Glasperlen gegen Menschen
Preußische Schlösserstiftung dokumentiert die koloniale Vergangenheit des Hauses Hohenzollern



Rund um den Sockel des von Andreas Schlüter geschaffenen Kurfürstendenkmals hat der Kölner Künstler Nando Nkrumah nach einem Besuch der Ruinen von Großfriedrichsburg in Ghana rot- und schwarz bemalte Holzgerüste aufgestellt, mit denen angedeutet wird, dass die angeketteten Sklaven eines Tages ihre Freiheit gewinnen werden.



So genannte Kammermohren bedienen um 1710 die feinen Herren, die König Friedrich I. und seine Gemahlin Sophie Luise ins Tabakskollegium eingeladen haben.



Die Eroberer aus dem fernen Brandenburg tauschten im heutigen Ghana billige Glasperlen, Spiegel und anderen Tand, wie man sagte, gegen Elfenbein und andere zuhause begehrte Kostbarkeiten ein.





Im Schloss Charlottenburg sind unter anderem ein aus der Oranischen Erbschaft stammender Sessel und die Porträtbüste des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg ausgestellt.



Der als Werbefigur für Schokolade und andere süße Kolonialwaren verwendete „Sarottimohr“ ist heute nur noch in Museen zu sehen.



Die angeblich unter göttlichen Auspizien erfolgte Gründung und Ausbeutung der Kolonie Großfriedrichsburg war Kurfürst Friedrich Wilhelm die Prägung dieser Medaillen wert. Mit ihnen konnte er sich als Kolonialherr präsentieren.



Aus afrikanischem Gold bestehen die Guineadukaten mit dem Bildnis des Großen Kurfürsten und einem Segelschiff.



Im Neuen Flügel des Schlosses Charlottenburg sind im Glienicker Schlosspark wieder entdeckte Fragmente von zwei „afrikanischen“ Laternenträgern aus dem 18. Jahrhundert vom ehemaligen Berliner Ordenspalais zu sehen.



Aus Respekt vor den kolonial unterdrückten Völkern hat die Preußische Schlösserstiftung das so genannte Mohrenrondell im Park Sanssouci in Erstes Rondell zurück benannt.



Im Porzellankabinett des Schlosses ausgestellte Keramiken dokumentieren den Hang der Hohenzollern, sich mit Kostbarkeiten aus dem fernen Osten zu schmücken. (Fotos/Repros: Caspar)

Der Reichtum europäischer Länder wie England, Frankreich, Niederlande, Spanien und Portugal beruhte zu großen Teilen auf der Ausbeutung ihrer Kolonien und der Versklavung der dort lebenden Menschen. Die bis 31. Oktober 2023 im Berliner Schloss Charlottenburg laufende Ausstellung „Schlösser. Preußen. Kolonial“ der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin Brandenburg setzt sich erstmals in ihrer Geschichte mit dem brisanten Thema auseinander und zeigt dazu passende Objekte und Dokumente. Unlängst hat Wilhelm Alexander, der König der Niederlande, die ehemaligen Kolonien seines Landes um Vergebung für das große Unrecht gebeten, das ihnen bis fast in die Gegenwart angetan wurde. Er bat um Verzeihung auch dafür, dass seine Vorgänger im Königshaus Oranje-Nassau nichts gegen dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit unternommen hätten. Ähnlich verhält sich auch die Bundesrepublik Deutschland, die sich nach langem Zögern und Verschweigen der durch Gewalt und Verbrechen geprägten kolonialen Vergangenheit des Deutschen Reichs stellt.

In Afrika Fuß gefasst

Vor 300 Jahren und noch viel später sah man die Besetzung und Versklavung fremder Länder ganz anders. Man hat sie als gottgefällige Tat und als Versuch beschönigt, den so genannten Wilden Kultur und Zivilisation zu bescheren, was immer man darunter verstand. Sie schildert anhand von Gemälden, Grafiken, Büchern, Skulpturen, Textilien, Porzellanen sowie Münzen und Medaillen und weiteren Objekten, wie der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg und seine Nachfolger versucht haben, in Afrika Fuß zu fassen sowie sich Land und Menschen anzueignen., was dann allerdings nur wenige Jahrzehnte gelang.

