Frischekur für das Pergamonmuseum
Antiker Altar und weitere Sehenswürdigkeiten sind vier Jahre wegen dringender Baumaßnahmen nicht zu sehen



Der Nord-und Südflügel des Pergamonmuseums wird in den kommenden Jahren durch ein schon in den 1920er Jahren zwar geplanten, aber nie gebauten Trakt verbunden.



Da die Reliefs vom Pergamonaltar bei der aktuellen Sanierung des Museums nicht abgebaut werden dürfen, sind besondere Schutzmaßnahmen nötig.



Das Markttor von Milet lässt sich nicht demontieren und muss während der Bauarbeiten gegen Erschütterungen und und andere Gefahren gesichert werden. Überall angebrachte Sensoren helfen bei der Überwaschung.



Die Palastfassade von Mschatta wurde demontiert und bekommt einen neuen Platz im Nordflügel des Pergamonmuseums.







Eine ungefähre Vorstellung vom Leben im antiken Pergamon und seinen prächtigen Bauten vermittelt das von Yadegar Asisi gestaltete Panorama gegenüber dem Pergamonmuseum. Aufgestellt sind dort auch einige Skulpturen aus dem Pergamonmuseum.



Die Bronzemünze aus der Zeit zwischen 183 und 211 bildet den Altar der Athena und des Zeus, besser bekannt als Pergamonaltar, mit seinem reichen Figurenschmuck ab. Die antike Ansicht mit der Treppe und einem Baldachin ist die einzige, die von diesem Weltwunder der Antike überliefert ist.





Das Bildnis des Philetairos schmückt eine von König Eumenes I. zwischen 262 und 241 vor Christus geprägte Tetradrachme. Das bronzene Umlaufgeld erinnert an das Auf und ab der Geschichte der unter römischer Kontrolle befindlichen Provinz Asia und Pergamon als ihr Zentrum. (Fotos/Repros: Caspar)

Das Pergamonmuseum auf der Berliner Museumsinsel wird ab Oktober 2023 wegen umfangreicher Bau-und Sanierungsmaßnahmen vier Jahre lang komplett geschlossen. Für die Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz bedeutet der zeitweilige Verzicht auf die Präsentation der weltberühmten Antiken sowie der Bau- und Kunstwerke aus dem Vorderen Orient und darüber hinaus herbe Verluste, kommen doch unzählige Touristen aus aller Welt extra wegen der hier gezeigten Schätze auf die Museumsinsel. Die Bau- und Sicherungsmaßnahmen müssen zügig durchgeführt werden, denn anderenfalls wären die Schäden für die zum Unesco-Kulturerbe gerechneten Hinterlassenschaften der Griechen und Römer, der Babylonier und anderer Völker immens.

Metallenes Städtelob

Mit ihren Tempeln, Palästen, Plätzen und Standbildern konkurrierte Pergamon mit Athen, dem zeitweilig mächtigen Zentrum der antiken Welt. Die besten Bildhauer ihrer Zeit waren den Königen von Pergamon und ihren Nachfolgern zu Diensten. Die Götter-, Herrscher- und Kriegerbilder erinnern daran, dass Pergamon im 3. und 2. Jahrhundert vor Christus die Metropole eines mächtigen Reiches war, das große Teile der heutigen Türkei umfasste. Die Königsdynastie der Attaliden schmückte ihre Hauptstadt prächtig aus. Mit ihren in Resten erhaltenen und vollständig auf dem Panoramagemälde am Kupfergraben gegenüber dem Pergamonmuseum abgebildeten Tempeln, Palästen, Plätzen und Standbildern konkurrierte die Stadt mit Athen, dem damals mächtigen Zentrum der antiken Welt. Nach einer Phase politischer Wirren und Erbfolgestreitigkeiten verhalfen die Römer als Erben der Attaliden Pergamon zu neuem Glanz, was sich dann auch in einer stattlichen Münzprägung ausdrückte.

