„Für Freiheit, Recht und deutsche Ehre“
Frankfurter Paulskirche wurde in der Revolution vor 175 Jahren zum Symbol für Einheit und Demokratie / Blick auf Münzen und Medaillen







Reichsverweser Johann von Österreich wurde 1848 durch eine Medaillenserie geehrt. Sie verbindet sein Brustbild mit der Ansicht der Frankfurter Paulskirche, dem Tagungsort der Deutschen Nationalversammlung. Die Republik Österreich ehrte 1959 den einhundert Jahre zuvor verstorbenen Erzherzog mit einem 25-Schilling-Stück. Im Rahmen ihrer Länderserie brachte die Bundesrepublik Deutschland 2015 eine Zwei-Euro-Münze mit dem Bild der Frankfurter Paulskirche heraus.



Ein geschichtlicher Ort der besonderen Art ist die Paulskirche im Herzen von Frankfurt am Main. Die Grafiken aus dem 19. Jahrhundert zeigen den Einzug der männlichen, meist aus dem Bürgertum stammenden Abgeordneten der Deutschen Nationalversammlung und wie sie miteinander debattieren.





Die zu Ehren der Deutschen Nationalversammlung geprägten Gedenkdoppelgulden kommen auch als seltene, von Sammlern gesuchte Zwitterprägungen (unten) vor.



Mit diesem Doppelgulden ehrte Frankfurt 1848 den von der Nationalversammlung gewählten Reichsverweser Johann von Österreich. Der Plan der Abgeordneten, den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zum deutschen Kaiser zu erheben, wurde von diesem brüsk zurück gewiesen. Als 1849 dazu ein Doppelgulden geprägt wurde, konnte man in der Mainmetropole nicht wissen, dass der Monarch abweisend auf die Offerte reagieren würde.



Preußens König Friedrich Wilhelm IV. empfing am 3. April 1849 im Berliner Schloss eine Abordnung der Deutschen Nationalversammlung und lehnte dabei die ihm angetragene Würde eines deutschen Kaisers ab. Zwischen sich und seinem Volk wolle er kein Stück Papier dulden, sagte er und meine die Reichsverfassung mit den Grundrechten des deutschen Volke.



Der von der österreichischen Reaktion am 9. November 1848 bei Wien erschossene Abgeordnete Robert Blum genoss große Verehrung. Die Medaille von 1848 verkündet, der Mann des Volkes sei tot, doch sein Geist lebt fort.



Zu den führenden Abgeordneten der Nationalversammlung gehörte Heinrich Hoffmann von Fallersleben, der 1841 auf der Insel Helgoland das Lied der Deutschen schrieb. Nur die dritte Strophe des Deutschlandlieds „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland,/ danach lasst uns alle streben brüderlich mit Herz und Hand! / Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand – / Blüh' im Glanze dieses Glückes, / blühe deutsches Vaterland!“ wird heute gesungen. Die Karikatur rechts zeigt, wie Fürsten und Soldaten die deutsche Volkssouveränität zu Grabe tragen. (Fotos/Repros: Caspar)

Kaum ein anderes Bauwerk ist so verflochten mit der neueren deutschen Geschichte, mit dem Streben nach Mitbestimmung und Demokratie wie die Paulskirche in Frankfurt am Main. Zu vergleichen wäre das Gotteshaus nur mit der Wartburg bei Eisenach und dem Hambacher Schloss nahe der rheinland-pfälzischen Stadt Neustadt an der Weinstraße. An beiden Orten fanden 1817 und 1832 Manifestationen oppositioneller Studenten und Bürger für die deutsche Einheit, Überwindung der elenden Feudalherrschaft und demokratische Mitbestimmung des Volkes statt. Die Freiheitsfeste im Zeichen der Farben Schwarz, Rot und Gold (Gelb) riefen die um ihre Herrschaft bangenden Fürsten auf den Plan. Sie vereinten ihre Kräfte im Kampf gegen jede Form von Widerstand und bauten im Rahmen des „Systems Metternich“ massiv ihren Unterdrückungs- und Spitzelapparat aus.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche vor 175 Jahren als „großen Wendepunkte in der deutschen Geschichte“ gewürdigt. Die Paulskirche sei einer der herausragenden Orte der deutschen Demokratiegeschichte von gesamtstaatlicher Bedeutung, sie markiere den Moment, als aus Untertanen Bürger wurden und ein Geist der Freiheit erwachte, der sich - jedenfalls auf lange Sicht - nicht länger unterdrücken ließ. Demokratie sei nicht selbstverständlich, die Pflege der Demokratiegeschichte müsse uns allen am Herzen liegen. Steinmeier würdigte den Mut früher Demokraten und Demokratinnen bei der Entgegennahme von Empfehlungen der Expertenkommission zur Entwicklung der Paulskirche und des Hauses der Demokratie. Sie empfiehlt, die Paulskirche als „eindrucksvollen Erinnerungsort der deutschen Demokratiegeschichte“ aufzuwerten und nebenan ein Haus der Demokratie zu errichten. Die Paulskirche solle ein Ort mit internationaler Strahlkraft zur Reflexion über Demokratie in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werden. Konkret soll die Paulskirche modernisiert und für flexiblere Nutzungen umgestaltet werden. Auf einer Teilfläche des benachbarten Paulsplatzes wird ein Haus der Demokratie gebaut, in dem die Wirkungsgeschichte der Nationalversammlung präsentiert wird. Außerdem sollen dort pädagogische Vermittlungen, politische Diskussionen, Workshops und andere Veranstaltungen stattfinden. Bisher gibt es eine solche Gedenk- und Begegnungsstätte in Deutschland nicht.

