Schlag nach bei Schwalbach und Jaeger
Die ab 1800 geprägten deutschen Münzen werden immer besser mit allen wichtigen Daten erfasst



Der Reichsbank in Berlin wurden nach der deutschen Einigung von 1871 Goldmünzen in großen Mengen zugeführt, die nicht weit davon gelegene Königliche Münze und die anderen deutschen Prägeanstalten haben sie eingeschmolzen und in Reichsgoldmünzen verwandelt.





Das Berliner Münzkabinett zeigt in seiner Ausstellung im Bode-Museum auf der Museumsinsel nicht nur antike und mittelalterliche Münzen sowie die seit der Renaissance geschaffenen Medaillen, sondern neuzeitliches Geld wie den sächsischen Verfassungstaler von 1831, den bayerischen Zollvereinstaler von 1833, den sächsischen Sterbetaler und den Doppeltaler aus Württemberg von 1869 mit dem Ulmer Münster.





Eine der schönsten Münzen der Kaiserzeit stammt aus dem Jahr 1915 und ist der hundertjährigen Zugehörigkeit der Grafschaft Mansfeld zum preußischen Königreich gewidmet. Das Motiv ist Mansfelder Georgs- und Segenstaler aus dem 16./17. Jahrhundert nachempfunden. Soldaten sollen die Silbermünze im Ersten Weltkrieg als Talisman bei sich getragen haben. Die Medaille auf den Besuch des bayerischen Königs Ludwig III. am 2. Mai 1918 in der Münchner Münze gehört eigentlich nicht in die Kataloge der Reichsmünzen, weil sie kein Zahlungsmittel ist.



Mit dem „Rheinlandritter“ eröffnete die Weimarer Republik 1925 ihre Gedenkmünzen-Serie, die 1932 mit der Ausgabe zu Goethes 100. Todestag endete. Das seltene Fünf-Markstück mit der Jahreszahl 1933 kam nicht in Umlauf, denn im Jahr von Hitlers „Machtergreifung“ gab es eine länger geplante Umstellung auf kleinere Münzen aus besserem Silber.



Auf Seltenheiten wie das Fünf-Mark-Stück von 1958 mit dem Hamburger Kennzeichen J zu achten, das nur eine Auflage von 60 000 Stück erzielte. Mit der Silbermünze zu 5 DM eröffnete die Bundesrepublik Deutschland ihre erfolgreiche Gedenkmünzenserie.



In vielen Sammlungen liegen diese und weitere DDR-Münzen neben denen der Bundesrepublik Deutschland. Heute bekommt man die meisten zu moderaten Preisen. Nach wie vor teuer sind die im VEB Münze der DDR geprägten Probemünzen.



Sportmotive sind bei Sammlern sehr beliebt, ebenso solche mit Bildnissen und Motiven aus der Welt der Kunst, Kultur und Wissenschaft. Sie lassen sich recht preiswert und mühelos durch nationale und internationale Ausgaben ergänzen.



Die Zwei-Euro-Ausgaben von 2007 und 2023 markieren den Anfang und das Ende der deutschen Länderserie. In der Mitte symbolisiert das Schloss Neuschwanstein den Freistaat Bayern. Die Motive kamen nach der Reihenfolge der Bundesländer heraus, die den Vorsitz im Bundesrat innehaben. (Fotos/Repro: Caspar)

