Monetae mit Waage und Füllhorn
Antike Göttinnen bewachen das Hauptmünzamt in München, konnten aber 1906 einen spektakulären Raubzug nicht verhindern





Die drei Monetae im Giebel des Bayerischen Hauptmünzamts in München repräsentieren die Prägung von Kupfer-, Silber- und Goldmünzen und versinnbildlichen zugleich mit Waagen und Füllhörbern die Aequitas, das heißt die Gleichheit bei der Vergabe von Glück und Gütern aller Art. Über dem Erdkreis schwebende Göttinnen oder Engel, die milde Gaben auf die Menschen zu ihren Füßen verteilen, waren vor allem in der Barockzeit ein beliebtes Münz- und Medaillenmotiv.



Die Medaille von 1833 zu Ehren des Münzdirektors Heinrich Joseph Leprieur zeigt das Haus am Hofgraben 4, hinter dessen klassizistischer Fassade sich ein aus der Renaissance stammender Kern verbirgt.



Die Besichtigung des neuen Münzgebäudes durch das bayerische Königspaar Maximilian Joseph I. und Caroline war 1809 die Prägung von Silber- und Goldmedaillen wert. Ganz in der Manier antiker Vorlagen erscheint auf der Rückseite der vom Münchener Stempelschneider Joseph Losch gefertigten Medaille eine Moneta mit Füllhorn und Waage.



Das Gebäude am Hofgraben 4 war bis 1986 bayerisches Hauptmünzamt, die Medaille von Alois Börsch mit dem Kopf des Prinzregenten Luitpold zeigt den Hof mit den Arkaden aus der Renaissance.



Die von Alois Börsch zum IV. Vereinstag deutscher Münzforscher in München geprägte Klippe zeigt die heidnischen Götter Merkur und den mit der Münzprägung befassten Saturn und in der Mitte Moneta mit der Waage. Rückseitig bewacht das Münchner Kindl den Reichsadler und das bayerische Weckenschild.



Die Medaille von 1986 feiert den Einzug des Bayerischen Landesamtes in die Alte Münze am Hofgaben 4.



Die Postkarte von 1906 verglich nach dem Raub im Bayerischen Hauptmünzamt „Die Normalleistung eines bayrischen und eines preussischen Soldaten“ und befand, dass der Bayer viel effektiver war.



Die Münchner Münze hat 1879 ihrem Direktor Franz Xaver Haindl eine Medaille gewidmet, auf deren Rückseite Juno Moneta eine Waage hoch hält. Die Spindelpresse hinter dem geflügelten Putto deutet die amtliche Tätigkeit des Jubilars an.



Der Taler von 1837 mit dem Kopf von König Ludwig I. erinnert an die Münzvereinigung süddeutscher Staaten. Die kleine Spindelpresse zu Füßen der Gottheit mit Waage und Füllhorn weist auf den Anlass dieser Gedenkmünze. Das Gerät mit den langen Schwungarmen dient auch heute auf Münzen und Medaillen als Kennung für die Geldproduktion. (Fotos/Repros: Caspar)



Das Bayerische Hauptmünzamt am Hofgraben in München ist Medaillensammlern durch verschiedene Prägungen bekannt, auf denen der aus der Renaissance stammende Innenhof abgebildet ist. Das klassizistische Giebelrelief der Straßenfront zeigt drei lang gewandete Göttinnen, die sich als Monetae zu erkennen geben. Die mit Waagen und Füllhörnern versehenen Frauen oberhalb der Inschrift MONETA REGIA werden in einer vorzüglich illustrierten Publikation über den Bildhauer Franz Jakob Schwanthaler mit Darstellungen auf römischen Bronze- und Silbermünzen verglichen (Andreas Huber: Franz Jakob Schwanthaler (1760 / Ried im Innkreis - 1820 / München). Ein Künstler des Rokoko und des anschließenden Klassizismus, München im Selbstverlag des Verfassers 1996).

