Zehner statt Groschen
Wie nach der Reichseinigung von 1871 die Umstellung vom Taler auf Mark und Pfennig gelang



Die Gros tournois genannten Silbermünzen französischer Könige verliehen der ganzen Gattung den bis heute gebräuchlichen Namen.



Ein segnender Kirchenfürst schmückt den Groschen, den Dietrich von Boppard als Bischof von Metz im 14. Jahrhundert schlagen ließ.



Preußische und andere Silbergroschen hatten nach der deutschen Einigung von 1871 ausgedient, blieben aber eine Zeitlang noch im Umlauf. Das diese Münzen in großen Mengen eingezogen und eingschmolzen wurden, sind sie heute relativ selten und werden bei hervorragender Erhaltung gut bezahlt.



Die Königliche Münze an der Unterwasserstraße in Berlin versorgte das Kaiserreich mit unzähligen Geldstücken und Medaillen.





Nach der Reichseinigung von 1871 löste die in hundert Pfennige unterteilte Mark den Taler ab. Neu waren das Zehnpfennigstück und die dezimale Einteilung der Mark.



Die Auflage der Reichsmünzen richtete sich nach der Größe der jeweiligen Bundesstaaten. Das Zwanzig-Mark-Stück von Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha ist mit einer Auflage von nur 1000 Exemplaren extrem selten und erzielt auf Auktionen exorbitante Preise.



Weil dem Bremer Fünf-Mark-Stück von 1904 der Perlkreis auf der Vorderseite fehlte, musste die Auflage vernichtet werden, nur wenige Stücke galangten in Sammlerhände. (Fotos/Repros: Caspar)

Der uns noch aus der Zeit vor der Einführung des Euro 2002 bekannte Groschen bezieht seinen Namen auf eine massenhaft seit dem Mittelalter geprägte Silbermünze. Schwerer als alle Nominale auf der Jahrhunderten zuvor, löste das auch Grossus denarius oder Dicker Pfennig genannte Geldstück im 13. Jahrhundert die leichten Brakteaten und andere Geldstücke ab. Benannt ist der Groschen nach dem Gros tournois, der 1266 vom französischen König Ludwig IX. in der Stadt Tours aus der Taufe gehoben wurde. Der Erfolg der Turnose, wie man diese Münze auch nannte, war so groß, dass man sie vielfach nachgeahmt hat. Als Mariengroschen, Engelgroschen, Löwengroschen, Bauerngroschen, Zinsgroschen sowie Apfel-, Schild- und Schwertgroschen erlebte die Münze einen Siegeszug sondergleichen, bis sie nach vielfältigen Modifikationen im Zusammenhang mit der Einführung des Euro 2002 Geschichte wurde.

Neue Schreibweise auf Rechnungen

In den Münzgesetzen nach der deutschen Reichseinigung von 1871 ist einiges über die Namensgebung des neuen Reichsgeldes zu finden. Gulden, Kreuzer und andere lieb gewordene Nominale sollte es nicht mehr geben, weil man sie mit den alten, nunmehr ausgemusterten Geldstücken hätte verwechseln können. Deshalb wählte man die Begriffe Mark für den bisherigen 1/3-Taler oder das 35-Kreuzer-Stück süddeutscher Prägung. Indem die nach dem alten Silbergeld norddeutscher Städte und Fürstentümer benannte Mark in 100 Pfennige unterteilt wurde, bekannte sich das neue Deutsche Reich unumkehrbar zur Dezimalwährung. Abgelehnt wurde die Bezeichnung Groschen für das Zehnpfennigstück, weil es mit älteren, noch überall umlaufenden Kleinmünzen hätte verwechselt werden können. Dafür aber wurde eine neue Schreibweise für Mark und Pfennig verbindlich. So hat man auf Rechnungen aus 5 M. 3 Gr. und 8 Pf. den Beitrag 5,38 Mark gemacht, so wie wir heute Summen in Euro und Cent ausdrücken.

