Macht, Raum, Gewalt
Berliner Akademie der Künste dokumentiert in neuer Ausstellung, wie im Nationalsozialismus geplant und gebaut wurde





Auf dem Gelände der heutigen Akademie der Künste am Pariser Platz plante Hitlers Stararchitekt Albert Speer im Akademiegebäude die „Welthauptstadt Germania“. Die neue Ausstellung führt zu Monumentalbauten, Wohnsiedlungen, Straßen, Rüstungsfabriken, Militäranlagen und Konzentrationslagern.





Das Modell der für Berlin vorgesehenen Großen Halle lässt erkennen, wie klein unbedeutend das Brandenburger Tor und das Reichstagsgebäude ausgesehen hätten, wären diese und weitere Monumente hitlerschen Größenwahns verwirklicht worden. Hinterher wurde deutlich, dass der sumpfige Boden den gewaltigen Lasten wahrscheinlich nachgegeben hätte.



Für München, die so genannte Hauptstadt der Bewegung, sahen Hitler und sein Architekt Hermann Giesler gewaltige Repräsentationsbauten vor, von denen einige noch stehen. Das Modell zeigt, was da alles geplant war.



Mit den noch in der Weimarer Republik geplanten, dann aber nach 1933 mit gewaltigem Personal- und Geldeinsatz gebauten Autobahnen machten die Nationalsozialisten viel Werbung für sich und ernteten auch im Ausland Bewunderung.







Auf einer großen Videowand wird das KZ Flossenbürg näher erläutert. Die im Steinbruch arbeitenden Häftlinge waren nicht nur unterernährt und krank, sondern wurden von den Wachmannschaften auch schikaniert etwa indem im Winter die Stufen zu ihrer Arbeitsstätte mit Wasser begossen wurden um sie glitschig zu machen. Die Wachmannschaften ließen es sich derweil gut gehen. Der Hausgrundriss zeigt für sie vorgesehene Speise-, Billard- und andere Zimmer.



Hitlers Lieblingsarchitekt und Rüstungsminister Albert Speer entging 1946 dem Galgen und gab sich nach zwanzigjähriger Zuchthaushaft in Spandau als „guter Nazi“ aus und startete im Alter, unterstützt von zwielichtigen Verlegern und Journalisten, eine Karriere als Buchautor und Medienstar. Das Foto zeigt ihn im Gespräch mit KZ-Häftlingen, denen es scheinbar gut geht und die sogar zu Scherzen aufgelegt scheinen. (Fotos, Repro: Caspar)

Die Berliner Akademie der Künste widmet sich bis zum 16. Juli 2023 mit der Ausstellung „Macht – Gewalt – Raum“ dem Bauwesen in der Zeit des Nationalsozialismus und zeigt, was von den Monumentalbauten in Berlin, München, Nürnberg, Linz, Weimar und anderen Städten, aber auch den vielen den Verwaltungsbauten, Rüstungsfabriken, Wohnsiedlungen und nicht zuletzt den Konzentrations- und Arbeitslagern und weiteren Anlagen geworden ist. Sie beleuchtet die „braune“ Vorgeschichte des heutigen Bundesbauministeriums und geht der Frage nach, wer alle diese Bauten geplant, errichtet und bezahlt hat und was aus führenden Baubeamten, Architekten und Unternehmern nach dem Ende der NS-Diktatur geworden ist. Die Ausstellung zeigt, wie dieser Personenkreis vor allem im deutschen Westen weiter gearbeitet hat, als habe es die Nazidiktatur nicht geschehen.

Anhand zahlreicher Modelle, Pläne, Fotografien, Filme und anderer Zeitdokumente zeigt die aus einem System von Holzregalen mit daran befestigten Bildern und Dokumenten bestehende Schau, wie Architektur und Bauten aller Art das gesellschaftliche Leben im „Dritten Reich“ durchdrangen und in die Weltherrschaftspläne von Hitler und seinen Genossen eingespannt wurden. Der Ort der Ausstellung ist gut gewählt, denn Hitlers Stararchitekt und Rüstungsminister Albert Speer hatte seine Büros und Ateliers im Haus der Akademie der Künste aus dem späten 19. Jahrhundert am Pariser Platz unweit des Brandenburger Tors. In den heute restaurierten Ausstellungsräumen plante der Leiter der Generalbaudirektion mit seinen Leuten den Umbau Berlins zur „Welthauptstadt Germania“. Sie sollte die Welt mit ihren überdimensionierten Bauten für Regierung, Wehrmacht, SS, NSDAP und andere Organisationen die Welt in Erstaunen und Angst versetzen. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Akademiegebäude bei Luftangriffen weitgehend zerstört, seine Fassade wurde in den 1950er Jahren abgerissen. Übrig blieb ein Torso am Rande des sowjetischen Sektors, in dem wegen der Nähe zur Berliner Mauer besonders überwachte Ateliers, Werkstätten und Räumlichkeiten für das Akademiearchiv entstanden. Der Wiederaufbau in ganz neuen Formen erfolgte nach Plänen von Günther Behnisch und war 2005 abgeschlossen.