Geschichte und Schicksal des Gebäudes, das seit 1986 das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege beherbergt und in den frühen neunziger Jahren umfassend restauriert wurde, ist von Landeskonservator Michael Petzet ausführlich gewürdigt worden (Michael Petzet: Das ehemalige Marstall- und Kunstkammergebäude und sein Ausbau zur königlichen Münze. In: Jahrbuch der Bayerischen Denkmalpflege, Bd. 40, München/Berlin 1989, S. 15-100). Petzet hält es für möglich, dass die drei Monetae von Joseph Kirchmayer geschaffen wurden. Huber hingegen erklärt aufgrund neuer Aktenfunde, Schwanthaler komme als Schöpfer dieser Gruppe „in Frage“. Der Künstler habe „hier eine solide Arbeit geleistet, die beweist, dass er mit dem Klassizismus bestens vertraut war und auch über die griechische und römische Skulptur sehr wohl Bescheid wusste“. Bei einem zeichnerischen Entwurf für ein Grabdenkmal, der von Schwanthaler eigenhändig signiert wurde, lasse die Figur einer Trauernden eine „gewisse Verwandtschaft in der künstlerischen Handschrift nicht leugnen“.

Wo die Geschichtstaler entstanden

Eine wichtige Zäsur in der Geschichte der Münchner Münze war das Jahr 1809, als die nunmehr königliche Geldfabrik in das alte Marstallgebäude am Hofgraben umzog. Als das 1563 bis 1567 errichtete Haus klassizistisch umgebaut wurde, erhielt die Fassade die Inschrift MONETA REGIA, also Königliche Münze. Glücklicherweise blieb der historisch und künstlerisch wertvolle Innenhof aus der Renaissancezeit mit seinen Arkadengängen erhalten. Umbau und neue Nutzung entsprachen einer Weisung von König Maximilian I. Joseph, die Münzproduktion in der Landeshauptstadt zu konzentrieren. Außerdem konnte der Landesherr ein wachsames Auge auf seine Geldproduzenten richten. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in München unter den Könige Ludwig I. und Maximilian II. die berühmten Geschichtstaler geprägt. Sie genügten formal und technisch höchsten Ansprüchen und setzten den auf den Vorderseiten abgebildeten Herrschern ein herausragendes numismatisches Denkmal. Die Silbermünzen erinnerten nicht nur an Ereignisse und Gestalten der bayerischen Geschichte, sondern auch an aktuelle Anlässe wie die Gründung des Deutschen Zollvereins und des Süddeutschen Münzvereins. Der letzte Gedenktaler mit dem Kopf von König Ludwig II. wurde 1871 dem deutschen Sieg über Frankreich gewidmet, versehen mit der Inschrift DURCH KAMPF UND SIEG ZUM FRIEDEN.

Nach der Reichseinigung von 1871 ging die Münzhoheit auf das Deutsche Reich. München übernahm entsprechend der Einwohnerzahl Bayerns 12 bis 14 Prozent der deutschen Prägemenge und zeichnete wie bisher dem Buchstaben D. Das im Zweiten Weltkrieg zum Teil zerstörte Haus am Hofgraben wurde 1950 bis 1960 unter Beachtung der Vorgaben des Denkmalschutzes wieder aufgebaut. Bereits 1947 hat man hier die ersten deutschen Nachkriegsmünzen im Wert von fünf Pfennigen auf Zinkronden geprägt, die aus dem Altbestand stammen. 1948 und 1949 schlossen sich Kleinmünzen mit der Aufschrift BANK DEUTSCHER LÄNDER zu einem, fünf, zehn und 50 Pfennigen an. Als die Bundesrepublik 1952 mit der Prägung von silbernen Gedenkmünzen im Wert von fünf DM begann, erhielt München den Auftrag, die Ausgabe „100 Jahre Germanisches Nationalmuseum“ zu prägen.

