„Ehrlos kann der Preuße nicht leben“
Berühmte Silbermünzen von 1913 zum Beginn der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 wurden gefeiert und



Seinen Einzug in Berlin durch das Brandenburger Tor am 27. Oktober 1806, wenige Tage nach der Schlacht von Jena und Auerstedt, ließ Napoleon I. auf einer Medaillen verherrlichen.





Friedrich Wilhelm III. musste erst gedrängt werden, bis er sich an seine Untertanen mit seinem Aufruf zum Volkskrieg gegen Frankreich wandte. Bis dahin hatten sie nur Befehle von oben zu erfüllen. Als der Krieg, beendet war, kannte die Freude keie Grenzen.





In hoher Auflage wurden 1913 in Berlin Drei- und Zweimarkstücke anlässlich des einhundert Jahre zuvor von Friedrich Wilhelm III. verkündeten Aufrufs „An mein Volk“ geprägt. Die Münzprobe von 1913 mit dem reitenden Kaiser ist selten und teuer.



Vorbild für die Rückseite der Münzen von 1913 könnte ein Sockelrelief von der Berliner Schlossbrücke gewesen sein.



Auf einer Auszeichnungsmedaille, die Wilhelm II. seinen in China kämpfenden „siegreichen Streitern“ verlieh, stürzt sich der deutsche Reichsadler auf den chinesischen Drachen um ihn zu töten.



Ein Jahr vor dem Ersten Weltkrieg ergoss sich eine Flut patriotischer Medaillen anlässlich der Hundertjahrfeier der Befreiungskriege von 1813 bis 1815. Ihr Ende war 1915, mitten im Ersten Weltkrieg nicht mehr der Rede wert. Kaiser Wilhelm II. und König Friedrich August III. von Sachsen sind gemeinsam auf der Medaille zur Weihe des Völkerschlachtdenkmals am 18. Oktober 1813 in Leipzig abgebildet. Einmalig ist die Darstellung dieses mit Spendenmitteln finanzierten Monuments auf einer Gedenkmünze der Kaiserzeit.



Die Medaille zur Jahrhundertfeier des Beginns der Befreiungskriege zeigt das Doppelporträt Wilhelms II. und seines Vorfahren Friedrich Wilhelm III. und Soldaten, die in den Krieg gegen Frankreich ziehen und ihn siegreich bestehen. (Fotos/Repros: Caspar)

Als Preußen König Friedrich Wilhelm III. 1806 in der Schlacht von Jena und Auerstedt gemeinsam mit dem Kurfürsten von Sachsen Friedrich August III. im kurzen Krieg gegen Frankreich eine vernichtende Niederlage hinnehmen musste und der siegreiche Kaiser Napoleon I. als Triumphator durchs Brandenburger Tor in Berlin einzog, wurden auch Medaillen geprägt, allerdings nur französische. Sie zeigen, stets verbunden mit dem Kaiserkopf, das Brandenburger Tor oder symbolisieren jenen französischen Sieg bei Jena und Auerstedt, die kampflose Übergabe preußischer Festungen an die Franzosen und den Frieden von Tilsit, durch den Preußen 1807 zerstückelt und mit hohen Kontributionszahlungen belegt wurde. Selbstverständlich waren für Preußen das militärische Desaster und die sich anschließende Flucht des Königs nach Memel kein Thema für Jubelprägungen, während das gnädig von Napoleon I. behandelte Sachsen Ende 1806 die Erhebung des Kurfürsten zum König mit dem Namen Friedrich August I. durch Münzen und Medaillen mit dem neuen Titel feierte.

Fast auf den Tag sieben Jahre später war der bis zum Schluss mit dem französischen Kaiser zwangsweise verbundene Sachsenkönig am Ende und Friedrich Wilhelm III. obenauf. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 18. Oktober 1813 kam der Sachse nach Berlin in preußische Gefangenschaft, während die Heere der Verbündeten – Russland, Österreich, England, Preußen und weitere Länder - dem flüchtenden Napoleon I. nach Frankreich nachsetzten, ihn 1814 zur Abdankung zwangen und nach Elba verbannten, von wo er 1815 noch einmal nach Frankreich zurückkehrte, um dann bei Waterloo (Belle Alliance) endgültig geschlagen und auf die ferne Insel Sankt Helena deportiert zu werden.

