Flötentöne am preußischen Hof
Berliner Musikinstrumenten-Museum würdigt Johann Joachim Quantz als Lehrer Friedrichs des Großen und Instrumentenbauer



Johann Joachim Quantz erhielt von Friedrich II. ein Jahressalär von 2000 Talern, während der Hofcembalist Carl Philipp Emanuel Bach mit nur 300 Talern bezahlt wurde. Zu sehen ist unter anderem das von Quantz verfasste Lehrbuch „Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen“ von 1752.



Ausgestellt ist eine alte Drehbank, auf der Flöten aus Buchsbaum oder Ebenholz gefertigt wurden.



Adolph Menzel setzte dem königlichen Flötenspieler Friedrich II. mit einem großartigen Gemälde sowie Illustrationen für Bücher über ihn ein auf sorgfältigen Vorstudien beruhendes künstlerisches Denkmal, das auch die musikalischen Ambitionen des Königs von Preußen würdigt. Links warnt ein Diener den Kronprinzen und seinen Lehrer Quantz vor dem heran nahenden Soldatenkönig, der das Flötenspiel und die literarischen „Flausen“ seines Sohns nicht mochte.



Im Zentrum der Ausstellung stehen Flöten aus dem Besitz von Quantz und Friedrich II., die zu den wertvollsten Objekten des Berliner Musikinstrumenten-Museums zählen. Die Instrumente in der Vitrine sollen sich nach der Überlieferung im Besitz von Friedrich II. befunden haben.



Am 7. Dezember 1743 quittierte Quantz als „richtig bezahlt“ den Erhalt von hundert Dukaten (rund 500 Reichstaler) für Bau und Lieferung einer Flöte an den König.



Eine Gedenktafel in der Ausstellung würdigt den 1933 von den Nazis aus rassistischen Gründen entlassenen und in die USA vertriebenen Museumsdirektors Curt Sachs. Er veröffentlichte den ersten wissenschaftlichen Katalog der Sammlung. Viele Publikationen über sie fußen auf den Grundlagenforschungen dieses bedeutenden Gelehrten.







In der Dauerausstellung und Sonderschauen präsentiert das Museum eine Auswahl seiner Schätze und zeigt auch, wie die Instrumente gebaut werden und funktionieren. (Fotos: Caspar)

Das Musikinstrumenten-Museum am Berliner Kulturforum würdigt mit einer bis zum 11. Februar 2024 laufenden Sonderausstellung den 250 Jahren verstorbenen Flötisten, Komponisten, Pädagogen und Musikinstrumentenbauer Johann Joachim Quantz. Er genoss am Hof Friedrichs II. von Preußen hohes Ansehen und wurde von ihm „Gott der Musik“ genannt. Das 1888 an der Königlichen akademischen Hochschule für Musik zu Berlin gegründete und danach zügig ausgebaute Museum zeigt auf zwei Etagen historische und neue Cembali und Klaviere, aber auch Streich- und Blasinstrumente, eine riesige, aus England stammende Orgel sowie Musikautomaten, aber auch Porträts sowie geschriebene und gedruckte Noten und weitere sehenswerte Exponate.

Kostbarkeiten aus königlichem Besitz

Zu sehen sind in der Sonderausstellung über 50 kostbare Instrumente und Dokumente aus dem 18. Jahrhundert. Sie stammen aus den Sammlungen des Berliner Musikinstrumentenmuseums, der Staatsbibliothek, des Kupferstichkabinetts, des Geheimen Staatsarchivs, der Bayerischen Schlösserverwaltung sowie aus anderen Beständen. Highlights sind Flöten von Joachim Johann Joachim Quantz und aus dem Besitz von Friedrich II. Darüber hinaus werden Skizzen von Adolph Menzel für sein berühmtes, zwischen 1850 und 1852 gemaltes Bild „Flötenkonzert Friedrich des Großen in Sanssouci“ sowie ein Porträt von Quantz gezeigt, das 1736 von Johann Friedrich Gerhard geschaffen wurde. Für das „Flötenkonzert“ im Besitz der Alten Nationalgalerie zu Berlin fertigte Menzel zahlreiche Bleistiftstudien an, von denen eine Skizze in der Ausstellung ausliegt. Menzel war nach eigener Aussage weniger an den Personen einschließlich des ganz rechts nachdenklich zum Boden blickenden Quantz interessiert als vielmehr wegen der Kerzenbeleuchtung und des Kronleuchters interessiert.

