Preußens Glanz und Gloria
Neuer Katalog von Gunter Mues und Manfred Olding mit Medaillen der Könige Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I.



Die Annahme der ihm von der Nationalversammlung angebotenen Kaiserkrone war für den standesbewussten Friedrich Wilhelm IV. ein Unding. Sein seit 1861 in Preußen regierender Bruder Wilhelm I. ließ sich am 18. Januar 1871, mitten im deutsch-französischen Krieg, in Versailles zum Kaiser und damit zum Oberhaupt des neuen Deutschen Reichs ausrufen. Er tat das nur, weil König Ludwig II. ihm die Würde im Namen der deutschen Fürsten angetragen hatten.



Die von Johann Karl Fischer und Christoph Carl Pfeuffer geschaffene Medaille auf die Huldigung Friedrich Wilhelms IV. in Berlin am 15. Oktober 1840 zeigt die um Krone, Zepter, Schwert und Reichsapfel gelegten Wappen von preußischen Provinzen und war für Ehrengäste und zu Auszeichnungszwecken bestimmt.



Als 1852 die Ausstellung schlesischer Gewerbeerzeugnisse in Breslau stattfand, war für Friedrich Wilhelm IV. und den Bestand der Monarchie die schlimmste Zeit vorbei (Mues/Olding 512 und 550).



Friedrich Wilhelm IV. war wie Friedrich Wilhelm III. Förderer der Künste, abgebildet sind Sohn und Vater auf einer von Heinrich Bubert geschaffenen Medaille von 1851 auf die Weihe des Friedrich-Denkmals Unter den Linden in Berlin.



Die undatierte Preismedaille aus Gold für Künstler, ein Werk von Johann Ludwig Jachtmann und Wilhelm Pfeuffer, kombiniert des Kopf des „Romantikers auf dem Thron“ mit der Ansicht des nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel auf dem Berliner Lustgarten gebauten und 1830 eingeweihten Alten Museums (Olding Nr. 544 und 592).



Dass auch unspektakuläre Fabrik- und Wirtschaftsbauten für würdig erachtet wurden, gemeinsam mit dem König von Preußen auf der von Christoph Carl Pfeuffer gestalteten Medaille von 1846 auf die Huldigung der Mansfelder Gewerkschaften dargestellt zu werden, unterstreicht großes Interesse an der Entwicklung des Landes unter den Bedingungen der Industriellen Revolution.



Geschichts- und Traditionsbewusstsein unterstreicht die Medaille von 1855 auf das 600jährige Jubiläum der Gründung von Königsberg (heute Kaliningrad). Um das Porträt von Friedrich Wilhelm IV. sind brandenburgisch-preußische Herrscher und oben König Friedrich II., der Große, angeordnet (Mues/Olding 523, 556).




Prinzessin Augusta von Sachsen Weimar, hier mit Wilhelm (l.) auf einer von Henri François Brandt geschaffenen Hochzeitsmedaille von 1823dargestellt , war die zweite, aber standesgemäße Wahl. Wilhelms Vater, Friedrich Wilhelm III., hatte als Oberhaupt der Familie eine unstandesgemäße Ehe mit Elisa von Radziwill verboten. (Mues/Olding Nr. 622).



Als Wilhelm (I.) noch Prinz von Preußen und Thronfolger war, schlug er in Baden die Revolution nieder und erwarb sich den zweifelhaften Titel Kartätschenprinz. Die von Friedrich Wilhelm Kullrich geschaffene Medaille von 1849 feiert ihn als Oberbefehlshaber der Armee, die auf der Rückseite als Erzengel Michael im Kampf gegen die als Drachen verunglimpfte Revolution in den Abgrund tritt.



„Das ganze Volk stimmt mit ein – ein donnernd Hoch der braven Wacht am Rhein“ verkündet die Medaille von 1870 auf den Krieg gegen Frankreich. Dargestellt sind Wilhelm I. und seine Paladine, unter ihnen sind Kronprinz Friedrich (III.) und Otto von Bismarck (Mues/Olding 625 und 688). (Fotos aus dem besprochenen Katalo/ Repro: Caspar)

Hätte er nur gewollt, er hätte sie auch bekommen – die deutsche Kaiserkrone. Das Angebot wurde dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. im Frühjahr 1849 von einer Abordnung der Frankfurter Nationalversammlung unterbreitet. Doch statt sie anzunehmen und sich geehrt zu fühlen, wies der standesbewusste Monarch das Ansinnen der bürgerlichen Volksvertretung mit beleidigenden Worten zurück. Die Zeichen der Zeit nicht erkennend, befleckte er seine Hände mit Blut, als er im März 1848 seine Soldaten auf Berliner Barrikadenkämpfer schießen und später Aufstände im deutschen Süden von seinem Bruder und Nachfolger Wilhelm (I.), genannt Kartätschenprinz, niederschlagen ließ. In den dramatischen Märztagen vor 175 Jahren erklärte Friedrich Wilhelm IV.: „Ich habe die alten deutschen Farben angenommen und Mich und Mein Volk unter das ehrwürdige Banner des deutschen Reichs gestellt. Preußen geht fortan in Deutschland auf“. Die Berufung auf das Schwarz-Rot-Gold der Studentenbewegung wurde als seine Bereitschaft missverstanden, sich zum Oberhaupt des Deutschen Bundes aufzuschwingen, und mit der territorialen Zersplitterung in Deutschland Schluss zu machen.