Aufruf „An Mein Volk“

Der zögerliche und unsichere Friedrich Wilhelm III. hatte sich im Frühjahr 1813 erst nach heftigem Drängen seiner Berater dazu entschlossen, seine Untertanen zum Volkskrieg gegen die französischen Besatzer aufzurufen. Ihn schauderte bei dem Gedanken, dass seine Untertanen zu den Waffen greifen und diese möglicherweise auch gegen die eigenen Unterdrücker richten könnten. Dieser Fall trat nicht ein, denn nach den Befreiungskriegen zogen der König von Preußen und weitere Monarchen die Zügel an und wollten von ihrem Versprechen, den Völkern mehr Freiheit und Mitsprache zu gewähren, nichts mehr wissen.

Einhundert Jahre später wurde zum Gedenken an jene Volkserhebung in der Königlichen Münze Berlin Drei- und Zwei-Mark-Stücke geprägt, auf denen zu sehen ist, wie Friedrich Wilhelm III. in Breslau hoch zu Ross sitzend seinen berühmten Aufruf „An Mein Volk“ verliest. Man kann sich gut vorstellen, dass ihm der vom preußische Staatsrat Theodor Gottlieb Hippel entworfene formulierte Appell mit diesen Worten darin nicht leicht fiel: „Wir erlagen der Uebermacht Frankreichs. Der Friede, der die Hälfte Meiner Unterthanen mir entriß, gab uns seine Segnungen nicht; denn er schlug uns tiefere Wunden als selbst der Krieg. Das Mark des Landes ward ausgesogen, die Hauptfestungen bleiben vom Feinde besetzt, der Ackerbau ward gelähmt, sowie der sonst so hoch gebrachte Kunstfleiß unserer Städte. Die Freiheit des Handels ward gehemmt und dadurch die Quellen des Erwerbs und des Wohlstandes verstopft. Das Land ward ein Raub der Verarmung. Durch die strengste Erfüllung eingegangener Verbindlichkeiten hoffte Ich Meinem Volk Erleichterung zu bereiten, und den französischen Kaiser endlich überzeugen, daß es sein eigener Vortheil sey, Preußen seine Unabhängigkeit zu lassen. Aber Meine reinsten Absichten wurden durch Uebermuth und Treulosigkeit vereitelt, und nur zu deutlich sahen wir, daß des Kaisers Verträge mehr noch wie seine Kriege uns langsam verderben mußten.“ Große Opfer würden von allen Ständen gefordert, und nicht gering seien die Zahl und die Mittel unserer Feinde, fuhr der König fort. Dies sei der letzte, entscheidende Kampf für unsere Existenz, unsere Unabhängigkeit, unsern Wohlstand. Es gebe keinen anderen Ausweg als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang, „weil ehrlos der Preuße und der Deutsche nicht zu leben vermag.“ Dieser Satz wurde zum geflügelten Wort und ist später bei ähnlichen patriotischen Appellen verwendet worden.

Numismatische Haupt- und Staatsaktion

Die Prägung dieser Münze war eine numismatische Haupt- und Staatsaktion, die verschiedene Minister und Kaiser Wilhelm II. beschäftigte. Von ihm ist bekannt, dass er sich in Kunstangelegenheiten mischte und bestimmte, wie öffentliche Denkmäler und Bauten auszusehen haben. Er wies an, dass aus dem „schmalen“ Reichsadler eine breite und wie er meinte repräsentative Version entstehen soll. Unter den Vorschlägen für die Gedenkmünze von 1901 zur Zweihundertjahrfeier des preußischen Königtums wählte er unter verschiedenen Vorschlägen seines Hofheraldikers Emil Döpler ein Doppelbildnis, das ihn und König Friedrich I. zeigt. Er legte fest, wie der Gardehelm und sein Brustpanzer aussehen soll.

Seit 1911 wurden Feierlichkeiten zum hundertjährigen Jahrestag des Beginns der Befreiungskriege in der schlesischen Hauptstadt Breslau vorbereitet. Zu ihnen gehörte auch die Prägung von Medaillen und einer Kursmünze. Diese durch die preußische Bürokratie zu bekommen, war schwieriger als Medaillen herstellen zu lassen, von denen nicht wenige heraus gebracht wurden. Zunächst dachte man an ein Geldstück „in gewöhnlicher Prägung“ lediglich mit einer Aufschrift, die auf den Jahrestag 17. März 1813 hinweist.