Im antiken Pergamon und darüber hinaus diente geprägtes Metall nicht nur der Bezahlung alltäglicher Dinge sowie dem Handel und Wandel, sondern auch der Selbstdarstellung und Selbstvergewisserung. Auf der Vorderseite der Geldstücke hat man die die Könige von Pergamon und in römischer Zeit die in Rom regierenden Kaiser und manchmal auch ihre Angehörigen dargestellt, während auf den Rückseiten die antike Götterwelt gefeiert wird, ergänzt durch Themen mit Bezug auf die Stadt und ihre ruhmreiche Vergangenheit. Hauptmotive dieses „metallenen Städtelobs“, wie Bernhard Weisser, der Direktor des Berliner Münzkabinetts sagt, waren die Beziehungen von Pergamon zum mächtigen Römischen Reich, aber auch die Verehrung der städtischen Götter sowie der Schmuck der Metropole mit großartigen Bauten und Skulpturen einschließlich des Pergamonaltars.

Altar auf Bronzemünze

Die Münzprägung begann in Pergamon während der persischen Oberhoheit um 400 vor Christus. Als Philetairos als Burgherr von Pergamon die attalidische Dynastie begründete, setzte er das Porträt seines Vorgängers Seleukos I. auf die eigenen Silberstücke. Spätere Herrscher gingen davon ab und schmückten ihr Geld mit dem Bildnis des Philetairos beziehungsweise mit dem eigenen, kombiniert mit der Darstellung der allseits verehrten Göttin Athena. Kunstgeschichtliche Bedeutung besitzt eine in der Ausstellung des Münzkabinetts im Bodemuseum gezeigte Bronzemünze aus der römischen Kaiserzeit. Geprägt zwischen 193 und 211 nach Christus und geschmückt mit dem Doppelbildnis des Kaisers Septimius Severus und seiner Gemahlin Iulia Domna, bildet sie den mit reichem Figurenschmuck, einem Baldachin versehenen und von Stieren flankierten Pergamonaltar ab. Das Geldstück ist die einzige antike Darstellung, die von dem berühmten, in nachantiker Zeit zerstörten und seit dem späten 19. Jahrhundert von Carl Humann und anderen Archäologen ausgegrabenen Siegesmonument überliefert ist. Bei der Rekonstruktion der Trümmer des zu den Weltwundern der Antike gezählten Altars und der Gestaltung des Rundbildes im Pergamonpanorama unter Leitung von Yadegar Asisi spielte diese numismatische Rarität eine nicht unwichtige Rolle.

Beute der Roten Armee

Im Zweiten Weltkrieg war der Götter- und Gigantenfries aus Marmor sicherheitshalber abgebaut und eingelagert worden. Die Rote Armee nahm die Reliefs als „Beutekunst“ in die Sowjetunion mit. 1958 wurden die schweren Kisten der DDR unter dem Motto „Der Menschheit bewahrt“ übergeben. Damals hatte man keine Zeit, den Zustand des in Einzelstücke zerlegten Bildwerkes zu prüfen und schon gar nicht zu restaurieren. Weil man das nach den Kriegsschäden notdürftig reparierte Pergamonmuseum und den Altar zum 10. Jahrestag der Gründung der DDR (1959) sehr schnell der Öffentlichkeit präsentieren wollte, wurden die Platten in grau gestrichene Betonwände eingefügt. Erst die Vereinigung der Staatlichen Museen zu Berlin 1990 ermöglichte eine umfassende Bestandsaufnahme der Schäden sowie die Reinigung und Konservierung des einzigartigen Kunstwerks.

Vor einigen Jahren in Angriff genommen, sind Bau-, Sanierungs- und Reparaturmaßnahmen am und im Pergamonmuseum dringend nötig. Schäden von Dach bis Keller müssen behoben werden, die sich seit dem Wiederaufbau der Kriegsruine eingestellt hatten. Außerdem hat man die Einschusslöcher an der Fassade beseitigt. In den kommenden Jahren muss die marode Infrastruktur erneuert werden, und es wird, wie schon währen der Weimarer Republik, ein Verbindungsbau zwischen beiden Flügeln am Kupfergraben errichtet. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Staatlichen Museen zu Berlin rechnen mit Gesamtkosten von über einer Milliarde Euro für die Maßnahmen gegen Setzungen, Risse und Abbrüche und den Innenausbau sind enorm. Aber wenn man Berlin kennt, dann wird es vermutlich bei dieser enormen Summe nicht bleiben. Der Aufwand wird mit dem Hinweis begründet, dass es sich bei dem hochkomplexen Bauvorhaben um ein besonders sensibles Kulturerbe handelt, mit dem sehr klug und vorsichtig umgegangen werden muss.

