Token aus der Werkstatt der Welt
Englisches Ersatzgeld gewährt Einsichten in die Wirtschafts- und Industriegeschichte um 1800







Die in England vor und nach 1800 geprägten Token feiern Errungenschaften der Wirtschafts- und Kulturgeschichte. Die Stücke bilden eine zur Münzprägung verwendete Spindelpresse und das Innere eine Messerschmiede ab, darunter ein Messerschmied und der Dichter William Shakespeare auf Token von 1793 und 1790.



Um 1800 sorgte sich die preußische Regierung um das massenhafte Eindingen gefälschter Münzen, weshalb sie neue und fälschungssichere Designs in Auftrag gab. In der anno 1800 eröffneten Münze am Werderschen Markt haben Vater und Sohn Loos diesbezügliche Stempel geschnitten und auch Probeabschläge hergestellt. Zur Massenprägung in einer Werkstatt auf auf der Grafik rechts zu sehen, kam es nicht.



Nachprägung und Einschleusung von Kleingeld der preußischen Könige Friedrich II. und Friedrich Wilhelm III. (Foto) aus England richteten großen Schaden an. In Berlin wurde um 1806 vergeblich die Todesstrafe für die Täter gefordert.





Die Schaffung neuer Designs bei Gold- und Kupfermünzen war nach 1800 die preußische Antwort auf massenhaft aus England einströmende Falschmünzen.



Im Rahmen der Münzreform von 1821 hat man in Preußen technisch anspruchsvolle Gestaltungen eingeführt, von denen man sich größere Fälschungssicherheit versprach. Dass das nicht vollkommen gelang, zeigen im Guss- und Prägeverfahren hergestellte Machwerke aus dieser Zeit. (Fotos/Repro: Caspar)



Im Münzhandel und auf Münzbörse werden da und dort englische Token aus der Zeit um 1800 mit interessanten Darstellungen angeboten. Die medaillenartigen Prägungen aus Kupfer und Messing stellen keine bedeutenden Wertobjekte dar, aber sie sind bedeutsam als Zeugnisse der Wirtschafts- und Industriegeschichte eines Landes, das damals im übrigen Europa als „Werkstatt der Welt“ bewundert wurde. Da man in Preußen gern dort eingesetzte Dampfmaschinen und Webstühle, später auch Eisenbahnen haben wollte, schickte die Regierung in Berlin Spione aus, um in den Besitz von Konstruktionszeichnungen und Einzelteilen für den Nachbau zu erlangen.Außer den regulären, von der englischen Regierung herausgegeben Münzen gibt es eine Vielzahl von Marken und Zeichen, die als Geldersatz und zu Reklamezwecken von Firmen und Privatpersonen herausgegeben wurden. Auf diesem Gebiet taten sich vor über 200 Jahren englische Fabrikanten hervor. Sie reagierten mit ihren oft recht originell gestalteten Kupfer- und Messingstücken auf den Mangel an Kleingeld. Dass diese Token heute oft in abgegriffenem, ja kaum leserlichem Zustand vorkommen, kann man auf lange Umlaufzeiten bis weit ins 19. Jahrhundert schließen.

Ausgegeben wurden die Token erstmals Mitte des 17. Jahrhunderts. Die Stücke aus Kupfer oder Messing mit Wertangaben wie HALF PENNY, ONE PENNY oder A NORWICH FARTHING sowie Ortsangaben und dem Namen der Hersteller sind so groß wie Groschen und Pfennige. Man konnte sie in kurantes Geld umtauschen, wenn man eine bestimmte Zahl beisammen hatte. Dass viele Token abgegriffen vorkommen, deutet auf einen lange Gebrauch. Für Historiker sind die Token auch deshalb wichtig, weil sie interessante Einsichten in das Wirtschaftsleben der damaligen Zeit vermitteln. Da viele Briten nicht mit Kleingeld zahlen konnten oder wollten, aber keines zur Verfügung hatten, sprangen Privatleute und Firmen helfend ein und produzierte Marken in Werten zwischen zwei und einem viertel Penny. Diese Gepräge hatten einen zusätzlichen Vorteil, dass sich die Herausgeber mit ihren Erzeugnissen anpreisen und für sich werben konnten.

