Wilhelms Traum vom Platz an der Sonne
Wie die Hohenzollern vor und nach 1900 fremde Länder ausbeuteten und sich auf Münzen und Medaillen inszenierten



Als Erbauer und Förderer einer bedeutenden Kriegs- und Handelsflotte und Herrscher über die Meere sah sich Wilhelm II. am liebsten. Die Karikatur zeigt ihn als Matrosen, der freudig von seiner Großmutter Queen Victoria ein Stück vom kolonialen Kuchen abbekommt, denn die Großmächte hatten den Rest der Welt im Wesentlichen bereits untereinander aufgeteilt.



Unzählige Medaillen feiern „Wilhelm den Letzten“ als Erbauer der deutschen Kriegs- und Handelsflotte und als überragenden Staatenlenker, der er aber ungeachtet seiner dreißigjährigen Regentschaft nicht war.



Seinen „siegreichen Streitern“ verlieh der Kaiser Medaillen, die nicht ahnen lassen, dass sich seine Soldaten und ihre Befehlshaber an blutigen Massakern beteiligt und Schuld am Genozid in der Kolonie Südwestafrika haben.



Der Afrikareisende Carl Peters ging als Begründer der Kolonie Deutsch-Ostafrika unrühmlich in die Geschichte ein. Im Reich Wilhelms II. genossen er und seinesgleichen hohes Ansehen. Die Medaille zeigt auf der Rückseite Germania, die mit der Reichskriegsflagge über dem Ozean fliegt.



Wer von den Herero und Nama in deutsche Gefangenschaft geriet, musste mit dem Schlimmsten nach dem von Wilhelm II. ausgegebenen Befehl „Pardon wird nicht gegeben, Gefangene werden nicht gemacht“ rechnen.





Der Paradiesvogel und Bambusblätter sowie der Löwe unter einer Palme sucht in der deutschen Münzgeschichte seinesgleichen, ebenso den Kaiser mit dem Gardehelm auf dem Kopf. Die für die Kolonien Neuguinea und Deutsch-Ostafrika bestimmten Münzen waren zu ihrer Entstehungszeit selten und begehrt und sind es heute noch viel mehr.



Bei den mit „T“ gezeichneten Münzen der von den Deutschen als Verwaltungssitz genutzten Stadt Tabora im heutigen Tansania waren alles andere als Künstler am Werk, was aber dem Sammlerinteresse an diesen seltenen Geldstücken keinen Abbruch tut. Bei den Goldmünzen und weiteren Raritäten ist auf Fälschungen zu achten.



Der deutsche Reichsadler kämpft den chinesischen Drachen auf der mit dem Kopf Wilhelms II. geschmückten Auszeichnungsmedaille nieder. Die in Deutschland für Kiautschou geprägten Münzen aus Nickel sollten eigentlich an die Stelle des traditionellen Käschgeldes aus Bronze treten. Da nicht genug Centmünzen hergestellt wurden, wurde dieses Ziel nicht erreicht.



Der so genannte Sühneprinz Chun II., ein Bruder des Kaisers von China, musste 1901 in Potsdamer Neuen Palais bei Kaiser Wilhelm II. um Vergebung für die Ermordung des deutschen Gesandten in Peking, Clemens Freiherr von Ketteler, bitten. Die China abgepressten und vor der Orangerie im Park von Sanssouci aufgestellten astronomischen Geräte aus Bronze musste das Deutsche Reich nach dem Ersten Weltkrieg an China zurück geben. (Fotos/Repros: Caspar)

Niemand kann sagen, wie die Geschichte verlaufen wäre, wenn der deutsche Kaiser Wilhelm I., ein Militär von altem Schrot und Korn, schon früher als 1888 von der Bühne abgetreten wäre und dem liberal denkenden Sohn Friedrich III. und seiner aus England stammenden Gemahlin Victoria eine längere Regentschaft beschieden gewesen wäre. Sie hätte bedeutet, dass ihr Sohn Wilhelm (II.) erst im höheren Alter und dann vielleicht auch politisch gereifter und umgeben von besseren Beratern Politik gemacht hätte. So aber ging das Jahr 1888 als Dreikaiserjahr in die Geschichte ein. Am 9. März 1888 war der greise Kaiser und preußische König Wilhelm I. gestorben. Bereits 99 Tage später, am 15. Juni 1888, starb an einem schweren Krebsleiden auch sein todkranker Sohn Friedrich Wilhelm. Diesem 99-Tage-Kaiser Friedrich III. folgte sein 29 Jahre alter Sohn Wilhelm II. Er schlug schneidige Töne an und betrieb eine aggressive Außen-, Militär- und Kolonialpolitik, mit der er sich im Inneren, aber auch im Ausland viele Feinde schaffte.