Nach der Proklamation des preußischen Königs Wilhelm I. zum deutschen Kaiser am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles und dem Sieg über Frankreich legte sich das neu gegründete Deutsche Reich eine neue, in Mark und Pfennig ausgedrückte Währung zu. Ausgedient hatten Taler und Gulden und ihre Teilstücke sowie unterschiedliche Nominale aus Gold. Jetzt zahlten die unter den Flügeln des preußischen Adlers mit den anfangs in neun, ab 1882 in sechs Münzanstalten hergestellten Nominalen stets mit dem Reichsadler auf der Rückseite. Berlin behielt das schon 1750 von König Friedrich II., dem Großen, eingeführte A, das 1866 von Preußen annektierte Hannover verwendete bis 1878das B, und Frankfurt am Main, das 1866 ebenfalls preußisch geworden war, zeichnete bis 1879 mit dem C. Das Bayerische Hauptmünzamt in München signierte mit den D, Dresden setzte bis 1887 den Buchstaben E auf seine Geldstücke, und als die sächsische Staatsmünze 1887 von dort nach Muldenhütten bei Freiberg verlegt wurde, verwendeten man ihn weiter bis zur Schließung im Jahr 1953. Die württembergische Münze in Stuttgart benutzte das F als Kennung, die badische Münze in Karlsruhe das G und die hessische Münzanstalt Darmstadt bis 1882 das H. Nach der Neugründung der Hamburger Münze 1875 wurden die dort hergestellten Geldstücke mit einem J markiert. Von diesen Münzstätten sind heute noch fünf in Betrieb – Berlin, Hamburg, Karlsruhe, München und Stuttgart.Unbekannt ist, welche Mengen an Goldmünzen mit dem Bildnis französischer Kaiser und Könige beziehungsweise mit Symbolen der Republik in den Schmelztiegel geworfen wurden.

Tod im Schmelztiegel

Das Münzgesetz vom 4. Dezember 1871 legte fest, dass der bisherige Vereinstaler mit 3 Mark berechnet wird. Für die Prägung der neuen Zwanzig-, Zehn- und zeitweise auch Fünf-Mark-Stücke aus Gold hat man die Reparationszahlungen in Höhe von fünf Milliarden Francs genutzt, die die unterlegene Französische Republik an das Deutsche Reich zahlen musste. Sie setzten sich aus Warenlieferungen sowie aus Bargeld, Goldbarren und Wechseln zusammen. Diese ungeheure Summe kurbelte die deutsche Wirtschaft gewaltig an. Es kam zu zahlreichen Firmen- und Bankengründungen, weshalb diese Periode auch Gründerzeit genannt wird.

Es müssen gewaltige Mengen gewesen sein, die aufgrund des Artikels 11 des Münzgesetzes vom 4. Dezember 1871 beziehungsweise des Artikels 8 vom 9. Juli 1873 im Deutschen Reich außer Kurs gesetzt und eingezogen wurden. Einer Aufstellung in dem Buch von Herbert Rittmann „Deutsche Geldgeschichte 1484-1914“ (Battenberg Verlag München 1975, S. 778 ff.) können wir entnehmen, dass rund 4,48 Millionen preußische Friedrichs’dors und sächsische August’dors, 308 000 württembergische Dukaten und weitere Goldmünzen im Wert von über 80 Millionen Mark angekauft und als Rohstoff der Prägung neuer Goldmünzen zugeführt wurden. Ferner nennt Rittmann über 441 000 Goldkronen, Pistolen und Dukaten, die ebenfalls diesen Weg gingen. Ähnlich umfangreich waren die Zahlen bei großen und kleinen Silbermünzen sowie Geldstücken aus unedlem Metall. So erlitten, wie schon in früheren Zeiten, riesige Mengen geprägten Geldes den Tod im Schmelztiegel. Zum Glück gingen aber nicht alle Bestände verloren, und so kann der Münzhandel noch viel schönes Material den Sammlern anbieten.

Sammler leistet Pionierarbeit

Die im ausgehenden 19. Jahrhundert von dem sächsischen Sammler Dr. Carl Schwalbach publizierten und danach immer wieder als Reprint neu aufgelegten Kataloge „Die neueren deutschen Thaler, Doppelthaler und Doppelgulden vor der Einführung der Reichswährung“ sowie „Die neuesten deutschen Münzen unter Thalergröße vor Einführung des Reichsgeldes“ sind nur noch bedingt aussagefähig. Viele Ausgaben aus der Zeit bis zur Reichsgründung 1871 konnten vom Autor nicht berücksichtigt werden, weil er sie nicht kannte oder auch nicht so wichtig hielt, um sie in seinen Katalog aufzunehmen. Außerdem bildeten die seinerzeit mitgegebenen Lichtdrucktafeln nur eine Auswahl der in Frage kommenden Geldstücke ab. Immerhin notierte Schwalbach, ob eine Münze selten ist oder nicht und in welchen Jahrgängen sie vorkommt. Seine aus Münzen von Braunschweig-Lüneburg und anderen Ländern bestehende Sammlung wurde 1913 in Hannover versteigert.