Handel, Industrie, Kultur, Wissenschaft

Wir erkennen Szenen aus dem Bergbau und der Metallverarbeitung, aber auch aus der Textilindustrie und der Landwirtschaft. Dargestellt sind Schiffe mit geblähten Segeln und Kutschen sowie Waagen als Sinnbild des Handels und Hinweis auf die Hersteller. Ferner kommen auf den Marken Gebäude und Brücken vor, aber auch Porträts und Wappen. Hinzu kommen Fabriken mit rauchenden Schloten sowie Innenansichten von Werkstätten samt dort tätigen Arbeitern, ergänzt durch Errungenschaften der damaligen Technik wie Luftballons, mechanische Webstühle oder bei der Münzprägung eingesetzte Maschinen, allen voran Spindelpressen. Abgebildet wird auf anderen Prägungen nicht nur König Georg II. und seine aus Mecklenburg stammende Gemahlin Charlotte sondern auch Vertreter der englischen Landes-, Kultur- und Wissenschaftsgeschichte wie William Shakespeare und Isaac Newton ab. Mit mit Allegorien und Figuren aus der antiken Mythologie werden auch Kriegshelden und Siege in Schlachten gefeiert, die Großbritannien um 1800 gegen Frankreich und andere Staaten zu Wasser und zu Lande führen mussten. Als die Regierung in London erkannt hatte, dass es dem Land schadet, wenn man nicht ausreichend Kleingeld aus Kupfer herstellt, gab sie dieses selber heraus. Das hatte zur Folge, dass der Bedarf an privaten Token zurück ging. Da sie interessante Einsichten in die Wirtschafts- und Kulturgeschichte der „Werkstatt der Welt“, wie man damals zu England sagte, gewähren, lohnt es sich, beim Münzhandel, auf Börsen und an anderen Orten gezielt nach ihnen Ausschau zu halten.

Erwähnt sei, dass um 1800 in England nicht nur diese Token produziert, sondern dort auch preußische Kleinmünzen gefälscht wurden. Man hat sie massenhaft ins Land der Hohenzollern geschmuggelt, was die Regierung und das Münzdepartement in Berlin auf den Plan rief. Das mit dem Design aus der Zeit Friedrichs II. versehene Kleingeld bestand fast nur aus Kupfer, seine Oberfläche war nur mit einem hauchdünnen Silberüberzug bedeckt. Mit solchen Machwerken konnten die Hersteller und ihre Helfer stattliche Profite machen. Offenbar gab es für sie auf dem Kontinent und insbesondere in Preußen Abnehmer, sonst hätte sich die Mühe nicht gelohnt und die Produzenten wären als Münzfälscher nicht ein hohes Risiko eingegangen.

Unangenehme Röte und Geiferfarben

Spezialisten bescheinigten der auf Schiffen aus England kommenden Schmuggelware, sie sei „ausnehmend gut und künstlich“, also mit großer Kunstfertigkeit und technischer Perfektion, hergestellt. Nichts sei an ihnen auszusetzen, außer dass sie nach Abnutzung des weißen Sudes, also des hauchdünnen Silberüberzugs, eine „unangenehme Röthe“ annehmen. Wenn Seeluft an die Fracht gelange, überzögen sich die Stücke mit widerwärtigen „Geiferfarben“. Solche Farbenspiele indes waren keine Besonderheit der falschen preußischen Münzen, sondern wurden auch bei vielen offiziell hergestellten Billonmünzen beobachtet, sobald sie sich im täglichen Zahlungsverkehr abnutzten.

Für die Fälscher war es nicht schwer, die mit Monogrammen, Kronen, Zahlen und Sternen versehenen preußischen Groschen und anderen Kleinmünzen nachzuahmen. Das gelang jedem einigermaßen versierten Stempelschneider ohne Mühe, und daher sah sich das Berliner Münzdepartement genötigt, energische Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die Behörde bezifferte den Schaden, der Preußen durch Einfuhr der illegal geprägten Münzen erwächst, auf einen Gesamtwert von über einer Million Talern. Das war ein gewaltiger Batzen Geld, der jede Mühe zur Abwehr lohnte. Diplomatische Vorstöße in London fruchteten nichts. Die englische Regierung zeigte Preußen die kalte Schulter, und Kontrollen an den Häfen und Drohungen mit Strafen an Leib und Leben nutzten auch nichts, denn die Täter befanden sich außerhalb der preußischen Grenzen. Also wurden der Berliner Münzstempelschneider und Medailleur Daniel Friedrich Loos und sein Sohn Friedrich Wilhelm Loos beauftragt, Stempel für neue und fälschungssichere Geldstücke herzustellen. Sie stellten Stempel für Goldmünzen und kupfernes Kleingeld her, für die englische und französische Münzen Pate standen.

Kontinentalsperre contra Geldschmuggel

Das Problem des Geldschmuggels erledigte sich von allein, nachdem der französische Kaiser Napoleon I. Ende 1806 im eroberten Berlin die gegen England, seinen Hauptfeind, gerichtete Kontinentalsperre verfügte. Mit ihr wurden die Handels- und andere Verbindungen vom Kontinent dorthin unterbrochen. Im Rahmen der Münzreform von 1821 bekam Preußen neuartige Münzen, die besser, aber nicht komplett als die bisherigen Geldstücke vor Fälschung sicher waren. Sie ging einher mit der Einziehung alter Silber-, Gold- und Kupfermünzen, die man zur Herstellung neuer Geldstücke benötigte. Silber- und Goldmünzen, ab 1845 auch Kupfergeld, wurden zum besseren Schutz vor Fälschung und Entwertung durch Befeilen am Rand in der Ringprägung hergestellt und bekamen auf der Vorder- und Rückseite Perlkreise als Einfassungen.

8. November 2023 10. März 2023