Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Was Wahlsprüche der Hohenzollern, Habsburger und anderer Dynastien auf Münzen und Medaillen bedeuten







Nachdem der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm in den englischen Hosenbandordens aufgenommen worden war, hat er auf Medaillen und Dukaten dessen Motto „Honi soit qui mal y pense“ (Ein Lump, der Schlechtes dabei denkt) um das Kurzepter gelegt. Auch der sächsisch Kurfürst Johann Georg VI. war Ritter des Hosenbandordens und schmückte die Talerklippe von 1693 mit dessen Wahlspruch und seinem Monogramm.





„Jedem das Seine“ versprechen der preußische Taler und der Dukat von 1705 und 1711, die das Porträt von König Friedrich I. mit den Insignien des Schwarzen Adlerordens verbinden. Der Porzellanteller zeigt den Stern und die Kollane (Kette) mit dem Kreuz daran.



Mit hessischen Sterntalern wurden im späten 18. Jahrhundert die Hinterbliebenen der in Amerika verbluteten Untertanen des Landgrafen Friedrich II. „entschädigt“.



Der von König Friedrich Wilhelm IV. gestiftete Preußische Hausorden verkündete mit dem Motto „Vom Fels zum Meer“ den Anspruch der Hohenzollern, ausgehend von ihrer auf einem hohen Berg gelegenen Stammburg in Baden-Württemberg über ein bis ans Meer reichendes Land zu herrschen und nur Gott verantwortlich zu sein.





Ritter zu Fuß und auf dem Pferd, Löwen, zusammen gebundene Pfeile und kernige Sprüche unterstreichen den Willen der Niederländer, sich keiner fremden Macht unterzuordnen und ihre Unabhängigkeit zu verteidigen. Spanischen Münzen sind mit den Säulen des Herkules zwischen der Alten und Neuen Welt sowie dem Spruchband PLUS ULTRA geschmückt.



Die Säulen des Herkules flankieren den Reichsadler auf dem Wappen Kaiser Karls V. und das gekrönte Staatswappen des Königreichs Spanien.



Verändert hat man während der französischen Revolution nach 1789 die Titulatur des Königs. Hieß es bis dahin ins Deutsche übersetzt „Ludwig XVI. von Gottes Gnaden König von Frankreich und Navarra“, so war schon bald „König der Franzosen“ zu lesen, womit Volksnähe und veränderte Herrschaftsverhältnisse betont wurden.





In unser Thema fallen Münzen von Staaten wie Bolivien und die USA, denen es im Laufe ihrer Geschichte gelang, sich von kolonialer Abhängigkeit zu lösen und einen eigenen Weg als Nation zu gehen. (Fotos/Repros: Caspar)

Münzen und Medaillen mit programmatischen Inschriften systematisch aufzuspüren und zu sammeln, kann ausgesprochen reizvoll und lehrreich sein. Wir sehen dabei, dass es oft große Unterschiede zwischen bekundetem Anspruch und der rauen Wirklichkeit gab und sich diejenigen, die wohlklingende Sprüche zu ihrem Lebensmotto erhoben und sie auf geprägtem Metall verewigt haben, diese in ihrem Tun und Denken vielfach missachteten. Nicht selten ist zu beobachten, dass Herrscher genau das Gegenteil von dem waren, was sie mit ihren Wahlsprüchen behaupteten, nämlich tugendhaft und gottesfürchtig, tapfer und milde zu sein. Viel häufiger als deutsche Inschriften sind die lateinisch abgefassten Wahlsprüche. In knapper Form bringen sie auf den Punkt, was einem Herrscher wichtig war und wonach sich ihre Untertanen richten sollten. Der Vorteil lateinischer Inschriften war, dass viele Leute sie auch weit vom Entstehungsort entfernt verstehen konnten, wenn sie denn lesen und schreiben konnten und die internationale Gelehrtensprache verstanden.

