Reformen nach westlichem Vorbild
Zar Peter der Große gründete vor 300 Jahren die Münze in Sankt Petersburg und führte das Dezimalsystem ein



Zar Peter I. von Russland, genannt der Große, wurde bewundert und gefürchtet. Mit brachialen Mitteln führte er sein riesiges Reich auf den Weg in die Moderne, und wer sich ihm in den Weg stellte, bekam seinen Zorn zu spüren.



Der Rubel wurde 1725 geprägt, im Sterbejahr Peters des Großen. Er starb am 8. Februar 1725 mit erst 53 Jahren, nachdem er Matrosen aus eiskaltem Wasser hatte retten wollen.



Der Besuch des Zaren in der mit neuester Technik ausgestatteten Pariser Münze war 1717 die Prägung einer Medaille mit der antiken Göttin Fama auf der Rückseite wert, die Peters Ruhm in die Welt posaunt.



Die Zweihundertjahrfeier der Seeschlacht von Gangut/Hanko gegen Schweden war 1914, am Vorabend des Ersten Weltkriegs, Anlass zur Ausgabe eines Gedenkrubels.



Der 500-Rubelschein von 1912 mit dem Porträt Peters des Großen stellte im alten Russland ein bedeutendes Vermögen dar. Bauern und Arbeiter dürften ihn nie zu Gesicht bekommen haben.



Die Medaille von 1763 feiert Katharina II., die Große, als diejenige, die das russische Münzwesen weiter reformiert hat. Über der Spindelpresse, mit der sich auch große und schwere Medaillen prägen ließen, kreist der Zarenadler. Über ihm sind Strahlen und das göttliche Auge zu erkennen.





In Sowjetzeiten ab 1917 zeichnete die in der Festung Schlüsselburg am Ufer der Newa eingerichtete Münzanstalt in Leningrad, dem ehemaligen Sankt Petersburg beziehungsweise seit Beginn des Ersten Weltkriegs Petrograd, mit den kyrillischen Buchstaben LMD.



Nach der Entmachtung von Zar Nikolaus II. 1917 und seiner Ermordung ein Jahr später durch die Kommunisten präsentierte sich der nunmehrige Leningrader Münzhof zu seinem 200jährigen Jubiläum auf einer Plakette mit Chronik auf der Rückseite.



Der 250. Geburtstag der Petersburger Geldfabrik wurde 1974 durch Medaillen mit Ansichten des Münzgebäudes mit dem sowjetischen Staatswappen im Giebel und Beispielen aus dem Produktionsprogramm gefeiert.



Da in der damaligen Sowjetunion in großen Mengen Orden und Medaillen verliehen wurden, hatte der Staatsbetrieb auch auf diesem Gebiet sehr viel zu tun. Die Medaille ehrt die Graveure und zeigt, wie sie mit dem Stichel arbeiten. (Fotos/Repros: Caspar)

Im Frühjahr 1697 brach eine lange Karawane mit Reisewagen und Schlitten von Moskau in Richtung Westeuropa auf. In der „Großen Gesandtschaft“ befand sich Zar Peter I., der jedoch nicht als Herrscher aller Reußen auftrat, sondern sich bescheiden Unteroffizier Peter Michailow nannte. Fast eineinhalb Jahre war die Staatsdelegation unterwegs. Auf seiner 6000 Kilometer langen Europareise lernte Peter nicht nur zahlreiche große und kleine Potentaten kennen, sondern sah sich auch in Manufakturen, Werften und Festungen um. Peter ging in die Geschichte als derjenige ein, der seinem Land den Weg nach Europa geebnet und nach westlichem Vorbild auch das russische Münzwesen reformiert hat. Das publizistische Echo dieser ungewöhnlichen Inspektionsreise war gewaltig. Das Auftreten des hochgewachsenen, immer neugierigen Monarchen, der sich nicht scheute, mit einem Zimmermannsbeil Holz zu bearbeiten , regte die Phantasie der Zeitgenossen an und lebt in Form einer von dem Berliner Komponisten Albert Lortzing geschaffenen Oper „Zar und Zimmermann“ bis heute weiter.

