Innenansichten von Geldfabriken
Vortrag von Helmut Caspar im Verein für Münzkunde e. V. Nürnberg



Die Königliche Münze an der Unterwasserstraße in Berlin, nicht weit vom Schloss entfernt, hatte eine Vorgängerion, die klassizistisch gestaltete Geldfabrik auf dem Werderschen Markt.





Mit solchen Plaketten hat die Berliner Münze langjährige Mitarbeiter ausgezeichnet. Arbeitsabläufe in der Prägeanstalt vor und nach 1945 schildern Franz Krischker und Heinz Hoyer auf ihren geprägten Bildergeschichten.





Die Gussmedaille und die Kulturbund-Medaillen zur Siebenhundertjahrfeier Berlins 1987 bilden die schon lange nicht mehr existierenden Münzstätten auf dem Werderschen Markt und an der Unterwasserstraße ab.



Heutige Münzprägeanstalten sind weit weg von dem, was sich vor über hundert Jahren in ihren Vorgängern abspielte. Diese Grafiken zeigen, wie die Ronden gereinigt werden, bevor sie in die Prägepressen gelangen. Rechts wird das Justieren und Wiegen der fertigen Goldmünzen von einem Beamten überwacht.



Die Reichsdruckerei in Berlin-Kreuzberg hatte in der Kaiserzeit etwa 1300 Arbeiter und war in einem Gebäudekomplex mit zahllosen Seiten- und Hintergebäuden mit vier Höfen auf einer Fläche von 100 000 Quadratmetern untergebracht. Die Grafik zeigt, wie die Druckbogen unter strenger Aufsicht begutachtet und sortiert werden. (Fotos/Repros: Caspar)

Im Unterschied zu Einblicken in Wertpapier- und Geldscheindruckereien gibt es nicht wenige Reportagen und Informationen über das, was vor langer Zeit in Münzprägeanstalten geschah. Wir kennen Bilder und ausführliche Beschreibungen aus der Zeit vor und nach 1900 über die dort eingesetzten Geräte und Maschinen. Hinzu kommen Informationen über die Arbeits- und Lebensverhältnisse der in den Münzstätten beschäftigten Personen, und manchmal wird auch mitgeteilt, wie sie bezahlt wurden. Oft gab es nur jämmerliche Löhne, die aber etwas über denen lagen, die man anderen Arbeitern und Handwerkern zahlte. Vor und nach 1900 wurden „Innenansichten“ von Prägeanstalten publiziert, das Interesse an Reportagen und Bildern muss groß geworden sein.

Der Zufall wollte es, dass mir die Reportage „Eine Wanderung durch die Königliche Münze in Berlin“ in die Hände fiel. Verfasst von Ernst Seiffert, erschien der Beitrag in der von dem Stuttgarter Verleger Hermann Schönlein gegründeten „Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens“ (Jahrgang 1915, Bd. 2, Seite 165-177). Schönlein dürfte vor allem Lesern und Freunden der Romane von Karl May bekannt sein, denn er hatte zwischen 1876 und 1879 in seinen Zeitschriften dessen fantasievoll ausgeschmückte Beiträge über fremde Zeiten und Welten publiziert. Die zwischen 1876 und 1962 herausgegebene „Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens" kostete „pro elegant gebundenem Band“ 75 Pfennige und fand nach einem zeitgenössischen Urteil „größten Beifall“. Angesprochen wurden vor allem „mittlere und untere Bevölkerungsschichten“. Die Sammlung orientierte sich an damals beliebten bürgerlichen Almanachen und Taschenbüchern. Vertrieben wurde die „Bibliothek“ anfangs durch Kolporteure, die mit ihren Büchern und Schriften von Haus zu Haus gingen und daher auch Hausierer genannt wurden. Doch konnten die 13 Bände pro Jahr auch in Buchhandlungen gekauft werden. Die damals beliebten Kolportageromane haben bis heute wegen seichter Inhalte keinen guten Ruf, sind aber als Zeitzeugnisse nicht uninteressant.

Urtümlich anmutende Verfahren

Wie man in der Kaiserzeit in Berlin Reichsmünzen hergestellt hat, war Thema eines Vortrags mit vielen Bildern des Berliner Numismatikers und Historikers Helmut Caspar am 10. Juli 2024 in der Gesellschaft für Münzkunde e. V., die regelmäßig im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg zusammenkommt. Der Referent nahm seine Zuhörer mit auf eine Reise durch die Königliche Münze an der Unterwasserstraße in Berlin und die im Bezirk Kreuzberg tätige Reichsdruckerei auf der Basis von Beschreibungen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg mit. Im Unterschied zu den geheimnisumwitterten Vorgängen bei der Herstellung von Banknoten und Wertpapieren schilderte der Reporter Ernst Seiffert 1915, wie aus Gold, Silber und Kupfer Geldstücke mit dem Reichsadler auf der Rückseite produziert wurden.

Das manchmal mit lyrischen Worten geschilderte Verfahren mutet uns heute recht urtümlich an, war aber damals das Modernste, was auf diesem Gebiet möglich war. Eingesetzt waren hoch effektive Maschinen vom Gießen der Münzmetalle, über die Walzen, Stanzen und Justieren bis zur Prägung auf Kniehebelpressen, die damals zwischen 70 und 120 große Geldstücke in der Minute schafften. Aus gutem Grund ging Paul Lindenberg in seinem Buch über Berliner Sehenswürdigkeiten von 1895 bei der Beschreibung der Reichsdruckerei nicht ins Detail, sondern beließ es mit Arbeitsabläufen in allgemein gehaltener Sprache. Helmut Caspar vermittelte, weitere Quellen nutzend, eine Ahnung davon, wie aus faserhaltigem Wilocox-Spezialpapier bestehenden Banknoten aus Sicherheitsgründen an verschiedenen Orten gefertigt und erst ganz zum Schluss ihren letzten „Schliff“ durch Aufdruck der Seriennummern erhielten.

