„Freiheit, holdes Wesen“
Neue deutsche Zwei-Euro-Münze würdigt die Paulskirchenverfassung von 1849

Auf der Frankfurter Paulskirche und ihrem Parlament – hier eine Innenansicht aus dem 19. Jahrhundert und Porträts prominenter Angeordneter – lagen große Hoffnungen, die aber wegen des brutalen Eingreifens der damaligen Fürstenclique zerstört wurden. Der Geist der Paulskirche aber war in der Welt und ließ sich nicht ausrotten.

Die Zwei-Euro-Münze von 2024 nach einem Entwurf von Bodo Broschat erinnert mit einer Allegorie an den Versuch von 1849, dem deutschen Volk bis dahin vorenthaltene Grundrechte zu garantieren und den Weg zu einem einheitlichen Nationalstaat zu ebnen.

Die Bundesrepublik Deutschland brachte schon 1973 ein silbernes Fünf-Mark-Stück zur 125-Jahrfeier der Frankfurter Nationalversammlung heraus. Von Claus und Ursula Hornfeld gestaltet, zeigt sie den kreisrunden Innenraum der heute als Tagungsort und für Festveranstaltungen genutzten Paulskirche.

Der von der Frankfurter Nationalversammlung zum Reichsverweser berufene Erzherzog Johann von Österreich und die Paulskirche als Tagungsort schmücken eine 1848 geprägte Medaille.

Die mit einem Schwert bewaffnete Germania ist auf der anderen Medaille bereit, die Errungenschaften der Revolution zu verteidigen. Am Ende aber siegte die fürstliche Reaktion, die jedes Aufbegehren in Blut erstickte, aber den Freiheitswillen der Deutschen nicht brechen konnte.


