besseres Aussehen der deutschen Reichsmünzen hatten in der Kaiserzeit meist keinen Erfolg

Aus der Königlichen Münze an der Unterwasserstraße in Berlin stammende Gedenkmünzen und Probeprägungen wurden in Parlamentarier- und Numismatikerkreisen kritisch diskutiert. Die meisten Vorschläge hatten keine Chance für die Massenprägung.

In Münzstätten der Kaiserzeit und danach war vieles noch Handarbeit oder es klapperten Maschinen wie die zu Beginn des 19. Jahrhunderts konstruierten Kniehebelpressen, die 70 bis 120 Münzen in der Minute schafften.


Die Proben zu 25 und 50 Pfennigen sowie einer und mehr Mark schafften wurden nur zu Anschauungszwecken in wenigen Exemplaren hergestellt. Im Münzhandel sind ihnen gute Preise sicher, auch dem dann ausgeprägten 25-Pfennnig-Stücl von 1909.

Nicht nur in der Politik, genauer im Reichsschatzamt und im Finanzministerium sowie an den Fürstenhöfen im Kaiserreich, gab es manche Widerstände gegen Innovationen im Bereich der Münzgestaltung, sondern auch in den ganz auf Effektivität und Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Prägeanstalten.

Der Berliner Münzdirektor Carl Conrad, dem 1899 diese recht langweilig und konventionell gestaltete Medaille zu seinem 50jährigen Dienstjubiläum gewidmet wurde, konnte Innovationen zumindest bei den Kursmünzen wenig Geschmack abgewinnen.


Vier Jahre vor der Einführung des Drei-Mark-Stücks wurde probehalber schon 1904 in Berlin ein solcher Wert hergestellt. Ungewöhnlich war bei ihm der Reichsadler in einem auf die Spitze gestellten Quadrat. Bei dieser und anderen Proben ist es geblieben.

Von den vielen Vorschlägen für neue Münzen wurden Probeabschläge mit von der Norm abweichenden Bildern, Inschriften, Kronen und Reichsadler hergestellt, die von Sammlern gut bezahlt werden. Sie alle schafften es nicht zur Massenprägung.