Vom Hofgraben nach Zamdorf

Nach mehrjährigen Vorbereitungen verließ das Bayerische Hauptmünzamt 1986 seinen Stammplatz in der Münchner Innenstadt und zog in den Stadtteil Zamdorf zwischen Zentrum und Messestadt. Das Haus am Hofgraben ist seither Sitz des Bayerischen Landesdenkmalamtes. Verschiedene im 19. und 20. Jahrhundert geprägte Medaillen mit Bildnissen von Herrschern aus dem Hause Wittelsbach sowie von Direktoren des Hauptmünzamtes München gewähren einen Blick in den Innenhof der ehemaligen Königlichen Münze. Eine Schrifttafel an der Straßenfront weist auf die frühere Nutzung des Hauses hin. Zu den Aufgaben des Hauptmünzamtes gehört die Herstellung von Kurs- und Gedenkmünzen, aber auch von bayerischen Dienstsiegeln. Zahlreiche Medaillen für verschiedenste Auftraggeber, darunter die Siegermedaillen für die Olympischen Spiele in München 1972, sowie Münzen für ausländische Staaten erlebten im Hauptmünzamt das Licht der Welt. Ab 1998/99 wird am neuen Standort Zamdorfer Straße 92 gearbeitet.

Die drei Monetae mit Waage und Füllhorn im Giebel des Hauptmünzamtes konnten nicht verhindern, dass 1906 hier ein frecher Münzraub gelang. Zwei Einbrecher stahlen nachts nach dem Motto „Gelegenheit macht Diebe“ frisch geprägte Goldmünzen im Wert von 130 030 Mark. Eine Postkarte aus dieser Zeit vergleicht die „Normalleistung eines bayerischen und eines preussischen Soldaten“ und zeigt, wie ein Bayer frohgemut eine Zigarre rauchend einen dicken Sack mit Goldmünzen fort schleppt. Zur gleichen Zeit kommandiert der „Hauptmann von Köpenick“ schweißtriefende Soldaten, die die magere Beute von etwa 4000 Mark aus der Köpenicker Stadtkasse davon tragen müssen. „A boarischer Soldat, der is so viel stark, / der kripst ganz alloa 130,000 Mark – In Preuss’n, da is mit’n ,Schmalz‘ nöt weit her, / Da brauchas zu Viertausend 12 Mann Militär!“ lautet die hintergründige Botschaft der kleinen Bildergeschichte.

Geldraub durch die Hintertür

Wie sogleich eingeleitete polizeiliche Ermittlungen nach dem Münchner Raubzug ergaben, hatten der Münzarbeiter Wilhelm Ruff und der Soldat Wilhelm König offensichtlich innerbetriebliche Schlampereien für ihren Coup ausgenutzt. Der Vorarbeiter Eichstätter hatte einen Berg frisch geprägter Goldmünzen zu zehn Mark mit dem Bildnis des – nur de facto regierenden – Königs Otto nicht im Tresor, sondern, weil der Feierabend nahte, nur in einem Holzschrank verstaut. Als Eichstätter am nächsten Tag den Beutel holen wollte, war er weg. Der Schreck war riesengroß. Die Kriminalpolizei schloss bei der Untersuchung messerscharf, dass hier nur ortskundige Diebe am Werke gewesen sein müssen, was den Kreis der Täter einschränkte. Sie konnten nicht durch die streng gesicherte Vordertür der Königlichen Münzstätte gekommen sein, sondern hatten ihren Weg über den Pfisterbach genommen, der wegen Wartungsarbeiten gerade kein Wasser führte. Von hier aus war es ein Leichtes, durch Holztüren und eine Glastür ins Innere des Münzgebäudes zu gelangen.