Während seiner Europatour formten sich Peters Vorstellungen von der künftigen Gestalt Russlands, und es kam in ihm der Wunsch auf, eine moderne Metropole zu besitzen, die es an Glanz und Größe mit den anderen Hauptstädten des damaligen Europa aufnimmt. Mit der Gründung und dem Ausbau von Sankt Petersburg trat das alte Moskau in die zweite Reihe und wurde aus traditionellen Gründen nur noch als Krönungsstadt gebraucht. Peter der Große, wie die Mit- und Nachwelt den russischen Zaren nannte, war ursprünglich zur Thronfolge nicht bestimmt. Im Jahr 1682 war der Zehnjährige nach dem Tod seines älteren Bruders, des Zaren Fjodor III., unter Umgehung seines schwachsinnigen Stiefbruders Iwan V. zum Zaren ausgerufen worden. Allerdings übernahm seine energische Stiefschwester Sophie die Regentschaft. Um ihn von den Regierungsgeschäften fernzuhalten, hat man den Jungen außerhalb von Moskau aufwachsen lassen. Er unterhielt sich mit Kriegs- und Flottenspielen, interessierte sich für technische Fragen, betätigte sich handwerklich, suchte Kontakt zu gebildeten Westeuropäern. 1689 entmachtete Peter seine Stiefschwester, schickte sie in ein Kloster und übernahm die Alleinherrschaft.

Ungewohnte Sitten und Gebräuche

Unter dem Einfluss von zugereisten Westeuropäern prägte sich Peters Weltbild, das mit den altrussischen Verhältnissen schon bald in Konflikt geriet. Für den jungen Zaren war nichts wichtiger, als sein Land aus mittelalterlicher Rückständigkeit herauszuführen und es zu einer Weltmacht zu entwickeln. Als er fest im Sattel saß, führte er europäische Sitten und Gebräuche ein, schaffte die altrussische Kleiderordnung ab, zwang die Männer, sich von ihren langen Bärten zu trennen. Dass die orthodoxe Kirche das Bartscheren untersagte, störte ihn ebenso wenig wie der Bannfluch, der von rebellischen Geistlichen gegen ihn ausgestoßen wurde. Peter reorganisierte die Verwaltung und schränkte die Macht der Kirche ein. Dass er Ausländer, vor allem Deutsche, an seinen Hof holte, trug ihm den Hass vieler Landsleute ein, die sich zurückgesetzt fühlten. Aufstände gegen den keinen Widerspruch duldenden Selbstherrscher aller Reußen wurden brutal niedergeschlagen, Rebellen soll Peter eigenhändig geköpft haben. Seinen eigenen Sohn ließ er umbringen, weil er in ihm einen Verräter sah. Da Peter der Große bereits 1725 mit erst 53 Jahren starb, blieb sein Werk, Russland in die Neuzeit zu führen, unvollendet. Peter hinterließ kein Testament. Die Behauptung, er habe seine Nachfolger verpflichtet, Russlands Herrschaft über Europa auszudehnen, wurde 1828 als Fälschung entlarvt.

Ein Recke baut es auf...

Am 16. Mai 1703 hatte Zar Peter im Beisein seines Gefolges in einer eigenhändig angelegten Grube einen Kasten mit Reliquien des heiligen Andreas niedergelegt, der in Russland besondere Verehrung genoss. Der Selbstherrscher aller Reußen bedeckte den Grundstein mit einer Steinplatte, die ihn ausdrücklich als Gründer der neuen Festung und Residenz nennt. „Hier wird eine Stadt entstehen“, rief der Zar und fällte nach der Überlieferung zwei Birken, deren Kronen zu einem symbolischen Tor verbunden wurden. Der Legende nach soll ein Adler über der Szene am Finnischen Meerbusen gekreist und quasi göttlichen Segen gespendet haben. Der Zar opferte der in einem sumpfigen Gelände erbauten Hauptstadt Sankt Petersburg unzählige Menschen. „Ein Recke baute es auf, / Füllt’s mit Knochen an zuhauf“, heißt es in einem Gedicht über die mörderische Arbeit unzähliger Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter.

Sammler russischer Münzen dieser Zeit kennen die Abkürzungen, nach denen die Herkunft der einzelnen Geldstücke unterschieden wird. Das Wirrwarr mit den Buchstabenkombinationen ??, ??, ??? oder ??? wurde im Verlaufe des 18. Jahrhunderts beendet. Moskau zeichnete jetzt einheitlich mit MM, bis 1795 der Münzbetrieb an der Moskwa eingestellt wurde. Die Ausstattung der Münzstätten dürfte bis ins 18. Jahrhundert einfach gewesen sein und den noch recht urtümlichen Standard anderer Prägeanstalten im Westen gehabt haben. Berichtet wird von Mühlen, die mit Wasserkraft oder durch Göpelwerke unter Verwendung von Pferdekräften bewegt wurden und der Herstellung der Bleche dienten, aus denen man die Ronden für die Münzen schnitt oder schlug. Anfangs bestand die Prägerei aus Handarbeit, bei der man am Amboss mit dem Hammer auf den Stempel schlug.

