" Noch ist Polen nicht verloren"
Münzen und Medaillen erzählen viel über die wechselvolle Geschichte unseres Nachbarlandes



Liebevoll und mit viel Feingefühl wurden nach 1945 in Warschau das von den deutschen Besatzern zerstörte Königsschloss und die Altstadt wieder aufgebaut, und auch andere Städte erhielten ihr historisches Antlitz zurück.







Polens abwechslungsreiche Münzprägung bildet mit weiteren numismatischen Zeugnissen ein hochinteressantes Sammelgebiet. Der Münzhandel bietet schöne Ausgaben wie diesen Taler von Sigismund III. aus dem Jahr 1628 an, und wenn sie wie der zehnfache Dukat von Sigismund IV. aus Gold aus dem Jahr 1588 sind, erzielen sie bedeutende Preise. Das sächsisch-polnische Allianzwappen schmückt den Taler Augusts des Starken von 1729.



Nach dem Tod König Augusts III. (als sächsischer Kurfürst Friedrich August II.) im Jahr 1763 setzte Katharina II. 1764 die Wahl ihres Günstlings Stanislaus II. August als König von Polen durch. Der Taler von 1788 zeigt den Herrscher, der nur noch einen kleinen Teil seines ehemals großen Reichs beherrschte.



Während Stanislaw II. August auf dem Spottbild um seine Krone bangt, teilen Zarin Katharina II., der römisch-deutsche Kaiser Joseph II. und Friedrich II. sein Land unter sich auf.



Die Medaille von 1966 zeigt eine von einem mittelalterlichen Krieger bewachte Prägeszene, daneben betrachtet Moneta, die antike Göttin der Münzprägung, auf der Medaille zur Eröffnung der Münze Warschauer und Münzreform das Bildnis von Stanislaw II. August (Nachprägung 1966).



Der aus Thorn/Torun stammende Domherr, Astronom und, was wenig bekannt ist, auch Münzreformer Nikolaus Kopernikus wurde mit zahlreichen Medaillen und Münzen geehrt, hier Ausgaben von 1973 und 1975 zu seinem 500. Geburtstag beziehungsweise zum 30. Jahrestag der Gründung des Masurischen Museums in Allenstein/Olsztyn.



Museen und numismatische Vereine haben den Münzforschern Emeryk Hutten-Czapski, Joachim Lelewel und Wladyslaw Terlecki mit diesen in der Warschauer Münze geprägten Medaillen ein eindrucksvolles Denkmal gesetzt. (Fotos/Repro: Caspar)





Solange die Kommunisten herrschten, musste der Wappenadler ohne die kleine Krone auskommen, die auf das ehemalige Königreich deutete. Auf heutigen Ausgaben und solchen vor 1939 ist er zu sehen.

Polens über tausendjährige Geschichte war ein ständiges Auf und Ab, seine Entwicklung heute ist von dieser nicht zu trennen, denn Geschichte ist immer Gegenwart, so der Titel eines Sammelwerks zur Zeitgeschichte, das 2002 bei dtv Stuttgart/München erschienen ist. Großer territorialer Ausdehnung bis hinein in das heutige Russland und eine beherrschende Stellung im Ostseeraum sowie kulturellen Höhenflügen im Mittelalter und der Renaissance folgten Niedergang, Chaos und Abhängigkeit von fremden Mächten. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der Staat durch und die Teilung unter Russland, Österreich und Preußen zerschlagen. Bis heute ist dieser Willkürakt nicht vergessen. Kenntlich ist Polens glanzvolle Entwicklung an Schlössern, Burgen, Kirchen und Klöstern, Rathäusern und prächtigen Bürgerhäusern sowie Leistungen bedeutender Künstler und Gelehrter. Schwedische, sächsische und andere ausländische Herrscher saßen auf dem polnischen Thron und drückten ihre Interessen rücksichtslos durch. Im 16. Jahrhundert erlebte Polen unter den Jagiellonen sein „goldenes Zeitalter“ mit Spitzenleistungen der Architektur, Malerei und Bildhauerkunst, Literatur und Naturwissenschaft. Selbstverständlich haben sich Polens Könige auf Münzen und Medaillen mit den Insignien ihrer Macht und ihren Wappen dargestellt.