Die Einführung der Mark setzte eine umfangreiche Goldmünzenproduktion nach einheitlichem Standard in Gang. Die vom Deutschen Reich nach dem Krieg von 1870/71 den Franzosen auferlegten Reparationsleistungen in Höhe von fünf Milliarden Francs bestanden aus Warenlieferungen sowie Zahlungen in Form von Bargeld, Goldbarren und Wechseln. Unzählige Goldmünzen mit dem Bildnis von Kaiser Napoleons III. und seiner Vorgänger verschwanden in deutschen Schmelztiegeln. Der riesige Geldzufluss kurbelte die Wirtschaft im Kaiserreich und hatte die berühmt-berüchtigten Gründerjahre zu Folge, in denen zahlreiche Unternehmen und Aktiengesellschaften entstanden und viele nach kurzer Scheinblüte wieder zusammenbrachen.

Auflage nach Größe der Bundesstaaten

Entsprechend ihrer Größe und Bedeutung im Deutschen Kaiserreich fiel die Münzprägung der einzelnen Bundesstaaten unterschiedlich aus. So entfaltete Preußen in der Königlichen Münze zu Berlin und zeitweilig auch in Hannover und Frankfurt am Main eine umfangreiche Geldproduktion, die sich der damals neuesten Technik bediente. Kleine Bundesstaaten wie die nord- und mitteldeutschen Fürsten- und Herzogtümer und die Hansestädte glänzten ebenfalls mit Silber- und Goldmünzen. Da ihre Auflage meist recht klein war, sind diese Stücke entschieden seltener und teurer als jene der großen Bundesstaaten.

Geprägt wurde das neue Reichsgeld anfangs in neun, ab 1882 in sechs Münzanstalten, denen man einen bestimmten Buchstaben zuordnete. Berlin behielt das schon 1750 von König Friedrich II., dem Großen, eingeführte A, die Münze in des 1866 von Preußen annektierten Königreichs Hannover prägte bis 1878 mit dem B, und Frankfurt am Main, das 1866 ebenfalls preußisch geworden war, benutzte bis 1879 das C, während das Bayerische Hauptmünzamt in München mit den D signierte. Dresden setzte bis 1887 den Buchstaben E auf seine Geldstücke, und als die sächsische Staatsmünze 1887 nach Muldenhütten bei Freiberg verlegt wurde, verwendeten man ihn dort bis zur Schließung im Jahr 1953. Die württembergische Münze in Stuttgart benutzte das F als Kennung, die badische Münze in Karlsruhe das G und die hessische Münzanstalt Darmstadt bis 1882 das H. Nach der Neugründung der Hamburger Münze 1875 wurden die dort hergestellten Geldstücke mit einem J markiert. Von diesen Münzstätten sind heute noch fünf in Betrieb – Berlin, Stuttgart, Karlsruhe, München und Hamburg - kenntlich auf Euro- und Centstücken an den ihnen nach der Reichsgründung zugeteilten Münzbuchstaben.

Dreißig-Mark-Stücke nicht realisiert

Ursprünglich war neben der Prägung von Zehn- und Zwanzig-Mark-Stücken auch solche zu 30 Mark geplant. Doch das Vorhaben, quasi ein Zehntalerstück aus Gold herzustellen, kam nicht zustande, denn Umgang mit einem solchen Nominal war wohl doch zu umständlich. Einigen Münzen war nur ein kurzes Leben beschieden. Das goldene Fünfmarkstück etwa war mit einem Gewicht von 1,99 Gramm und einem Durchmesser von 17 mm so klein, dass es in den Geldbörsen verschwand, weshalb man es ungern im täglichen Zahlungsverkehr verwendete. Sollten die Winzlinge angeboten werden, muss man prüfen, ob sie echt und alt sind, denn es kommen bei diesen und anderen Raritäten der Kaiserzeit zum Teil sehr gut gemachte Fälschungen vor.

16. Mai 2023