Der 1859 geborene Wilhelm II. ging im Stil Friedrichs II., des Großen, zum Persönlichen Regiment über. Er hielt wenig von parlamentarischer Mitbestimmung, verspottete den Deutschen Reichstag, in dem die Sozialdemokraten eine wichtige Rolle spielten, als Reichsaffenhaus und trennte sich 1890 unter unwürdigen Umständen vom bisherigen Reichskanzler Otto von Bismarck. Indem er willfährige Kanzler und Minister berief, versuchte er, seine persönlichen Interessen und die seiner Klientel durchzusetzen. Wilhelm II. liebte pompöse Auftritte und war ständig unterwegs, was ihm den Spitznamen Reisekaiser eintrug. Indem er den Deutschen einen „Platz an der Sonne“ versprach, legte er sich mit den damaligen Großmächten England, Frankreich, Russland und den Vereinigten Staaten an. Diese Vabanque-Politik führte 1914 geradewegs in den Ersten Weltkrieg und vier Jahre später zum Ende der Monarchie. Der wegen seiner sprunghaften, unberechenbaren Politik und seinem ununterbrochenen Säbelrasseln im In- und Ausland umstrittene, ja auch gefürchtete Monarch schaffte 30 Regierungsjahre, musste in der Novemberrevolution 1918 nach dem verloren gegangenen Ersten Weltkrieg abdanken und wurde im holländischen Exil uralt.

Herrlichen Zeiten führe ich Euch entgegen

Dass sich der mit fragwürdigen Mitteln um die Gunst seiner Untertanen bemühte Wilhelm II. international unbeliebt machte, bekümmerte ihn wenig. Er handelte nach dem Motto „Viel Feind – viel Ehr“ und kündigte 1890 an, wer sich ihm in den Weg stellt, der habe nichts zu lachen. „Ich gedenke, nach Kräften mit dem Pfunde so zu wirtschaften, dass Ich noch manches andere hoffentlich werde darzulegen können. Diejenigen, welche Mir dabei behilflich sein wollen, sind mir von Herzen willkommen, wer sie auch seien; diejenigen jedoch, welche sich Mir bei dieser Arbeit entgegenstellen, zerschmettere Ich“, erklärte der junge Kaiser. Zwei Jahre ließ er den Brandenburgischen Landtag wissen: „Brandenburger, zu Großem sind wir noch bestimmt, und herrlichen Tagen führe ich Euch entgegen.“ Diese Worte musste sich Wilhelm II. vorhalten lassen, als das Deutsche Reich 1918 den Ersten Weltkrieg verlor, das Land im Chaos zu versinken drohte und er selber seine Krone verlor.

Der Kaiser hatte allen Anlass, sich über die innere Sicherheit des Deutschen Reichs Sorgen zu machen. Sozialdemokratie und Gewerkschaften machten mobil und forderten eine strikte Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der zum Teil bedrückenden Lebensverhältnisse des Proletariats. Indem er seine Soldaten auf unbedingte Treue und Gehorsam einschwor, forderte er von ihnen: „Es gibt für Euch nur einen Feind, und das ist auch mein Feind. Bei den jetzigen sozialistischen Umtrieben kann es vorkommen, dass ich Euch befehle, Eure eigenen Verwandten, Brüder, ja Eltern niederzuschießen – was ja Gott verhüten möge – aber auch dann müsst Ihr Meine Befehle ohne Murren befolgen.“

Mitschuld am Ersten Weltkrieg

Wenn auch Wilhelm II. von Schreibern aller Art gelobt, von Hofmalern und Hoffotografen in heldenhafter Pose dargestellt und von Medailleuren als großartiger Landesvater und Steuermann des deutschen Staates gefeiert wurde, der alles weiß und alles kann, so bleibt er doch als derjenige in böser Erinnerung, der Mitschuld am Ersten Weltkrieg und seinen verheerenden Folgen trug. Dass er ihm genehme Künstler und Gelehrte förderte und großartige Bauten der Kultur und Wissenschaft wie den Berliner Dom, die Staatsbibliothek und das Kaiser-Friedrich-Museum (Bode-Museum) errichten ließ, ändert nur wenig an diesem Urteil. Dass die Siegermächte des Ersten Weltkriegs den Ex-Kaiser vor ein Kriegsverbrechergericht stellten, wie führende Nazis 1945/46 und danach in Nürnberg, ist nur dem Einfluss von Königin Wilhelmina der Niederlande zu verdanken, die ihrem Verwandten Asyl gewährte.

