Gewalt, Terror und demokratischer Aufbruch
Gedenkstätte in der Potsdamer Innenstadt blickt auf 30jährige Aufklärungsarbeit zurück

Das 1737 als Stadtpalais erbaute Haus in der Potsdamer Lindenstraße repräsentiert im Guten wie im Bösen Etappen neuerer Geschichte. 1809 war das Gebäude Tagungsort der ersten frei gewählten Stadtverordnetenversammlung und diente ab 1820 als Stadtgericht und Gefängnis. Zellen, Gänge und Treppenhäuser aus der Kaiserzeit sind weitgehend erhalten .

Der Bildhauer Wieland Förster erinnert mit dieser Skulptur im Hof des Gefängnisses an die Opfer der beiden deutschen Diktaturen. Schlüssel von Zellentüren und andere Relikte lassen die Ausstellungsbesucher erschauern.

Ein Ausbruch aus dem Gefängnis in der Lindenstraße, so ist beim Rundgang zu erfahren, war unmöglich.

Was sich in den Gefängniszellen, auf den Fluren, Gängen und in den Verhörzimmer zutrug, wurde erst nach dem Ende der SED- und Stasi-Herrschaft öffentlich und wird in der Gedenkstätte Lindenstraße berichtet.

Im Gefängnis des sowjetischen Geheimdienstes KGB an der Leistikowstraße unweit des Neuen Gartens am Rand von Potsdam hat die Besatzungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg am laufenden Band Zuchthaus- und Todesstrafen für wirkliche oder vermeintliche Naziverbrecher ausgesprochen.

