Schüssel als Alleinstellungsmerkmal
Gedenkmünzen der DDR unterscheiden sich auch in der Form von denen der Bundesrepublik Deutschland



Der riesige Komplex des früheren VEB Münze der DDR stammt noch aus der Zeit des Nationalsozialismus. Er sollte als Reichsmünze die gesamte Hartgeldproduktion des Deutschen Reiches übernehmen. Der von Hitler angezettelte Zweite Weltkrieg und sein für das so genannte Dritte Reich katastrophale Ausgang machten diese Pläne zunichte. Die Prägeanstalt zog 2006 in den Berliner Bezirk Reinickendorf um. Heute lädt am Molkenmarkt ein Multi-Kulti-Zentrum zum Besuch ein.



Zahllose Geldstücke wurden im VEB Münze der DDR mit Maschinen der Firma Schuler in Göppingen (Baden-Württemberg) geprägt. Eigene Geräte wie diese Walze zu bauen war der DDR wohl nicht möglich. Wie sich die Geldfabrik am Berliner Molkenmarkt mit Importen versorgte, wäre eine Untersuchung wert.



Die ersten silbernen Gedenkmünzen der DDR von 1966 ehren Gottfried Wilhelm Leibniz und Karl Friedrich Schinkel.







Die Ausgaben zur Erinnerung an Bebel und Liebknecht, Einstein und Guericke, Böttger und Lessing und viele andere Stücke sauber auszuprägen, war für den VEB Münze der DDR in Berlin stets eine große technische Herausforderung, die aber gut gemeistert wurde.



Kaum erreichbar waren für Sammler in der DDR die Proben und Materialvarianten, hier ein Goldgulden auf einer Zehn-Mark-Probe von 1987.



Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit bekamen Medaillen verliehen, von denen manche Helden des antifaschistischen Widerstandkampfes, aber auch verdiente Mitarbeiter des Geheimdienstes ehren.



Hätte Stasi-Minister Mielke alle seine Orden an seine Uniform heften wollen, dann hätte er auch den Rücken benutzen müssen. (Fotos: Caspar)

Die Münzprägung des Arbeiter-und-Bauern-Staats, wie sich die DDR immer gern bezeichnete, ist ein für Historiker und Sammler interessantes Gebiet. Ihre Münz- und Geldgeschichte ist seit 1990 ein abgeschlossenes Gebiet. Während in der Bundesrepublik Deutschland die Münzanstalten in Hamburg, Karlsruhe, Stuttgart und München für die Herstellung des Hartgeldes zuständig waren, prägten in der frühen DDR zunächst in zwei Geldfabriken – im VEB Münze Berlin und in Muldenhütten bei Freiberg. Die letzten aus der sächsischen Prägeanstalt stammenden und mit einem „E“ gezeichneten Ein-, Fünf- und Zehnpfennigstücke aus Aluminium tragen die Jahreszahl 1953.

Was bei den Münzen und Medaillen der DDR von wem unter welchen Umständen geschaffen wurde, ist in der numismatischen Literatur gut beschrieben, und immer mehr Details kommen ans Tageslicht. Unklar ist bis heute, welchen Einfluss die SED- und Staatsführung unter Walter Ulbricht und ab 1971 Erich Honecker auf die Herausgabe von Münzen und Medaillen und die dort verwendeten Bilder und Inschriften hatte. Denn ohne diese letzten und höchsten Instanzen lief nichts im Staat der Arbeiter und Bauern, nicht einmal die Gestaltung von Münzen, Medaillen und Orden. Hier gibt es noch einigen Forschungsbedarf. Eine erste Würdigung nach der Wiedervereinigung von 1990 gab es anlässlich der Versteigerung der im Besitz der Staatsbank Berlin befindlichen DDR-Münzen und Banknoten in Katalogen der Münzhandlung Dr. Busso Peus in Frankfurt am Main. Die in mehreren Ausgaben von 1994 bis 2000 publizierten Analysen, verfasst von Wolfgang Steguweit, Elke Bannicke und Gerhard Schön, wurden 2019 in einem Buch der Münzhandlung Guy Franquinet, Werner-von-Siemens-Straße 13 in D-74664 Crailsheim erneut veröffentlicht (120 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 20 Euro, ISBN 3-921212-01-4).