Bis heute wird Wilhelm II. mit dem Satz „Wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne“ zitiert. Dieser zum geflügelten Wort gewordene Ausspruch stammt allerdings nicht vom Kaiser selbst, sondern von Reichskanzler Bernhard von Bülow. Er erklärte am 6. Dezember 1897 im Reichstag mit Blick auf die Besitzergreifung des chinesischen Gebiets um Kiautschou durch deutsche Truppen, Deutschland sei gern bereit, in Ostasien den Interessen anderer Großmächte in der sicheren Voraussicht Rechnung zu tragen, dass unsere eigenen Interessen gleichfalls die ihnen gebührende Würdigung finden. Allerdings verlange das Reich, wie die anderen Mächte einen Platz an der Sonne, also etwas von dem Kuchen zu bekommen, den andere Kolonialländer bereits besitzen. Des Kaisers unüberlegte Brandreden trugen mitnichten zu seiner Popularität und zum Ansehen des Deutschen Reichs in der Welt bei. Dass es sich zu einer führenden Wirtschafts- und Wissenschaftsmacht entwickelte und das auch durch kraftvolles Zutun des daran interessierten Monarchen, änderte nichts an diesem Urteil.

Reichskriegsflotte kostete Unsummen

Des Kaisers Steckenpferd war die Reichskriegsflotte. Für sie gab das Deutsche Reich Unsummen aus, die anderswo, vor allem bei der Linderung der Not in großen Teilen der Bevölkerung fehlten. In seinen Augen lag des Reiches Zukunft „auf dem Wasser“. Auseinandersetzungen mit den anderen See- und Kolonialmächten waren unausweichlich. Dies auch deshalb, weil Deutschland verspätet, aber umso aggressiver einen beachtlichen Kolonialbesitz zusammenraubte. Deutsche Soldaten schreckten, von ihrem Kaiser und der Militärführung zu „großen Taten“ angestachelt, vor Völkermord in Afrika und Asien nicht zurück. Dieser Genozid war über Jahrzehnte verdrängt und ist erst jetzt in Deutschland zu einem großen Thema geworden. Viele Museen und Sammlungen werden inzwischen nach fragwürdigen, ja mit Blut behafteten Objekten durchforstet, und es gibt Verhandlungen mit den Herkunftsländern zur Rückgabe und Entschädigung.

Nachfahren der 70 000 Herero und Nama, die zwischen 1904 und 1908 Massakern deutscher Kolonialtruppen im damaligen Deutsch-Südwestafrika zum Opfer fielen, fordern seit Jahren die Bundesrepublik Deutschland auf, diese als Völkermord anzuerkennen. Wenn Deutschland feststelle, dass das, was 1915 den Armeniern angetan wurde, ein Völkermord war, so sei es nicht zu verstehen, warum es sich bei den Verbrechen der kaiserlichen Truppen in Afrika zurück hält und die Augen davor verschließt, dass die einheimische Bevölkerung in die Wüste vertrieben wurde, um sie dort verhungern und verdursten zu lassen.