Überall in Museen, Bibliotheken, Schlössern und Gärten ist die koloniale Vergangenheit unseres Landes präsent. Dieser traurige Teil der preußischen und damit der deutschen Geschichte wird intensiv aufgearbeitet und hat bereits zu Straßenumbenennungen und der Rückgabe von Kulturgütern an die Herkunftsländer geführt. Die Preußische Schlösserstiftung ist dabei, die koloniale Geschichte der Hohenzollernmonarchie zu untersuchen und, so weit möglich, auch die Lebensgeschichten von so genannten Schwarzen Kindern und Erwachsenen aufzuklären. Sie waren vor über dreihundert Jahren gegen Glasperlen und anderen Nichtigkeiten eingehandelt worden und wurden gewinnbringend in die Neue Welt, also Amerika, deportiert, wo sie auf Plantagen unter erbärmlichen Bedingungen bis zum Umfallen schuften musste. Bis zu 30 000 Sklaven wurden unter der Flagge mit dem roten Adler nach Amerika deportiert worden sein - wahrlich kein Ruhmesblatt in der langen Geschichte des Hauses Hohenzollern, das von diesem Handel nicht schlecht lebte.

Exotisches „Beiwerk“ auf Gemälden

Nur die wenigsten Sklaven kamen an den brandenburgischen und preußischen Hof und in andere Residenzen, wo man ihnen lediglich dienende Tätigkeiten zubilligte oder als Militärmusikanten einsetzte. Manchmal hat man sie als exotisches „Beiwerk“ auf Gemälden mit Angehörigen der Herrscherfamilie posieren lassen. Die Ausstellung zeigt Bilder, wo so genannte Kammermohren kleine Prinzen vor der Sonne beschirmen oder im Kinderwagen kutschieren. Niemand hat die Afrikaner gefragt, ob sie im kalten Norden leben und arbeiten, ob sie einen neuen Namen haben und den christlichen Glauben annehmen wollen.

Zwar hat Friedrich der Große schon bald nach seiner Regierungsübernahme 1740 die Sklaverei als verachtenswerte Praxis für abgeschafft erklärt. Die Vorstellung, dass Menschen das Eigentum anderer Menschen sein könnten, widerte ihn an. Dennoch wurde die mit Sklaverei durchaus vergleichbare Leibeigenschaft erst 1810 im Zuge der Stein-Hardenbergschen Reformen in Preußen abgeschafft. Wirklich schaffte 1857 eine Gesetzesänderung, dass versklavte Menschen ihre Freiheit erhielten, sobald sie preußischen Boden betreten. Da es aber eine rechtliche Grauzone gab, konnten manche Leute sich weiterhin mit Sklaven umgaben, die im Ausland gekauft wurden.

Umfangreiches Veranstaltungsprogramm

Für die Ausstellung wurden die Sammlungen gezielt nach Belegen durchforstet und restauriert. Was bei den Forschungen ermittelt wurde, kann in einem Buch nachgelesen werden, das zeitgleich im Dresdner Sandstein Verlag erschien, 168 reich bebilderte Seiten hat und 18 Euro kostet (ISBN 978-3-95498-737-5). Angeboten wird auch ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm, über das die Stiftung auf ihrer Internetseite spsg.de/themenjahr informiert.

Wie Christoph Martin Vogtherr, der Generaldirektor der Schlösserstiftung, erklärt, kann und will die sich als „lernend“ verstehende Ausstellung nicht die deutsche Kolonialgeschichte in ihrer Gänze darstellen. „Wir wollen zeigen, was zu diesem Thema in den Schlössern und Gärten erhalten blieb und wie sich die Hohenzollern mit billig gegen Glasperlen, Spiegel, Pfannen und andere Gerätschaften eingehandelte Menschen schmückten, die aus ihren Heimatländern entführt wurden“, sagt er. Die Ausstellung zeigt, das der Sklavenhandel ein gutes Geschäft war und der Kurfürst an ihm nicht schlecht verdiente. Zu sehen ist, wie das Herrscherhaus seine Residenzen mit importierten Kunstobjekten ausstattete. Mit ihnen konnte es sich als modern, weltläufig und wirtschaftlich sowie anderen Dynastien ebenbürtig präsentieren. Gleich zu Beginn der Ausstellung ist eine Art Warnhinweis zu lesen, wonach man hier auf rassistische Stereotype stoßen wird. Da aber die historischen Bilder und Quellen sind, wie sie sind, muss man diese heute nicht mehr zeitgemäßen Sichtweisen ertragen, und das gelingt umso besser, je mehr man über den kolonialen Kontext und seine Wirkungen bis heute Bescheid weiß.