Verschwendung der edlen Zeit

Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. waren ungleiche Brüder, doch eines einte sie – ihr Standesbewusstsein und ihr Stolz, die preußische Krone zu tragen und von Gottes Gnaden und unerschütterlich an der Spitze der Hohenzollerndynastie zu stehen. Ihnen hat man zu Lebzeiten manche Lorbeerkränze gewunden und ihnen unzählige Medaillen gewidmet. Im Familienkreis in Anlehnung an den Titel der französischen Kronprinzen „Dauphin“ (Delphin) wegen seiner Dicklichkeit Butt genannt, ging der kunstsinnige Friedrich Wilhelm IV. als „Romantiker auf dem Thron“ in die Geschichte ein. Dass er sich und seine Brüder durchaus kritisch sah, zeigt diese ihm nachgesagte Selbsteinschätzung: „Wenn wir als Söhne eines einfachen Beamten geboren worden wären, so wäre ich Architekt geworden, Wilhelm Unteroffizier, Carl wäre ins Zuchthaus gekommen und Albrecht ein Trinker geworden.“

Als Friedrich Wilhelm noch ein junger Prinz und Nachfolger seines Vaters Friedrich Wilhelm III. war, bemerkte Erzieher in allem Respekt: „Ich sehe Sie schon die ganze Zeit mit der Bleifeder in der Hand zubringen. Für einen künftigen Schinkel wäre dieses eine sehr nützliche Anwendung, allein da der Staat nicht in einem gotischen Tempel bestehet und noch nie ein Volk vermittels romantischer Bilder regiert worden ist, so wird dieses ewige Zeichnen für Sie eine wahre Verschwendung der edlen Zeit.“ 1840 auf den Thron gelangt, ließ Friedrich Wilhelm IV. von seiner Bauleidenschaft nicht ab, was auch auf die mit den Hohenzollern verwandten bayerischen Könige Ludwig I. und Ludwig II. zutraf. Er ging als Wiederhersteller historischer Burgen und Kirchen,allen voran des Kölner Doms, und als Förderer der zeitgenössischen Kunst und Architektur in die Geschichte ein. Sonst aber war Friedrich Wilhelm IV. mut- und kraftlos, was die Bewältigung der dringenden sozialen und wirtschaftlichen Fragen seiner Zeit und die Linderung des schreienden Elends betraf, unter dem ein Großteil seiner Untertanen litt und das zum revolutionären Ausbruch von 1848/49 führte.

Haupt- und Staatsaktionen

Von den Krisen und sozialen Umbrüchen ist auf den den königlichen Brüdern gewidmeten Medaillen nichts zu erkennen. Sie erinnern an so genannte Haupt- und Staatsaktionen wie Huldigungen, Hochzeiten und Sterbefälle, an diplomatische Missionen, den Bau von Kirchen und Museen, die Weihe von Denkmälern, die Eröffnung von Gewebeausstellungen, aber auch an Universitätsjubiläen und die Ehrung von Persönlichkeiten, die sich um Preußen verdient gemacht haben. Alle diese auch der monarchischen Propaganda dienenden Prägungen werden in dem neuen Katalog „Die Medaillen der preußischen Könige von 1786 bis 1870 – Band III. Friedrich Wilhelm IV. 1840-1861 und Wilhelm I. 1861-1870“ von Gunter Mues und Manfred Olding ausführlich beschrieben und kommentiert. Das hervorragend illustrierte Buch erschien 2022 als letzter Band der Reihe „Die Medaillen der preußischen Könige von 1786 bis 1870“ im Battenberg Gietl Verlag Regenstauf (232 Seiten, farbige Abb., 98 Euro, ISBN 978-3-86646-229-8).