Probeweise wurde ein Drei-Mark-Stück mit dem reitenden Kaiser in der Uniform des Potsdamer Nobelregiments Garde du Corps hergestellt. Zwischen den Pferdebeinen dieser Rarität erkennt man jenes Datum und einen Eichenlaubzweig. Da der Kaiser mit den Befreiungskriegen hundert Jahre zuvor herzlich wenig zu tun hatte, verzichtete er klugerweise auf sein Reiterbild, denn das hätte ihm allerhand Spott eingebracht. Hingegen hat man ihn und König Friedrich Wilhelm III. auf verschiedenen Medaillen gemeinsam abgebildet, um vom Ruhm seines Vorfahren ein wenig auch auf ihn zu lenken. Die Rückseite war Programm und wurde dann auch bei der Normalausgabe verwendet. Sie zeigt, wie der preußische Adler eine sich unter ihm windende Schlange bekämpft und frisst. In Zeiten, da in Deutschland und Frankreich gegenseitige Animositäten angeheizt wurden und ein kommender Krieg vorbereitet wurde, der im Sommer 1914 begann, war mit dieser Allegorie der „Erbfeind“ Frankreich gemeint war.

Krieg lieber heute als morgen

Aus geheimen Dokumenten und öffentlichen Aussagen geht hervor, dass Wilhelm II. seine Entourage und mit ihnen große Teile des deutschen Volkes geradezu versessen waren, diesen bereits 1912 als „Weltkrieg“ bezeichneten Kampf lieber heute als morgen zu beginnen und die Landtruppen und Kriegsmarine massiv aufzurüsten. Dass das ein Zweifrontenkrieg mit nicht zu kalkulierenden Folgen werden könnten, nahm man billigend in Kauf und verließ sich auf Gott, der alles „gut“ werden lasse. Da bei der Planung dieses „Rassenkriegs“ übersehen wurde, die Ernährung der Armee und Bevölkerung aus der eigenen, noch ziemlich unterentwickelten Landwirtschaft im Deutschen Reich sicher zu stellen, kam es im Verlauf des Kriegs zu einer großen Hungersnot und daraus folgende Epidemien, die zusammen mit den militärischen Niederlagen des Deutschen Reichs und seiner Verbündeten zum Zusammenbruch der Monarchie in der Novemberrevolution 1918 und Ausrufung der Weimarer Republik führten.

Als die Geldstücke nach Überwindung mancher Schwierigkeiten in der Königlichen Münze an der Berliner Unterwasserstraße geprägt und ausgeliefert waren, gab es großen Beifall und heftige Kritik. Kaiser- und königstreue Kreise lobten die Idee, Friedrich Wilhelm III. als Initiator des Befreiungskampfes von 1813 zu feiern. Dabei war auch 1913 bekannt, dass die einzige Konstante im Leben dieses Monarchen Angst vor klaren Entscheidungen und eindeutigen Bekenntnissen war. Er musste von seinen militärischen und zivilen Beratern und mit ihnen von der Bevölkerung förmlich zum „Jagen getragen“, also gedrängt, werden,bis er diesen Schritt wagte. Kritiker sprachen beim Betrachten der Münze von Geschichtsklitterung und wiesen darauf hin, dass die Vorgeschichte jenes von Theodor Gottlieb von Hippel, einem Mitarbeiter von Staatskanzler Karl August von Hardenberg, verfassten Appells ein peinlicher Vorgang war, der durch die Hundertjahrfeiern in Breslau und die Jubelmünze nur kaschiert werden soll. Immerhin habe sich Friedrich Wilhelm III. erst nach einer schicksalsschweren Begegnung mit Zar Alexander I. von Russland, seinem bisherigen und künftigen Verbündeten, und nicht aus eigenem Antrieb dazu bequemt, sich in flammenden Worten an seine Untertanen zu wenden. Der König versprach seinen Untertanen das Blaue vom Himmel, doch als es nach den Befreiungskriegen an die Einlösung seiner Versprechen ging, zuckte er zurück. Statt Mitbeteiligung der Bürger an der Politik blieb es beim feudalen Ständestaat, und auch die freiheitlichen Regungen im Bürgertum und an den Universitäten wurden mit Gewalt unterdrückt.