Hohn und Spott bei Völkerschauen

Nach Brandenburg-Preußen verschleppte Sklaven und Kriegsgefangene wurden preußische Untertanen und erhielten die preußische Staatsbürgerschaft, waren aber da und dort rassistischer Diskriminierung und Vorurteilen ausgesetzt. Nachdem sich das Deutsche Reich in Afrika und anderen Gegenden Kolonien angeeignet hat, hat man „Eingeborene“ wie in einem menschlichen Zirkus der Öffentlichkeit präsentiert und Spott und Hohn ausgesetzt. Solche Völkerschauen waren beliebt und brachten den Veranstaltern viel Geld ein. Wie in der Ausstellung weiter zu erfahren ist, besaßen versklavte oder ehemals versklavte Bedienstete nur geringe Rechte. Ihre Entwurzelung machte sie verletzlich, da sie von nahestehenden Menschen und Orten, denen sie sich zugehörig fühlten, für immer getrennt waren und auch ihrem Glauben abschwören mussten.

Dass sich das Interesse an fernen Ländern nicht nur auf Afrika beschränkte, sondern auch auf den Fernen und den Nahen Osten erstreckte, macht die Ausstellung am Beispiel der China-Mode und das Sammeln von asiatischen Porzellan deutlich. Zu sehen ist es in einem prunkvoll dekorierten Saal im Schloss Charlottenburg oder auch im Chinesischen Pavillon, den Friedrich II. im Park von Sanssouci errichten ließ. Fürsten gaben viel Geld aus und Händler verdienten enorme Summen an solchen exquisiten Objekten. Nachdem aber 1710 in Meißen die Porzellanmanufaktur eröffnet wurde, löste europäisches Porzellan das asiatische ab. 1763 stieg die Königliche Porzellanmanufaktur Berlin ins Geschäft ein, und stellte in großen Mengen das Weiße Gold her, woran in der Ausstellung ebenfalls erinnert wird.

Übertritt zum christlichen Glauben

Aufmerksamkeit verdienen in der Ausstellung zwei steinerne, als Laternenträger fungierende Afrikaner, deren Bruchstücke vor einiger Zeit nahe Schloss Glienicke wieder gefunden wurden. In der Mitte des 18. Jahrhunderts vor dem damaligen, heute nicht mehr existierenden Ordenspalais an der Ecke Wilhelmplatz und Wilhelmstraße in Berlin-Mitte aufgestellt, werden die Figuren als stumme Zeigen dafür gezeigt, dass man in Afrikanern nur „dekorative Zutaten“ sah. Die auf barocken Gemälden und Grafiken dargestellten Bediensteten,die manchmal einem silbernen Ring als Zeichen ihrer Unfreiheit um den Hals trugen, erhielten irgendwann ihre Freiheit und konnten sogar in Preußen ein wenig Karriere machen und Familien gründen. Bedingung war, dass diese Moslems zur christlichen Religion konvertierten und einen deutschen Namen, etwa Wilhelm oder Friedrich annahmen.

Nur selten lässt sich ermitteln, wie ihre Biographie im „hohen Norden“ verlief, denn die Quellen geben dazu wenig her. Da und dort kann man Berichten entnehmen, dass sie nicht immer und überall schlechte Behandlung und Freiheitsentzug klaglos hinnahmen, sondern sich dagegen wehrten. Hierzu gibt es Forschungsbedarf, und wenn die Ausstellung weiter dazu anregt, hätte sie einen wichtigen Teil ihrer Aufgabe erfüllt. Die Schlösserstiftung steht am Anfang einer langen Reise in die Vergangenheit, die auf Erkundung wartet und noch manche Entdeckungen erwarten lässt.

Über die Pläne der Preußischen Schlösserstiftung siehe Eintrag auf dieser Internetseite (Museen, Ausstellungen) vom 5. April 2023

4. Juli 2023

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