Als einer der ersten Musiker überhaupt brachte der Sohn eines im Kurfürstentum Hannover lebenden Stadtpfeifers den Musikinstrumentenbau, eigene Kompositionen, Überlegungen zur Musikästhetik sowie Reflexionen zur musikalischen Interpretation in seiner beruflichen Praxis und einem hoch angesehenen Lehrbuch zusammen. Quantz steht damit wie kaum einander Musiker seiner Zeit für ein übergreifendes musikalisches Wirken, über das im Staatlichen Institut für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz mit großer Hingabe geforscht wird.

Friedrich II. liebte die Musik und insbesondere das Flötenspiel über alles. „Mein Bruder hatte seiner Flöte den Titel Principessa gegeben, indem er sagte, er sei niemals wirklich verliebt gewesen, außer in diese Prinzessin“, schrieb 1744 Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, die Schwester des Königs. In seinen Schlössern besaß er mehrere Musikzimmer für seine Hauskonzerte, auf seinen Kriegszügen hatte er immer eine oder mehrere Flöten dabei. Der König komponierte selber und spielte mit Mitgliedern der Hofkapelle seine eigenen Kompositionen und die von Zeitgenossen. Er leistete sich hochbezahlte Kastraten und Primadonnen sowie ein aus erstklassigen Solisten besetztes Orchester. Sie alle trugen dazu bei, seinen Ruhm und seiner Berliner Hofoper in die Welt zu tragen. So betrieb der königliche Komponist und Flötenspieler als Kunstmäzen und Musikenthusiast Werbung in eigener Sache. Nicht übersehen werden sollte, dass der Preußenkönig ein unbarmherziger Kriegsherr und Eroberer fremder Länder war und auch im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) vor Münzfälschung in großem Stil nicht zurück schreckte.

Bachs Musik war nicht Friedrichs „Ding“

Als der Leipziger Thomaskantor Johann Sebastian Bach 1747 bei ihm im Potsdamer Stadtschloss vorspielte, gab er auf dem Fortepiano das Thema B A C H vor, über das Bach improvisierte. Zurück in Leipzig machte er daraus das „Musikalische Opfer“ (BWV 1079), das allerdings den Musikgeschmack des Preußenkönigs nicht traf. Es dauerte einige Jahrzehnte, bis der in Berlin geborene, später in Leipzig tätige Komponist Felix Mendelssohn-Bartholdy die Musik des Thomaskantors aus der Versenkung holte und populär machte. Es versteht sich, dass beide und weitere Künstler im Musikinstrumenten-ausgiebig gewürdigt werden.

Als Friedrich noch Kronprinz war, lernte er Johann Joachim Quantz bei einem Besuch in Dresden kennen. Dieser war dort als Oboist in der Polnischen Kapelle des Kurfürsten Friedrich August I., genannt August der Starke, angestellt. Die Oboe und andere Instrumente zu spielen, reichte ihm nicht aus, so erlernte Quantz hier auch die Quer- oder Traversflöte und machte sie zu einem hoch geachteten Soloinstrument. Quantz aus Dresden nach Berlin zu holen war nicht einfach, ist in der Ausstellung zu erfahren, aber es gelang mit einigen Schwierigkeiten. Bald schon konnte Friedrich bei ihm Flötenunterricht nehmen und sich auch im Komponieren üben.

Dieser beließ es nicht bei Unterrichtsstunden, Schlosskonzerten und Kompositionen. Er begann auch mit der Herstellung und technischen Vervollkommnung von Traversflöte nach seinen Vorstellungen. Dass sie in unterschiedlichsten Formen und Ausstattungen vorkommen und welche Geräte man zu ihrer Fertigung benutzt hat und einsetzt, macht die Quantz-Ausstellung deutlich.

Viel besser bezahlt als alle anderen

Nach dem Thronwechsel 1740 war der Aufstieg des Kammercompositeurs und Flötenlehrers des Königs nicht mehr aufzuhalten. Quantz nahm unter den Künstlern am preußischen Hof eine herausragende Stellung ein und wurde mit einem Jahresgehalt von 2000 Talern besser als alle anderen Musiker bezahlt. Für die Anfertigung von Flöten nur für den König bekam er noch eine Extrabelohnung. wie man in der Ausstellung anhand einer ausgelegten Quittung sehen kann. Die von Quantz quittierten hundert Dukaten oder umgerechnet etwa 500 Taler waren erheblich mehr als die 300 Taler, die der Hofcembalist Carl Philipp Emanuel Bach als Jahressalär.

