Zur Behebung des Kleingeldmangels
In Westfalen kamen während des 16. bis frühen 19. Jahrhunderts ungewöhnliche Kupfermünzen heraus

Die Miniatur von 1625 aus einem in Neumark in der Oberpfalz gefertigten Stammbuchblatt gewährt einen Blick in eine Münzschmiede, wie sie auch bei der Prägung von westfälischem Kupfergeld zur Verfügung gestanden haben könnte. Der junge Mann rechts ist durch das Narrenkostüm als Münzlehrling gekennzeichnet.





Das mit einem Rad geschmückte Zwölf-Pfennig-Stück von 1615 stammt aus Osnabrück. Mit einem Gegenstempel hat das Domkapitels von Münster das kupferne Vier-Schilling-Stück von 1608 mit einem Reiter darauf gezeichnet.







Künstlerisch aufwändige Wappendarstellungen, Allegorien und Stadtansichten wie man sie auf Talern und Dukaten erkennt, wurden, wie hier zu sehen auf Kleinmünzen aus Beckum und Coesfeld, nicht gebraucht.





Die westfälischen Kupfermünzen waren regional kursierende Zahlungsmittel des sprichwörtlichen „kleinen Mannes“. Größere Summen wurden üblicherweise mit Gold- und Silbergeld beglichen. Stadtwappen wie hier auf Kupfergeld aus Dülmen 1622 signalisierten deren Umlaufgebiet.



Die Scheidemünzen weisen zumeist ein einfaches Design auf, weshalb die Stempelherstellung nicht viel kostete und sich daher auch günstig auf den Münzgewinn auswirkte. Illustration aus dem Westfalen-Buch von Joseph Weingärtner (1872). (Fotos/Repros: Caspar)

Es gehört zu den Besonderheiten der westfälischen Münzgeschichte, dass einige Fürstentümer und Städte statt Silbermünzen herzustellen solche aus Kupfer prägten. Münster und Soest eröffneten 1543 und 1559 die Serie mit Pfennigen, es folgten Osnabrück 1566, Werl 1556, Warendorf 1574, Coesfeld 1578, Ahlen 1584, Dülmen 1590, Haltern 1593, Beckum 1595, Wiedenbrück 1596, Rheine 1602, Werne 1602 und Hamm 1609. Anfangs sei es den Städten um die Behebung des Kleingeldmangels gegangen, der sich im täglichen Leben empfindlich bemerkbar machte, schreibt Peter Berghaus in seiner „Westfälischen Münzgeschichte des Mittelalters“ (1974). Doch bald habe sich gezeigt, dass die Kupferprägung einen willkommenen Zuschuss für die Stadtkasse ergab.

Die Städte holten für ihr Vorhaben die Einwilligung der jeweiligen Landesherren ein, manche aber prägten Kupfergeld auch ohne Genehmigung. In seiner „Beschreibung der Kupfer-Münzen Westfalens nebst historischen Nachrichten“ (1872) hat Joseph Weingärtner diese Spezies als Besonderheit charakterisiert, wie sie nirgend woanders zu finden sind. „Wohl in keinem Lande Deutschlands kommen von einer in demselben Jahre geprägten Münze so zahlreiche Verschiedenartigkeiten der Stempel vor, als es hier der Fall ist; häufig beschränken sie sich auf Abkürzungen der Worte um einen oder ein Paar Buchstaben, auf Verzierungen, Scheidezeiten u. s. w.“, schreibt der Autor und fügt hinzu, in Westfalen gebe es an einem und demselben Ort gleichzeitig eine Münzstätte des Bischofs, des Domkapitels und der Stadt. Selbst Herrscher über unbedeutende Gebiete hätten das Münzrecht ausgeübt, während ihre Städte ebenfalls Münzen geschlagen habe.

Zahlreiche Ge- und Verbote

Unter den umlaufenden beziehungsweise eingezogenen Münzen gab es zeitgenössische Fälschungen, was nicht anderes bedeutet, als dass die kupfernen Pfennige und Schillinge durchaus begehrt waren und eine gewisse Kaufkraft besaßen. Weingärtner hat sich in seinem Buch über Westfalens Kupfermünzen ausführlich und anhand von damaligen Verfügungen mit den Ge- und Verboten befasst und geschildert, welche Probleme es gab, mit der Flut von eigenen und fremden Münzen Herr klar zu kommen. Nach ihm haben sich Numismatiker wie Peter Berghaus, Wilhelm Döll, Karl Kennepohl, Hans Krusy und andere mit dem Thema befasst und ihm neue Erkenntnisse abgewonnen. Im Münzhandel werden ab und zu ganze Sammlungen oder auch Einzelstücke angeboten.

Die Kupferserie begann 1543 in Münster und endete 1805 in Osnabrück. Da die beteiligten Stände keine oder nur geringe Edelmetall-Ressourcen besaßen wie andere, besser situierte Kommunen oder Fürstentümer und das Silber am Markt teuer einkaufen mussten, halfen sie sich dadurch, dass sie billiges Kupfer statt des teuren Silbers verarbeiteten. Die Kupfergepräge waren schlicht gestaltet und zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt. Mit ihnen konnten und wollten die beteiligten Münzstände keinen Staat machen, sie wurden auch nicht zur Repräsentation gebraucht. Es gab allerdings auch Ausnahmen. So ehrten die Fürstbischöfe und das Domkapitel von Münster den reitenden und sitzenden Apostel Paulus auf Kupfermünzen und stellten sich auf ihnen mit den Insignien ihres Standes zur Schau. Es kommen überdies Münzen mit Heiligen- und Reiterdarstellungen vor. Doch bilden sie in der Masse des nur mit Wappen und Zahlen versehenen Kupfergeldes eine Ausnahme.

Zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt

Sammler wissen, dass viele Kupferstücke unterschiedliche Werte repräsentieren, aber gleich oder ähnlich groß sind. Nur die eingeprägten arabischen oder römischen Zahlen machten den Unterschied aus. Obwohl sie ein Mauerblümchendasein fristen, sind die herausragende Zeugnisse der Regional-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte, und wenn man systematisch nach ihnen Ausschau hält und sie alle in seinen Besitz bringen möchte, muss man viel Geduld und Sammlerglück mitbringen. Denn da diese Spezies zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt war und man sie auch nicht des Aufhebens für würdig hielt wie etwa Silbertaler und Goldmünzen, verschwanden sie, unansehnlich und abgegriffen, wie sie waren, wieder im Schmelztiegel als Rohmaterial für eine neue Münzserie oder für andere Zwecke. Wir können sicher Joseph Weingärtners Aussage zustimmen, dass Münzsammler in Bezug auf mehrere Länder und Städte Westfalens nie zum Abschluss kommen werden, weil es so viele verschiedene Stempel gibt.

Zunächst hat man im Bistum Münster geprägtes Kupfer als eine Art Quittung benutzt, wenn etwas zu bezahlen war, aber gerade kein silbernes Geld bei der Hand war. Man erwartete, dass die Marken bald wieder gegen kurantes Geld eingetauscht werden können. Mehr und mehr drangen die vom Domkapitel ausgegebenen Kupferstücke in den allgemeinen Geldverkehr ein und wurden bald wie normale Zahlungsmittel verwendet. Die durch Kriege und Katastrophen in Not geratenen Städte haben ihre Einwohner bei der Vorlage der Kupferstücke auf bessere Zeiten vertröstet und versprochen, sie bald in kurantes Geld einzuwechseln. Bei den Kupfermünzen rechnete man nach Schillingen und Stübern. Zwölf Pfennige gingen auf einen Schilling, von denen mal hier 28 und woanders aber nur 24 oder 21 auf einen Reichstaler gingen, je nach Stadt und Region. Auch die Stüber wurden unterschiedlich zwischen acht und vier Pfennige bewertet, weshalb der Reichstaler zwischen 40 und 50 Stüber berechnet wurde.

Beim Geldwechsel ließ sich gut verdienen

Man kann sich gut vorstellen, welche Probleme man beim Umrechnen von Kupfergeld in kurantes Silber und Gold hatte, aber auch, was sich beim Geldwechsel verdienen ließ. Von den Städten und den fürstlichen Landesherren veröffentlichte Tabellen erklärten, wie die einzelnen Sorten zu berechnen sind. Um Kupfermünzen benachbarter Städte zum Umlauf im eigenen Gebiet zuzulassen, hat man sie mit Gegenstempeln signiert. Doch nicht immer waren solche Kontermarken willkommen, denn es kam auch vor, dass solche Geldstücke von der Obrigkeit verboten wurden, also wertlos waren. Es gab immer wieder Aufrufe, bestimmte Sorten binnen weniger Tage bei den Kassen einzuliefern, um sie stempeln zu lassen oder auch in andere Münze umzutauschen.

Ab und zu kommt das Kleingeld in Funden vor, doch da es aus Kupfer besteht, ist sein Zustand nicht gut. Erwähnt sei, dass mit den Münzen allerhand Missbrauch getrieben wurde. Nicht nur, dass man sie wegen des zumeist nachlässigen Stempelschnitts und der manuellen Prägeweise am Amboss beziehungsweise auf dem Klippwerk gefälscht hat. Man hat sie mitunter bei Kollekten in den Kirchen gespendet, was Pfarrer und Kirchgemeinden in Rage brachte und die Obrigkeiten zu Verboten veranlasste. In einer von Paul Bamberg in den „Blättern für Münzfreunde“ (Heft 4/1934, S. 79) publizierten Verordnung, gegeben im sächsischen Pulsnitz am 16. April 1676, wird festgestellt, man habe missfällig erfahren, dass viele kupferne und nichtswürdige Münzen, die anderswo gänzlich verboten sind, von gewinnsüchtigen Leuten in die Klingelbeutel geworfen werden, wobei nicht bedacht werde, dass sie dadurch nicht Menschen, sondern Gott betrügen. Wer sich künftig erlaubt, dergleichen Kupfer- und Messingpfennige zu spenden, werde streng bestraft. Über die Wirkung der Weisung ist nur bekannt, dass Gemeindemitglieder genötigt wurden, speziell für die Kollekte angefertigte Kirchenpfennige aus Edelmetall zu kaufen und in die Kollekte zu geben. Ob man auch im Westfälischen mit minderwertigen Münzen Schabernack getrieben und Gott und die Kirche hintergangen hat, könnten nur Nachforschungen vor Ort ergeben.

13. Mai 2023