Herrscher über mehrere Länder
Auf Münzen und Medaillen kann man zahlreiche Titel lesen, manche sind aber alles andere als real



Das preußische Münzedikt aus dem Jahr 1748 kommt erst nach 17 Zeilen Aufzählung von Titeln einschließlich des Obersten Herzogs von Schlesien, was Friedrich II. seinen Untertanen sagen will. Auf Münzen und Medaillen war für diese Langatmigkeit kein Platz. Das preußische Wappen aus der Kaiserzeit zeigt Landesteile, über die die Hohenzollern herrschten.





Auf der Sixpence-Münze von 1562 ist Elizabeth I. als Königin von England, Frankreich und Irland (Hibernia) abgebildet. Das 45-Piaster-Stück von 1928 mit König Georg V. als Kaiser von Indien feiert die fünfzigjährige Zugehörigkeit von Zypern zu Großbritannien.





Der im Verlauf der Französischen Revolution von 1789 entmachtete und 1793 enthauptete König Ludwig XVI. verzichtete auf den Navarra-Titel und nannte sich nur noch König der Franzosen. Da Frankreichs Kaiser Napoleon I. ab 1805 auch König von Italien war, wurden beide Titel auf seinen Münzen und Medaillen vermerkt.





Dass sich die portugiesischen Könige auch Könige von Algarve und außerdem auf der Goldmünze von 1802 auch noch von Brasilien nannten, geht auf die lange Geschichte des Landes zurück. Spaniens Könige unterstrichen mit ihrem Titel, dass sie auch in Indien herrschen, womit aber Teile der Neuen Welt, sprich Amerika gemeint waren.



Als besonders blutrünstiger Herrscher ging König Leopold II. von Belgien unrühmlich in die Geschichte. Die von ihm beherrschte und ausgebeutete „Privatkolonie“ Kongo, wird auf dem Fünf-Francs-Stück von 1887 Freistaat genannt. Nach Bekanntwerden der „Kongogräuel“ musste er die Kolonie abgeben und wurde dafür fürstlich entschädigt. Auf Leopolds Konto gehen zehn bis 15 Millionen tote Kongolesen.



Auf seinen Münzen erscheint das eindrucksvolle Herrscherbildnis Kaiser Maximilians I. Solche Guldengroschen, die man später Taler nannte, standen im Dienst der politischen Propaganda. Der Reitertaler von 1509 dokumentiert, welche Länder ihm untertan waren und auf welche Gebiete er Ansprüche erhob.



Friedrich II. von Preußen wird auf der Huldigungsmedaille von 1741 Oberster Herzog von Schlesien genannt.(Fotos: Caspar)

Dass Doppelmonarchien auf Münzen und Medaillen genannt werden, kommt immer wieder vor. Üblich war es, dass Kaiser, Könige und weitere Fürstlichkeiten ihre aus der Vergangenheit stammenden, manchmal durch Heirat oder Erbschaft erworbene Titel langatmig auf Urkunden und Erlassen aufzählten, bevor sie zu den eigentlichen Anweisungen kamen, welche Steuern sie zahlen oder sich kleiden sollen, wie sie sich in der Kirche und auf der Straße zu verhalte haben und auch mit welchem sie Geld zahlen müssen und mit welchem nicht.

Die portugiesischen Könige trugen den Titel eines Rei do Algarve. Sancho I. von Portugal, der von 1185 bis 1211 regierte, war der erste, der sich König von Algarve und außerdem noch von Silves nach einer Stadt nannte, die so hieß. Auf der Iberischen Halbinsel, und nicht nur dort, war es Tradition, Herrschertitel von Besitztümern und eroberten Gebieten abzuleiten, was zu ellenlangen Titulaturen führen konnte. Beim deutschen Kaiser Wilhelm II. kommen außer seinem Titel König von Preußen noch weitere 30 großherzogliche, herzogliche, gräfliche und sonstige Titel zusammen, von denen die wichtigsten im Wappenschild von „Wilhelm dem Letzten“ erscheinen. Stillschweigend wurden bei der Aufzählung erloschene Titel gestrichen.