Von der Newa in die Welt

Natürlich ging man auch im Reich des Zaren mit der Zeit, und so wurden im frühen 18. Jahrhundert Spindelpressen installiert, welche die exakte Herstellung großer und schwerer Sorten sowie von Medaillen mit hohem Relief gestatteten. Da die Zaren davon sehr viele anfertigen ließen und sie zu ihrer Verherrlichung , aber auch zu Auszeichnungszwecken nutzten, kamen die großen Pressen mit den langen Armen häufig zum Einsatz. Zu den bedeutenden Neuerungen aus der Zeit Peters des Großen gehört die Einführung der Dezimalwährung. Dies geschah lange bevor man sich in anderen Ländern zur Aufgabe des Duodezimalsystems, das heißt des Zwölfersystems entschloss. Demnach wurde der Rubel mit hundert Kopeken aus Kupfer berechnet, was damals neu und gewöhnungsbedürftig war.

Durch einen Erlass Peters des Großen für die Gründung einer Prägeanstalt in Sankt Petersburg erhielt Moskau im Jahre 1724 Konkurrenz, was zum allmählichen Niedergang der Münzherstellung an der Moskwa führte. Die Petersburger Fabrik wurde in der Trubezkij-Bastion der stark gesicherten Peter-und-Paul-Festung auf der am Rand der Newa gelegenen Festung Schlüsselburg, die auch als Staatsgefängnis genutzt wurde, zunächst für die Verarbeitung von Silber, ab 1755 auch von Kupfer installiert. Die Hälfte des Moskauer Münzpersonals musste nach Sankt Petersburg umziehen. Die hier produzierten Münzen die Signaturen ???‚ ??? und ??, hinzu kam um 1805 das Zeichen ?? für die Bankowsker Münze, die als Außenstelle fungierte. Die Prägeanstalt in einem großen Fabrikkomplex mit klassizistischen Eingangsgebäude schaffte den riesigen Bedarf an Rubeln und Kopeken nicht allein. Daher halfen bis ins 19. Jahrhundert in elf anderen Städten des russischen Riesenreiches weitere Fabriken dieser Art, doch stand Sankt Petersburg unangefochten immer an der Spitze.

Lehrstunden in Paris und London

Zur Neuordnung des Staates gehörte die Reorganisation des Finanz- und Münzwesens nach westlichem Vorbild. Ziel war es, die Silber- und Goldmünzen denen in Westeuropa anzugleichen und mit ihrer Hilfe Handel und Wandel zu fördern, aber auch die Krieg zu finanzieren, in die der Zar verwickelt war. Anregungen für die Reform bekam der Zar bei seinen Auslandsbesuchen. So sah er sich 1717 in der Pariser Münzstätte um und besichtigte auch die Prägeanstalt in London. Mag sein, dass die Eindrücke, die er dort und an anderen Orten gewann, zur Gründung der Münzstätte in Sankt Petersburg 1724, vor genau 300 Jahren, geführt hat. Das Edelmetall für die Münzen mit Zarenbildnis, dem doppelköpfigen Adler und anderen Motiven wurde in russischen Gruben geschürft. Von Sankt Petersburg gingen unzählige Münzen und Medaillen in die Welt, die gut erforscht sind und regelmäßig vom Münzhandel angeboten werden. Manche Stücke aus Silber, Gold oder – seit dem frühen 19. Jahrhundert – auch Platin erreichen fünf- und sechsstellige Summen.

Sammler des Themas „Numismatica in nummis“ kennen Medaillen, die seit dem frühen 18. Jahrhundert Bezug auf die russische Münzprägung nehmen. Zu nennen sind Ausgaben von 1731 mit dem Bildnis der Zarin Anna Iwanowna und einer Moneta als antike Patronin der Münzkunst, die ein Zepter in der Hand hält und sich lässig an eine Spindelpresse lehnt, das Hauptwerkzeug der Barockzeit zur Prägung von Münzen und Medaillen. Die von A. Schultz beziehungsweise I. Kosmin geschaffenen Medaillen sehen ähnlich aus, tragen aber russische beziehungsweise lateinische Inschriften, die die Verbesserung des russischen Münzwesens feiern. Die Ausgabe von Münzen und Medaillen mit russischen und anderen Sprachen war damals nicht ungewöhnlich. Da man auch außerhalb des Zarenreiches mit Hilfe von Medaillen über Leistungen gekrönter Häupter berichten wollte, wurden gelegentlich Versionen auch mit lateinischen Titulaturen und Inschriften hergestellt, denn man wollte sicher sein, dass die Botschaften auch im Ausland verstanden werden.