Das von einem privaten Medaillenfabrikanten hergestellte Vier-Mark-Stück von 1904 mit dem Kopf Wilhelms II. , das dem guten alten Taler und der Fünf-Mark-Münze Lebewohl sagt, war eine von privater Seite hergestellte numismatische Eintagsfliege. (Fotos/Repros: Caspar)
Nach dem Münzgesetz von 1871 war die Ausprägung der Reichsgoldmünzen und aller anderen Münzen Angelegenheit des neu gegründeten Deutschen Reiches. Hingegen oblag die Beaufsichtigung des Münzwesens dem Bundesrat, der Vertretung aller Bundesfürsten und freien Städte, in der Preußen als größter Territorialstaat den Ton angab. Alle praktischen Dinge wie die Beschaffung des Münzmetalls und die Organisation der Prägetätigkeit wurden vom Reichsschatzamt erledigt, einer dem Reichskanzler unterstehenden Behörde, die auch über die Vollständigkeit des in der Zitadelle Spandau eingelagerten Reichskriegsschatzes wachte.
Die eigentliche Herstellung des neuen Hartgeldes erfolgte in zunächst neun, dann sechs Münzstätten mit einem jeweils anderen Münzzeichen, und zwar in Berlin (A), Hannover (B, bis 1878), Frankfurt am Main (bis 1879), München (D), Dresden/Muldenhütten (bis 1953), Stuttgart (F), Karlsruhe (G), Darmstadt (bis 1882) und Hamburg (J). Für ihre Arbeit erhielten die beteiligten Anstalten vom Reich bestimmte Vergütungen, die sich nach dem jeweiligen Nominal und dem Aufwand richteten, der mit der Herstellung verbunden war. So wurden für Fünf-Mark-Stücke ¾ Prozent, für Ein-Pfennig-Stücke aber 15 Prozent des Nominalwertes gezahlt.
Winzlinge mit kurzer Lebensdauer
Einigen Münzen war in der Kaiserzeit nur ein kurzes Leben beschieden. Das goldene Fünf-Mark-Stück war eine solche numismatische Eintagsfliege. Mit einem Gewicht von 1,99 Gramm und einem Durchmesser von 17 mm war das Goldstück so winzig, dass er in den Geldbörsen verschwand, weshalb es ungern im täglichen Zahlungsverkehr verwendet wurde. Nach 1878 wurden die Winzlinge von den Banken eingezogen. Heute gehören sie zu den besonderen numismatischen Raritäten der Kaiserzeit. Da sie zum Schaden der Sammler gefälscht wurden und werden, ist beim Kauf zur Vorsicht geboten. An die Stelle des goldenen Zwerges trat das große und schwere Pendant aus Silber zu fünf Mark. Es hatte den Vorteil, dass dort repräsentative Bildnisse und Wappen untergebracht werden konnten, war aber unhandlich und schwer, weshalb schon bald überlegt wurde, diesen Riesen durch eine etwas kleinere Version zu ersetzen.
Unpraktisch war der silberne Zwerg zu 20 Pfennigen, der in Berlin und anderen Münzstätten zwischen 1873 und 1876, in Stuttgart bis 1877 geprägt wurde. An seine Stelle trat 1887 ein großes Zwanzig-Pfennig-Stück aus Kupfernickel, gefolgt ab 1909 von einem Fünfundzwanzig-Pfennig-Stück aus reinem Nickel. Dieses Nominal sucht in der deutschen Münzgeschichte seinesgleichen. Es wurde durch einen Beschluss des Bundesrates vom 29. April 1909 aus der Taufe gehoben. In dem Dokument heißt es: „1. Das Fünfundzwanzigpfennigstück ist aus Reinnickel mit einem Durchmesser von 23 mm herzustellen. Aus einem Kilogramm Reinnickel sollen 250 Stücke ausgebracht werden. Die Prägung erfolgt mit glatten Rande, der eine Fadeneinfassung erhält. 2. Die Vorderseite erhält die Wertangabe und das Münzzeichen in einem Kranze aus Weizenähren, die Rückseite den Reichsadler mit der Inschrift ,Deutsches Reich’ und der Jahreszahl. Für die Kosten der Prägung werden den Münzstätten aus der Reichskasse 1,2 vom Hundert des ausgeprägten Nennwertes vergütet“. Der Beschluss legt fest, dass ein Betrag von fünf Millionen Mark „in dieser Münzgattung“ ausgeprägt und die Herstellung auf die einzelnen Münzstätten verteilt werden soll.
Ungewöhnliches 25 Pfennig-Stück
Das Fünfundzwanzig-Pfennig-Stück wurde aufgrund von Petitionen der Handelskammer in Osnabrück sowie aus den Kreisen der Industrie und der Landwirtschaft eingeführt, wie es in der Begründung zum „Gesetz, betreffend Änderungen im Münzwesen“ vom 19. Mai 1908 heißt. Eine solche Münzgattung würde wesentlich zur Vereinfachung des Zahlungswesens beitragen, „da häufig Zahlungen mit den Beträgen von 25 und 75 Pf. vorkämen, und in diesen Fällen das Fünfundzwanzigpfennigstück drei Nickelmünzen ersetzen könne, mithin auch das weitläufige Umwechseln von Münzen erübrige oder wenigstens erleichtere.“ In der Debatte um das neue Nominal wurden Befürchtungen zurückgewiesen, es könne eine preiserhöhende Wirkung haben, dagegen stehe der „unleugbare Vorteil einer Vereinfachung des Zahlungsverkehrs“. Wie sich aber bald zeigte, trat die positive Prognose nicht ein, denn das neue Nominal war unbeliebt und strömte alsbald an die Ausgabestellen zurück. Die allgemeine Ablehnung führte dazu, dass die 1909 begonnene Ausprägung bereits 1912 eingestellt wurde.
Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gab es Forderungen im Deutschen Reich, ähnlich wie in Frankreich und Österreich das Aussehen der Reichsmünzen zu modernisieren und traditionelle Bilder zu überwinden. Einer Notiz in den „Blättern für Münzfreude“ (Heft 1/1902) zufolge wurde der Wunsch an die Berliner Münze herangetragen, bei den neuen großen Münzen nun doch endlich auch dem Verlangen nach einer immer mehr zeitgenössisch und künstlerischen Ausstattung der Vorderseite der von ihr ausgeprägten Reichsmünzen Rechnung zu tragen. Es sei in weiten Kreisen mit Verwunderung bemerkt worden, dass die nach Ausgabe der Jubiläumsmünzen des Jahres 1901 (zum zweihundertjährigen Preußenjubiläum mit den Bildnissen von Wilhelm II. und Friedrich I., H. C.) ausgegebenen Münzen mit dem Bilde seiner Majestät des Kaisers wieder nach dem längst veralteten Modell von 1888 (!) ausgeprägt wurden.
Neulinge ohne Chance
Emil Bahrfeldt, dem wir viele kluge Überlegungen zum modernen Geldwesen im Deutschen Reich verdanken, bedauert in den Berliner Münzblättern Nr. 30, Juli 1904 über die neuen deutschen Fünfzig-Pfennig-Stücke, dass keine der nach einem Beschluss des Reichstags geschaffenen, als Probemünzen hergestellten Halbmark-Stücke genehmigt wurden. Die Wertseiten mit den Angaben ½ Mark oder 50 Pfennig zeigen Zahlen, die mit Eichenzweigen gerahmt sind oder ohne diese auskommen. Bahrfeldt wünscht sich von den neuen Münzen, sie sollten ein höheres Relief und damit ein gefälliges und geschmackvolles Aussehen bekommen. Doch stellt er resigniert fest: „Vor dem Drucke d. Bl. geht mir die Nachricht zu, dass in der letzten Kommissions-Sitzung sämtliche Anträge auf Abänderung des jetzigen Fünfundzwanzigpfennigstücks abgelehnt worden sind...,Es wär' so schön gewesen, es hat nicht sollen sein!'“ Am Ende des zweiten Teil seiner Betrachtung in den Berliner Münzblättern Nr. 31, Juli 1904 kommt der Verfasser zu dem Schluss: „Wie das Schicksal der künftigen Fünfzig-Pfennigstücke-Ausprägung sich auch gestalten möge – die Akten sind keineswegs bereits abgeschlossen – jedenfalls ist es von Interesse gewesen, die Proben dazu, die ja im Originale nicht in die breite Öffentlichkeit gelangen, hier wenigstens in Schrift und Bild festzuhalten.“
In einem Nachruf auf Carl Conrad in den Berliner Münzblättern (Nummer 53, 1906) bemerkt Emil Bahrfeldt, der Berliner Münzdirektor habe im Allgemeinen für die Numismatiker nicht viel übrig gehabt. „Besonders scharf konnte er werden, wenn in der Presse der Schaffung eines mehr künstlerischen Äußeren unserer Reichsmünzen das Wort geregelt wurde und er Betrachtungen über die Nüchternheit unserer Gepräge begegnete.“ Bahrfeldt erinnerte sich einer längeren Unterhaltung im Jahr 1904, bei der Conrad in der im eigenen pointierten Weise seinen Standpunkt vertrat, dass Geldstücke, die lediglich dem Verkehr zu dienen hätten , eines künstlerischen Äußeren entraten könnten und sollten. Anregungen, dies in der Presse dazulegen und auf diese Weise einen Meinungsaustausch herbeizuführen, sei er nicht gefolgt. Bahrfeldt stellt fest, dass er dem Verstorbenen mancherlei Förderung seiner numismatischen Forschungen zu danken hat. Er habe ihm Quellen, die sonst nicht zugänglich sind und ohne deren Benutzung auf manche numismatische Arbeit - publizierte und noch nicht publizierte - hätte verzichtet werden müssen. Mit Blick auf das Münz- und Geldwesen der Fürstentum Hohenzollern stellt Bahrfeldt fest: „Ohne Conrad hätte es einfach unbearbeitet bleiben müssen. Das soll ihm unvergessen sein!“
Künstlerischer Wettbewerb