Carl Schwalbach hat Münzen deutscher Fürsten und Freier Städte erschlossen und publiziert, als viele aus dem Umlauf genommen und in großen Mengen eingezogen und eingeschmolzen wurden. Indem er seine Zeitgenossen neugierig auf das numismatische Erbe des 19. Jahrhunderts machte und dafür sorgte, dass die von ihm erfassten Münzen zu beliebten Sammelstücken avancierten, leistete er numismatische Pionierarbeit. Allgemein war es damals üblich, die Hinterlassenschaften antiker und mittelalterlicher Völker zu sammeln und auch nach älteren Talern und ihren Teilstücken Ausschau zu halten. Schaut man in alte Preislisten und Auktionskataloge, dann wird deutlich, dass neuere Geldstücke oft für etwas mehr als den Metallpreis die Besitzer wechselten. Auch heute ist der Verfasser nicht vergessen, manche Münzfreunde sprechen von der „Schwalbachzeit“, wenn sie die deutschen Münzen des 19. Jahrhunderts meinen. Es liegt in der Natur der Sache, dass das Gute durch das Bessere abgelöst wird, das heißt dass man die Schwalbach’schen Bücher durch neue Kataloge mit ausführlicheren und genaueren Angaben ersetzt hat.

Deutsche Münzen seit 1871

Heutige Kataloge informieren viel ausführlicher und genauer über Auflagen, Varianten, beteiligte Künstler und Prägeanstalten, ja auch über vorkommende Abschläge und Fälschungen. Das gilt auch für die Münzen des 1871 gegründeten Deutschen Kaiserreichs, der Weimarer Republik, der Zeit des Nationalsozialismus und der beiden deutschen Staaten. Da sie alle gut katalogisiert sind, erfreuen sich sie sich großer Beliebtheit. Zwar meint man, ein abgeschlossenes Gebiet vor sich zu haben. Aber der Schein trügt, denn es gibt immer wieder Neuentdeckungen, die sind in den Katalogen von Kurt Jaeger „Die deutschen Münzen seit 1871“ und anderen Büchern dokumentiert werden.

Die von Helmut Kahnt und Michael Kurt Sonntag bearbeiteten Auflagen des viel zitierten Standardwerks von Kurt Jaeger erscheinen im Gietl Verlag Regenstauf und werden regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht. Dokumentiert sind darin alle Münzen, ergänzt durch Ausgaben in den ehemaligen deutschen Kolonien sowie den während des Ersten und des Zweiten Weltkriegs von deutschen Soldaten besetzten Gebieten und einigen anderen Bereichen. In den Münzzeitschriften werden regelmäßig Preislisten publiziert, an denen sich Sammler und solche, die es werden wollen, gut orientieren können. Erinnert wird im Jaeger-Katalog unter anderem an den Karlsruher Münzskandal, der um 1970 durch geldgierige Mitarbeiter der Münze zu Karlsruhe ausgelöst wurde. Sie hatten unerlaubt bundesdeutsche Raritäten mit originalen Stempeln nachgeprägt, allen voran ein Fünfzig-Pfennig-Stück von 1950 mit der in jenem Jahr nicht mehr korrekten Angabe BANK DEUTSCHER LÄNDER. Ihr häufiges Vorkommen fiel auf und rief die Ermittlungsbehörden auf den Plan, es kam zu Gerichtsverhandlungen und empfindlichen Strafen. Den Schaden hatten die Sammler, die nicht ohne weiteres unterscheiden können, ob sie ein altes Original oder jüngere Nachprägung vor sich haben.