Denkmünze in vollkommener Ausführung

Neben Fragen zum Anlass der von Wilhelm II. am 1. April 1912 genehmigten Gedenkprägung gab es natürlich auch solche an ihre Gestaltung. „Erstklassige Künstler“ sollten Entwürfe einreichen, hatte der Kaiser eine „Denkmünze in besonders vollkommener Ausführung“ gefordert. Während das von dem Berliner Medailleur Paul Sturm entworfene Motiv „Adler im Kampf mit der Schlange“ unumstritten war, wurde die zunächst vorgesehene Umschrift „Den Rettern Deutschlands 1813 zur Ehre“ fortgelassen. Sie hätte auch andere am Befreiungskampf gegen Napoleon I. beteiligte Völker, etwa die Russen und Österreicher, aber auch polnische und spanische Aufständische, eingeschlossen und womöglich den Anteil der Deutschen und insbesondere der Preußen am Sieg über die Franzosen geschmälert.

Nachdem sich Wilhelm II. für eine figurenreiche Vorderseite nach einem damals recht populären Historiengemälde von Carl Sellmer entschieden hatte, welches den König hoch zu Ross bei der Verlesung seines Aufrufs inmitten einer begeisterten Menschenmenge zeigt, konnte sich Sturm an die nicht ganz einfache Herstellung der Stempel machen. Die Prägung der Drei- und Zweimarkstücke erfolgte in der Berliner Münze in Auflagen von zwei beziehungsweise 1,5 Millionen Stück, was ihr häufiges Vorkommen auch heute noch erklärt. Da viele Stücke als Andenken weggelegt wurden, kommen sie auch in allerbester Erhaltung vor und werden auch preiswert angeboten.

„Der König rief, und Aale Aale kamen“

Als die Gedenkmünze auf dem Markt war, wurde nicht nur die Aussage kritisiert, als habe Friedrich Wilhelm III., und nur er, in Breslau dazu das Signal zum Befreiungskampf gegeben, wo er doch dem „Druck“ von unten nachgegeben hatte. Auch die künstlerische Qualität wurde hinterfragt. Von einem ausgeprägten Missgriff war die Rede, von einem Stück Siegesalleekunst in Anspielung an die berühmt-berüchtigten Figuren brandenburgisch-preußischer Herrscher, die auf Initiative Wilhelms II. um 1900 im Berliner Tiergarten errichtet wurden. Es wurde außerdem bemängelt, dass viel zu viele Personen abgebildet sind. Und es machte zudem ein Wortspiel die Runde, wonach die Schlange, auf die sich der Adler stürzt, einem Aal ähnelt. Deshalb haben Spötter aus der historisch fragwürdigen Umschrift „Der König rief, und alle, alle kamen“ in „Der König rief, und Aale, Aale kamen“ umgedeutet. Im Preußischen Abgeordnetenhaus machte sich der Zentrumsabgeordnete Wilhelm Linz über die Münze her und erklärte mit Bezug auf jenes Wortspiel, es sei „bis in die entferntesten Ecken Deutschlands gedrungen. Schön ist es aber nicht, wenn Denkmünzen derart parodiert werden, aber diese fordern dazu heraus. [.. ]Man sieht ein Stück, das geprägt ist wie ein Stück Blech, wie eine Spielmarke, wie ein Kinderspielzeug“.

Die Kontroverse um die Gedenkmünze kurz vor dem Ersten Weltkrieg zeigt, dass Münzen und natürlich auch Medaille damals nicht immer klaglos hingenommen, sondern oft auch kritisch begutachtet wurden, was heute bei der Vorstellung unserer Münzen leider nur noch selten geschieht. Es sollte erwähnt werden, dass auch die Sockel der von Schinkel als Erinnerungsmal für die Helden der Befreiungskriege entworfenen und mit acht prächtigen Figurengruppen geschmückte Berliner Schlossbrücke mit einem eindrucksvollen Adler-Motiv geschmückt sind, das möglicherweise Paul Sturm für die Rückseite der Jubelmünze von 1813 inspiriert hat. Die marmornen Medaillons zeigen, wie der preußische Adler antike Kriegssymbole ergreift. Da der Medailleur und Bildhauer Sturm für die Königliche Münze an der Unterwasserstraße, nicht weit von der Schlossbrücke, tätig war, könnte er bei seinem Entwurf von dieser Symbolik angeregt gefühlt haben.

7. Mai 2023