Pressefreiheit und Volksbewaffnung
Hessischer Gulden versprach im Revolutionsjahr 1848 den Leuten das Blaue vom Himmel



Den meisten deutschen Fürsten fiel vor 175 Jahren nichts anderes ein, als das Militär gegen aufsässige Untertanen marschieren zu lassen. Hier ein erschossener Revolutionär und dort der Kampf der Alten gegen das Neue, das in Gestalt eines die Keule schwingenden Vertreters des „dritten Stands“ daher kommt und seine Mitbürger zum Kampf gegen die Reaktion aufruft.





Unter den deutschen Münzen des 19. Jahrhunderts nimmt der hessische Pressegulden von 1848 eine Sonderstellung ein. Dass ein Bundesfürst auf einer solchen Medaille in der Größe eines Gulden politische Forderungen seiner Untertanen dokumentierte, ist ein einmaliger Vorgang. Die Sieger der Kämpfe von 1848/49 setzten nur ihren Leuten Denkmäler und verliehen ihnen Orden und Ehrenzeichen. Die Verlierer aber kamen ins Gefängnis oder wurden hingerichtet, und wer konnte, suchte das Weite. Zahllose Menschen machten sich auf den Weg nach Amerika.



Dass der in eine skandalöse, vom Volk nicht gut geheißene Liebesaffäre mit der Tänzerin Lola Montez verwickelte König Ludwig I. von Bayern auf Druck von „unten“ zurücktreten musste, lässt sich auf dem 1848 zur Regierungsübergabe an seinen Sohn Maximilian II. geprägten Geschichtsdoppeltaler nicht ablesen. Vorschnell geprägt, feiert der Frankfurter Doppelgulden von 1849 Preußens König Friedrich Wilhelm IV. als neues Reichsoberhaupt.





Um einen Taler des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin aus dem Revolutionsjahr 1848 rankt sich die Legende, er habe aus Angst vor der Revolution den Zusatz „V.G.G.“ (Von Gottes Gnaden) weggelassen. Dies verschaffte der in Berlin mit dem Buchstaben A geprägten Münze den Namen „Angsttaler“. Wer die Bezeichnung erfunden hat, ist nicht bekannt. Die Stadt Frankfurt am Main gab in den Revolutionsjahren 1848/49 eine Reihe von Medaillen heraus, die den Freiheits- und Einheitswillen der Deutschen bekundet.





Die Büchner-Münze von 2013 erinnert an einen wortmächtigen Streiter aus der Zeit des Vormärz für Freiheit und Gerechtigkeit, der leider nicht alt wurde. Bevor der „Hessische Landbote“ zum Widerstand aufruft, gibt er noch Hinweise, wie man sich verhalten soll, wenn die Polizei schnüffelt. (Fotos/Repros: Caspar)

Vor 175 Jahren erfasste die deutsche Fürstenfamilie, und nicht nur sie, das große Gruseln. Im Revolutionsjahr 1848 brachen überall Aufstände aus. Gekrönte Häupter bangten um Kopf und Krone, sicherheitshalber wurden Schätze und wichtige Dokumente an geheime Orte gebracht. Die allgemeine Volkswut brach sich mit Barrikadenkämpfen, tätlichen Übergriffen und satirischen Pamphleten, aber auch handfesten Forderungen nach radikalen politischen Veränderungen in Richtung Republik und demokratischer Mitbestimmung Bahn. Wie andere Monarchen fürchtete Preußens König Friedrich Wilhelm IV.um Kopf und Krone. Das Gespenst einer proletarischen Machtübernahme vor Augen, ließ der seine Truppen nach dem Motto „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“ gegen die Aufrührer aufmarschieren, die am 18. März 1848 in Berlin Barrikaden aufgerichtet hatten.

Die Aufständischen lieferten sich mit dem preußischen Militär blutige Kämpfe, und so wurden hunderte Todesopfer auf beiden Seiten der Barrikaden gezählt. Zwar verneigte sich der Monarch am 19. März 1848 vom Balkon des Berliner Schlosses vor den Toten der Märzrevolution, die in einem langen Trauerzug an ihm vorbei hinaus zum Friedhof der Märzgefallenen getragen wurden. Aber insgeheim sann er auf Revanche. In seinem Aufruf „An meine lieben Berliner“ behauptete der Preußenkönig, eine „Rotte von Bösewichtern, meist aus Fremden bestehend“ habe das Blutvergießen verursacht. Ähnlich dachten auch andere Herrscher im damaligen Deutschen Bund und in Europa, die ebenfalls im Revolutionsjahr 1848 von Aufständen und Freiheitskämpfen betroffen waren und nicht einsehen wollten, dass schlimme, unhaltbare soziale und politische Probleme und die ignorante Haltung der feudalen Eliten zu den Erhebungen geführt hatten.