Neue Erkenntnisse berücksichtigt

Selbstverständlich findet man in dem Buch auch alle wichtigen Angaben über die nach 1990 im vereinten Deutschland geprägten Münzen und die ab 2002 ausgegebenen deutschen Euromünzen. Für Sammler wichtig sind Angaben über die an der Gestaltung beteiligten Künstler, ausführende Prägeanstalten, Auflagezahlen, eventuell vorkommende Fälschungen und, nach Erhaltungsgraden gestaffelt, auch aktuelle Preise. Überdies enthält jeder Abschnitt kurzgefasste Einführungen zur politischen und zur Geldgeschichte.

Münzen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR sind beliebte Sammelobjekte und werden, da sie meist in hohen Auflagen geprägt wurden, vom Handel preiswert angeboten und sind auch auf Börsen zu finden. In einschlägigen Katalogen sind alle wichtigen Daten einschließlich der Künstler zu finden, die für die Gestaltung verantwortlich zeichnen. Die immer wieder aktualisierten Nachschlagewerke bieten vieles, was man über die Geschichte und Themen von Münzen möchte. Erfasst sind in weiteren mit zahlreichen Münzfotos ausgestatteten Nachschlagewerken auch die deutschen und ausländischen Euro-Münzen. Was sich wegen Unzulänglichkeiten in Münzstätten oder durch bewusste Manipulation bei älteren Stücken abspielte, aber auch wo Raritäten und wo Fälschungen vorkommen, wird ebenfalls aufgelistet. Eine Besonderheit sind die ganz frühen deutschen Euromünzen, auf denen man drehende Europasterne erkennt. Als der Irrtum bemerkt wurde, hat man die Auflage mit der Jahreszahl 2002 bis auf wenige Stücke vernichtet, die sehr teuer sind.

Manipulierte Prägezahlen der DDR

Vergleicht man die aktuellen Auflagen mit früheren Ausgaben, so kann man das Bemühen der Bearbeiter und des Verlags nicht hoch genug bewerten, sie durch neues Forschungsergebnisse zu ergänzen. Das betrifft nicht nur die regulären Münzen, sondern auch solche, die aus welchen Gründen auch immer von der Norm abweichen. Und da kommt zur Freude der Sammler, die sich auf diese Sonderlinge verlegen, einiges zusammen. Im Übrigen kann man bei den Gedenkmünzen beider deutscher Staaten das Bemühen gut erkennen, da und dort von den üblichen Bildnissen berühmter Persönlichkeiten wegzukommen und Szenen zu gestalten, die man ihnen gut zuordnen kann.

Mit der Wiedervereinigung 1990 war auch die Münzgeschichte der DDR beendet. Hammer, Zirkel und Ährenkranz hatten ausgedient. Sammler hüben und drüben hielten nach Belegstücken Ausschau und mussten zuweilen recht tief in die Tasche greifen, weil DDR-Münzen einen Höhenflug erlebten. Erst jetzt wurden manche Geheimnisse um die DDR-Münzen gelüftet. So stellte sich bei der Sichtung von Akten der Staatsbank der DDR und der Berliner Münze heraus, dass die offiziell bis 1990 veröffentlichten Prägezahlen häufig nicht stimmen. Denn von verschiedenen Ausgaben wurden tausende Stücke wieder eingeschmolzen, um Metall für neue Emissionen zu gewinnen. Ein anderer Grund war, dass viele in riesigen Stückzahlen hergestellten Sondermünzen liegen blieben, weshalb auch sie den Tod im Tiegel erlitten. Angaben über die seinerzeit im DDR-Gesetzblatt veröffentlichten Auflagen und die Zahl der eingeschmolzenen Stücke kann man in den aktuellen Münzkatalogen nachlesen und werden selbstverständlich bei den Preisangaben des Münzhandels berücksichtigt.

18. Oktober 2023