Wider den Perückenteufel
Auf Münzen und Medaillen ließ man sich standesgemäß und nach der neuesten Mode feiern



Mit riesigen und teuren Perücken zu prunken, war in der Barockzeit nur Kaisern und Königen und anderen privilegierten Leuten und solchen mit viel Geld in der Tasche möglich. Das gemeine Volk konnte sich solchen Kopfschmuck mit allerhand Getier als „Untermieter“ nicht leisten. Die Grafiken zeigen den in Sachen Mode tonangebenden französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. und den römisch-deutschen Kaiser Joseph I.



Bei Münzen der Habsburger hat man außerdem eine Familieneigenheit, die berühmte hängende „Habsburgerlippe“, nicht verschwiegen, hier zu erkenne auf einem Kremnitzer Taler des römisch-deutschen Kaisers Leopold I. von 1699.



Kaiserin Maria Theresia wurde 1765 Witwe und hat dies auf dem Mailänder Taler von 1780 sowie anderen Münzen und Medaillen der Welt kund getan.



Zar Peter I., der Große, befahl seinen Bojaren und anderen russischen Männern, die traditionellen Bärte abzunehmen und westeuropäische Kleidung zu tragen. Als Quittung dafür wurden so genannte Bartkopken verteilt.



Preußens Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. ließ sich in militärisch strengem Haarkleid mit dünnem Zopf darstellen und schrieb ihn auch seinem Militär vor.



Sorgfältig frisiert wird sein Sohn Friedrich II., genannt der große, auf Talern porträtiert, zu sehen in der Ausstellung des Berliner Münzkabinetts. Da ihm die Ausgabe von 1755 mit der Krone nicht gefiel, wurden die ausgeprägten Stücke bis auf einen geringen Rest eingeschmolzen.



Auf den Berliner Dritteltalern von 1802 und 1809 erscheint Friedrich Wilhelm III. von Preußen mit und Uniform und mal mit seinem Kopf ohne Zopf.



Beim Wartburgfest haben freiheitsliebende Studenten 1817, zweihundert Jahre nach der Lutherschen Reformation, verhasste Relikte der Feudalzeit, darunter auch Perücken, ins Feuer geworfen.





König Maximilian I. von Bayern trennte sich frühzeitig vom traditionellen Kopfputz, dem König Friedrich August I. von Sachsen bis zu seinem Tod 1827 treu blieb.



In der Kaiserzeit galten lange Bärte und hochgetürmte Frauenfrisuren als schick, und so finden wir sie auch auf Kurs- und Gedenkmünzen sowie Medaillen aus dieser Periode. Mit ihnen könnte man eine Spezialsammlung zum Thema „Mode und Frisuren auf Münzen und Medaillen“ aufbauen. (Fotos/Repros: Caspar)



Bänder im Haar, Lorbeerzweige und Kronen, aber auch Perlenschnüre und Schleier waren bereits im Altertum wichtige Standessymbole, und so findet man auf 2000 Jahre alten Münzen einen ganzen Kosmos dieser ebenso politischen wie modischen Accessoires. Wer sich mit antiken Münzen beschäftigt, lernt kurze und lange Gewänder kennen, dazu Mäntel und Umhänge, kaum aber Kopfbedeckungen, denn man liebte es, sein Haupt „pur“ oder höchstens im Schmuck eines Lorbeerkranzes oder Diadems zu präsentieren. Da es umständlich und teuer war, Tuche einzufärben, musste sich das einfache Volk mit unbehandelten Stoffen begnügen, während sich gehobene Stände und gar die Herrscherfamilien in kostbare Materialien hüllten und dies auch auf Münzen zeigten. An der Form der in üppigem Faltenwurf um den Körper gelegten, häufig nur durch Gürtel, Fibeln und Schnallen zusammen gehaltenen Kleidung erkannte man, wen man vor sich hatte.

In der hierarchisch gegliederten Feudalgesellschaft unterlag das Tragen von Kleidern, Hüten und Frisuren strengen Regeln. Je üppiger Kleidung und Haarschmuck, um so höher der Rang ihrer Träger, war allgemeine Ansicht. Wo die Kleiderordnungen durchbrochen wurden und sich Bürgerliche in kostbaren Trachten zeigten, hagelte es Strafen. Bei der großen Bedeutung, die modischer Kleidung und Rangabzeichen beigelegt wurden, war es selbstverständlich, dass sich Stempelschneider bemühten, bei Turnieren und im Krieg getragene Kettenhemden, Rüstungen und Helme ins Rund der Münzen und seit dem 15. Jahrhundert auch Medaillen zu bringen. Ebenso wurden geistliche und weltliche Fürsten im Schmuck ihrer Kronen, Zepter und Zeremonialgewänder dargestellt. Deutlich erkennbar sind auf Münzen neben mit Edelsteinen besetzte Kronen auch kostbare Hofgewänder.