Erwählter deutscher Kaiser

Manche Münzen und Medaillen sind aus den Revolutionsjahren 1848/49 überliefert. Die meisten feiern die Fürsten, die aus den Kämpfen als Sieger hervor gingen, andere sind der in Frankfurt am Main tagenden Deutschen Nationalversammlung und ihren führenden Köpfen gewidmet. Ein Frankfurter Doppelgulden von 1849 nennt den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. einen „erwählten Kaiser der Deutschen“. Doch da dieser die ihm von der Nationalversammlung angetragene Kaiserkrone als „Reif aus Dreck und Letten“ brüsk ablehnte, kam die vorschnell hergestellte Gedenkmünze nicht zur Ausgabe, sondern nur in Sammlerhände und stellt eine der großen numismatischen Raritäten des 19. Jahrhunderts dar.

Von anderer Qualität ist ein mit dem Kopf des Erbgroßherzogs von Hessen-Darmstadt und Mitregenten Ludwig (III.) geschmückter Gulden, der auf der Rückseite das nennt, was damals deutschlandweit gefordert wurde: Einigung Deutschland, Abschaffung der Privilegien des Adels, Pressefreiheit und Volksbewaffnung. Gefordert wurden die Einrichtung unabhängiger Schwurgerichte, Religionsfreiheit und Wahl eines deutschen Parlaments. Das Silberstück mit dem Datum 6. März 1848 sucht in der numismatischen Landschaft des 19. Jahrhunderts seinesgleichen, denn die revolutionären Kämpfe und Forderungen der damaligen Zeit wurden sonst nicht für wert gehalten, auf einer Münze verewigt zu werden, während es einige Medaillen gibt, die dies durchaus getan haben.

Unerhörtes wird verkündet

Die Inschrift auf dem so genannten Pressegulden fasst die wichtigsten Punkte eines Edikts zusammen, in dem der Erbgroßherzog ganz und gar Unerhörtes verkündet hatte: „Was zur Gewähr politischer und bürgerlicher Freiheit gehört, soll unserm Volk nicht vorenthalten bleiben. [...] Die Presse ist frei, die Censur ist hiermit aufgehoben. Wir werden den Ständen eine allgemeine Volksbewaffnung in Vorschlag bringen lassen. Das Militär wird auf die Verfassung sofort beeidigt werden. Wir werden den Ständen unverzüglich einen Gesetzentwurf auf Aufhebung des Art. 81. der Verfassungsurkunde vorlegen lassen, damit das Petitionsrecht und das Recht der Volksversammlungen frei ausgeübt werden können. Die freie Ausübung aller religiösen Culten ist gestattet.“ Ludwig III. stellte fest, die Bundesverfassung habe die gerechten Forderungen des deutschen Volkes auf nationale Geltung nicht befriedigt, dabei habe er „die Ueberzeugung gewonnen, dass eine Nationalvertretung zur Vervollständigung der Organisation und zur Erstarkung Deutschlands wesentlich beitragen wird. Wir werden Uns nach Kräften bemüht, bei den mitverbündeten deutschen Fürsten dieser Ueberzeugung Eingang zu verschaffen. Der Wunsch des Volkes, dass für ganz Deutschland ein Civil- und Strafgesetz und dieselben Formen des Verfahrens gelten möchten, theilen Wir ganz und werden in diesem Sinne wirken.“

Erwartungen nicht erfüllt

Indem Erbgroßherzog Ludwig, der 1848 als Ludwig III. den Thron bestieg, auf Forderungen „von unten“ reagierte und seinen Untertanen das Blaue vom Himmel versprach, erntete er bei seinen Untertanen Bewunderung und Beifall. Da man ihn für aufgeschlossener ansah als seinen Vater, Ludwig setzte man in ihr große Hoffnungen. Nach dem Tod des Vaters ernannte der neue Großherzog von Hessen-Darmstadt Heinrich von Gagern, den späteren Präsidenten der Frankfurter Nationalversammlung, zum Ministerpräsidenten und bestätigte die so genannten Märzforderungen. Ludwig III.überließ das Regieren weitgehend seinen Ministern. Die an ihn gerichteten Erwartungen erfüllten sich nicht, aber wenigstens ließ er eine gemäßigte Reformpolitik zu und unterschied sich damit von stockreaktionären Fürsten, die schon bald die wenigen Errungenschaften der Revolution zunichte machten.

Unter den Gedenkmünzen im Wert von zehn Euro, die die Bundesrepublik Deutschland Jahr für Jahr heraus gibt, ehrte eine von 2013 den Dichter Georg Büchner, der am 17. Oktober 1813 in Goddelau bei Darmstadt geboren wurde. Die Münze wurde in Stuttgart (Buchstabe F) aus Silber beziehungsweise Neusilber nach einem Modell von Eugen Ruhl (Pforzheim) geprägt. Fast alle eingereichten Vorschläge lehnen sich an ein Porträt des Dichters und Revolutionärs an. Seine Dramen „Dantons Tod“ und „Woyzek“, das Novellenfragment „Lenz“, das Lustspiel „Leonce und Lena“, die Kampfschrift „Hessischer Landbote“ und weitere Arbeiten sind bis heute unvergessen. Sie nehmen sie in der deutschen Literatur und Geschichte des Vormärz, also die Zeit vor der Märzrevolution 1848, sowie in der Theaterlandschaft einen ehrenvollen Platz ein. Auch deshalb ist ein renommierter deutscher Literaturpreis nach Georg Büchner benannt.