Völkermord an Herero und Nama

Als Bundeskanzler Helmut Kohl 1995 Namibia besuchte, vermied er ein Zusammentreffen mit Abgesandten der Herero und Nama. Zwar bedauerte die Bundesregierung das Geschehene, wollte aber keine Verantwortung für den Kolonialkrieg von damals übernehmen. Sie behauptete sogar, es habe einen Völkermord nicht gegeben. Hingegen argumentierten Repräsentanten der Herero und Nama, dass bereits durch die Haager Konventionen von 1899 bis 1907 Repressalien gegen Zivilisten untersagt wurden, und forderten Entschädigungen für die Nachfahren der ermordeten Menschen. Etwa 15.000 Soldaten unter dem Befehl des Generalleutnants Lothar von Trotha schlugen 1904 den Aufstand der Herero und Nama nieder. Viele flohen in die fast wasserlose Omaheke-Wüste, die Trotha abriegeln ließ. Sie wurden von den wenigen Wasserstellen verjagt, so dass tausende Menschen mit ihren Herden verdursteten. „Die Herero sind nicht mehr deutsche Untertanen. […] Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und keine Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auch auf sie schießen“, lautete ein von Trotha erlassener Befehl. Die Überlebenden wurden enteignet, in Konzentrationslager gesperrt und mussten Zwangsarbeit verrichten. Misshandlungen, unzureichende Ernährung und schlechte hygienischen Bedingungen in diese Lagern haben zum Tod der Hälfte aller Gefangenen geführt.

Blicken wir auf die für deutsche Kolonien in Afrika und Asien hergestellten Münzen und Banknoten, dann fallen sogleich die ausgesprochen exotisch gestalteten Geldstücke ins Auge, die 1894 und 1895 für die Neu-Guinea Compagnie in der Königlichen Münze Berlin geprägt wurden. Die Stelle des Reichsadlers mit Krone und preußischem Wappen auf der Brust nimmt auf den von den Berlinern Medailleuren Emil Weigand und Otto Schultz geschaffenen Münzen von Neuguinea ein Paradiesvogel ein, dessen prächtiges Gefieder sich über die ganze Bildseite ausbreitet. Auf der Wertseite umschließen zwei Bambuszweige die Angaben in Neuguinea-Pfennigen beziehungsweise Neuguinea-Mark. Bei den Ausgaben zu einem und zwei Pfennigen wurde auf das Bild des geradezu barock drapierten Paradiesvogels verzichtet. Die offiziellen Prägezahlen liegen zwischen 500 000 Stück bei den Pfennigen und 1500 Exemplaren beim goldenen Zwanzig-Mark-Stück. Vor allem die höheren Werte waren bereits zur Prägezeit begehrte Sammelobjekte.

Mit Gardehelm und Löwenwappen

Bei einigen in Berlin im Auftrag der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft (DOAG) zwischen 1891 und 1902 geprägten Silbermünzen fällt das martialische Brustbild Kaiser Wilhelms II. auf. Der Monarch ist in der Uniform der Garde du Corps mit aufgesetztem Adlerhelm dargestellt. Stempelschneider Otto Schultz richtete sich bei seinem Porträt nach einer Vorlage des bekannten Malers Franz von Lenbach. Das Wappen der DOAG, bestehend aus einer Kokospalme mit einem Löwen davor, nimmt die Rückseite ein. Die ursprünglich vorgesehene Umschrift WILHELM II. DEUTSCHER KAISER war von diesem verworfen worden, weil der Titel wegen des bis an den Perlrand ragenden Adlers auf seiner Helmspitze in zwei ungleiche Längen geteilt worden wäre. Deshalb wählte man bei den silbernen DOAG-Münzen in Werten zwischen einer Viertelrupie und zwei Rupien die lateinische Umschrift GUILELMUS II IMPERATOR. Diese Version hatte den Vorteil, dass sie von anderen Kolonialmächten gut verstanden wurde. Zur lateinischen Legende auf der Vorderseite passt die deutsche Inschrift auf der Rückseite eigentlich nicht, aber die Münzgeschichte kennt solche Sprachkombinationen durchaus. Die Zwei-Rupien-Stücke entsprachen in Größe und Gewicht etwa dem Maria-Theresien-Taler und anderen vergleichbaren Silbermünzen und hatten den Wert von einem Dollar, was ihnen große Verbreitung verschaffte. Da viele Stücke abgegriffen vorkommen, kann man auf einen weiten und langen Umlauf schließen.

