Schlösserstiftung vor großen Aufgaben
Klimawandel, Baumaßnahmen und die Ausstellung „Preußen kolonial“ in Charlottenburg







Die Römischen Bäder sind ein wichtiger Pflegefall der Schlösserstiftung, weitere Baustellen sind das in ein Kollwitz-Museum umgewandelte ehemalige Theater neben dem Schloss Charlottenburg und das Schloss Babelsberg.





Im Schloss Oranienburg sammelte Luise Henriette, die aus den Niederlanden stammende Gemahlin des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg – auf dem Foto ihre Büsten im Park Sanssouci - asiatisches Porzellan. Die Hohenzollern erhielten durch die Oranische Erbschaft Gemälde, Skulpturen und Prunkmöbel aus Elfenbein, die Niederländer aus fernen Ländern nach Europa geholt hatten. Einige Objekte aus Elfenbein werden in der Ausstellung „Preußen kolonial“ zu sehen sein.



Die China um 1901 abgepressten und vor dem Orangerieschloss im Park Sanssouci aufgestellten Globen und astronomischen Instrumente mussten nach dem Ersten Weltkrieg zurück gegeben werden.



In Kolonialausstellungen, auf bunten Reklamebildchen und auf andere Weise wurden in der Kaiserzeit die Verbrechen deutscher Eroberer in Leistungen zur „Zivilisierung“ der indigenen Völker umgedeutet. (Fotos/Repros: Caspar)



Nach der Niederschlagung des Boxeraufstandes wurde Im September 1901 durch Prinz Chun II. in Potsdam der zeremonielle „Sühneakt“ vollzogen. Dem Bruder des chinesischen Kaisers blieb erspart, im Grottensaal des Neuen Palais vor dem deutschen Kaiser niederzuknien. (Fotos/Repros: Caspar)

Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin Brandenburg blickt auf ein insgesamt erfolgreiches Jahr 2022 zurück. Zwar sind die Besucherzahlen in den einzelnen Häusern mit etwa eine Million coronabedingt geringer ausgefallen als vor dem Ausbruch der Pandemie 2019, aber es hätte auch schlimmer kommen können. Christoph Martin Vogtherr, der Generaldirektor der Stiftung, wies zu Beginn der Jahrespressekonferenz am 4. April 2024 im Neuen Flügel des Schlosses Charlottenburg daraufhin, dass Putins Krieg gegen die Ukraine und seine Folgen auch die Stiftung in Mitleidenschaft gezogen haben und ihre auf die Bewahrung des kulturellen Erbes gerichtete Arbeit erschwert. Die Stiftung habe darauf reagiert, indem sie Fachkräfte aus der Ukraine eingestellt hat und Multimediaangebote in ukrainischer Sprache bereit hält. „Heute sind vor fast alle Häuser wieder geöffnet, die Besucher kommen fast so zahlreich wie früher, um die Lebenswelt der früheren Schlossbewohner und ihre Mühen um Gärten und Parks kennenzulernen und zu sehen, wie wir mit diesem wertvollen Erbe umgehen“, sagte Vogtherr.

Im vergangenen Jahr gab es die Kampagne „Denk Mal Pflege“ mit dem Ziel, das Weltkulturerbe Preußische Schlösser und Gärten zukunftssicher zu machen. So wurden die Römischen Bäder im Park Sanssouci vor ihrer mehrere Jahre langen Schließung wegen dringend notwendiger Bau- und Restaurierungsmaßnahmen mit einigen bis dahin nie gezeigten Räumen der Öffentlichkeit präsentiert. Die Mühen um das an römische Villen erinnernde Ensemble, in dem noch nie jemand gebadet hat, zeigen exemplarisch, wie mit sorgfältiger Recherche und hoher Kunstfertigkeit die Schönheit dieses malerisch am Wasser gelegenen Ensembles nach und nach aus dem Dornröschenschlaf erweckt wird.

Hoffen auf mehr Besucher und Einnahmen

Die Ausstellung „Stilbruch“ im Schloss Charlottenburg rief einen vor vielen Jahren erbittert geführten Streit im damaligen West-Berlin um das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Deckenbild von Antoine Pesne im Weißen Saal des Schlosses Charlottenburg ins Gedächtnis. Das 1972 von Hann Trier geschaffene Deckenbild ist mittlerweile als moderne Bereicherung für den Rokokosaal anerkannt. Eine Wiederholung der barocken Ausmalung wäre wohl kaum an das zerstörte Original aus dem 18. Jahrhundert herangekommen, und so wird heutige Fassung als eine sehr gut ins Raumgefüge passende Ergänzung gelobt.

Weniger Besucher bedeuten weniger Einnahmen, doch Vogtherr hofft auf wieder wachsende und stabile Einnahmen. Er räumt ein, dass die Stiftung wegen steigender Kosten wegen der Baupreise und Inflation nicht umhin kommt, einige Häuser zu schließen. Welche das sein werden, mochte er nicht sagen. Staatliche Zuschüsse wie in Zeiten, da es uns allen wirtschaftlich besser ging, fallen mager aus. Das bedeute, die zur Verfügung stehenden Mittel klug und zielgerichtet einzusetzen. Nach wie vor sei der Park Sanssouci wegen des Klimawandels und immer knapper werdender Bewässerung ein besonderes Sorgenkind. 400 Bäume hätten bereits gefällt werden müssen, weitere seien krank und erforderten einen enormen Pflegeaufwand.

