Prächtige Leichtgewichte aus dünnem Silber
Neues Buch aus Freiberg analysiert die Münzprägung des Markgrafen Otto von Meißen und seiner Zeit



Originale Brakeatenstempel, wie sie die Numismatische Zeitschrift von 1881 auf einer Farbtafel mit der Initiale Q zeigt, sind ausgesprochen selten. Die Miniaturen aus dem „Sachsenspiegel“ des Eike von Repgow schildern, wie Münzpräger am Amboss unter der Aufsicht eines Fürsten arbeiten und wie dieser einen Bauarbeiter bezahlt. Der zwischen 1220 und 1235 verfasste Codex gilt als das bedeutendste und gemeinsam mit dem Mühlhäuser Reichsrechtsbuch älteste Rechtsbuch des deutschen Mittelalters.



Markgraf Otto von Meißen ließ in Leipzig Brakteaten schlagen, die ihn stehend mit Schwert und Fahne als selbstbewussten Landesherrn präsentieren. Die Gründung der Stadt an der Kreuzung zweier Handelswege liegt wegen lückenhafter Überlieferung im Dunkeln. Da es aber einen Stadtbrief von Otto aus dem Jahr 1165 gibt, wird diese Zeit als Leipzigs Gründungsjahr angenommen und gefeiert. Damals begründeten die berühmten Silberfunde im Erzgebirge Sachsens großen Wohlstand und ermöglichten eine stark anwachsende Münzproduktion.



In Meißen ließ Markgraf Otto brakteatenförmigen Pfennige mit Gebäudedarstellungen, jedoch ohne Schrift prägen.



Die Miniatur aus mittelalterlicher Zeit reiche Leute beim Geldzählen und arme Leute als Bittsteller und geißelt den Geiz als ein Hauptlaster, das man manchmal auch als Todsünde auffasst.





Meisterwerke der Stempelschneidekunst und Zierde einer jeden Mittelaltersammlung sind die Brakteaten des brandenburgischen Markgrafen Albrecht des Bären und des Magdeburger Erzbischofs Wichmann.



Eine Kulturbundmedaille von 1986 ehrt Otto den Reichen als Gründer von Freiberg. Das bronzene Brunnendenkmal auf dem Obermarkt aus dem Jahr 1897 zeigt den Markgrafen mit der Gründungsurkunde, die er gebieterisch den Betrachtern entgegen streckt.



Das mehrteilige Relief „Freiberger Silberrausch 2018“ erinnert an die ersten Silberfunde 1168 und die erste urkundliche Erwähnung der Stadt 1218 sowie an die Silbergewinnung und -verarbeitung. In Anlehnung an Holzschnitte im Buch von Georgius Agricola „De re metallica“ und anderen Bildern zeigt die Folge, wie man im Mittelalter und der frühen Neuzeit das Edelmetall gewonnen, aufbereitet und in Münzen verwandelt hat. Foto: Lothar Schumacher



In der Barockzeit entdeckten Gelehrte und Sammler, die oft beiden in einer Person waren, die Blech- oder Hohlmünzen genannten Brakteaten als geldpolitisch und heimatgeschichtlich aussagekräftige Zeugnisse. Um sie vor dem Schmelztiegel zu bewahren, erließen Landesfürsten Gesetze, die die Ablieferung von Münzfunden geboten, in denen sich Brakteaten und andere Nominale befanden. (Münzfotos aus dem besprochenen Buch/Repros: Caspar)

Um die Ware-Geld-Beziehungen zu gewährleisten und auszubauen, entstanden in mittelalterlicher Zeit überall Münzstätten, die nicht nur für den römisch-deutschen Kaiser sowie Territorialfürsten arbeiteten, sondern auch für Bistümer und Klöster sowie Burgherren und Städte, sofern sie das Münzrecht besaßen. Forscher haben etwa 400 solcher Schmieden gezählt. Die dort hergestellten Brakteaten oder, wie man auch sagte Hohlpfennige, sind wichtige, oft meisterhaft gestaltete Zeugnisse der mittelalterlichen Geldgeschichte. Sie traten im 12. und 13. Jahrhundert an die Stelle der kleineren und kompakteren Pfennige und Denare. Bei den dünnen, leichtgewichtigen und zerbrechlichen Silberbrakteaten erscheinen die Bilder erhaben auf der Vorderseite und vertieft auf der Rückseite. Der Name wurde vom Berufsstand der Goldschläger abgeleitet sein, die man lateinisch „Bracteator“ oder „Bractearius“ nannte.