Ein Riese unter den DOAG-Münzen war das vor 1908 und 1909 in Hamburg mit dem Münzzeichen J geprägte Fünf-Heller-Stück. Mit einem Gewicht von 20 Gramm und einem Durchmesser von 35 Millimetern war die nur mit der Reichskrone geschmückte Kupfermünze ausgesprochen unhandlich und daher auch unbeliebt, weshalb man sie bald wieder aus dem Verkehr zog. In Hamburg und Berlin geprägte Münzen zu fünf und zehn Heller mit den Jahreszahlen 1913 und 1914 fielen deutlich kleiner aus. Da sie ein Loch in der Mitte besitzen, konnten sie auf Schnüren aufgezogen werden, was ihnen den Namen „Negermünzen“ verschaffte. Eine Besonderheit stellen die mit deutschen und arabischen Schriftzügen versehenen Ein-Pesa-Stücke aus Kupfer dar. Wegen ihres geringen Wertes sorgte das Auswärtige Amt dafür, dass nicht das Bild des Kaisers auf sie gesetzt wurde, sondern die Angabe in arabischer Schrift „Gesellschaft Deutschlands“ sowie die Jahreszahlen 1307 (für 1890), 1308 (für 1891) und 1309 (für 1892).

Elefant vor dem Kilimandscharo

Die bei Sammlern begehrten und leider häufig gefälschten Tabora-Münzen von 1916 verdanken ihre Entstehung dem Geldmangel infolge der Kappung der Verbindungen zwischen Deutsch-Ostafrika zum Deutschen Reich während des Ersten Weltkriegs. Die Kolonialverwaltung hatte Schwierigkeiten, Löhne und Sold auszuzahlen, und half sich durch Ausgabe von zahllosen interimistischen Banknoten sowie durch Prägung von Messing-, Kupfer- und Goldmünzen. Man sieht den Geldstücken zu fünf und zwanzig Heller sowie den 15-Rupien-Stücken aus Gold an, dass beim Stempelschnitt keine Meister am Werke waren. Verglichen mit den hohen Auflagen der mit Wertangaben und der Kaiserkrone versehenen Hellerstücke aus Messing ist die Stückzahl der goldenen Fünfzehn-Rupien-Münzen gering. Nach Katalogangaben wurden nur 6395 Exemplare der mit einem Elefanten vor dem Kilimandscharo sowie dem Reichsadler geschmückten Münzen geprägt. Mit ihnen hat man das vor Ort geschürfte Gold in Geld verwandelt, um Löhne und Gehälter zu zahlen.

Berühmt und berüchtigt wurde Wilhelm II. durch seine am 27. Juli 1900 in Bremerhaven vor Soldaten gehaltene „Hunnenrede“. Deren Wortlaut ist durch das Stenogramm eines Journalisten erhalten, während die Reichsregierung nur eine entschärfte Fassung der Ansprache an das nach China zur Niederschlagung des „Boxeraufstandes“ entsandte Expeditionscorps verbreiten ließ. Die umgangssprachlich „Boxer“ genannten Rebellen waren Mitglieder des Geheimbundes „Fäuste der Rechtlichkeit und Eintracht“. Sie erhoben sich gegen die weißen Kolonialherren im Reich der Mitte und wurden von den damaligen Großmächten mit großer Grausamkeit bekämpft.

Massaker im eroberten Peking Offizieller Anlass für die Entsendung deutscher Soldaten nach China war die Ermordung des Gesandten Clemens von Ketteler am 20. Juni 1900 in Peking. An der militärischen Intervention waren Truppen aus dem Deutschen Reich, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Österreich-Ungarn, Russland und den USA beteiligt. Deutschland beanspruchte nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Tod seines Gesandten bei der Strafaktion eine Führungsrolle. Wilhelm II., der eine gute Gelegenheit sah, der Welt die Größe und Schlagkraft seines an die „Sonne“ strebenden Reiches zu demonstrieren, gelang es, dass dem deutschen Generalfeldmarschall Alfred Graf von Waldersee der Oberbefehl über das gemeinsame Expeditionsheer übertragen wurde. Die militärischen Auseinandersetzungen endeten mit der Eroberung von Peking und der Niederlage der Chinesen. Als gäbe es keine Schranken mehr, tobten sich einzelne Truppenteile regelrecht aus, es kam zu Mord und Totschlag, zu Plünderungen und Vergewaltigungen. Militärs rechneten für einen getöteten „Boxer“ fünfzehn weitere Unbeteiligte hinzu, meist Leute aus den unteren Volksschichten. Die Kaiserinwitwe Cixi floh aus ihrer Hauptstadt, die von den Eroberern drei Tage lang geplündert wurde.