Lebenswahre, manchmal geschönte Bilder

Als man in der Zeit des Humanismus und der Renaissance die Individualität des Menschen neu entdeckt, kamen auch authentische Darstellungen von Fürsten und ihren Damen in Mode. Menschen erhielten auf geprägtem Metall ihr lebenswahres, manchmal auch geschöntes Gesicht. Gelegentlich kamen geradezu abstoßend brutale Bildnisse zustande, und wenn man die Prägungen aus einer langen Regentschaft etwa des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV., der Kaiserin Maria Theresia oder Friedrichs II. von Preußen nebeneinander legt, kann man Alterungsprozesse beobachten.

Der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise und andere Potentaten ließen sich im frühen 16. Jahrhundert mit modischer Kopfhaube beziehungsweise Pelzmütze sowie pelzbesetztem Mantel darstellen. In der Barockzeit beriefen sich Fürsten gern auf antike Vorbilder und zeigten sich im „römischen Harnisch“, auf den wallende Perücken oder etwa bei preußischen Münzen nur dünne Zöpfe herabfallen. Im 19. und 20. Jahrhundert, als streng geschnittene Uniformen mit hohen Kragen und reich bestickte Hofgewänder en vogue waren, erscheinen fürstliche Porträts gelegentlich auch ohne irgendein Beiwerk, manchmal allerdings mit Lorbeerzweigen auf dem Kopf.

Voluminöse Kopfaufbauten

Stempelschneider haben stets große Sorgfalt auf die genaue Wiedergabe von Frisuren, die immer auch Standesmerkmale waren, gelegt. Sofern sie bei Frauen nicht durch Hauben oder Hüte verdeckt sind, erkennt man im aufgetürmten Haarkleid vornehmer Damen Perlenschnüre, Diademe und Federbesatz. Wer auf sich hielt, ließ sich gelegentlich die Stirn ausrasieren und galt als besonders schön. In der Barockzeit und dem Rokoko werden fürstliche Personen mit voluminösen Kopfaufbauten auf geprägtem Metall gefeiert. Witwen legten den Schleier an, und daher zeigen Gepräge der um ihren Gatten Kaiser Franz I. trauernden Maria Theresia diesen Witwenschleier, und auch bei Münzen der früh verwitweten englischen Königin Victoria, die stets Schwarz trug und dem berühmt-berüchtigten „victorianischen Zeitalter“ ihren Stempel aufdrückte, erkennt man dieses schon in der Antike getragene Attribut.

Gelegentlich hat sich der eine oder andere Potentat über die herrschende Mode hinweg gesetzt. und der der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. legte gegen den allgemeinen Modetrend die obligatorische Allongeperücke ab und trug im Nacken nur noch einen dünnen Zopf. Gleiches verlangte er von seinen Offizieren und Soldaten. Der Verzicht auf aufwändige Perücken entsprach dem vom Monarchen vertretenen Prinzip „Sparen und Plusmachen“. Auch sein Sohn Friedrich II., der Große, besaß einen Zopf, wie man auf seinen Gold- und Silbermünzen sowie den vielen Medaillen erkennen kann, und dies in einer Zeit, als man anderswo mit noch mit hoch getürmtem Ersatzhaar Aufsehen erregte.

Lange Hosen statt Seidenstrümpfe

Nach der französischen Revolution von 1789 gab es in unserem Nachbarland einen Wandel in der Kleidung und Haarmode. Ausgedient hatten feine, bis an die Knie reichende Beinkleider aus Seide und weiße Strümpfe der Aristokraten. Jetzt trugen Männer lange, ungebügelte Hosen, weshalb man sie in Frankreich Sansculotten nannte, also Männer ohne Kniehosen. Gleichzeitig verzichteten viele Franzosen und mit ihnen auch Bewohner anderer Länder auf teure Perücken und ließen ihre Haare lang wachsen, bestenfalls hinten zu einem dünnen Zopf geflochten. Als unter Napoleon Bonaparte, dem starke Mann in Frankreich und ab 1804 Kaiser Napoleon I., eine Kehrtwendung vollzogen und das Empire als Kunststil kreiert wurde, ließ man sich auf Münzen und Medaillen in der Pose antiker Herrscher darstellen. Statt der bourbonischen Lilien waren nun Adler und Bienen als neue Herrschaftssymbole gefragt. Mit dem Aufkommen von goldbestickten Uniformen einschließlich standardisierter Mützen und Helme verschwand das Fürstenporträt unter einem steifen Kragen, doch häufig wurden nur noch Köpfe abgebildet.