Bis zur Mitte des 18 Jahrhunderts wurde Johann Joachim Quantz mit Johann Gottlieb Graun und Karl-Heinrich Graun Karl Philipp Emanuel Bach sowie Johann Adolf Hasse zur Spitze der deutschen Komponisten gezählt. Wie in der Ausstellung dargelegt wird, hielt ihn der Berliner Verleger Friedrich Nicolai für so bedeutsam, dass er ein Porträt des Musikers an die Spitze einer Ausgabe seiner Allgemeinen Deutsche Deutschen Bibliothek“ stellte. Quantz starb am 12. Juli 1773 in Potsdam an den Folgen eines Schlaganfalls. Gegen Ende seines Lebens zeichnete sich ein zweigeteiltes Urteil über ihn ab. Sein Kollege Johann Friedrich Reichert schrieb lobend, Quantz sei als Instrumentalkomponist vor sehr vielen anderen zu bewundern, und auch als Schriftsteller und genauer Kenner seines Instruments und verschiedener anderer Instrumente müsse ihn bewundern.

Wiederentdeckung im 20.Jahrhundert

Kritischer urteilte der englische Musikhistoriker Charles Burney in seinem „Tagebuch einer musikalischen Reise“ aus den Jahren 1770 bis 1772, es müsse zugegeben werden, dass viele der Passagen in diesen Stücken von Herrn Quantz inzwischen alt und gewöhnlich geworden sind. Dieses Urteil habe sich eineinhalb Jahrhunderte gehalten. Erst mit der Wiederentdeckung der alten Musik im 20. Jahrhundert konnte man auf Quantz positiver schauen. Die Ausstellung am Berliner Kulturforum darf als Ausdruck dieser neuen Wertschätzung betrachtet werden. Wünschenswert wäre es, wenn hier an einer geeigneten Stelle auch Musik zu hören wäre, die am Hof Friedrichs des Großen gespielt wurde.

Quantz' Bedeutung für die Fortentwicklung der Traversflöte kann nicht hoch genug bewertet werden, heißt es in der Ausstellung. In seinen Überlegungen und Konstruktionen habe er die Grundlagen für nachfolgende Innovationen auf diesem Gebiet gelegt. Ebenso wegweisend seien seine Kompositionen gewesen, die dieses Instrument in Deutschland populär machten. Alle seine Beobachtungen und Erfahrungen zum Flötenbau, zur Instrumentalpädagogik und zur Musikästhetik hat Quantz in seiner in seinem Buch „Versuch eine Anweisung die Flöte traversiere zu spielen“, das 1752 in Berlin erschien.

Klingendes Museum am Kemperplatz

Die Sammlung erlitt im Zweiten Weltkrieg herbe Verluste. Zu dessen Beginn 1939 verfügte es über rund 4000 Instrumente, nach 1945 waren nur noch 900 übrig geblieben. In den Nachkriegsjahren wurden die Lücken durch Ankäufe und Schenkungen aufgefüllt und die Sammlung sowie die Bibliothek des Staatlichen Instituts für Musikforschung (SIM) mit dem Schwerpunkt Musikinstrumentenkunde ausgebaut. Das SIM gehört seit 1962 zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz und konnten 1984 in ein neues Gebäude am Kemperplatz unweit der Philharmonie, der Gemäldegalerie, des Kupferstichkabinetts und des Kunstgewerbemuseums sowie auf der anderen Straßenseite der Staatsbibliothek (Haus II) ziehen. Von ihrer heute 3500 Objekte umfassenden Sammlung werden in den Schauräumen rund 900 Instrumente gezeigt. Vertreten sind bedeutende Meister wie Stradivari und Quantz, aber bedeutende Werke des Cembalo-, Klavier-, Blech-, Blasinstrumente- und Orgelbaues. Das Museum wendet viel Arbeit auf, um die Instrumente zu pflegen und zu restaurieren, und es zeigt in der Ausstellung, wie sie gebaut wurden und werden. Regelmäßig wird zu Führungen und Konzerten eingeladen. Sie machen aus dem Haus ein klingendes Museum, wie man es in Berlin nicht noch einmal findet.

13. September 2023