Im Unterschied zu den in voreiligem Gehorsam hergestellten Gedenkmünzen von 1849 auf die Kaiserwahl Friedrich Wilhelms IV. sind die Doppelgulden von 1848 zu Ehren des Reichsverwesers Johann von Österreich recht häufig. (Fotos/Repros: Caspar)
Bevor die Berliner in der Märzrevolution von 1848 gegen König Friedrich Wilhelm IV. und seine Adelsclique revoltierten und demokratische Rechte und ein besseres Leben forderten, gab es Erhebungen in Frankreich, Österreich, Süddeutschland, Oberitalien, Ungarn, Polen und anderen Ländern. Kaiser und Könige verkrochen sich in sicheren Provinzen oder dankten ab. Der Not gehorchend versprachen sie liberale Gesetze und Verfassungen, gaben sich volksnah, steckten sogar schwarz-rot-goldene Kokarden an, entließen besonders verhasste Minister.
Heinrich Heines Weberlied machte die Runde. Versehen mit der Drohung „Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch / wir weben hinein den dreifachen Fluch / Wir weben, wir weben“ avancierte zum Kampflied der sich formierenden Arbeiterbewegung. Und auch das von Friedrich Hecker verfasste „Heckerlied“ mit der Zeile „Fürstenblut muss fließen / Knüppelhageldick, / Und daraus ersprießen / Die freie Republik./ Ja, dreiunddreißig Jahre / Währt die Knechtschaft schon / Nieder mit den Hunden / Von der Reaktion!“ fand überall großen Anklang.
Gläubig, kühn und zart
Radikale soziale und politische Forderungen wurden in jenen Tagen laut: Presse- und Versammlungsfreiheit, Aufstellung von Bürgerwehren als Bollwerk gegen die verhasste Polizei und das stehende Heer, Zulassung demokratischer Parteien und freie, gleiche und geheime Wahlen, Abschaffung der Privilegien des Adels, ja sogar Herstellung eines geeinten Deutschen Reichs. Selbst die Umwandlung der Fürstenherrschaft in eine Republik nach französischem Vorbild wurde diskutiert. Ganz so umstürzlerisch ging es in der auch „Professorenparlament“ genannten Frankfurter Nationalversammlung nicht zu, die 1848/49 in der Paulskirche zu Frankfurt am Main tagte und am 27. März 1849, vor nunmehr 175 Jahren, die „Grundrechte des deutschen Volkes“ beschloss. Hier hielt man sich eher an das auf die Befreiungskriege von 1813-1815 gemünzte Lied von Max von Schenkendorf „Freiheit, die ich meine“ mit den Schlusszeilen „Freiheit, holdes Wesen, / Gläubig, kühn und zart, / Hast ja lang erlesen / Dir die deutsche Art.“
Dem ersten deutschen Grundgesetz ist das neue Zwei-Euro-Stück PAULSKIRCHENVERFASSUNG 1849 gewidmet. Von dem Berliner Designer Bodo Broschat gestaltet, zeigt es drei Frauen, die als Symbolfiguren von Einigkeit und Recht und Freiheit gedeutet werden können. Zu ihren Füßen erkennt man die aus dem späten 18. Jahrhundert stammende Paulskirche, in dem heftig darüber diskutiert wurde, wie das künftige Deutschland ohne Justiz- und Fürstenwillkür als geschlossenes Ganzes mit einem Kaiser an der Spitze oder auch als Republik aussehen soll und welche Grundrechte die Bevölkerung ohne Standesschranken bekommt.
Ein erster Versuch
Das Dokument war ein erster, letztlich erfolgloser Versuch, eine gesamtstaatliche und demokratischen Verfassung für Deutschland zu schaffen. Die Menschen sollten vor dem Gesetze gleich sein, und es sollten auch keine Standesunterschiede und Ungleichheit mehr geben. Adelstitel samt Privilegien des „ersten Standes“ sollten im Orkus der Geschichte untergehen, alle Menschen sollten vor dem Gesetz gleich sein. Diese und andere Bestimmungen der so genannten Paulskirchenverfassung rief die bisherigen Mächte auf den Plan, die dafür sorgten, dass dieses erste Grundgesetz nicht in Kraft trat, als die Revolution in Preußen, Sachsen, Baden und anderen Landesteilen niedergeschlagen war. Vom Tisch war auch das Verlangen, die deutsche Einheit herzustellen. Dies gelang erst mitten im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, als der preußische König Wilhelm I. in Versailles zum deutschen Kaiser ausgerufen wurde.
Zur Sicherung der Freiheit der Person waren Verhaftungen nur bei Vorlage eines richterlichen Haftbefehls zulässig. Von Ausnahmen abgesehen war die Todesstrafe abgeschafft. Der Grundrechtekatalog garantierte die Freiheit der Wohnung und das Briefgeheimnis und schob so polizeilicher Willkür einen Riegel vor. Außerdem war die Zensur abgeschafft und die Freiheit der Forschung und Lehre garantiert, ebenso das Petitionsrecht sowie die Versammlungsfreiheit und Vereinsfreiheit. Das waren alles schöne, längst fällige Bestimmungen, die aber 1851 vom Bundestag, der Vertretung der deutschen Fürsten und Freien Städte, für null und nichtig erklärt wurden. Prinzipien aus den Grundrechten von 1849 wurden genau 70 Jahre später in die Weimarer Verfassung und 1948 in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland übernommen.
König wollte kein Kaiser sein
Am 3. April 1849 wurde in Berlin dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. nach einem Beschluss der Nationalversammlung der Titel eines Kaisers der Deutschen angeboten. Er lehnte das Ansinnen mit dem Hinweis brüsk ab, das Parlament in Frankfurt am Main habe keine Kronen zu vergeben. In seinen Augen war die Kaiserkrone mit dem „Ludergeruch der Revolution“ behaftet und nichts anderes als ein Reif aus Dreck und Letten“ und Hundehalsband, mit dem man ihn, den König von Preußen, an die Revolution ketten wolle. In Frankfurt am Main hätte man wissen müssen, wie der eisern an seinem Gottesgnadentum und am feudalen Ständestaat festhaltende König von Preußen zu der auch in der Nationalversammlung heftig diskutierten Kaiserfrage steht. Dennoch hat man hier in Erwartung einer positiven Antwort aus Berlin Münzen und Medaillen geprägt, die Friedrich Wilhelm IV. mit der Formulierung „Erwählt zum Kaiser der Deutschen“ feiern. Die Doppelgulden gehören zu den großen Seltenheiten dieser Zeit und werden teuer bezahlt.
7. Juni 2024
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