Meisterwerke der Stempelschneidekunst

Als sich in der Barockzeit die Numismatik als historische Wissenschaft etablierte und sich Forscher und Sammler auch für das frühe Geld ihrer Heimat zu interessieren begannen, nannte man die Münzen mit ihren prächtigen Porträt-, Reiter-, Tier- und Architekturdarstellungen schlicht Blechmünzen oder Blätterlinge wegen des hauchdünnen Metalls beziehungsweise Schüsselmünzen, wenn sie einen nach oben gebogenen Rand hatten. Laut Friedrich von Schrötters „Wörterbuch der Münzkunde“ (1930) erschien der Name erstmals in einer Urkunde von 1368, wo von einem „holen Pfennig bracteati“ die Rede ist. Den Begriff Brakteat nach bractea = dünnes Blech verwendete Georgius Agricola 1549 in seinem Buch „De precio metallorum et monetis“ (Über den Preis der Metalle und die Münzen). Ungewöhnlich groß und mit hohen Reliefs ausgestattet, sind viele Brakteaten wahre Meisterwerke der Stempelschneidekunst und suchen in der europäischen Münzgeschichte ihresgleichen. Sie boten viel Platz, um Stand und Macht der geistlichen und weltlichen Fürsten und Feudalherren und ihre Nähe zu Gott und den Heiligen zu würdigen.

Dass bei der Mittelalternumismatik wie überhaupt in der Münz- und Geldgeschichte noch längst nicht alles bekannt und erforscht ist und wahrscheinlich wegen ungenügender Quellenlage auch unbekannt bleiben wird, wissen wir alle. Dass aber dank akribischer Recherche immer wieder Neues ans Tageslicht kommt, zeigt das neue Buch von Thomas Arnold, Hans Friebe, Michael Lindner und Thomas Uhlmann „Markgraf Otto von Meißen die Münzen der wettinischen Lande und der Nachbargebiete von 1156 bis um 1200“. Hervorragend mit zahlreichen Münzfotos sowie Reproduktionen von Urkunden und Bildern von Bauwerken, Grabmälern, Skulpturen und anderen Hinterlassenschaften aus jener Zeit ausgestattet, erschien 2023 das Buch in der Schriftenreihe der Freiberger Münzfreunde e. V., hat 260 Seiten und kann bei der Redaktion der Freiberger Münzblätter, Hans Friebe, Tschaikowskistraße 85 in 09599 Freiberg für 45 € plus Porto und Verpackung bezogen werden (Telefon 03731 768338 oder e-Mail friebe-freiberg@t-online.de). Das mit umfangreichen Quellen- und Literaturangaben versehene Buch ist ein neuer Beweis dafür, was engagierte Vereinsarbeit und die Kooperation mit Spezialisten möglich machen.

Wichtige Quelle für Landesgeschichte

Das auch als Zitierwerk hervorragend geeignete Buch ist eine wichtige Quelle für alle, die sich für die Geschichte der Markgrafschaft Meißen sowie des Kurfürstentums, Königreichs und heutigen Bundeslandes Sachsen interessieren und wissen möchten, welche Münzen dort im frühen Mittelalter geprägt wurden und wo das geschah. Markgraf Otto von Meißen (1125-1190), dem man später wegen der bedeutender Silberfunde im Erzgebirge den Beinamen „der Reiche“ gab, trat 1156 nach der Abdankung seines Vaters Konrad des Großen die Regierung an. Bestattet wurde er in der Stiftskirche Altzella bei Nossen im heutigen Landkreis Meißen. Markgraf Friedrich II., genannt der Ernsthafte, ließ die Gebeine 1340 in eine eigene Begräbniskapelle überführen, die jedoch 1599 abbrannte. 1787 veranlasste Kurfürst Friedrich August III., der spätere König Friedrich August I. von Sachsen, die Neuerrichtung der Kapelle zum Gedenken an seine Vorfahren. 1983 wurden die im Siebenjährigen Krieg von preußischen Soldaten beschädigte Grabplatte Ottos des Reichen sowie die seiner Gemahlin Hedwig von Meißen und zweier Söhne am ursprünglichen Ort im Hohen Chor der Stiftskirche Altzella wieder in den Boden eingelassen. Auch davon handelt das Buch über Ottos Brakteaten.

Markgraf Otto setzte sich energisch für den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Ausbau seines Landes, aber auch für die Stärkung seiner Macht als Reichsfürst ein. Die Entdeckung von Silbererzen anno 1168 auf der Christiansdorfer Flur führte zur Gründung und dem Ausbau der Stadt Freiberg. Das „Freiberger Berggeschrei“ lockte zahlreiche Arbeiter und Unternehmer an und setzte eine umfangreiche Münzprägung in Gang. Freiberg wurde bereits in den 1170er Jahren Hauptmünzstätte im Meißner Land. Was hier produziert wurde, machte Otto zu einem der reichsten Fürsten im mitteldeutschen Raum.