Oft hat man die Widmungen und Inschriften von antiken Autoren, aber auch aus der Bibel übernommen. So verhält es sich bei den Gold- und Silbermünzen des 1701 gegründeten preußischen Königreichs mit der Devise SUUM CUIQUE (Jedem das Seine). Sie war das Motto des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler, den der brandenburgische Kurfürst Friedrich III. am 17. Januar 1701, dem Vorabend seiner Krönung in Königsberg zum König „in“ Preußen gestiftet hatte. Die Auflagen der mit dem Bildnis des prestigesüchtigen Herrschers und den Insignien der höchsten Auszeichnung des Hohenzollernstaates geschmückten Taler und Dukaten waren nicht groß, was sie zu numismatischen Raritäten werden ließ. Bei ihnen und anderen Geldstücken muss man beachten, dass sie eingeschmolzen wurden, wenn das Edelmetall für neue Münzen, Schmuck und Tafelgeschirr benötigt wurde.

Jedem das Seine

Der auf Ordenssternen rund um den schwarzen Preußenadler vermerkte Wahlspruch geht auf den griechischen Philosophen Platon zurück und meint, dass jedem Menschen ein bestimmter Ort zugewiesen ist und jeder das tun soll, wozu ihn das Schicksal bestimmt hat. Im Verständnis der feudalen Ständegesellschaft mit ihrem klar definierten Oben und Unten war es niemandem erlaubt, aus diesem Korsett auszubrechen. Wie zum Hohn haben die Nationalsozialisten Sprüche wie „Jedem das Seine“ und „Arbeit macht frei“ an den Eingangstoren ihrer Konzentrations- und Vernichtungslager angebracht, um den Häftlingen zu sagen, dass sie ihren „Lohn“, genauer gesagt Haft und Tod für angeblich eigene Schuld, selber zu verantworten haben und daher Strafe zu Recht bekommen.

Manchmal lohnt es sich, Münzen und Medaillen genau anzusehen, etwa eine Huldigungsmedaille von 1740 des eben auf den preußischen Thron gelangten Königs Friedrich II., den man später einen Großen nannte. Dort ist auf der Rückseite zu sehen, wie sich der preußische Adler als „König der Natur“ über einem Felsen und einem Hafen am Meer erhebt. Das Bild drückt den Herrschaftsanspruch des jungen Königs über Länder und Menschen aus. Noch im Jahr seiner Thronbesteigung brach er, von Ruhmsucht getrieben, einen Krieg gegen Österreich um die reiche Provinz Schlesien vom Zaun. Nach drei zermürbenden und verlustreichen Kriegen konnte sich Friedrich II. erst 1763 dieser seiner wichtigsten Eroberung sicher sein.

Tugend und Treue

Mit dem Motto VIRTUTE ET FIDELITATE (Tugend und Treue) versehen ist der hessische Löwenorden, mit dem Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel Taler und Halbtaler schmückte. Dass diese mit dem preußischen Reichstaler vergleichbare Landmünze zu 24 Groschen weder mit Tugend noch mit Treue zu tun hat und von Sammlern in den USA „Blooddollar“ genannt wird, hat einen traurigen Grund. Um seine teure Hofhaltung finanzieren zu können, vermietete der Landgraf für viel Geld junge Männer an auswärtige Staaten, vor allem an Großbritannien. Dessen König Georg III. setzte sie in Nordamerika gegen Frankreich und die Unabhängigkeitsbewegung in Marsch. Angeblich sollte die Anwerbung nach Anweisung des Landgrafen nicht unter Androhung von Gewalt erfolgen, doch kam es zu solchem Zwang, dem man sich kaum entziehen konnten. Den Soldaten wurde ein sicheres Auskommen versprochen, über die wirklichen Gefahren der Seereise und über das, was sie auf dem fernen Kontinent erwartet, wurden sie nicht aufgeklärt. Über 20 000 Hessen mussten für fremde Interessen kämpfen, unzählige starben im Krieg zwischen England und Frankreich und im Kampf gegen die Unabhängigkeitsbewegung. Der mit dem Ordensstern geschmückte Taler soll zur „Entschädigung“ jener Familien verwendet worden sein, deren Väter und Söhne in Nordamerika verblutet waren oder als Verwundete die Heimat erreichten.