Auf dem Seeweg nach Indien

Wenn auf spanischen Münzen die Abkürzung IND. zu lesen ist, dann ist nicht der indische Subkontinent gemeint, sondern die „Indien“ genannten Kolonien auf dem amerikanischen Kontinent. Denn als der in spanischen Diensten stehende Seefahrer Christoph Columbus auf dem Flaggschiff Santa Maria und zwei weiteren Schiffen in Richtung Westen segelte und am 12. Oktober 1492 die Bahamas erreichte, glaubte er, den Seeweg nach Indien gefunden zu haben. Dabei war er mit seiner Mannschaft auf einem Eiland vor der amerikanischen Küste gelandet. Fortan nannte man die dort lebenden Menschen Indios und die Ureinwohner Nordamerikas Indianer. Heute spricht man von indigenen Völkern.

Wenn wir einzelne Länder durchgehen, dann können wir weitere Beispiele feststellen. Auf Münzen und Medaillen des 16. bis 18. Jahrhunderts tragen die Könige von Frankreich den lateinischen Titel FR. ET NAV. REX, denn ihr Reich war eine Doppelmonarchie aus dem großen Frankreich und dem kleinen Pyrenäenstaat Navarra im Norden von Spanien mit Pamplona als Hauptstadt. Von dort stammte Heinrich IV. von Bourbon. Dieser „Henri Le Bon“ (Heinrich der Gute) genannte König bestieg 1572 den Thron von Navarra und regierte Frankreich von 1589 bis zu seiner Ermordung 1610. Nach dem Aussterben des Hauses Valois war er der erste König aus dem Haus Bourbon. Um seine Herrschaft in Frankreich durchsetzen zu können, trat der Calvinist und Führer der Hugenotten zum Katholizismus über. Dabei soll er „Paris ist eine Messe wert“ gesagt haben, was nichts anderes bedeutete, dass er den Religionswechsel in Kauf nimmt, um Frankreich regieren zu können.

Toleranzpolitik brutal beendet

König Heinrich IV. tat seinem bisher von Bürgerkriegen zerrütteten Land gut, gab ihm Frieden und schuf die Grundlagen für den französischen Einheitsstaat. Das Edikt von Nantes aus dem Jahr 1598, das den französischen Protestanten freie Religionsausübung zusicherte, war einer der wichtigsten Leistungen seiner Regierungszeit. Seine Nachfolger Ludwig XIII., der bis 1640 regierte, und vor allem der Sonnenkönig Ludwig XIV., der nach ewig langer Regierungszeit und vielen Kriegen 1715 starb, wandten sich auf brutale Weise von der bisherigen Toleranzpolitik ab. Wer jetzt noch zu seinem reformierten Glauben hielt und nicht zur katholischen Kirche konvertieren wollte, war vogelfrei und schärfsten Repressalien ausgesetzt. So begann ein großer Exodus, der Frankreich schadete und protestantischen Ländern aber viel nutzte.

Schauen wir uns weiter um, dann finden wir auf englischen Münzen und Medaillen den Hinweis, dass die in London residierenden Könige zeitweilig Kurfürsten von Hannover waren und außerdem mit dem Zusatz FR im Titel weit ins Mittelalter zurück reichende Ansprüche auf Frankreich erhoben haben. Im Hundertjähriger Krieg von 1337 bis 1453 ging es um die Besitzungen der englischen Könige als Herzöge von Aquitanien in Frankreich und Ansprüche von englischen Königen auf den französischen Thron. Da sie diese aber nicht durchsetzen ließen, hat man es bis zur Barockzeit nur noch bei der Erwähnung des englischen Königstitels belassen. Nachdem sich Queen Victoria 1876 den Titel einer Kaiserin von Indien zugelegt hatte, ist dieser auf ihren Prägungen und denen ihrer Nachfolger präsent. Letzter Kaiser von Indien war Georg VI., der Vater von Königin Elizabeth II., die 2022 starb.