Besucherzentren und Museumsshops

Christoph Martin Vogtherr hofft, dass die Stadt Potsdam den preußischen Schlössern und Gärten weiter finanziell unter die Arme greift. Angesichts der wirtschaftlichen Lage werde erwogen, ein bisher nicht bekanntes Eintrittsgeld zum Besuch der ehemals königlichen Gärten zu erheben. „Für dieses Jahr stehen der Schlösserstiftung 30 Millionen Euro für 21 Bau- und Restaurierungsprojekte zur Verfügung. Unter ihnen befindet sich das kleine Lustschloss auf der Pfaueninsel, das Orangerieschloss im Park Sanssouci, das Kleine Schloss Babelsberg, das als Gaststätte eröffnet werden soll, aber auch der Theaterbau neben dem Schloss Charlottenburg, in den das Kolbe-Museum gezogen ist“, sagt Vogtherr. „Drei neue Besucherzentren sollen in Charlottenburg, Sanssouci und Schönhausen dafür sorgen, dass Besucherinnen und Besucher gut betreut und mit Informationen versorgt werden, ergänzt durch Museumsshops in Sanssouci und Charlottenburg, die einen neuen Betreiber bekommen haben.

Angesichts der Trockenheit der vergangenen Jahre und der zu erwartenden Probleme bei der Wasserversorgung sucht die Stiftung nach Pflanzen, die mit den neuen Klimabedingungen besser als andere zurecht kommen. Der Verein Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten hat eine Patenschaft für eine Baumschule übernommen, in der solche Pflanzen gezüchtet werden. Dazu gibt es ein deutschlandweites Forschungsprojekt über die Klimafolgen in Gärten und Parks. , das alle erreichbaren Informationen werden mit anderen Einrichtungen ausgetauscht. Erwartet wird, dass die großen, noch aus dem 19 Jahrhundert stammenden Bäume immer weniger werden. Dazu und zu anderen Problemen im Bereich der Gärten und Parks wird die Stiftung so genannte Klimawandel-Führungen anbieten.

Blinder Fleck in der Geschichte

Für dieses Jahr plant die Schlösserstiftung die Ausstellung „Schlösser – Preußen – Kolonial. Biografien und Sammlungen im Fokus“ vom 4. Juli bis 31. Oktober 2023 im Schloss Charlottenburg. Es geht um die Art und Weise, wie die Kurfürsten von Brandenburg, Könige von Preußen und deutschen Kaiser und ihr Anhang aus den überseeischen Kolonien sowie durch Sklavenhandel und Ausbeutung fremder Länder Kapital zu schlugen und wie es gelang, die Kunstsammlungen und Museen mit exotischen Objekten auszustatten. Dieses Thema sei bisher nur punktuell erforscht und dargestellt worden, sagt Ausstellungskuratorin Carolin Alff. „Wir bemühen uns, diesen blinden Fleck in der preußischen und deutschen Geschichte und der Entwicklung der von den Hohenzollern aufgebauten Sammlungen aufzuhellen und der Geschichte der kolonialen Objekte und dem Schicksal der mit ihnen verbundenen Personen auf den Grund zu gehen“, beschreibt sie das Anliegen der Ausstellung und der mit ihr verbundenen Recherchen in Archiven und Museumsdepots, bei denen es nicht bleiben wird, denn es ergeben sich vermutlich bei ihnen Konsequenzen in Richtung Rückgabe und/oder Entschädigung nach dem Vorbild der Staatlichen Museen zu Berlin, die die berühmten Benin-Bronzen an ihr Ursprungsland Nigeria zurück gegeben haben. Hinzuzufügen wäre auch, dass täglich tausende Besucher an Andreas Schlüters Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg vorüber gehen, aber die wenigsten sich Gedanken darüber machen, was die zu seinen Füßen angeketteten Sklaven zu bedeuten haben, die um Gnade flehen und was diese Form der Heldenverehrung und gleichzeitig Unterwerfung fremder Völker zu bedeuten hat.

Fremde Völker wurden versklavt und ausgebeutet

Seit einiger Zeit durchforsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schlösserstiftung die eigene Bestände und betrachten das preußische Erbe neu. Die Ausstellung „Preußen kolonial“ sei ein lernendes Projekt, das sich mit der kolonialen Geschichte der Monarchie und ihres Hofes befasst, aber nicht mit der gesamten kolonialen Vergangenheit der Deutschen. Der Anschub für dieses bisher wenig beachtete Thema sei von außen, aus Kreisen der Zivilgesellschaft gekommen, die Ausstellung habe Werkstattcharakter und zeige, „dass wir über die Versklavung, aber auch über die Biografien der nach Berlin-Brandenburg sowie innerhalb von Afrika und die Neue Welt, also auf den amerikanischen Kontinent verschleppten Menschen noch sehr wenig wissen. In der Ausstellung werden problematische Objekte gezeigt, ohne dass in den Schlössern ihre bis ins späte 17. Jahrhundert zurückgehende Vorgeschichte näher thematisiert worden wäre“, sagt Carolin Alff.