Sicher vor Fürstenwillkür

In der Mainmetropole konnte die Volksvertretung vor politischen und militärischer Willkür jener Feudalmächte sicher sein, denen das Parlament gegen den Strich ging und die sich von ihm nicht das kleinste Stückchen Macht nehmen lassen wollten. Da es in Frankfurt keinen anderen geeigneten Tagungsort gab, zog die Nationalversammlung am 18. Mai 1848, drei Monate nach der Märzrevolution in Berlin, in die Paulskirche ein. Bereits im Dezember desselben Jahres wurden nach kontroverser Diskussion die „Grundrechte des Deutschen Volkes“ verabschiedet, die in die Reichsverfassung vom 28. März 1849 einflossen. In den Paragraphen 7 und 8 heißt es unter anderem: „Vor dem Gesetze gilt kein Unterschied der Stände. Der Adel als Stand ist aufgehoben. Alle Standesvorrechte sind abgeschafft. Die Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. “ Die dort niedergelegten Grundrechte wurden nach der Novemberrevolution von 1918 und der Abschaffung der Monarchie in die Weimarer Verfassung aufgenommen und finden sich auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wieder.

Die Freie Stadt Frankfurt am Main ließ in den Revolutionsjahren 1848/49 mehrere Medaillen „Für Freiheit, Recht und deutsche Ehre“ prägen, wie das Motto auf einer dieser Ausgaben lautet, auf der man im Hintergrund den Turm der Paulskirche erkennt. Die Medaillen und einige zu dem Thema passende Münzen sind in dem bekannten Katalog von Paul Joseph und Eduard Fellner „Die Münzen von Frankfurt am Main nebst einer münzgeschichtlichen Einleitung und mehreren Anhängen“ aus dem Jahr 1896 (Neudruck Leipzig 1969) verzeichnet. Darin wird ein sehr seltener Doppelgulden mit der Angabe CONSTUTUIRENDE VERSAMMLUNG I. D. F. STADT FRANKURT 1. MAI 1848 vermerkt. Dazu schreiben die Autoren, dass die Nationalversammlung am 1. Mai 1848 zusammentreten sollte, doch wurde ihre Eröffnung auf den 18. Mai 1848 verschoben. Die mit dem Datum 1. Mai 1848 geprägten Münzen wurden bis auf wenige Exemplare eingezogen, „welche in die Hände hiesiger Münzliebhaber kamen.“ Auf dem Stempel hat man das Datum in 18. Mai verändert. Im Nachtragsband von 1903 zum Katalog wird unter der Nummer 1126 ein zweiter Stempel mit der Angabe 1. Mai vermerkt. Wie sehr man alle diese Ausgaben schätzte, geht aus der Herstellung von Abschlägen aus Gold hervor, die ab und zu im Münzhandel enorme Preise erzielen.

Allegorien und Eichenbäume

Der Zusammentritt der Nationalversammlung war die Prägung von „patriotischen Medaillen“ mit Losungen wie EINIGKEIT! ORDNUNG! FREIHEIT!, WIR SIND EIN VOLK UND EINIG WOLLEN WIR HANDELN nach Friedrich Schillers Drama „Wilhelm Tell“ (Teil II, 2) sowie EIN MANN, EIN VOLK, EIN FREIES DEUTSCHLAND und FÜR FREIHEIT RECHT UND DEUTSCHE EHRE. Im Katalog von Joseph und Fellner und im Münzhandel finden wir weitere Medaillen aus dieser Zeit mit Bekenntnissen für die Überwindung der elenden Zersplitterung. Zu lesen sind VEREINT Z. EINEM BILDE Z. SCHIRM U. WEHR SO STEHN D. WAPPENSCHILDE, GEDRAENGT IM KREIS UMHER und VEREINT, VEREINT BIS ZUM MEERESSTRAND, EIN VOLK, EINE SPRACHE, EIN DEUTSCHES LAND! Diese und weitere Inschriften umschließen Wappenschilder der dem Deutschen Bund angehörenden Staaten, allegorische Figuren sowie Eichenbäume und Eichenkränze.