Oberster Herzog von Schlesien

Auf französischen Münzen des 16. Jahrhunderts finden wir den königlich-polnischen Titel. Das hatte mit König Heinrich III. zu tun, der dem 1572 kinderlos verstorbenen König Sigismund II. August als König von Polen nachfolgte. Zu nennen wären österreichisch-ungarische, schwedisch-norwegische, belgisch-kongolesische oder preußisch-schlesische Beispiele, die doppelte und noch mehr Titel nennen. Im Ergebnis der drei Schlesischen Kriege von 1740 bis 1742, 1744 und 1745 sowie 1757 bis 1763 ließ Friedrich II. von Preußen bei seinem Titel eine wichtige Ergänzung vornehmen. Für die Provinz Schlesien wurden in den frühen 1740-er Jahren in Breslau Münzen geprägt, die nicht nur den brandenburgischen Kurfürstentitel erwähnen, sondern den König als S SIL D, das heißt SUPREMUS DUX SILESIAE oder obersten Herzog von Schlesien, bezeichnen. Die Angaben kommen auf den Provinzialprägungen aus Gold und Silber in verschiedenen Versionen mit unterschiedlichen Abkürzungen vor. Mit ihnen unterstrich der König, dass er der neue Herr über die dem Haus Habsburg mit Waffengewalt entrissenen schlesischen Herzogtümer ist. In den von ihm erlassenen Gesetzen und anderen amtlichen Schriftstücken sind alle Titel aufgeführt, wobei es unerheblich war, ob sie sich auf wirklichen Landbesitz beziehen oder nur Ansprüche auf fremde Territorien erheben. Der König betonte nicht nur auf Münzen seinen schlesischen Herzogtitel, sondern tat das auch auf Medaillen, wohl wissend, dass diese für die Ewigkeit gemacht sind und seinen Ruhm in alle Welt tragen.

Wenn wir Münzen und Medaillen aus Fürstentümern des 1806 untergegangenen Römisch-deutschen Reichs und des nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 gebildeten Deutschen Bundes betrachten, dann finden wir Beispiele in großer Zahl für wirklichen oder nur angemaßten Landbesitz. Auf einem kunstvoll gestalteten Doppelguldiner, also Doppeltaler, von 1509 erscheint der „letzte Ritter“, wie man Kaiser Maximilian I. nannte, auf einem Pferd sitzend in voller Rüstung mit einer Fahne und dem Doppeladler darauf. Auf der Rückseite sind in zwei Reihen 26 Wappen jener Länder zu sehen, die dem Kaiser untertan waren. So konnte auf eine langatmige Titulatur verzichtet werden. Bemerkenswert ist auf der Rückseite des Reitertalers die Erwähnung von EUROPA, die man als Hinweis deuten kann, dass der damals mächtigste Mann weit und breit Herrscher auf diesem Kontinent sein möchte. Außer Europa kannte man damals nur Teile von Afrika, Asien und dem Nahen Osten, während man glaubte, wie schon erwähnt, Indien erreicht zu haben.

Allianz zwischen Sachsen und Polen

Das Kurfürstentum Sachsen bildete zwischen 1697 und 1765 mit dem polnischen Königreich eine Doppelmonarchie, was auf Münzen und Medaillen ausführlich gewürdigt wurde. Die polnische Königskrone erwarben die Kurfürsten Friedrich August I., genannt August der Starke, und sein Sohn Friedrich August II. in einem Wahlverfahren, bei dem nicht unbeträchtliche Bestechungsgelder an die dazu berechtigten Magnaten geflossen sind. Der reformfreudige Adlige Stanislaus August Poniatowski, ein Favorit der russischen Zarin Katharina II., wurde 1764 König von Polen und Großherzog von Litauen. Er musste machtlos zusehen, wie sein Land nach und nach in den Polnischen Teilungen nach von Österreich, Russland und Preußen annektiert wurde. Erst 1918 gelang es den Polen, ihre Souveränität zu gewinnen und das Land in eine Republik zu verwandeln. Als sich im Zusammenhang mit der Neuordnung der europäischen Landkarte Kurfürst Friedrich August III. den Titel eines Königs von Sachsen zulegte, hat ihn Frankreichs Kaiser Napoleon I. zum Herzog von Warschau gemacht, das manchmal fälschlicherweise Großherzogtum genannt wird. Es bestand im Wesentlichen aus Gebieten, die sich Preußen im Zusammenhang mit den Polnischen Teilungen im späten 18. Jahrhundert angeeignet hatte und im Frieden von Tilsit 1807 mit weiteren Territorien an andere Potentaten hatte abtreten müssen.

7. Dezember 2023