Erst Glanz, dann Teilung des Landes

Von Glanz und Elend geprägt war Polens „augusteische“ Periode zwischen 1697 und 1763, benannt nach zwei sächsischen Kurfürsten aus dem Hause Wettin, die sich mit großen Bestechungsgeldern und nach dem Übertritt zur katholischen Kirche zu polnischen Königen wählen und krönen ließen. Kurfürst Friedrich August I., besser bekannt als August der Starke und als König von Polen August II. genannt, und sein Sohn Friedrich August II. (August III.) prägten nachhaltig das Antlitz von Warschau, ihrer zweiten Residenz nach Dresden. Ihre luxuriöse Hofhaltung wurde zum Vorbild für andere Fürsten der Barockzeit. Überall in Sachsen erinnert das Allianzwappen mit den gekreuzten Schwertern sowie dem weißen Adler und litauischen Reiter an Schlössern und Rathäusern an diese Periode. Die unselige und teure Günstlings- und Misswirtschaft sowie die Verwicklung der Doppelmonarchie in den Nordischen Krieg und die von Preußen angezettelten Schlesischen Kriege schadeten Sachsen und Polen im 18. Jahrhundert nachhaltig und bereiteten der Herrschaft der Wettiner in Polen ein Ende. Münzen und Medaillen dieser Zeit kombinieren die kursächsischen Schwerter mit dem viermal geteilten polnischen Wappen unter der Königskrone.

Russland, Österreich und Preußen setzten 1772 die erste Polnische Teilung durch, bei der dem Land etwa ein Drittel seines Territoriums geraubt wurde, was bis heute nicht vergessen ist. Nach 1789 beobachteten Russland, Österreich und Preußen mit wachsender Unruhe, dass sich in Polen Reformer Gehör verschaffen, die sich von Ideen aus dem revolutionären Frankreich inspirieren lassen. Erneut wurde der Monarchie Land geraubt. Der sonst mit klarem Verstand gesegnete Friedrich II., genannt der Große, hatte von „den“ Polen und allen, deren Namen auf -ski endet, eine ausgesprochen schlechte Meinung und behauptete, sie ähnelten Barbaren, Wilden, Irokesen und Affen und wohnten in einem rückständigen und abscheulichen Land. Es versteht sich, dass viele Polen diese Einstellung bis heute dem König von Preußen verübeln.

Freiheitsbewegung wurde unterdrückt

Der 1764 mit russischer Unterstützung zum König von Polen und Großfürsten von Litauen erwählte Aristokrat Stanislaw August Poniatowski war bei dem Versuch gescheitert, die Macht des polnischen Adels zugunsten der Krone zu beschränken, und erregte damit das Misstrauen seiner Nachbarn, die einen starken Herrscher in Warschau ungern sahen. Als König ohne Land musste Stanislaus II. August 1795 abdanken, ging ins Exil nach Sankt Petersburg und starb 1798 mit 66 Jahren. 1794 erhoben sich polnische Patrioten unter Führung des Generals Tadeusz Kosciuszko gegen die Fremdherrschaft, wurden aber von russischen und preußischen Truppen niedergeschlagen. Jetzt stand der dritten Teilung und damit der endgültigen Auflösung des polnischen Königreichs nichts mehr im Weg.

Bis 1918 existierte Polen nicht als selbstständiger Staat, dennoch gab es im 19. Jahrhundert Bestrebungen, die Fremdherrschaft abzuschütteln und Warschau wieder zur Hauptstadt des souveränen Staates zu machen. Die polnische Freiheitsbewegung fand in Europa viele Anhänger, wurde aber von den Profiteuren der Polnischen Teilungen massiv unterdrückt. Nach dem Krieg von 1806/7 zwischen Preußen und Sachsen auf der einen Seite und Frankreich auf der anderen kamen die bisher unter preußischer Herrschaft stehenden Gebiete an das neu gebildete, von Kaiser Napoleon I. abhängige Königreich Sachsen. Im Ergebnis des Wiener Kongresses musste der sächsische König Friedrich August I. das Herzogtum Warschau, also seine polnischen Landesteile, an Russland abtreten. Dieses so genannte Kongresspolen wurde Zar Alexander I. von Russland zugesprochen und erhielt als autonomes Königreich eine eigene Verfassung, Verwaltung, Armee und Münzprägung. Die Nähe zur ehemaligen Sowjetunion beziehungsweise Russischen Föderation unter Wladimir Putin bereitet den heutigen Polen große Sorgen, weshalb das Land Mitglied der Nato wurde und im Falle einer Invasion von dem westlichen Militärbündnis Hilfe erwartet, was auch für die ehemals von Stalin zu Sowjetrepubliken gemachten baltischen Ländern Estland, Lettland und Litauen zutrifft.