Pulsschlag des Großstadtlebens

Nach einem Dank an den Münzdirektor Paul Brinkmann, der für den reibungslose Ablauf der Münzfertigung vom Schmelzen, Gießen, Walzen und Scheiden des Metalls bis zum fertigen Geldstück zuständig ist, tritt der Verfasser auf die Straße und wird poetisch. „Der Besucher der königlichen Münze muss sich erst wieder zurechtfinden im Alltagsgetriebe, muss erst wieder sich begreiflich machen, dass viele dieser Menschen hier draußen auf der Straße hasten und eilen, nur um ein Fünfmarkstück zu verdienen, dass sie einen ganzen Tag ihres Lebens hingeben, nur um eines dieser blanken runden Stücke zu erhaschen. Was da drinnen in der Münze lagert, würde genügen, um jedem, der heute Mittag hier atemlos vorüberstürmt, für lange Zeit ein geruhiges Leben zu schaffen. Doch die Menschen achten des ernsten Baus der Königlichen Münze kaum, jagen nach dem Nächstliegendem, denn zu fernen Träumen lässt ihnen der scharfe Pulsschlag des Großstadtlebens kaum Zeit noch Kraft. Dem Wissenden aber will es scheinen als sei dieses Münzgebäude eine gewaltige Großmacht, eine Quelle von Menschenglück und Menschenleid, ein Glücksherd und eine Unheilsschmiede.“

Wenn sich der Besucher noch einmal zurück wendet, schreibt Seiffert weiter, und das hohe, schwere, schweigende Eingangstor zur Münze betrachtet und dann wieder auf den Straßen das ringende, pochende, atmende Leben sieht, würden ihm gleich einer scherzhaften Glosse die Worte des Staatsministers in der Kaiserpfalz aus Goethes Faust in den Ohren klingen: ,Die Goldespforten sind verrammelt, / Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt, / Und unsere Kassen bleiben leer'- Wie in der Münze walzt Verfasser an seinem Schreibtisch die Sätze zu langen Bändern, glüht und reinigt sie, prägt Worte, zählt und wiegt sie ab – „alles, um etwas von dem großen klingenden Strom auf sich abzuleiten. Ach, wir Armen!“

Die alte Reichsdruckerei wurde auf einem weiträumigen Gelände zwischen Oranien, Alte Jacob- und Kommandantenstraße von 1879 bis 1882 nach Plänen von Karl Busse, des Architekten und Direktors der damaligen Staatsdruckerei, im Neorenaissancestil errichtet, vergleichbar mit dem etwas früher erbauten Roten Rathaus in Berlin. Von diesem Bauwerk blieben nach erheblicher Kriegszerstörung einige Teile erhalten, die in Neubauten integriert wurden. Ein von dem Architektenbüro Nayerer, Hanson, Heidenreich, Martinez und Schuster gestaltetes Gebäude wurde 1997 übergeben. Ein Bürogebäude für die Forschungsabteilung, Labore und Ausbildungswerkstätten wurde 2001 eröffnet. Ganz und gar ist für Unbefugte der Tresor gesperrt, in dem sämtliche Erzeugnisse der Bundesdruckerei auf ihren Weitertransport warten.

Papier mit feinen Pflanzenfasern

Im Buch von Paul Lindenberg „Berlin in Wort und Bild“ von 1895 werden in Umrissen Stationen des sehr teuren und langwierigen Herstellungsprozesses von Banknoten geschildert. Lindenberg stellt zunächst fest, dass das Unternehmen für den Druck „einzelner schwieriger Werke mit Illustrationen in Farbendruck oder Heliogravure sowie besonderer graphischer Kunstblätter“ höchste Anerkennung verdient. Eingehend befasst er sich mit der Herstellung von Papiergeld, bei dem allerhöchste Sicherheitsstandards gelten. „Das Papier ist bekanntlich mit feinen Pflanzenfasern durchzogen, welche mittelst sehr zweckdienlicher, aber äußerst kostspieliger Maschinen in die Masse verwebt werden, sodass eine Fälschung kaum möglich ist, ohne nicht sofort als solche erkannt zu werden. Das zum Druck präparierte Papier gelangt in den Kupferdrucksaal, woselbst eine größere Anzahl Handpressen wie eine Schnellpresse thätig sind; die zum Druck der Geldscheine nötigen Kupferstichplatten – stets achtfach galvanisch vervielfältigt als Druckplatte für acht Kassenscheine – werden auf heißen Eisenplatten erwärmt, dann mit blauer Farbe eingerieben, wozu sich der betreffende Arbeiter erst mehrerer Tücher, schließlich seiner Handfläche bedient, hierauf auf den Tisch der Maschine gelegt und mit dem leicht angefeuchteten Papierbogen bedeckt, über welchen ein weiches Tuch gebreitet wird, worauf sich der Tisch auf Schienen unter die Druckpresse bewegt.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg liefen in den von den Amerikanern, Briten und Franzosen besetzten Westzonen Berlins zunächst Noten der Bank deutscher Länder um, die nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland in Deutsche Bundesbank umbenannt wurde. Ihr oblag die Emission der auf Deutsche Mark laufenden bundesdeutschen Geldscheine, die in der Bundesdruckerei in Berlin-Kreuzberg beziehungsweise in Neu Isenburg sowie in der Wertpapierdruckerei Giesecke & Devrient in München hergestellt wurden.

17. Juli 2024



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