Sühneprinz zum Kaiser einbestellt

Da die Europäer für sich in Anspruch nahmen, die Krone der Zivilisation zu sein, wurde dieses barbarische, an antike und mittelalterliche Praktiken erinnernde Vorgehen in den Heimatländern je nach politischem Standpunkt mit Entsetzen beziehungsweise mit Genugtuung aufgenommen. Manche Deutsche sahen ganz im Sinne des Kaisers die Niederschlagung des Boxeraufstandes als gerechte Strafe für die „chinesischen Barbaren“ und wünschten sich, dass auch im Reich der Mitte der Schlachtruf „Deutschland Deutschland über alles“ voll zur Geltung kommt. Das im September 1901 beschlossene „Boxerprotokoll“ nötigte unter anderem die chinesische Regierung, für den Mord an Ketteler beim deutschen Kaiser um Entschuldigung zu bitten, eine Sühnegesandtschaft nach Berlin zu entsenden und ein Denkmal an der Stelle des tödlichen Anschlags zu errichten. China wurde verpflichtet, Reparationen in Höhe von 1,4 Milliarden Mark sowie Entschädigungen an betroffene Ausländer zu zahlen. Im September 1901 wurde durch Prinz Chun II. in Potsdam der zeremonielle „Sühneakt“ vollzogen. Dem Bruder des chinesischen Kaisers blieb erspart, im Grottensaal des Neuen Palais vor dem deutschen Kaiser niederzuknien. In der deutschen Presse wurde das demutsvolle Erscheinen des Prinzen vor Wilhelm II. mit Genugtuung registriert, doch gab es auch Kritiker, die das Verfahren als besonders demütigend und übertrieben ablehnten und neues Ungemach mit den Chinesen voraussagten.

Zweisprachiges Geld für Kiautschou

Zweisprachig sind die mit der Jahreszahl 1909 versehenen Fünf-Cent- und Zehn-Cent-Münzen von Kiautschou, einem 515 Quadratmeter großen Gebiet mit der Hauptstadt Tsingtau, das das Deutsche Reich 1898 vom chinesischen Kaiser für 99 Jahre als Hafen und Handelsplatz gepachtet hatte. Die chinesischen Schriftzeichen bedeuten nach den Angaben in den einschlägigen Katalogen „Kaiserlich deutsche Münze 20 (beziehungsweise 10) Stück auf einen Dollar Großes Geld“. Das Deutsche Reich ist durch den so genannten Marineadler präsent, kenntlich am Anker, der von den Krallen des Wappenvogels gehalten wird.

Die Blätter für Münzfreunde druckten in ihrer Ausgabe 1/1911 einen Artikel aus der örtlichen Presse vom 17. September 1910 nach, wonach in dem „Pachtgebiet“ bei den Münzen ein heilloses Durcheinander herrscht. Das traditionelle, in Käsch ausgedrückte Bronzegeld werde nur ungern verwandt und sei unterbewertet. Jetzt habe man die Nachricht erhalten, dass die Deutschen einige Millionen Stück Kleingeld aus Nickel hergestellt hätten. Da dieses Geld keiner Kursschwankung unterworfen sei, habe man es mit „tausend Freuden in Gebrauch“ genommen. „Daher kam es, dass die Menge der ausgeprägten Nickelscheidemünzen dem Bedarf des Marktes nicht genügte. Soeben erhielten wir aus Tsingtau die Drahtnachricht, dass die Deutschen einige Millionen von diesen Münzen hergestellt hätten und dass diese am 15. Sept. in Tsingtau eintreffen würden. Wehe, auch die Münzhoheit der Provinz Schantung gerät dadurch völlig in die Hand der Ausländer“.

Die Befürchtung war übertrieben, denn es wurden 1909 in Berlin nicht Millionen, sondern nur 611 431 Fünf-Cent-Münzen und 670 412 Zehn-Cent-Münzen geprägt, so dass bei einer Einwohnerzahl von etwa 200 000 Menschen im Jahr 1914, davon 4728 Europäern, von einer Überfremdung der Münzverhältnisse wohl kaum die Rede gewesen sein dürfte. Außerdem erfolgten die Prägungen stets mit der Jahreszahl 1909 über einen längeren Zeitraum. Es gibt Hinweise, dass auch die Ausgabe eines Zwanzig-Cent-Stücks geplant war. Zumindest war Kurt Jaeger, dem Altmeister der Reichsmünzenforschung, ein entsprechendes Modell bekannt.

14. April 2023