Schmelzofen und Spindelpresse

Auf einer Medaille von T. Iwanow aus dem Jahre 1763 kreist der kaiserliche Adler über der Spindelpresse, darüber ist im Dreieck das göttliche Auge zu sehen. Auf der Vorderseite ist die Zarin Katharina II., die Große, abgebildet, die aus dem kleinen deutschen Fürstentum Anhalt-Zerbst stammte und nach der Ermordung ihres Gemahls, des Zaren Peter III., wie ihr Vorbild Peter I. versuchte, ihr Reich dem Westen zu öffnen und umfangreiche Reformen durchzusetzen. 1768 ließ die Kaiserin eine Medaille zum Gedenken an den Präsidenten des Bergkollegiums, I. W. Schlatter, prägen. Die mit seinem Bildnis geschmückte Medaille zeigt rückseitig eine als die antike Göttin Juno Moneta zu deutende Frau an einem Tisch sitzend. Rechts davon steht ein Schmelzofen, im Hintergrund schaut der Arm einer Spindelpresse hervor. Die lateinische Inschrift würdigt Schlatter als einen Mann, der die russischen Münzverhältnisse verbessert hat.

Bliebe noch zu sagen, dass 1924 der 200. Geburtstag der Petersburger Münze mit einer eindrucksvollen Medaille gewürdigt wurde, welche die Fortschritte in der Geldfabrikation verdeutlicht. Auf der Vorderseite sind zwei von einem Soldaten bewachte Münzarbeiter mit der Hammerprägung beschäftigt, wie sie zur Zeit Peters des Großen vielfach noch üblich war. Um die Hände vor dem Schlag zu schützen, wird der Oberstempel von einer Zange festgehalten. Auf der Rückseite der sehr seltenen Medaille von S. Martynow sind Arbeiter an Uhlhorn’ schen Kniehebelpressen zu sehen, damals das Beste auf dem Gebiet der Prägemaschinen vor Erfindung computergesteuerter Automaten. Neben diesen Medaillen mit Münzmaschinen und Münzarbeitern gibt es weitere russische beziehungsweise sowjetische Medaillen und Plaketten, die den Münzhof in Sankt Petersburg beziehungsweise Leningrad als Fabrik mit rauchenden Schloten abbilden.

Münzen, Orden und Medaillen

Zu ihrem 250. Gründungsjubiläum 1974 brachte die Leningrader Münze mehrere Medaillen heraus. Immer wiederkehrend sind die Ansichten des Hauptgebäudes mit dem sowjetischen Staatswappen im dreieckigen Giebel, unterschiedlich dagegen die Rückseitenmotive mit Orden, Medaillen und Münzen. Ganz klein eingeprägt ist das Signet der Fabrik, das auch auf einem am Band tragbaren Treuezeichen für langjährige Mitarbeit erscheint. Abweichend davon kam ebenfalls 1974 eine Medaille heraus, die die Arbeit der Graveure würdigt. Mit einem Stichel wird in römischen Zahlen die Ziffer 250 in einen Stempel geschnitten. Technisch interessant ist diese Medaille durch die vertieften Inschriften, denn üblicherweise erscheinen Buchstaben und Zahlen erhaben. Wenn man die ab 1703 in Sankt Petersburg geprägten Medaillen nebeneinander legt, kommt eine bedeutsame, wegen der vielen Raritäten allerdings auch teure Sammlung zusammen.

Wenn russische Münzen angeboten werden, ist zu entscheiden, ob es sich um ein Original aus der Zarenzeit oder eine spätere Anfertigung speziell für Sammler handelt. Aufgrund guter Beziehungen zum kaiserlichen Hof und zur Münzverwaltung konnten sich einst Sammler mit nachgeprägten Münzen versorgen und dazu alte beziehungsweise neu geschnittene Stempel verwendet. Nachprägungen russischer Münzen und Medaillen sind als Novodely (etwa: die „Neugemachten“) bekannt. Die Erlaubnis, alte Münzen neu zu prägen, geht auf Zar Peter III. zurück, der 1762 mit Duldung, wenn nicht auf Befehl seiner Gemahlin Katharina II., der großen, ermordet wurde. Im Ukas 170 von 1762 bestimmte er: „Jede Privatperson ist berechtigt, beim St. Petersburger Münzhof nicht nur eine beliebige Anzahl aus dem Verkehr gezogener Münzen, sondern ganze Sammlungen von Münzen aus den verflossenen Jahren, die bereits aus dem Verkehr gezogen sind, zu bestellen“. Wo keine alten Stempel mehr vorhanden waren durften neue nach alten Vorbildern geschnitten und verwendet werden. Dieses ungewöhnliche Privileg wurde weidlich ausgenutzt und sorgte für Irritationen. Der Fachhandel weist Originale und Novodely aus. Beide Kategorien erzielen beachtliche Preise, denn auch unter den Nachprägungen gibt es teure Stücke. Fälschungen im eigentlichen Sinne sind die Nachprägungen nicht, weil hinter ihnen eine offizielle Behörde stand.

13. Januar 2024