Gezeigt werden Portraits unter anderem von Antoine Pesne, aber auch Möbel und kleine Behälter aus Elfenbein sowie Münzen und Medaillen, die die kolonialen Aktivitäten des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg und seiner Nachfolger dokumentieren. Die Ausstellung biete Carolin Alff zufolge keine endgültigen Informationen, sondern sei als Beginn zu verstehen. Dargestellt werde in der Ausstellung auch, wie Kaiser Wilhelm II., der seinem Volk ein Platz an der Sonne versprochen hat und in Afrika und China Massaker unter den unter der indigenen Bevölkerung befahl, in der Nähe des Neuen Palais sogenannte Völkerschauen veranstaltete, in denen auf unwürdige Weise aus den Kolonien nach Deutschland gebrachte Menschen zur allgemeinen Belustigung zur Schau gestellt werden. Nicht alle Ausstellungsobjekte sind so spektakulär wie die aus afrikanischem Gold gefertigten Münzen und Medaillen oder die von den deutschen Kolonialherren verwendeten Geldzeichen, sondern auch bunte Glasperlen und Spiegel, mit denen afrikanische Häuptlinge bestochen wurden, Menschen und Land an die Besatzer zu verschachern.

Hunnenrede und Boxeraufstand

Kaiser Wilhelm II. machte durch sein Säbelrasseln und unvorsichtige Donnerworte immer wieder spektakulär auf sich aufmerksam. In Trinksprüchen und markigen Ansprachen gab er die Richtung seiner auf Konfrontation mit den anderen Großmächten gerichteten Politik an. Berühmt und berüchtigt wurde der Monarch unter anderem durch seine am 27. Juli 1900 in Bremerhaven vor Soldaten gehaltene „Hunnenrede“. Offizieller Anlass für die Entsendung deutscher Soldaten nach China war die heimtückische Ermordung des Gesandten Clemens von Ketteler am 20. Juni 1900 in Peking. An der militärischen Intervention waren Truppen aus dem Deutschen Reich, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Österreich-Ungarn, Russland und den USA beteiligt. Deutschland beanspruchte nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Tod seines Gesandten bei der Strafaktion eine Führungsrolle. Wilhelm II., der eine gute Gelegenheit sah, der Welt die Größe und Militärkraft seines an die „Sonne“ strebenden Reiches zu demonstrieren, gelang es, dass dem ehemaligen deutschen Generalstabschef Alfred von Waldersee der Oberbefehl über das gemeinsame Expeditionsheer übertragen wurde. Die militärischen Auseinandersetzungen endeten mit der Eroberung von Peking und der Niederlage der Chinesen.

Da die Europäer für sich in Anspruch nahmen, die Krone der Zivilisation zu sein, wurde dieses barbarische, an antike und mittelalterliche Praktiken erinnernde Vorgehen in den Heimatländern je nach politischem Standpunkt mit Entsetzen beziehungsweise mit Genugtuung aufgenommen. Manche Deutsche sahen ganz im Sinne ihres Kaisers die Niederschlagung des Boxeraufstandes als gerechte Strafe für die „chinesischen Barbaren“ und wünschten sich, dass auch im Reich der Mitte der Schlachtruf „Deutschland Deutschland über alles“ voll zur Geltung komme. Der Kaiser schärfte seinen Truppen ein: „Kommt ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer euch in die Hände fällt, sei euch verfallen! Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen lässt, so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, daß es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!“ Als gäbe es keine Schranken mehr, tobten sich Truppenteile regelrecht aus, es kam zu Mord und Totschlag, zu Plünderungen und Vergewaltigungen. Militärs rechneten für einen getöteten „Boxer“ fünfzehn weitere Unbeteiligte hinzu, meist Leute aus den armen Volksschichten.

Das im September 1901 beschlossene „Boxerprotokoll“ nötigte unter anderem die chinesische Regierung, für den Mord an Ketteler beim deutschen Kaiser um Entschuldigung zu bitten, eine Sühnegesandtschaft nach Berlin zu entsenden und ein Denkmal an der Stelle des tödlichen Anschlags zu errichten. China wurde verpflichtet, Reparationen in Höhe von 1,4 Milliarden Goldmark sowie Entschädigungen an betroffene Ausländer zu zahlen. n. In der deutschen Presse wurde das demutsvolle Erscheinen des Prinzen vor Wilhelm II. mit Genugtuung registriert, doch gab es auch Kritiker, die darin eine besondere und übertriebene Demütigung sahen und neues Ungemach mit dem in seiner Ehre gekränkten Reich der Mitte voraussagten. Es dauerte über hundert 90 Jahre, bis die Bundesrepublik Deutschland in Namibia um Vergebung für den Völkermord von 1904 an den Herero und Nama in der damaligen deutschen Kolonie Südwestafrika gebeten und sich zu Entschädigungszahlungen bereit erklärt hat.

5. April 2023

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