Bürgermeisters Vermögen geborgen
In Wettin kamen nach dem Dreißigjährigen Krieg vergrabene Taler und Groschen ans Tageslicht



Der Talerschatz kam als großer Klumpen im Hof eines alten Hauses in Wettin ans Tageslicht und wird nach und nach restauriert.



Die sächsische Markgrafen-, Kurfürsten- und Königsdynastie leitet ihren Familiennamen von der Burg Wettin her, weshalb man auch verkürzt von den Wettinern analog zu den Hohenzollern und Habsburgern spricht. Über der Stadt an der Saale ragt auf der alten Postkarte majestätisch die Stammburg der Wettiner.





Der Wettiner Fund enthält sächsische, mansfeldische, braunschweigische und andere Taler sowie kleinere Werte, die sich in Wettin über 150 Jahre als Rücklage für schwierige Zeiten angesammelt haben.



Auf dem Dresdner Fürstenzug sind die Könige Johann, Albert und Georg hoch zu Ross dargestellt. Albert war der Stifter dieser ungewöhnlichen Ahnengalerie.





In der Größe eines Fünf-Mark-Stücks mit der bei den Reichsmünzen verwendeten Kennung E für die sächsische Münzstätte Muldenhütten kam 1889 zum Wettinjubiläum eine Medaille heraus, die in Kataloge der deutschen Münzen seit 1871 aufgenommen wurde, denn im Kaiserreich waren Gedenkmünzen erst ab 1901 zugelassen. Die Ausgabe zeigt, wie die Sachsen der thronenden Saxonia huldigen.






Die Medaillen von 1889 mit dem Bildnis von König Albert feiern das achthundertjährige Jubiläum des Hauses Wettin mit der Nachbildung eines Brakteaten des Markgrafen Heinrich I., der 1081 von Kaiser Heinrich IV. die Mark Meißen als Lehen erhielt und damit Ahnherr der Dynastie wurde. Darunter bekränzt Saxonia das gekrönte Landeswappen.



König Albert und ein Ahnherr der Albertinischen Linie des Hauses Wettin, Herzog Albrecht, schmücken eine Ausgabe von 1889. Fotos/Repros: Caspar und Landesdenkmalamt Sachsen-Anhalt

Bei Bauarbeiten in Wettin, einem Ortsteil der Stadt Wettin-Löbejün in Sachsen-Anhalt, haben ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger einen Schatz mit Münzen aus dem 16. und 17. Jahrhundert entdeckt. Seit 2018 betreut der Verein „Altstadt Wettin“ ein Ackerbürgergehöft in der Brauhausgasse im Zentrum der Stadt, das vom Abriss bedroht war. Der Bau mit repräsentativer Fassade zur Straße wurde in der zweiten Hälfte des 16. oder im beginnenden 17. Jahrhundert errichtet. Wettin war im und nach dem Dreißigjährigen Krieg eine wohlhabende Stadt, deren gutes Bier überregional geschätzt wurde. Hausbesitzer waren wohlsituierte Bürger, worauf ein kleines Sitznischenportal aus der Zeit um 1550 belegt. Die Geschichte des Hauses und seiner Besitzer lässt sich über Schriftquellen bis in die Zeit des ausgehenden Dreißigjährigen Krieges zurückverfolgen. Das Haus gehörte zur Zeit der Vergrabung der Münzen einem gewissen Johann Dondorf, der zu den reichsten Bürger Wettins gehörte und seit Ende der 1660er-Jahre auch Bürgermeister war. Sein Einkommen erwirtschaftete er vornehmlich aus der Landwirtschaft sowie Weinanbau und Braurechten.

Alte Taler und Groschen

Der Schatz kam etwa 50 Zentimeter unter dem heutigen Bodenniveau ans Tageslicht, als im Hof ein Graben für eine neue Abwasserleitung angelegt werden sollte. Die 285 grünlich verfärbten Silbermünzen lagen zu einem Klumpen verdichtet ohne schützendes Gefäß oder Beutel in der Erde. Zu mehr als die Hälfte besteht der Fund aus deutschen und ausländischen Talern, der Rest sind Talerteilstücke und Groschen. Die älteste Münze des Fundes ist ein sächsischer Groschen von 1499 geprägt, die Schlussmünze stammt aus dem Jahr 1652. Dass solche Schätze im Dreißigjährigen Krieg vor marodierenden Soldaten versteckt wurde, ist nicht ungewöhnlich. Warum das aber nach dem bis dahin schlimmsten aller Kriege geschah, ist nicht bekannt.

Das angesparte Geld dürfte in den späteren 1650er-Jahren vergraben worden sein. Der aus „hoch silberhaltigen Münzen“ bestehende Schatz stellt nach Aussagen der Archäologen einen stattliches Vermögen dar. In ihm sind kurfürstliche und herzoglich-sächsische Münzen sowie solche aus den Grafschaften Hohnstein und Mansfeld besonders gut vertreten. Aus Braunschweig und Österreich, der Schweiz und Süddeutschland stammen weitere Geldstücke. Zwei Taler aus Italien lassen auf eine Kaufmannfamilie schließen, die auch im Fernhandel tätig war. Dass sich in solchen Funden in- und ausländische Münzen mischen, ist nicht ungewöhnlich, denn man schätzte vor allem das Metall und sah weniger darauf, woher ein Geldstück kommt und wie alt es ist.