Beschädigte Türschlösser und andere Spuren wiesen den Weg zu den Tätern, und so kam man schnell zum Vorarbeiter Eichstätter. Er musste mangelnde Vorsicht eingestehen und bekannte, dass er den zentnerschweren Goldsack im ebenfalls aufgebrochenen Holzschrank gelassen hatte. Da nur Mitarbeiter der Münze als Täter infrage kamen, fanden bei ihnen Hausdurchsuchungen statt. Eichstätter lenkte die Aufmerksamkeit der Polizei auf Ruff, der sich bei der Durchsuchung verdächtig machte und verhaftet wurde. Das Geld aber fand man nicht bei ihm. In München brodelte die Gerüchteküche. Schlamperei und ungesicherte Türen – das war für die Gazetten ein gefundenes Fressen. Als man noch über den oder die Täter spekulierte, kam „Kommissar Zufall“ der Polizei zu Hilfe. Es wurde ruchbar, dass sich der Soldat Wilhelm König unerlaubterweise aus der Kaserne entfernt hatte. Ein Unteroffizier, der ihm einen Eilbrief hatte übergeben wollen, erwischte ihn, wie er völlig verdreckt wieder in die Unterkunft zurück schleichen wollte. Und da König ein „Spezi“ von Ruff war, das Alibi des Soldaten, er sei bei seiner Liebsten in Schwabing gewesen, nicht stimmte und man eins und eins zusammen zählte, wurde auch König verhaftet. Der Soldat konnte beim Verhör nicht plausibel machen, woher der Schmutz an Uniform und Schuhen kommt und warum die Partikel mit denen vom Münzbach überein stimmen. In die Enge getrieben, gaben Ruff und König ihr Leugnen auf. Von den 130 030 Mark wurden 121500 Mark wieder beschafft.

Sicherheitsmaßnahmen in Berlin verstärkt

Das Gericht verurteilte den Anstifter Ruff zu viereinhalb Jahren und seinen Komplicen König zu vier Jahren und zwei Monaten Gefängnis. Kränze hat man beiden nicht geflochten, wie es beim Hauptmann von Köpenick der Fall war, der sich im gleichen Jahr, seine Autorität als angeblicher Offizier der preußischen Garde nutzend, über die Kasse der damals noch selbstständigen Stadt Köpenick bei Berlin hergemacht hatte. Die beiden Münzräuber mussten sich nach der Entlassung als vorbestrafte Schwerverbrecher, die sich an einem königlichen Regal und an der Staatskasse vergangen hatten, durchs Leben schlagen, und das dürfte in der Kaiserzeit schwerer gewesen sein als bei einem vergleichbaren Coup heute. Man darf davon ausgehen, dass aufgrund des unerhörten Vorfalls in der Münchner Münze und anderen Prägeanstalten die Sicherheitsvorkehrungen verschärft wurden. Wer Zehn-Mark-Münzen mit dem Bildnis König Ottos von 1906 besitzt, hat vielleicht Stücke aus der Beute von Ruff und König in Händen. Ansehen wird man das den Goldfüchsen bestimmt nicht.

Übrigens wurden nach Bekanntwerden des Münchner Raubzugs die Sicherheitsvorkehrungen in der Königlichen Münze zu Berlin und sicher auch an anderen Orten verstärkt. Einer Beschreibung von Ernst Seiffert aus dem Jahr 1915 entnehmen wir, dass im Tresorraum 30 Millionen Mark in Gold liegen. „Das heißt es sichern, vielfach und raffiniert – unbezwinglich sichern, damit nicht verbrecherische Hände zu dieser Schatzkammer gelangen können. Die eiserne Kunst muss das rote Gold schützen, und sie tut das so gediegen und tüchtig, dass man behaupten kann, in der Königlichen Münze befände sich ganz nebenbei ein angewandtes kleines Museum der Schlosserkunst.“ Die vielen Gold- und Silberbarren seien bestens besorgt und aufgehoben, schrieb Seiffert. Ob er an den frechen Münzdiebstahl von 1906 in München gedacht hat – wir wissen es nicht. 17. April 2024