Wer bayerische, preußische, sächsische und andere Münzen aus dieser Zeit betrachtet, kann einerseits den Verzicht der dort abgebildeten Herrscher auf ihren Zopf und andererseits das nicht mehr zeitgemäße Festhalten an diesem feststellen. Zöpfe galten nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 als Inbegriff von Unfreiheit und Unterdrückung. Beim Wartburgfest zur Dreihundertjahrfeier der Reformation wurden 1817 die Hinterlassenschaften des Ancien régimes ins Feuer geworfen. Unter Freudenrufen der Teilnehmer gingen „Grundsätze und Irrlehren der Zwingherrschaft, Knechtschaft, Unfreiheit, Unmännlichkeit und Unjugendlichkeit, der Geheimniskrämerei und Blindschleicherei, des Kastengeistes und der Drillerei, die Machwerke des Schergen-, Hof-, Zopf-, Schnür- und Perückenteufels, der Schmach des Lebens und des Vaterlandes“ in Flammen auf, wie es in einem zeitgenössischen Bericht heißt. Natürlich haben sich die so angesprochenen Fürsten diesen Affront nicht gefallen lassen, denn schon bald begann die Hatz auf so genannte Demagogen, also Volksverführer, die sich aus Protest an ungewöhnlich kleideten und sich lange Bärte trugen. Ein halbes Jahrhundert später hatten die so genannten Demagogenbärte ihren Schrecken verloren, da schmückten sich die Männer mit mehr oder weniger dichter Gesichtsbehaarung.

König schnitt seinen Zopf ab

In dem Buch von Thomas Stamm-Kuhlmann „König in Preußens großer Zeit. Friedrich Wilhelm III. der Melancholiker auf dem Thron“ (Berlin 1992) wird erwähnt, wie sich der Monarch seines Zopfes entledigte. Nach der Niederlage seines Heeres zusammen mit sächsischen Soldaten in der Schlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 und weiteren gegen den französischen Kaiser Napoleon I. verlorenen Schlachten verfiel der an die östliche Grenze seines Reiches, nach Memel, entwichene, als linkisch, wenig entschlussfreudig und sprachgehemmt geschilderte König in eine tiefe Depression. Er hatte Angst um seine Krone und sein Land, musste befürchten, dass er wie andere Monarchen auf Befehl Napoleons I. entmachtet und kalt gestellt wird. Statt sich mutig den Tatsachen entgegen zu stellen und auf kluge Ratgeber zu hören, lenkte sich Friedrich Wilhelm III. in seiner Abgeschiedenheit durch Entwürfe für neue Uniformen nach russischem Vorbild ab und griff zur Schere, um seinen Zopf abzuschneiden, mit dem er auf zahlreichen Münzen und Medaillen abgebildet ist. Das geflochtene Haarteil schickte er seiner Gemahlin Luise, die drei Jahre später mit nur 34 Jahren starb. Der Zopf soll ins Berliner Hohenzollernmuseum gelangt sein, wohin er nach dessen Auflösung nach 1945 kam, ist mir nicht bekannt.

Kurzhaarfrisur jetzt en vogue

Schauen wir Münzen von 1807 an, so ist von dieser haarigen Veränderung noch nichts zu sehen. Beim Anblick der Geldstücke und auch von Medaillen sollte man wissen, dass der König von Preußen im Frieden von Tilsit (1807) die Hälfte seines Landes und seiner Untertanen eingebüßt hatte und der Rest seines Reichs mehrere Jahre lang französisch besetzt war. Preußen musste 140 Millionen Francs an Frankreich zahlen. Friedrich Wilhelm III. erscheint erst 1809 auf seinen Geprägen mit neuem Kurzhaarschnitt, den er bis zu seinem Tod 1840 beibehalten hat. Das preußische Adlerwappen auf Talern und weiteren Münzen hat man durch eine Wertangabe im Eichenkranz ersetzt.

Etwa zeitgleich erschien der Bayernkönig Maximilian Joseph auf seinen Münzen ohne Zopf, hingegen finden wir auf anderen Geprägen des frühen 19. Jahrhunderts Perücken und Zöpfe. An seinem Zopf hielt der sächsische König Friedrich August I. eisern fest. Nie sah man ihn ohne den Kopfschmuck, der schon längst aus der Mode war. Sogar der Sterbetaler von 1827 zeigt den Herrscher, wie er sich schon nach 1763 darstellen ließ, als er noch Kurfürst von Sachsen war und sich Friedrich August III. nannte. Er und Friedrich Wilhelm III. von Preußen waren 1806 im Krieg gegen Frankreich Waffenbrüder. Doch als Napoleon I. siegte, wechselte der Sachse die Seiten, schloss sich den Franzosen an und durfte sich noch im gleichen Jahr König nennen. Friedrich Wilhelm III. hat ihm den Verrat nie verziehen. Als sein Kontrahent zusammen mit Napoleon I. in der Völkerschlacht von Leipzig vom 16. bis 18. Oktober 1813 vernichtend geschlagen war und in preußische Gefangenschaft geriet, wollte der Preußenkönig ganz Sachsen schlucken, was aber seine Verbündeten zu verhindern wussten.

15. Juli 2023