Eine zur Erinnerung an den 6. März 1848, als König Ludwig I. von Bayern seine Märzproklamation erließ, geprägte Medaille führt auf, worum es den Menschen damals ging: Pressefreiheit, freiere Ständewahl, Verfassungseid des Heeres, besseres Staatsdienerlos (gemeint ist bessere Bezahlung und mehr Ansehen für Beamte, H. C.), Ministerverantwortlichkeit, Öffentlichkeit, Mündlichkeit, Schwurgerichte, Judenemanzipation, Polizeigesetzbuch und schließlich Deutsches Parlament. In jenem Aufruf hatte der König, der schon bald wegen einer Affäre mit der Tänzerin Lola Montez abdanken musste, wörtlich: „Die Wünsche Meines Volkes haben in Meinem Herzen jederzeit vollen Wiederhall gefunden. An die Stände des Reiches werden ungesäumt Gesetz-Vorlagen gelangen, unter anderen: über die verfassungsmässige Verantwortlichkeit der Minister; über vollständige Preßfreiheit; über Verbesserung der Stände-Wahl-Ordnung; über Einführung der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit in die Rechtspflege mit Schwur-Gerichten; über die in der IX. Verfassungs-Beilage angedeutete umfassendere Fürsorge für die Staatsdiener und deren Relikten; dann deren Ausdehnung auf die übrigen Angestellten des Staates; über Verbesserung der Verhältnisse der Israeliten. Ferner ordne Ich in diesem Augenblicke die schleunige Abfassung eines Polizei-Gesetz-Buches an; ebenso befehle Ich die unverzügliche Beeidigung Meines Heeres auf die Verfassung, und lasse Ich von heute an die Censur über äussere wie innere Angelegenheiten ausser Anwendung treten.[...] Mit Eurem Herrscher vereint, vertreten durch Euere verfassungsmässigen Organe, laßt Uns erwägen, was Uns, was dem gemeinsamen Vaterlande Noth thut. Alles für Mein Volk! Alles für Teutschland!“

Kaiserkrone war nichts für Preußenkönig

Ein Fehlschlag war der Versuch der Nationalversammlung, den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zum Reichsoberhaupt zu machen und ihm die Kaiserkrone anzutragen. Er spielte in der Revolutionszeit eine höchst unglückliche Rolle und befleckte seine Hände mit Blut, indem er Soldaten auf Barrikadenkämpfer und Revolutionstruppen schießen ließ. Charakteristisch für sein ausgeprägtes monarchisches Sendungsbewusstsein war die Ablehnung der deutschen Kaiserkrone im Frühjahr 1849. Da das Angebot nicht von den deutschen Fürsten kam, sondern „nur“ von der Nationalversammlung, lehnte er es hochmütig ab. Einer der Teilnehmer der Audienz, der Abgeordnete Johann Jacobi, sagte im Hinausgehen: „Das ist immer das Unglück der Könige gewesen, dass sie die Wahrheit nicht hören wollen!“. Seinen Berater Joseph von Radowitz hatte Friedrich Wilhelm IV. schon Ende 1848 wissen lassen: „Jeder deutsche Edelmann, der ein Kreuz oder einen Strich im Wappen führt, ist hundertmal zu gut dazu, um solch ein Diadem aus Dreck und Letten der Revolution, des Treubruchs und des Hochverrats geschmiedet, anzunehmen.“

Bei der Frankfurter Nationalversammlung hätte man wissen müssen, wie der erzkonservativ denkende, am Gottesgnadentum seiner Herrschaft und am feudalen Ständestaat eisern festhaltende Monarch zur Kaiserfrage steht. „Die Frankfurter Krone mag sehr glänzend sein, aber das Gold, welches dem Glanze Wahrheit verleiht, soll erst durch das Einschmelzen der preußischen Krone gewonnen werden; und ich habe kein Vertrauen, dass dieser Umguss mit der Form dieser Verfassung gelingen werden“, fasste Otto von Bismarck 1849 im Preußischen Landtag die Haltung seines königlichen Herrn zusammen. In Erwartung einer positiven Antwort hat man in Frankfurt schon Münzen und Medaillen geprägt, die Friedrich Wilhelm IV. mit der Formulierung „Erwählt zum Kaiser der Deutschen“ feiern. Sie wurden nicht ausgegeben, da es anders kam, doch blieben etliche Stücke zur Freude der Sammler erhalten und werden heute sehr gut bezahlt.