Einer Meldung der Blätter für Münzfreunde Heft 5/1908 ist zu entnehmen, dass die Münzkommission des Reichstags eine Resolution von Abgeordneten angenommen hat, die es als erwünscht bezeichnet, das Aussehen der Reichsmünzen den künstlerischen Anforderungen der Gegenwart entsprechend zu verbessern, um es in die heutige Sprachen zu übersetzen. Ein allgemeines Preisausschreiben für das am 19. Mai 1908 neu geschaffene 25-Pfennig-Stück wurde ausgeschrieben. Dieser Wettbewerb richtete sich an deutsche Künstler, um Entwürfe für die Ausgaben mit einem Durchmesser von 23 mm zu bekommen. Die nach einem Entwurf von Alexander Kraumann und Max Hasenroth „jugendstilig“ anmutende Münze wurde zwar geprägt, kam aber in der Öffentlichkeit nicht gut an. Da sie aus kriegswichtigem Nickel bestand, hat man sie massenweise im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen. Wenn makellose Stücke heute vom Handel angeboten werden, sind ihr stattliche Preise sicher.
„Es hätte nicht sollen sein!“ könnte auch über einem Beitrag von Emil Bahrfeldt stehen, in dem er über Versuche berichtet, die unbeliebten und unhandlichen Fünf-Mark-Stücke durch gleiche Werte auszutauschen, die aber kleiner sind und besser in der Hand liegen. Im Vorfeld eines Reichstagsbeschlusses von 1908 zur Änderung des Münzgesetzes schrieb Bahrfeldt in den Berliner Münzblättern Nr. 58 Oktober 1906, dass sich die Begeisterung für das neue Drei-Mark-Stück als Ersatz für den alten Vereinstaler aus der Zeit vor der Reichsgründung 1871 offenbar in Grenzen hält. Nur 20 Prozent der in einer Umfrage angesprochenen Handels-, Landwirtschafts-, Gewerbe- und Handwerkskammern fanden die Neuerung gut. Niemand habe sich für das ungeliebte Fünf-Mark-Stück eingesetzt. Bahrfeldt berichtet, ein Gutachten der Reichsbank belege durch statistisches Material das unaufhaltsame Zurückströmen des Talers in die Kassen. Das zeige, dass er sich nicht so großer Beliebtheit erfreut wie vielfach angenommen. Das Reichsbank-Gutachten gebe an, beim heutigen Fünf-Mark-Stück werde sich nach dem Verschwinden des Talers diese Gegnerschaft legen, und man werde sich bald ebenso daran gewöhnen wie in anderen Staaten an ein ähnlich grobes Kurantgeld.
Angst vor Veränderung
Der erwähnte Beitrag stellt Fünf-Mark-Münzen von 1904 mit einem Durchmesser von 34,5 mm statt bisher 38 mm vor, von denen probeweise 30 Exemplaren in Berlin hergestellt wurden. Sie seien handlicher als die bisherigen Stücke und hätten auch den Vorzug vor den bayerischen Fünf-Mark-Münzen von 1904, von denen 25 Exemplare in München mit 36 mm Durchmesser geprägt wurden. „Nicht leugnen wollen wir, dass am gefälligsten in der Hand die neuen Dreimarkstücke sind, von denen 20 Probestücke 1905 in Berlin mit einem drei Durchmesser von 33 mm (…) ausgebracht sind. Aber wo bleibt da das Dezimalsystem?“, fragt Bahrfeldt und fügt hinzu: „In Tageszeitungen begegnen wir auch dem Vorschlag der Schaffung eines 2 ½ Markstückes, wie in England ein 2 ½ Schillingstück neben dem 5- und 2.Schillingstück vorhanden ist. Einen Erfolg versprechen wir uns von diesem Vorschlage nicht. Wir glauben vielmehr, dass der Reichstag zu dem Entschlüsse der Prägung eines Fünf-Mark-Stückes wie die Probe No. 1 oder doch eines ihr sehr nahe kommenden gelangen wird.“
Emil Bahrfeldts Wunsch ging nicht in Erfüllung. Die Ausgabe der großen Fünf-Mark-Stücke lief 1914 aus. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs im gleichen Jahr kamen es noch einige Gedenkmünzen zu drei Mark heraus. Ihre angestrebten Auflagen wurden nicht mehr erreicht, weil das als kriegswichtig eingestufte Silber anderweitig gebraucht wurde, etwa zur Bezahlung von Waren, Dienstleistungen und Löhnen in Ländern, die nur Silbergeld und kein bedrucktes Papier haben wollten. Obwohl bei den großen Nominalen gespart wurde, hat man die silbernen Fünfzig-Pfennig-Stücke weiter in riesigen Stückzahlen hergestellt. Wie sehr nicht um Größe und Gewichte der Reichsmünzen, sondern um deren Aussehen gerungen wurde, zeigt ein Blick in die Literatur und in Auktionskataloge. Dort finden wir Probeabschläge von Kurs- und Gedenkmünzen, die von den normalen Stücken abweichen und zeigen, dass Forderungen nach einer Modernisierung nicht ungehört verhallten.
Das Festkleben an alten Traditionen und Angst vor Veränderung verhinderten, dass frischer Wind in das Münzwesen der Kaiserzeit kam. Erst deren Ende in der Novemberrevolution 1918 und dem Abgang der Fürsten sowie der Neubeginn des Landes als Weimarer Republik machten es möglich, dass neue Formen und Themen bei den Kurs- und ab 1925 auch Gedenkmünzen Einzug hielten.
25. Juli 2024
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