Souveränität verloren und zurück gewonnen

Nach der Niederschlagung des Aufstand von 1830/1831, mit dem der polnische Nationalstaat wiederhergestellt werden sollte, verlor Kongress- oder Russisch-Polen, wie man auch sagte, seine Autonomie, und es begann eine massive Russifizierung des offiziell zum Königreich erklärten, von den Zaren und ihren Statthaltern brutal beherrschten Landes. Die Zwangsmaßnahmen konnten nicht verhindern, dass polnische Patrioten und Nationalisten weiterhin nach einem eigenen Staat strebten, aber nicht zum Zuge kamen. Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 begann in der so genannten Provinz Posen mit einer überwiegend polnisch sprechenden Bevölkerung eine massive Germanisierungspolitik, die im Zusammenhang mit dem gegen die Macht der katholischen Kirche gerichteten Kulturkampf zu schweren Konflikten führte.

Mitten im Ersten Weltkrieg (1914-1918) sahen polnische Nationalisten eine Gelegenheit, sich vom zaristischen Joch zu lösen und ihren Staat wieder aufzurichten. Die Mittelmächte proklamierten unter deutscher Führung 1916 ein unabhängiges Königreich, das in Ermangelung eines Königs von einem Regentschaftsrat geführt wurde. Nach dem Sturz des Zaren in der Februarrevolution von 1917 erkannte die Provisorische Regierung in Sankt Petersburg das Selbstbestimmungsrecht Polens an, und auch die westlichen Alliierten strebten ein souveränen Polen an. Im Oktober 1918 rief der Regentschaftsrat das unabhängige Polen aus, und am 11. November 1918 wurde die Republik proklamiert. Erster Staatschef wurde, ausgestattet mit diktatorischen Vollmachten, Marschall Józef Pilsudski, der die polnischen Grenzen aus der Zeit vor den Teilungen hinaus wiederherstellen wollte, damit aber keinen Erfolg hatte.

Massenmord in Konzentrationslagern

Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht am 1. September 1939 wurden die west- und mittelpolnischen Gebiete binnen weniger Tage in einem „Blitzkrieg” überrannt. Hitler konnte bereits am 5. Oktober 1939 in Warschau eine Siegesparade abnehmen. Derweil marschierten auf Befehl des sowjetischen Diktators Josef Stalin Einheiten der Roten Armee gemäß einer geheimen Absprache mit Hitler vom August 1939 in das östliche Polen ein, das der Ukrainischen und Weißrussischen Sowjetrepublik zugeschlagen wurde. Um sich der polnischen Elite und damit potenzieller Gegner zu entledigen, ordnete Stalin die Ermordung von über 20 000 Offizieren, Künstlern, Wissenschaftlern und Geistlichen im Wald von Katyn an. In dem zum deutschen Generalgouvernement erklärten Polen begann die Jagd vor allem auf Juden. Insgesamt wurden sechs Millionen Juden aus Polen und den anderen besetzten Ländern Europas in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern Auschwitz-Birkenau, Krakau, Treblinka, Sobibor und an anderen Orten ermordet.