Geschlossen werden die Räume mit dem Pergamonaltar und den Architekturfragmenten aus der Antike, aber auch die Prozessionsstraße von Babylon und weitere Objekte. Da die Monumentalbauten wie das Markttor von Milet von ihren Plätzen nicht entfernt werden können, müssen sie während der Baumaßnahme besonders gesichert und vor Erschütterungen bewahrt werden. Kleinere Skulpturen und Fragmente sind an anderen Orten wie dem Pergamonpanorama auf der anderen Seite des Kupfergrabens und im Alten Museum zu sehen.

Schmerzliche Schließzeit

Der Südflügel des Pergamonmuseums befindet sich in einem sehr schlechten Bauzustand, der Auswirkungen auf die Standsicherheit des Gebäudes und den Zustand der Exponate hat. An Fassaden und Dächern, die stark durchfeuchtet sind, besteht akuter Sanierungsbedarf . Wegen des stark fortschreitenden baulichen Verfalls sowie der völlig veralteten, störanfälligen technischen Anlagen wird jetzt die Grundinstandsetzung begonnen. Ein unterirdischer Lehrpfad soll die Häuser der Museumsinsel verbinden. Auch er ist ist ein teurer Spaß, wie Kritiker der Generalsanierung sagen.

Der seit Jahren laufende Bauabschnitt A umfasst den Nordflügel des Museums, den Mittelteil mit dem Pergamonsaal und weitere dem klassischen Griechenland gewidmete Räume. Im Nordflügel wird künftig das Museum für Islamische Kunst eine neue Dauerausstellung zeigen, im Mittelteil sind weiterhin die Großobjekte der Antikensammlung, allen voran der Pergamonaltar, zu sehen. Die Fertigstellung dieses Trakts ist für 2025 geplant, mit der Wiedereröffnung des Gebäudes wird im Frühjahr 2027 gerechnet.

Sehenswürdigkeit der Extraklasse

Als Carl Humann und andere Archäologen Ende des 19. Jahrhunderts die Ergebnisse ihrer Grabungen auf dem Burgberg von Pergamon (türkisch Bergama) nach Berlin brachten, war das Erstaunen groß. Solch vollendete Reliefs, die das Ringen der Götter mit furchterregenden Giganten schildern, hatte man noch nie gesehen. Schnell avancierte der Pergamonaltar, genauer das, was Zeiten der Zerstörung und Verwendung des Marmors als Baustoff überstanden hatte, zu einer Sehenswürdigkeit der Extraklasse. Bald aber wurde klar, dass die großartigen Reliefs ein eigenes Museum benötigen. Von 1901 bis 1908 hat man sie in einem bescheidenen Haus auf der Museumsinsel aufgestellt. Nach seinem Abriss wegen baulicher Mängel wurde von 1910 bis 1930 nach Plänen von Alfred Messel das heutige Pergamonmuseum erbaut. Hier konnten die Reliefs vom Pergamonaltar und weitere großartige Skulpturen in einem riesigen Saal mit Oberlicht und steil ansteigender Treppe ihrer Bedeutung angemessen präsentiert werden. So wird es in vier Jahren wieder sein, wenn der Zeitplan eingehalten wird.

Abmachungen mit der Türkei

Wie ein Blick in die Grabungsdokumente des Pergamonaltars aus dem späten 19. Jahrhundert zeigt, gab es zwischen der Türkei und dem Deutschen Reich genaue Abmachungen darüber, was vor Ort verbleibt und was nach Berlin kommt. Die 1878 vom türkischen Unterrichtsministerium dem deutschen Konsul erteilte Grabungsgenehmigung für „Antiquitäten“ sah eine genaue Teilung des Fundgutes sowie Beaufsichtigung der Ausgräber, die alle Unkosten zu tragen hatten, durch Vertreter der türkischen Regierung vor. Die Türkei behielt die monumentalen Architekturfragmente, die nach Ankara kamen beziehungsweise am Ort blieben, während Humann die künstlerisch viel wertvolleren Skulpturenfragmente erhielt. Über die Organisation der Grabungen und Modalitäten der Fundteilung liegen einvernehmliche Abmachungen auf Regierungs- und diplomatischer Ebene sowie Erlasse des Sultans vor, die durch die durch spätere Rückgabeforderungen nicht vom Tisch gewischt werden können, nachzulesen in dem von Wolf-Dieter Heilmeyer herausgegebenen Buch „Der Pergamonaltar - Die Präsentation nach der Restaurierung des Telephosfrieses“.

30. März 2023



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