Hervorragend recherchiertes Nachschlagewerk

Vorangegangen war ein von beiden Autoren verfasster Katalog der Medaillen Friedrich Wilhelms II. und Friedrich Wilhelms III. Im Vorwort zu dem nunmehr dritten und letzten Buch über die königlich-preußischen Medaillen von 1786 bis 1870 dankt der Osnabrücker Münzhändler und Preußenspezialist Manfred Olding seinem 2005 verstorbenen Co-Autor Gunter Mues, der umfangreiche Aufzeichnungen über die betreffenden Medaillen hinterlassen hatte. Die Weiterarbeit und Vollendung erfolgte in Übereinstimmung mit den Söhnen Steffen und Jochen Mues. Olding dankt in seinem Vorwort allen beteiligten Münzkabinetten und Sammlern am Zustandekommen des neuen Katalogs. Numismatiker, Sammler und viele andere Interessenten erhalten mit ihm ein hervorragendes, sorgfältig recherchiertes und mit Standordnachweisen und erreichbaren Metall- und Stempelvarianten versehenes Nachschlagewerk, denn noch nie waren Medaillen der genannten Herrscher in dieser Vollständigkeit erfasst worden. Künftig wird man in Auktionskatalogen und Publikationen vor allem nach Mues/Olding zitieren.

Bevorzugte Themen und Bilder sind, wie kann es anders sein, Monarchenköpfe, Borussiafiguren und preußische Adler. Unter den Medaillen befinden sich sowohl große, sorgfältig gearbeitete Spitzenstücke der Stempelschneidekunst, aber auch kleine, schnell und billig gemachte Stücke von geringer Kunstfertigkeit. Erfasst sind ferner runde und ovale Medaillen, die man sich an die sprichwörtliche Heldenbrust heften konnte, und auch Spottmedaillen auf den am 2. September 1870 bei Sedan in preußische Gefangenschaft geratenen französischen Kaiser Napoleon III. Der Katalog erfasst über die die beiden Preußenkönige hinaus auch solche Medaillen, die zu Ehren von Familienangehörigen anlässlich von Hochzeiten, Todesfällen und anderen Gelegenheiten geprägt wurden.

Liebe und Leid im Hause Hohenzollern

Dass sich hinter den Prägungen nicht selten Familientragödien verbergen, muss man sich bei ihrem Anblick hinzu denken. Denn im Haus Hohenzollern konnte man nicht nach Liebe und Zuneigung heiraten, stets musste berücksichtigt werden, ob eine Ehe standesgemäß ist oder nicht. Das erfuhr Wilhelm (I.), als er noch Prinz war und seine aus uraltem polnischem Adel stammende Herzensdame Elisa von Radziwill „unterm Stand“ ehelichen wollte, aber gezwungen wurde, die Weimarer Prinzessin Augusta zu heiraten. Die Ehe verlief nicht ohne Probleme und Zwistigkeiten, aber wenigstens war an der untadligen Herkunft der Nachkommen mit dem 1831 geborenen und 1888 verstorbenen Kaiser und König Friedrich III. an der Spitze nichts auszusetzen.

Vor allem militärische Themen dominieren das Medaillenschaffen unter Wilhelm I., in dessen Regierungszeit die so genannten Einigungskriege von 1864, 1866 und 1870/71 tobten, an deren Ende der preußische König am 18 Januar 1871 von den Fürsten zum deutschen Kaiser ausgerufen wurde. Der Katalog endet am Vorabend dieser Zeremonie, an der das „Volk“ nicht teilnehmen durfte, und man darf gespannt sein, ob auch die danach anschwellende Flut der den „Heldenkaiser“, wie man Wilhelm I. nannte, und seine Paladine ehrenden Medaillen erfasst und aufgearbeitet wird. Bestand schon bei der Erarbeitung des vorliegenden Buches die Qual der Wahl, so wird diese bei den Medaillen der Kaiser Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II. noch viel größer sein.

Nicht alles konnte berücksichtigt werden

Die Zahl der Medaillen mit Bildnissen der königlichen Brüder oder die sich auf sie beziehen, ist groß. Berücksichtigt sind in dem Katalog nur solche Ausgaben, die sich in Abbildung und/oder Schrift auf sie und ihre Angehörigen beziehen. Medaillen auf andere Personen, die einen vom König verliehenen Titel trugen sowie solche mit Bezug auf Preußen, sollen in einem separaten Band aufgelistet werden, der auch Nachträge zu Oldings Buch über die Medaillen Friedrichs des Großen und weiterer Regenten enthält. Nicht alle fraglichen Stücke haben es in den Katalog Band geschafft. Olding erwähnt unter anderem die massenhaft in der Nürnberger Prägeanstalt von Lauer und anderen Herstellern gefertigten Jetons und Spielmarken, aber auch von Krieger-, Militär- und Veteranenvereinen ausgegebene Medaillen sowie ähnliche Stücke. Dem eigentlichen Katalog vorangestellt ist ein Verzeichnis der an den Medaillen beteiligten Medailleure und Stempelschneider sowie eine Aufstellung der lateinischen Inschriften mit deutschen Übersetzungen. Auch diese Verzeichnisse machen das Buch wertvoll, weil man in dieser Vollständigkeit woanders solche Listen nicht bekommt.

26. Februar 2023