Nach der Befreiung durch die Rote Armee (1944) wurde in Polen auf Druck der Sowjetunion eine kommunistische Diktatur errichtet. Die Landesgrenze wurde nach Westen bis an die Oder und Neiße verschoben, weil der sowjetische Diktator Josef Stalin Ansprüche auf polnische Territorien an der Grenze zur UdSSR erhob, verbunden mit der Umsiedlung der dort lebenden Menschen bis an die Grenze zur DDR. Für die nationale Identität Polens war es wichtig, die Spuren barbarischer Zerstörungswut während der deutschen Besetzung zu beseitigen. Deshalb wurde alle Kraft in den Wiederaufbau von Warschau einschließlich des königlichen Schlosses sowie anderer Altstädte von Danzig bis Breslau investiert.

Solidarnosc als Pfahl im Fleisch

Die 1981 ins Leben gerufene Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc machte den Machthabern in Warschau und ihren Hintermännern in Moskau schwer zu schaffen und wirkte auch in der DDR wie ein Pfahl im Fleisch. Ihr Widerstand fand während der 1980er Jahre in der Bürgerbewegung zwischen Oder und Elbe Widerhall und lehrte Honecker & Co. das Fürchten. Neben vielen anderen ist es den mutigen Frauen und Männern um Lech Walesa und seiner Solidarnosc-Bewegung zu verdanken, dass das kommunistische Weltsystem 1989/90 einstürzte und die Deutschen ihre Wiedervereinigung erlangten. Der aus Polen stammende Papst Johannes Paul II., der auf verschiedenen Münzen und Medaillen des Landes erscheint, trug zum Einsturz des Regimes in Warschau maßgeblich bei.

Vor dem Hintergrund der schwierigen polnischen Geschichte und Freiheitsbewegung ist der Text der Nationalhymne unseres Nachbarlandes verständlich, die mit den Worten „Noch ist Polen nicht verloren / Solange wir leben. / Was uns fremde Übermacht nahm, / werden wir uns mit dem Säbel zurückholen“ beginnt. Die Liedzeile ist Ausdruck für die Hoffnung in nahezu aussichtsloser Lage auf die Wiedergeburt des Landes. Verfasst von Jozef Wybicki als „Lied der polnischen Legionen in Italien“, wurde der Mazurek Dabrowskiego nach 1797 gesungen, um sich Mut in den Kämpfen gegen fremde Unterdrücker und Besatzer zu machen. Benannt ist das Lied nicht nach seinem Dichter, sondern nach dem darin besonders hervor gehobenen polnischen General, Freiheitskämpfer und Nationalhelden Jan Henryk Dabrowski.

Wappenvogel mit und ohne Krone

Polens Münzgeschichte ist eng mit der staatlichen Entwicklung verbunden und spiegelt plastisch die Rolle des Landes im Konzert der europäischen Mächte wider. Wurden im 10. Jahrhundert und danach bescheidene Denare und Pfennige mit Adlern und Fürstenköpfen am Amboss hergestellt, so ging man im hohen Mittelalter zu Goldgulden und silbernen Groschen über, es folgten Dukaten und Taler. Bestandteil des königlichen Wappens war der weiße polnische Adler und ein mit dem Schwert bewaffneter Reiter, der für das Großfürstentum Litauen steht. Bis in die Gegenwart fehlt der Landesadler auf keiner der in der Warschauer Münze geprägten Geldstücke. Der hochmoderne Betrieb ist stolz auf seine Vergangenheit und feiert dass Land und sich selbst mit Medaillen, auf denen da und dort die in der Barockzeit zum Prägen von Münzen- und Medaillen verwendete Spindelpresse dargestellt ist.

Betrachten wir die nach dem Ende der Volksrepublik 1989 geprägten Münzen, so fällt auf, dass der Adler wieder eine kleine Krone trägt. Sie erinnert an jene Zeiten, als Polen eine mächtige, prosperierende Monarchie, deren Könige von Adligen gewählt wurden. Die Krone war während der kommunistischen Periode nicht erlaubt und verschwand auch von Münzen und Medaillen. Deshalb kann man bei ihnen auch ohne nähere Betrachtung der Jahreszahlen sagen, aus welcher Periode sie stammen. Erwähnt sei, dass die Warschauer Münze für Sammler Nachprägungen numismatischer Raritäten herstellt. Um Missbrauch zu verhindern, sind sie untilgbar als „Kopia“ gezeichnet.

23. Mai 2023