Blick in das Innenleben des VEB Münze der DDR

So können sich Sammler, Händler und Forscher ohne Mühe darüber einen Überblick verschaffen, wie Künstler von der DDR-Staatsbank mit Münzentwürfen betraut wurden, welche Ideen sie eingebracht haben und welche verworfen wurden. Das Buch stellt Arbeiten von Wilfried Fitzenreiter, Axel Bertram, Gerhard Rommel, Dietrich Dorfstecher, des Künstlerehepaars Sneschana Russewa-Hoyer und Heinz Hoyer, Heinz Rodewald, Evelyn Hartnick-Geismeier und weiteren Künstlern vor und schildert auch, was sie über Münzen und Medaillen hinaus gestaltet haben, etwa Bronzeskulpturen, Briefmarken, Plakate und Gebrauchsgrafik. Leser erhalten überdies Einsichten in das Innenleben des nach außen abgeschotteten VEB Münze der DDR Berlin. Ziel der Gedenkprägungen war neben der staatlichen Selbstdarstellung natürlich die Erwirtschaftung von harten Devisen. Der unbändige Drang der DDR nach „Westmark“ trieb auch in diesem Segment seltsame Blüten. So wurden unterschiedliche Versionen ein und derselben Prägung hergestellt, mal in einer vergleichsweise hohen Auflage, mal in geringer Stückzahl und manchmal auch in einem von der Norm abweichenden Metall.

Wer Gedenkmünzen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland nebeneinander legt, wird manche Unterschiede bei der Motivwahl, aber auch was die technische Ausführung entdecken. „Aus der Tiefe des nahezu einmalig konkaven Münzgrundes steigen die Reliefs auf DDR-Münzen zum scharfgratigen Rand empor, den üblichen Randstab meist ignorierend und den Münztechnikern trotzend. Sie sind bereits Teil der deutschen Münzgeschichte des 20. Jahrhunderts geworden und werden auch künftig ihre Liebhaber finden“, heißt es im Vorwort. Das Verfahren bereitete Künstlern und Münztechnikern manche Probleme, und so waren viele Probeprägungen und Berechnungen nötig, bis man zu ansehnliche und makellosen Ergebnissen kam.

Es begann mit Schinkel und Leibniz

Die Bundesrepublik Deutschland begann 1952 mit der Ausgabe von silbernen Gedenkmünzen, erst vierzehn Jahre später schloss sich die DDR an und folgte damit einem Trend, denn solche Prägestücke standen bei Sammlern hüben und drüben hoch im Kurs und tun dies auch heute. Produzent der begehrten Silberstücke mit der Jahreszahl 1966 war der VEB Münze der DDR am Berliner Molkenmarkt. Versehen mit der Jahreszahl 1966, wurde das von Gerhard Rommel und Axel Bertram gestaltete Zehnmarkstück zum 125. Todestag des preußischen Baumeisters, Malers und Designers Karl Friedrich Schinkel herausgebracht, dazu kam ein von Rommel und Dietrich Dorfstecher entworfenes Zwanzigmarkstück zum 250. Todestag des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz, dem unter anderem die Gründung der Berliner Akademie der Wissenschaften im Jahr 1700 zu verdanken ist.

Ungewöhnlich und klar von den bundesdeutschen Gedenkmünzen abweichend sind die schüsselförmigen, scharfrandigen DDR-Ausgaben geprägt. „Der muldenförmig vertiefte Münzrand war von Anfang an vorgegeben. Er war wohl international selten, man versprach sich davon eine gewisse Attraktivität. Der Vorzug bestand in der Möglichkeit, den Entwurf stärker plastisch durchzugestalten und größere Reliefhöhen im Teller zu gewinnen. Doch der Nachteil lag nebenbei, denn der Vorzug war erkauft mit dem Zwang zu konzentrischen Kompositionen, da der Prägedruck zu umfangreichen Materialverdrängungen nicht ausreichte. Unkonventionelle, pointierte Anordnungen schieden damit aus“, stellte der langjährige künstlerische Leiter der für die Emissionen zuständigen DDR-Staatsbank, Axel Bertram, mit Blick auf dieses numismatische Alleinstellungsmerkmal fest. Neben den „Schüssel“-Münzen hat man in Berlin auch solche mit flachem Relief geprägt. Der Münzhandel bietet die meisten zu moderaten Preisen an. Längst sind die Zeiten vorbei, als man für sie astronomische Preise zahlte. Diese gelten für wenige, in kleiner Stückzahl gefertigte Probemünzen und Abschläge in abweichenden Metallen.

Axel Bertram bescheinigte der Staatsbank Kompetenz und das Bemühen um partnerschaftliche Zusammenarbeit. Dass es keine Ausschreibungen zur Ermittlung der besten Entwürfe gegeben hat, führt er auf „enorme“ Sparsamkeit der Bank zurück, „aber natürlich auch, weil die Bankleute die Entwurfsarbeit bis zur Realisierung für übertrieben vertraulich hielten.“ Der Beirat habe aber Methoden gefunden, um trotz der fehlenden Wettbewerbsbedingungen eine gewisse Wahlmöglichkeit zu schaffen und die Entwurfsarbeit nicht auf eine schmale oder zufällige Basis zu stellen. So seien zu einzelnen Themen mehrere Künstler beauftragt worden. Die Zusammenarbeit mit den alten Graveuren der Münze habe zu den angenehmsten Erfahrungen gezählt, erklärt Bertram.