Mit dem Motto VOM FELS ZUM MEER ausgestattet wurde der 1851 vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. anlässlich der 150jährigen Wiederkehr der Erhebung des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. zum König Friedrich I. gestiftete Preußische Hausorden. „Diesen Unseren Königlichen Hausorden werden Wir und Unsere Nachfolger in der Krone an solche Personen verleihen, welche um die Erhaltung des Glanzes und der Macht Unseres Königlichen Hauses sich verdient gemacht, und eine besondere Hingebung an Uns und Unser Haus an den Tag gelegt haben.“ Von ihnen verlangte der König aufopferndes und mannhaftes Benehmen im Kampf gegen äußere und innere Feinde, womit drei Jahre nach der Revolution von 1848 vor allem jene Menschen gemeint waren, die sich gegen die überlebte Feudalordnung und die elende Kleinstaaterei und für die deutsche Einheit erhoben hatten. Wem kein Kreuz und Stern mit dem schwarze Adler darauf verliehen wurde, bekam eine Auszeichnungsmedaille als Lohn für die Verteidigung des preußische Königtums „getreu bis in den Tod“.

Gerechtigkeit und Milde

Was frühere und spätere Monarchen zu ihrem Wahlspruch erhoben, ist in der numismatischen und phaleristischen (ordenskundlichen) Literatur gut dokumentiert. Kaiserin Maria Theresia wählte für ihre Münzen das Motto IUSTITIA ET CLEMENTIA (Gerechtigkeit und Milde), nachzulesen auf dem Rand der nach ihr benannten, bis heute in Wien nach altem Schrot und Korn geprägten Maria-Theresien-Taler. Das Motto ET MENTE ET ARMIS auf einer 1744 geprägten Medaille wird in einem Buch von 1782 über Maria Theresia und ihre Medaillen so übersetzt: „Sie (die Königin) ist sowohl an Weisheit als dem Glück der Waffen (der Pallas) gleich.“ Franz I., der als römisch-deutscher Kaiser Franz II. von 1792 bis 1806 regierte und als Kaiser Franz I. Österreich-Ungarn bis 1835, machte IUSTITIA REGNORUM FUNDAMENTUM (Die Gerechtigkeit ist das Fundament der Herrschaft) zu seinem Motto. Schaut man sich aber an, was in den von ihm beherrschten Ländern und darüber hinaus tatsächlich geschah und wie das freie Wort und das Streben nach Gerechtigkeit brutal unterdrückt wurden, dann erkennt man die tiefe Kluft zwischen Wort und Wirklichkeit. Kaiser Ferdinand, der von 1835 bis 1848 an der Macht war, drückte sich mit RECTA TUERI (Das Recht schützen) kurz und bündig aus, ließ es aber zu, dass sein Staatskanzler Fürst Metternich das Land mit Polizeispitzeln überzog und massenhaft Oppositionelle in die Gefängnisse warf.

Diesem Kaiser folgte mit einer ungewöhnlich langen Regierungszeit von 1848 bis 1916 Franz Joseph I., der sich zu VIRIBUS UNITIS oder MIT VEREINTEN KRÄFTEN bekannte. Auf den mit seinem Bildnis und dem ungarischen Wappen geprägten Münzen ist auf dem Rand BIZALMAM AZ ÖSI ERENYBEN zu lesen, was mit „Mein Vertrauen in die alte Tugend“ zu übersetzen ist. Österreichs letzter Kaiser Karl I., der 1916 und mitten im Ersten Weltkrieg die Nachfolge des uralt gewordenen Franz Joseph I. antrat, wählte INDIVISIBILITER ET INSEPARABILITER (Unteilbar und Untrennbar) zu seinem Motto und schmückte aber seine hochseltenen Goldmünzen mit den Randschriften OMNIA CUM POPULO MEO (Alles mit meinem Volk) beziehungsweise HARCBAN ÉS BÉKÉBEN A NEMZETTEL A HAZÁÉRT (In Krieg und Frieden mit der Nation und dem Vaterland).