Zahlreiche Prägestätten erfasst

Die Autoren unterstreichen, dass die Otto von Meißen betreffenden Quellen spärlich fließen. Das sei nicht ungewöhnlich diese Zeit gewesen, denn vieles habe man nicht aufgeschrieben. Dennoch lasse sich manches aus den, in dem Buch ausführlich gewürdigten Taten des Markgrafen, aber auch aus archäologische Hinterlassenschaften seiner Zeit ableiten. Was er als Münzherr veranlasste, erschließe sich über sein Geld- und Finanzgebaren, lasse sich aber auch aus der äußeren Gestaltung seiner Münzen erkennen. Sie waren als Mittel fürstliche Repräsentation wichtig und zeigen den Markgrafen stehend mit Schwert und Fahne als Symbole seiner landesfürstlichen Macht.

Das Buch beginnt mit den Münzen von Konrad dem Großen, dem Vater des Markgrafen Otto, und schildert die Bedingungen, die zur Gründung der Stadt und Münzstätte Freiberg führten. Es erläutert, woran die hier und unter seiner und Ottos Herrschaft sowie an anderen Orten geprägten Brakteaten zu erkennen sind. Die Autoren stellen im Textteil und im Katalog mehr als ein Dutzend im mitteldeutschen Raum jener Zeit tätige Münzstätten zwischen Meißen und Eisenberg vor und erläutern, was auf welchen Münzen dargestellt ist. In den Münzschmieden zu Freiberg, Leipzig, Meißen und anderen Orten muss eine rege Betriebsamkeit geherrscht haben. Wie am Ende des Buches geschildert wird, hatten die Stempelschneider viel zu tun, denn die Werkzeuge nutzten schnell ab und mussten immerzu erneuert werden. Obwohl viele Stempel verwendet wurden, blieben nur wenige erhalten.

Unterstempel war nicht nötig

Interesse verdienen die Ausführungen, über die Technik und Technologe der Münzherstellung in der Brakteatenzeit sowie wie man aus den dünnen Silberblechen veritable Münzen gewonnen hat und dass als Unterlage kein zweiter Stempel benutzt wurde wie bei zweiseitigen Groschen oder Talern, sondern weiche Lederstücke. Dass man in der damaligen Zeit über die Münztechnik kaum etwas geschrieben hat, ist der allgemeinen Zurückhaltung gegenüber allem Schriftlichen und speziell dem, was in den Münzstätten geschieht, geschuldet.

Das Buch enthält Angaben über die Münzprägung von Ottos Söhnen Albrecht und Dietrich sowie weitere außerhalb der Markgrafschaft Meißen gelegenen Münzstätten. Nicht immer gelingt eine klare Zuschreibung einzelner Geldstücke, und so ist im Katalog zu lesen, dass Konrad oder Otto sowie weitere Fürstlichkeiten als Herausgeber für dieselben Münzen infrage kommen. Die Verfasser räumen ein, dass es angesichts der vielen schriftlosen Münzen selbstredend bei vielen Schlussfolgerungen an der wünschenswerten Sicherheit fehlt. Nur durch gut begründete Hypothesen, die sich im weiteren Verlauf als richtig oder aber auch korrekturbedürftig erweisen, könne es einen Erkenntnisfortschritt geben. „Wenn die mit dieser Arbeit begonnene Sichtung und Differenzierung der mitteldeutschen Brakteaten zu weiteren künftigen Forschungen geben würde, wären die Absichten der Autoren in bestem Sinne verwirklicht.“ Mit anderen Worten, es bleibt bei dieser Münzgattung noch viel zu tun. Die Freiberger Münzfreunde geben mit ihren vorzüglichen Publikationen immer wieder neue Anregungen und schließen nach und nach Wissenslücken.