Alte Verhältnisse restauriert

Wir wissen, dass die auch auf Medaillen dokumentierten Forderungen der Nationalversammlung an die deutschen Fürsten wenig genutzt haben. Nach der Niederschlagung der Revolution 1849 wurden viele Errungenschaften zurück genommen und die alten Verhältnisse restauriert, also wiederhergestellt. Der Wille zur deutschen Einheit war aber ungebrochen. Erst am 18. Januar 1871 und mitten im deutsch-französischen Krieg gelang dieser Schritt, allerdings nicht auf Initiative der Mehrheit der Deutschen, sondern mit der Ausrufung des preußischen Königs Wilhelm I. durch seine Standesgenossen im eiskalten Spiegelsaal des Schlosses von Versailles zum deutschen Kaiser. Bei der in Hinterzimmern ausgehandelten und dann „von oben“ verwirklichten Reichseinigung wurde das Volk nicht gefragt, und so blieben nach der kurzen Zeremonie mit Hochrufen auf Kaiser Wilhelm Spannungen im neuen, jetzt von Preußen dominierten Deutschen Reich nicht aus.

Erzherzog Johann von Österreich wurde von der in der Paulskirche tagenden Nationalversammlung zum Reichsverweser und damit zum provisorischen Staatsoberhaupt ernannt und bei seinem Einzug am 11. Juli 1848 in die Mainmetropole begeistert gefeiert. An ihm hatte man kaum etwas auszusetzen, er war erklärter Gegner des verhassten Staatskanzlers Fürst von Metternich, die deutschen Fürsten stimmten seiner Wahl zu, weil er als Mitglied des Hauses Habsburg einer der Ihren war. Außerdem galt er als reformfreudig und volkstümlich. Dass er mit einer Postmeistertochter verheiratet war, tat allerdings seinem Ansehen im europäischen Hochadel nicht gut, trug ihm aber Sympathien im Volk ein.

Wiedergeburt der Einheit

Es verwundert es nicht, dass Frankfurt ihm mehrere Medaillen und einen Gedenkdoppelgulden widmete. Sie verbinden den Kopf beziehungsweise das Brustbild des Erzherzogs in Generalsuniform mit dem Bild der Paulskirche, weitere bilden ihn und den doppelköpfigen Reichsadler ohne Krone ab, wie er auch auf den Münzen der Freien Stadt zu sehen ist. Umschriften wie ZUR ERINNERUNG A. D. WIEDERGEBURT DEUTSCHER EINHEIT (die es ja nie gegeben hat!), KEIN OESTERREICH KEIN PREUSSEN EIN EINIGES DEUTSCHLAND SOLL ES SEIN, DEUTSCHLANDS HOFFNUNG UND STOLZ und HEIL DEM VERTRETER DES G: (ganzen) DEUTSCHLANDS unterstreichen die großen Erwartungen, die man in den Sohn von Kaiser Leopold II. setzte. Nach der gewaltsamen Niederschlagung der Revolution unter österreichischer und preußischer Führung übertrug Johann am 20. Dezember 1849 seine Befugnisse der Bundeszentralkommission. Als die süddeutschen Staaten erklärten im Frühjahr 1850 erklärten, eine preußisch-österreichische Zentralbehörde nicht länger anerkennen zu wollen, wurde die alte Bundesversammlung wiederhergestellt.

So fortschrittlich und zukunftsorientiert die so genannte Paulskirchen-Verfassung war, gemessen an den damaligen Verhältnissen, so wenig ließ sie sich verwirklichen. Die Kräfte der Reaktion waren zu stark, um ihr im damaligen Deutschen Bund Geltung zu verschaffen. Unter den gegebenen Umständen hatte die hauptsächlich aus Professoren, Juristen, höheren Beamten und ganz wenig aus Handwerkern bestehende Nationalversammlung nicht lange Bestand. Nach einjähriger Arbeit tagte sie zum letzten Mal am 30. Mai 1849 in der Paulskirche und löste sich später ganz auf.

Zur Geschichte der Paulskirche siehe auch Eintrag auf dieser Internetseite (Geschichte) vom 14. April 2023

4. Mai 2023