Einigkeit macht stark

Unterschiedliche Herrschaftsverhältnisse, politische Bindungen sowie patriotische Bestrebungen spiegeln sich in vielen Münzen und Medaillen der Niederlande wieder und zeigen, dass deren Bewohner selbstbewusst ihre Eigenständigkeit zu verteidigen verstanden. Es verwundert daher nicht, dass auf geprägtem Metall immer wieder das lateinische Motto CRESCUNT PARVAE RES PUBLIAE (Durch Eintracht wächst das Kleine) und IUCTOR ET EMERGO (Ich ringe und komme nach oben). Belgien wählte im 19. Jahrhundert UNION FAIT LA FORCE (Einigkeit macht stark) zu seinem Motto. Mit solchen Sprüchen machte man sich Mut im Kampf gegen fremde Despoten und stärkte sein Selbstvertrauen. Spanische Münzen zitieren mit PLUS ULTRA (Immer weiter) einen Wahlspruch Karls V., in dessen Kolonialreich die Sonne nie untergeht. Die spanischen Könige haben Münzen ihrer Besitzungen in der Neuen Welt mit diesem Säulenmotiv geschmückt, und auch heute sieht das gekrönte Landeswappen fast so aus wie zu Zeiten Karls V., der mit jungen Jahren König von Spanien und 1519 zum römisch-deutschen Kaiser gewählt wurde.

Schauen wir französische Münzen der Revolutionszeit an, die mit dem Sturm auf das Staatsgefängnis in Paris, die Bastille, am 14. Juli 1789 begann, können wir auffällige Veränderungen feststellen. Zwar wurde das königliche Porträt bis 1792 beibehalten, denn Ludwig XVI. war formal noch Staatsoberhaupt. Das verhasste Lilienwappen aber, das auf unzähligen unter den Bourbonen geprägten Münzen mit der Umschrift „Der Name des Herrn sei gepriesen“ zu lesen ist, wurde durch ein einen geflügelten Genius ersetzt. Er schreibt auf eine Tafel mit dem Zepter der Vernunft das Wort CONSTITUTION und unterstreicht damit, dass an die Stelle des absolut und ohne Einschränkung regierenden Königs eine neue verfassungsmäßige Ordnung getreten ist, in der alle Macht vom Volk ausgeht, wenigstens auf dem Papier. Dass während der Revolution unter dem Motto LIBERTÉ ÉGALITÉ FRATERNITÉ (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) schlimmste Verbrechen und Willkürakte gegen Feinde und Freunde begangen wurden, musst beim Anblick dieser Bilder und Inschriften beachtet werden. Weitere Zeichen der radikalen politischen Wende im revolutionären Frankreich sind die aus der römischen Antike übernommenen Rutenbündel (Fasces), die phrygische Mütze und der gallische Hahn als Symbole der neu erworbenen Freiheit. Die ersten Fünf-Francs-Stücke der französischen Republik zeigen drei Symbolfiguren – Hercules (Stärke), Libertas (Freiheit) und Aequitas (Gleichheit), darum die Inschrift UNION ET FORCE (Einigkeit und Stärke). Die Motive waren so beliebt, dass das republikanische Frankreich sie auf Münzen auch später originalgetreu oder modern abgewandelt abgebildet hat.

Aus vielem eines

Das Hartgeld europäischer sowie nord-, mittel- und südamerikanischer Staaten bietet eine Fülle von Slogans, die Freiheitswillen und Patriotismus unterstreichen und nationale, um nicht zu sagen nationalistische Gefühle anfachen. Vertieft man sich in die Geschichte dieser Staaten, dann kann man unschwer feststellen, dass es gewaltige Diskrepanzen zwischen Worten und Taten gab und auch heute gibt. Erwähnt seien hier pars pro toto E PLURIBUS UNUM (Aus vielem eines), LIBER NATUS LIBERTATEM DEFENDO (Frei geboren, verteidige ich die Freiheit), IN GOD WE TRUST (Auf Gott vertrauen wir), sowie MIND YOUR BUSINESS (Denkt an Eure Aufgabe, alles USA), ferner GLORIA EX AMORE PATRIAE (Ruhm aus Vaterlandsliebe, Dänemark), IN HOC SIGNO VINCES (In diesem Zeichen siegen, Brasilien), LIBERTAT EN LA LEY (Die Freiheit und das Recht, Mexiko), LA UNION RACE LA FUERZA (Einigkeit macht stark, Bolivien), POR LA RAZON O LA FUERZA (Entweder für Vernunft oder Gewalt, Chile) und UTRAQUE UNUM (Zwei in einem, Spanien/Mexiko).



24. März 2024