Reliefs im Teller

Wie die vielen „in der Schüssel“ geprägten Gedenkmünzen der DDR, aber auch Auszeichnungsmedaillen zeigen, haben die Produzenten ihr Bestes gegeben. Ihnen gelangen auf den Vorderseiten hohe Reliefs, die aus dem vertieften Grund ragen, während die Rückseiten flach gestaltet sind. Wir kennen das technisch recht aufwändige Verfahren bereits von Gedenkmünzen der deutschen Kaiserzeit. Genannt seien das preußische Dreimarkstück von 1910 zur Hundertjahrfeier der Berliner Universität, heute Humboldt-Universität, und der gleiche Wert zur Silberhochzeit des württembergischen Königspaars Wilhelm II. und Charlotte von 1911. Jedes mal erforderte die Herstellung einen hohen Prägedruck, den die Stempel nur schwer aushielten. Da man damals viel experimentierte, finden sich auch bei den Probemünzen ebenfalls in der „Schüssel“ geprägte Nominale. Dazu kommen aber noch verschiedene am Band zu tragende Medaillen zur Auszeichnung von Soldaten und Zivilisten.

Orden und Ehrenzeichen gab es in der DDR in Hülle und Fülle, mit ihnen wurden wie mit der Gießkanne Aktivisten der sozialistischen Arbeit, Künstler und Wissenschaftler, Lehrer, Landwirte und Erfinder sowie Arbeitskollektive und viele andere ausgezeichnet. Hohe und kleine Funktionäre sowie Mitglieder der „bewaffneten Organen“, also Nationale Volksarmee, Staatssicherheit, Polizei und was sonst noch Uniform trug, versicherten bei der Verleihung ihrem Staat und der alles dominierenden SED ewige Treue und Gefolgschaft. Mit geprägtem oder auch emailliertem Blech an bunten Bändern waren Prestigegewinn, manchmal auch Einfluss und Privilegien verbunden. Man trug dergleichen an hohen Feiertagen und schmückte im Falle des an Künstler und Wissenschaftler verliehenen Nationalpreises seinen Namen mit dem Zusatz NPT (Nationalpreisträger).

Orden am laufenden Band

Die höchsten Orden waren im zweiten deutschen Staat der Karl-Marx-Orden und der Stern der Völkerfreundschaft, der Stern Held der Arbeit und Held der DDR, der Vaterländische Verdienstorden, der Scharnhorstorden und der – niemals verliehene – Blücherorden, ferner diverse Verdienstmedaillen, von denen einige wie die Gedenkmünzen in der Art von „Schüsseln“ geprägt wurden. Fast inflationär regneten Aktivistenmedaillen und Abzeichen auf Männer und Frauen sowie Kollektive der sozialistischen Arbeit herab. Auch in diesem Bereich gibt es noch Forschungsbedarf. Zwar sind die Orden und Auszeichnungen in Katalogen wie dem von Jörg Nimmergut, Klaus Feder und Heiko von der Heyde „Deutsche Orden und Ehrenzeichen. Drittes Reich, DDR und Bundesrepublik Deutschland“ (Battenberg Verlag Regenstauf 2008“(430 Seiten, zahlreiche Abbildungen, ISBN 978-3-86646-032-49) gut erfasst, aber die Hintergründe von Stiftungen und Verleihungen, aber auch über die Gestaltung und die beteiligten Künstler liegen nur spärliche Informationen vor. Auch hier wäre eine Tiefenrecherche angebracht.

Die Inhaberschaft solcher wie am laufenden Band zu hohen Feiertagen verliehenen Auszeichnungen war kein Indiz für unbedingte Linientreue und Ergebenheit gegenüber dem sozialistischen Staat und der SED, seiner führenden Partei. Viele Träger von Orden und Auszeichnungen standen dem System kritisch gegenüber, und wenn sie einmal in das Blickfeld der Stasi und der Justiz geraten waren und verfolgt wurden, schützten auch die schönsten Orden wenig, wie das Beispiel des wegen Regimekritik unter Kuratel gestellten Physikers Robert Havemann zeigt, dem sein 1959 verliehener Nationalpreis vor Ausgrenzung und Diffamierung wenig nutzte.

15. April 2024