Blechmünzen aus Fälscherhand

Brakteaten sind aus den geistlichen und weltlichen Territorien an der Nordseeküste sowie aus der Mark Brandenburg, aus dem Bereich des Harzes und Thüringens, aus Hessen, Bayern und der Schweiz überliefert. Weitere bedeutende Zentren der Hohlpfennigprägung waren die Mark Meißen und der Herrschaftsbereich Herzog Heinrichs des Löwen mit Braunschweig als Residenz. Die dort geprägten Brakteaten Heinrichs des Löwen und seines Sohns Otto IV. sind gut am Löwen, dem Wappentier der Welfen, zu erkennen. Besonders prächtige Ausführungen zeigen den König der Tiere in architektonischem Rahmen. Im „Handwörterbuch der gesammten Münzkunde für Münzliebhaber und Geschäftsleute“ aus dem Jahr 1811 heißt es, die Gepräge seien meistens schlecht, aber unendlich verschieden. „Die Untersuchung der Brakteaten ist überhaupt schwierig, und leider ist die Sache dadurch noch verworrener geworden, dass müßige Köpfe neuerlich die Kunst erfanden und fleißig ausübten, seltene Brakteaten nachzuschlagen, um die Liebhaber zu befriedigen, dass dabei Verfälschungen der Urgepräge, auch wohl ganz neue Erfindungen mit unterlaufen, lässt sich leicht denken“. Die Bemerkung von Carl Christoph Schmieder zielt auf das Interesse an den „Blechmünzen“ ab und weist darauf hin, dass bereits vor über 200 Jahren Fälscher solche Geldstücke in alter Technik produzierten und damit nicht nur Profit machten, sondern auch viel Verwirrung stifteten. Sammler brauchen einen geübten Blick, um in diesem Bereich, jedoch nicht nur dort, Spreu vom Weizen zu unterscheiden.

Dass man auf schöne Münzbilder großen Wert legte und fantasievolle Darstellungen mit ungewöhnlich hohen Reliefs erfand, ist Ausdruck der aufblühenden Kultur und Kunst in der Zeit des Stauferkaisers Friedrich Barbarossa und seiner Nachfolger. Stempelschneider mögen für ihre numismatischen Bilderfolgen Anregungen aus der Buchmalerei und Bildhauerkunst gewonnen haben. Doch ließen sie sich wohl auch von Erzählungen der Kreuzritter und Mitbringseln aus dem Heiligen Land inspirieren. Unverkennbar sind stilistische und handwerkliche Bezüge für die Beglaubigung von Urkunden und zum Verschließen von Briefen verwendeten Siegeln. Auffällig sind außerdem Verbindungen zwischen den Brakteaten und der romanischen Architektur etwa dort, wo Bilder von Heiligen und Fürsten durch Türme und Bögen eingerahmt sind.

Die Brakteaten wurden in ihrer Entstehungszeit mit schönen Bildern und auch mit Inschriften versehen, die zum Besten romanisches Kunstschaffens gehören. Im täglichen Warenverkehr und bei der Bezahlung von Steuern, Tributen, Waren und Dienstleistungen aber hat man sie nach ihrem Gewicht bewertet. Es war Usus, dass man sie zerschnitt oder zerbrach, wenn kleine Beträge zu bezahlen waren. Deshalb kommen in Münzfunden viele Hälblinge und noch kleinere Stückelungen vor, von denen das Buch über Otto von Meißen zahlreiche Exemplare in Bild und Schrift vorstellt. Da etwa 290 Hohlmünzen auf die Gewichtseinheit kölnische Mark zu 233,8 Gramm gingen, entfallen auf jedes Stück nur etwa 0,7 bis 0,9 Gramm.

Was bekam man für eine Mark Silber?

Jedes dieser wegen ihrer Zerbrechlichkeit in besonderen Büchsen transportierten Leichtgewichte besaß eine beachtliche Kaufkraft. Aber wenn größere Summen für Kriege sowie die Anschaffung von Waffen und Rüstungen, für Bauwerke, Hoffeste oder Reisen gebraucht wurden, rechnete man nach größeren Gewichtseinheiten wie Schillingen zu je zwölf Pfennigen, nach Talenten, auf die 240 Pfennige gingen, oder nach Mark Silber. Man verwendete auch runde Barren, die so genannte Gusskuchen, deren Qualität amtlich durch Einschlagen von Punzen beglaubigt wurde. Da und dort hat man diese Stücke in Funden entdeckt. Oft waren gewaltige Summen im Spiel, etwa als 40 000 Mark Silber (etwa 9360 Kilogramm) beziehungsweise 150 000 Mark Silber (35100 Kilogramm) gezahlt wurden, um König Waldemar II. von Dänemark und den englischen König Richard I. Löwenherz aus der Gefangenschaft zu lösen. Otto der Reiche hinterließ ein Vermögen von 3000 Mark Silber, was einem Gewicht zwischen 700 und 750 Kilogramm entspricht. Was man für eine Mark Silber oder mehr kaufen konnte und was überhaupt über Löhne und Preise zu Ottos Zeiten und davor und danach zu sagen ist, wäre für die Freiberger Münzfreunde eine weitere Untersuchung wert.

Über das „Sächsische Berggeschrei“ siehe Eintrag auf dieser Internetseite (Münzen) vom 28. September 2022 und über die Medaillen des Vereins Freiberger Münzfreunde vom 26. April 2023

1. September 2023