Hort der Kunst und Wissenschaft

Nach der deutschen Reichseinigung von 1871 spielte Sachsen zwar wegen seiner großen Wirtschaftskraft und kulturellen Ausstrahlung eine wichtige Rolle im preußisch dominierten Kaiserreich. Politisch aber war das Land aber nur noch ein Anhängsel des mächtigen Nachbarn. Die Könige von Sachsen machten Sachsen zu einem Hort der Kunst, Kultur und Wissenschaft. Die nach König Johann und seinem Sohn Albert benannten Museen, das Johanneum am Altmarkt und das Albertinum auf der Brühlschen Terrasse, besitzen in der Dresdner Kulturlandschaft einen hervorragenden Ruf.

Als König Johann am 29. Oktober 1873 starb, folgte ihm sein Sohn Albert auf den Thron, ein Mann von militärischem Schrot und Korn. Er veranlasste die Errichtung des von Johannes Schilling geschaffenen Reiterdenkmals seines Vaters vor der Semperoper auf dem Dresdner Theaterplatz, ließ aber auch den „Fürstenzug“ anlässlich der Achthundertjahrfeier des Hauses Wettin 1889 an der Außenwand des Langen Gangs des Dresdner Schlosses anbringen. Das aus zahllosen bemalten Porzellanfliesen der Meißner Manufaktur bestehende Wandgemälde an der Nordwand des Stallhofgebäudes an der Augustusstraße feiert 35 wettinische Markgrafen, Kurfürsten und Könige hoch zu Ross.

Ungewöhnliche Ahnengalerie

Mit der Ahnengalerie, die von mittelalterlichen Herolden, Spielleuten und Fahnenträgern angeführt wird, feierten die Wettiner sich selbst. „Du alter Stamm, / sei stets erneut / in edler Fürsten / Reihe, / wie alle Zeit / dein Volk dir weiht / die alte deutsche Treue“ lautet die Inschrift am Beginn der Bilderfolge. Dargestellt sind die Herrscher nicht als Reliefs sondern illusionistisch in schwarzen und grauen Farben auf goldenem Grund. Der 1872 bis 1876 von Wilhelm Walter entworfene und zunächst in witterungsanfälliger Graffitito-Technik ausgeführte Wandfries misst 101 Meter und umfasst achthundert Jahre Fürsten- und Landesgeschichte. Schon nach 30 Jahren befand er sich in solch schlechter Verfassung, dass er auf Fliesen der Meißner Porzellanmanufaktur übertragen werden musste.

Wie durch ein Wunder hat der Fürstenzug das Bombeninferno vom Februar 1945 überstanden, bei dem die Dresdener Innenstadt fast vollständig zerstört wurde. Die Inschrift „Ein Fürstenstamm / dess Heldenlauf / reicht bis / zu unsern Tagen, / in grauer Vorzeit / ging er auf / mit unsers Volkes / Sagen“ beendet das Wandbild, das dem Betrachter Sachsen als heile Welt voll Glanz und Gloria vorgaukelt. Die Bilderfolge zeigt nur Männer, ganz zum Schluss sind ein paar Kinder als Dekoration hinzugefügt. Frauen kommen im Geschichts- und Gesellschaftsbild des späten 19. Jahrhunderts offenbar nicht vor. Obwohl solche Fürstenverherrlichung nicht ins ideologische Konzept der Marxisten-Leninisten in der DDR passte, hat man sie vor Jahrzehnten restauriert und fast 700 beschädigte oder verloren gegangene Fliesen aus Meißen ergänzt.

Macht euern Dreck alleene

Von inneren Schwierigkeiten und den Forderungen der im Kaiserreich als „rot“ verschrienen Sachsen an ihre Herrscher nach Mitbestimmung und bessere Lebensverhältnisse ist weder auf dem Dresdner Fürstenzug noch auf den zum Wettinjubiläum von 1889 geprägten Medaillen und weiteren Ausgaben dieser Zeit zu erkennen. Sachsen spielte bis zum Ende der Monarchie in den Wirren der Novemberrevolution 1918 im Deutschen Reich wie andere Monarchien auch eine untergeordnete Rolle. Dem letzten Wettiner auf dem sächsischen Thron, Friedrich August III., wird bei seinem Machtverzicht in der Novemberrevolution 1918 der Satz zugeschrieben „...dann macht doch euern Dreck alleene!“.

Zwar soll der volksnahe König dieses Zitat stets bestritten haben, seiner legeren Einstellung zu einer Frage, die nicht mehr zu ändern ist, würde es gut entsprechen. In seinem Gedicht „Königswort“ machte sich Kurt Tucholsky über den letzten Wettiner auf dem Thron in Dresden so lustig: „Edler König! Du warst weise! / Du verschwandest still und leise / in das nahrhafte Zivil. / Das hat Charme, und das hat Stil. / Aber, aber unsereiner! / Sieh, uns pensioniert ja keiner! / Und wir treten mit Gefühle / Tag für Tag die Tretemühle. / Ach, wie gern, in filzenen Schuhen / wollten wir gemächlich ruhen, / sprechend: ,In exilio bene!/ Macht euch euern Dreck alleene!'“

13. Juni 2024

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