Hier Inklusion, dort Exklusion

Die Ausstellung unterstreicht, dass das Planen und Bauen im Nationalsozialismus alle Lebensbereiche durchdrungen hat und sowohl der Integration der „Volksgenossen“ als auch dem völkisch rassistischen Ausschluss und der Vernichtung von so genannten Gemeinschaftsfremden diente, also von Juden, Sinti und Roma sowie von weiteren Menschen, die nicht in das politische und rassistische Weltbild der Herren in den braunen Hemden und schwarzen Uniformen passten. Gezeigt werden eingangs nicht die nicht riesenhaften Repräsentationsbauten des Regimes überall im Reich, sondern zunächst die seiner Festigung dienenden Wohnsiedlungen, Verwaltungsbauten, Rüstungskomplexe, Verteidigungs- und Luftschutzanlagen, Verkehrswege und Autobahnen sowie Baracken und Bunker. Dazu gehören auch die Konzentrations- und Vernichtungslager, die zum großen Teil von Häftlingen und Zwangsarbeitern angelegt wurden und, wie am Beispiel des 1938 erbauten KZ Flossenbürg im oberpfälzischen Landkreis Neustadt an der Waldnaab gezeigt wird, den Wachmannschaften geradezu luxuriöse Lebens- und Wohnbedingungen bot, während unzählige Häftlinge in den Steinbrüchen zu Tode geschunden wurden.

Der Wohnungs- und Siedlungsbau im Nazireich weckte große Erwartungen, eine neue Baukultur sollte entstehen, in der der Wohnungsbau großsprecherisch als „Problem Nummer 1“ der Sozialpolitik angekündigt wurde (wie übrigens auch unter Erich Honecker nach 1971 in der DDR!). Bis etwa 1936 wurde die Lösung der prekären Wohnungsfrage durch Wohnungsneubau und Altstadtsanierung den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen untergeordnet und danach mit Blick auf einen kommenden Krieg dem Bau des Westwalls, der Aufrüstung und anderen militärisch wichtigen Projekten geopfert.

Verdrängen, vertuschen, verleugnen

Dass neben den wenigen bekannten Architekten viele in der Hierarchie weiter unten angesiedelte Architekten, Baufachleute und Bauunternehmer prächtig verdienten und Mitverantwortung für Gewalt und Verbrechen trugen, hat nach 1945 bei der „Aufarbeitung“ der zwölf Jahre NS-Diktatur kaum eine Rolle gespielt. Eine Bilderwand im letzten Abschnitt der Ausstellung zeigt, dass viele von ihnen - im Westen mehr und im Osten weniger - ihre Karrieren fortsetzen konnten, als sei nichts geschehen. Zur „baubezogenen“ Erinnerung nach 1945 gehören Verdrängung, Verharmlosung, Vertuschung und Ausblendung. Wenige Schritte weiter wird gezeigt, dass das Bauen vom Nationalsozialismus bewusst als Mittel zur Demonstration seiner vermeintlichen Überlegenheit der Deutschen gegenüber anderen Völkern benutzt wurde.

Die praktische Wohnungspolitik, so erfährt man in der Ausstellung, bestand zunächst in der Fortführung der aus der Weimarer Republik übernommenen Programme, für die das Reichsarbeitsministerium zuständig war. Mit der Gleichschaltung der Beamtenschaft, der Verbände und Wohnungsunternehmen und der Durchsetzung einer zunehmend judenfeindlichen Mietrechts wurde die Wohnungspolitik ideologisch und praktisch in die Exklusionspolitik des NS-Systems eingebettet. Die Propagandavision einer sich hinter dem „Führer“ versammelnden Volksgemeinschaft ging allenfalls in ersten Gemeinschaftssiedlungen auf, während der soziale Wohnungsbau in die Zukunft verlagert wurde und nie zustande kam. Die Ausstellung betont, dass der „einheitliche Wille“ im deutschen Bauschaffen nur eine Fiktion war, denn in der Praxis war dieses durch heftige Konkurrenzkämpfe um Aufträge und die Gunst des Diktators geprägt. Anlagen für die Rüstung haben das nationalsozialistische Bauen viel mehr als bekannt geprägt. Es ging um Munitions- und Panzerfabriken und solche für U-Boote, aber auch um die dafür notwendige Arbeitersiedlungen und Infrastrukturen.

Demokratiefeindschaft in der Gegenwart

Die Ausstellung blickt nicht nur auf das Bauwesen im Deutschen Reich, sondern auch auf die im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht besetzten Gebiete in Osteuropa und zieht Vergleiche zu Planungen und ausgeführten Bauten in der Sowjetunion, Italien und anderen Staaten in dieser Zeit. Sie stellt Ergebnisse des Forschungsprojekts „Planen und Bauen im Nationalsozialismus“ der 2017 berufenen Unabhängigen Historikerkommission (UHK) vor. Das Gremium erforscht die Verstrickungen der für Planen und Bauen zuständigen Institutionen und Personen sowie die institutionellen und personellen Kontinuitäten und Brüche in beiden deutschen Staaten nach 1949 in den zuständigen Ministerien. Die Erkenntnisse helfen, die Voraussetzungen, die Funktionsweise und vor allem die Folgen des Nationalsozialismus im Bereich des Planens und Bauens besser zu verstehen. Sie werfen ein Schlaglicht auf die Vorgeschichte unseres demokratischen Gemeinwesens und zeigen, auf welchem Boden rechtsextremes Denken, rechtsextreme Parteien, Rassismus, Antisemitismus und antidemokratische Einstellungen gedeihen. Dieses Wissen ist wichtig, um Demokratiefeinden in der Gegenwart entgegentreten zu können.

Das Buch zur Ausstellung erschien in deutscher und englischer Ausgabe, hat 320 Seiten, 420 Abbildungen und kostet 20 Euro (ISBN 976-3-88331-254-5). Im Begleitprogramm sind Symposien, Führungen und Bildungsangebote vermerkt. Überdies hat die Akademie der Künste künstlerische und diskursive Beiträge mit gegenwartsbezogenen Fragestellungen zu „MACHT RAUM GEWALT“ im Angebot. Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags von 11 bis 19 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei.

21. April 2023