Hoffmann, Heine, Büchner

Neben E. T. A. Hoffmann und Heinrich Heine wird Büchner zu den bedeutendsten deutschen Dichtern des frühen 19. Jahrhunderts gezählt. Sein wirkmächtiges Werk entstand in nur drei Jahren seines kurzen Lebens. Im Hauptberuf war Büchner, der Sohn eines Arztes, Zoologe erst in Straßburg, dann in Zürich. Da er als Autor politisch „missliebiger“ Werke, Gründer der geheimen Gesellschaft für Menschenrechte und Rufer für die Umwandlung des deutschen Fürstenbundes in eine Republik in seiner Heimat nicht mehr sicher war und per Steckbrief gesucht wurde, floh er ins französische Straßburg. Gegen ihn erließen die hessischen Ermittlungsbehörden 1835 einen Steckbrief. „Der hierunter signalisierte Georg Büchner, Student der Medizin aus Darmstadt, hat sich der gerichtlichen Untersuchung seiner indizierten Teilnahme an staatsverräterischen Handlungen durch die Entfernung aus dem Vaterland entzogen. Man ersucht deshalb die öffentlichen Behörden des In- und Auslandes, denselben im Betretungsfalle festzunehmen und abzuliefern“, heißt es darin. Büchner wird ein düsterer, nach der Erde gesenkter Blick bescheinigt, und da er „dem Anscheine nach kurzsichtig“ sei, trage er zuweilen eine Brille.

„Friede den Hütten! Krieg den Palästen“

Was Büchner anprangerte, war Hochverrat, denn er richtete sich gegen die feudale Ordnung und rüttelte 20 Jahre nach den Befreiungskriegen an den Säulen der Fürstenherrschaft, die sich mit Verboten und Gesetzen, mit Gefängnis- und Todesstrafen vor Veränderung zu schützen versuchte und eine „heilige Allianz“ einging, dass es so auch bleibt. Es sollte nach Büchners selbstverständlich sofort verbotener, aber wohl im Untergrund kursierender Kampfschrift „Hessischer Landbote“ noch 14 Jahre dauern, bis sich der angestaute Frust und die Wut über enttäuschte Hoffnungen in der Revolution von 1848 entluden, die auch die Fürsten das Fürchten lehrte, im Ergebnis aber an den herrschenden Zuständen nichts Grundsätzliches veränderte. In seiner Kampfschrift befasste sich Büchner unter der Überschrift „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ unter anderem mit den Steuereinnahmen des Großherzogtums Hessen, die er als „Blutzehnter“ bezeichnet, der von dem Leid des Volkes genommen wird. „Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag, sie wohnen in schönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feile Gesichter und reden eine eigene Sprache; das Volk aber liegt vor ihm wie Dünger auf dem Acker“, beschrieb Büchner das unerträgliche Oben und Unten in seiner Zeit. Mit bitteren Worten nahm er die Regierung und ihre Beamten, Räte und anderen Diener aufs Korn. „Die Töchter des Volks sind ihre Mägde und Huren, die Söhne des Volks ihre Lakaien und Soldaten. Geht einmal nach Darmstadt und seht, wie die Herren sich für euer Geld dort lustig machen, und erzählt dann euren hungernden Weibern und Kindern, dass ihr Brot an fremden Bäuchen herrlich angeschlagen sei, erzählt ihnen von den schönen Kleidern, die in ihrem Schweiß gefärbt, und von den zierlichen Bändern, die aus den Schwielen ihrer Hände geschnitten sind, erzählt von den stattlichen Häusern, die aus den Knochen des Volks gebaut sind; und dann kriecht in eure rauchigen Hütten und bückt euch auf euren steinigen Äckern“.

Die Beschreibung schlimmer Zustände traf nicht nur auf Hessen zu, sondern auch auf andere Fürstentümer und Kommunen. Da sie das nicht unbeantwortet lassen wollten, reagierten sie schnell und unerbittlich mit Repression, Spitzelei, Entlassungen, Kerkerhaft und anderen Strafen. Allerdings konnte die Obrigkeit Büchners nicht habhaft werden, denn er hatte sich ins französische Straßburg begeben, wo er eine Untersuchung über das Nervensystem von Fischen veröffentlichte. Weil sich der junge Gelehrte und Dichter dort aber nicht sicher fühlte, ging er weiter als Dozent nach Zürich, wo der er, gelegentlich von Schwermut geplagt, am 19. Februar 1837 an den Folgen einer Typhusinfektion starb.

11. Februar 2023