Was in dem Militärstädtchen Nr. 7 geschah, kam langsam erst nach Abzug der Russen ans Tageslicht und wird in der Gedenkstätte dokumentiert, hier Wandschmuck aus Sowjetzeiten.
Fotos: Caspar
Dass es mitten in Potsdam ein berüchtigtes Stasi-Gefängnis gab, in dem Menschen inhaftiert waren, die für Freiheit, Demokratie und nationale Einheit eintraten, bei so genannter Republikflucht gefasst wurden oder sich wegen ihrer Forderung nach „demokratischem Sozialismus“ verdächtig machten, wissen viele Bewohner der brandenburgischen Landeshauptstadt und ihre Gäste nicht. Die Mahn- und Gedenkstätte in der Lindenstraße 54 ist den „Opfern politischer Gewalt im 20. Jahrhunderts“ gewidmet, womit die Leiden und das Sterben von Menschen in den beiden deutschen Diktaturen, der Nazi-Herrschaft und der SED-Herrschaft, gemeint sind.
Die bedrückende Kontinuität von Willkür, Freiheitsberaubung und auch Mord an diesem Ort und die schrecklichen Schicksale der Gefangenen sind in der vor 30 Jahren gegründeten Gedenkstätte Themen der Führungen und Veranstaltungen. Während der NS-Diktatur waren hier Widerstandskämpfer inhaftiert. Der Potsdamer Volksgerichtshof verurteilte den bekannten Sportler Werner Seelenbinder und andere Oppositionelle zum Tode. Am Eingang zur Gedenkstätte erinnert eine Tafel daran, dass in diesem Gebäude vom März 1934 bis November 1944 das so genannte Erbgesundheitsgericht Potsdam zusammen trat und mehr als 4000 Menschen zur Zwangssterilisation verurteilte. „Die ,Erbgesundheitsgerichte’ entstanden zur Durchsetzung des ,Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses’. Sie waren ein Instrument des rassistischen Terrors, der sich gegen Menschen richtete, die nicht in das NS-Menschenbild passten. Die hier verhandelten Zwangssterilisierungsverfahren waren ein Eingriff in die Würde und Autonomie der Opfer“. Der Text macht darauf aufmerksam, dass die Opfer von damals erst 2007 rehabilitiert wurden.
Die Gedenkstätte Lindenstraße 54 wurde vor 30 Jahren und die dazu gehörige Stiftung vor zehn Jahren im Ergebnis der der Friedlichen Revolution in der DDR gegründet und in einen Ort der Demokratie und Sitz der Bürgerbewegungen verwandelt. Brandenburgs Kultur- und Wissenschaftsministerin Manja Schüle erklärte aus diesem Anlass: „Diese Adresse steht einerseits für politische Verfolgung, Gewalt und Terror im Nationalsozialismus ebenso wie kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und in der DDR. Anderseits steht sie auch für demokratischen Aufbruch.“
Vom Bombenangriff am 14. April 1945 verschont, war das Haus von 1945 bis 1952 Gefängnis des sowjetischen Geheimdienstes. Ein Militärtribunal verurteilte hier im Minutentakt wirkliche oder nur vermeintliche Naziverbrecher zu langjährigen Haftstrafen oder zum Tode. Grundlage der Urteile bildeten zumeist durch Folter, Lockangebote und auf andere Weise erpresste Geständnisse. Wie viele Menschen der Geheimdienst in Potsdam festgehalten hat, ist nicht bekannt. Es müssen Tausende gewesen sein.
Von 1952 bis 1989 waren im ehemaligen Stadtgefängnis aus der Kaiserzeit politische Häftlinge der DDR-Staatssicherheit (Stasi) inhaftiert. Über ihre Erlebnisse und Schicksale wird bei Führungen berichtet, Texttafeln an den Wänden halten die Erinnerung an dunkle Epochen der neueren deutschen Geschichte wach. Im Treppenhaus und auf den Gängen meint man die Kommandos der Wärter und die Schreie der Gequälten zu hören, auch die Fragen der Vernehmer und leisen Antworten der Gefangenen. Beim Rundgang durch die Gedenkstätte erhalten die Opfer Gesicht und Stimme. Viele verloren hier, von der Außenwelt isoliert und unter unwürdigen Bedingungen lebend, wertvolle Jahre ihres Lebens. Meist saßen sie aus politischen Gründen ein und weil sie den zweiten deutschen Staat verlassen wollten. Manche starben hinter den roten Backsteinmauern mitten in der Stadt.
Aus einer privaten Initiative von 1989, das Gebäude in eine Gedenkstätte umzugestalten, wurde ein politischer Auftrag. Unterstützt wird die Gedenkstättenarbeit von der „Fördergemeinschaft Lindenstraße 54“, die sich im Februar 1995 als politischer, parteiunabhängiger Verein gegründet hat, um am Beispiel der Geschichte des Hauses Lindenstraße 54 an die Unterdrückung von Menschen durch Menschen zu erinnern. Der Verein bietet Opfern ein Forum, die unter politischer Verfolgung leiden mussten, und informiert durch Vorträge, Gesprächsrunden und weitere Aktionen über die Opfer und die Täter. Seit Februar 2007 gibt es in dem ehemaligen Palais eine ständige Ausstellung über die Geschichte dieses Ortes.
Für die politische Strafverfolgung in der DDR war das Ministerium für Staatssicherheit zuständig. In Potsdam umfasste die Abteilung 51 Mitarbeiter, darunter waren acht Frauen. Sie waren separat vom Gefängnis im Vorderhaus, dem ehemaligen Kommandantenhaus, tätig. Die Stasi nahm Ermittlungen in allen Fällen auf, die von der SED und Stasi für staatfeindlich gehalten wurden, und arbeitete mit allen erdenklichen Mitteln, um „Beweise“ zu finden oder zu konstruieren. Der Geheimdienst nahm Verhaftungen, Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmungen, Postkontrolle und Telefonüberwachung vor. Um Geständnisse zu erzwingen, führte er ermüdende Verhöre durch, bei denen die Häftlinge schutzlos den Vernehmern ausgeliefert waren.
In den 1950er und 1960er Jahren wurde bei den Verhören häufig körperliche Gewalt angewandt, seit den 1970er Jahren traten psychologische Methoden wie Destabilisierung und Zerstörung der Persönlichkeit in den Vordergrund. Nach Abschluss der Ermittlungen kamen die Häftlinge vor Gericht und wurden nach Vorgaben der SED und der Staatssicherheit zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. In der Ausstellung ist zu erfahren, wie die DDR mit Ausreisewilligen umging. Sie wurden diskriminiert und kriminalisiert, verloren ihren Arbeitsplatz und auf zermürbende Art als angebliche Landesverräter und Staatsfeinde drangsaliert. Wer einen Ausreiseantrag stellte und bei Ablehnung auf ihn beharrte, wurde der „Beeinträchtigung der staatlichen und gesellschaftliche Ordnung“ bezichtigt Wer überdies Hilfe im Westen bei Verwandten, Freunden oder staatlichen Stellen suchte, betrieb nach Auffassung der SED so genannte ungesetzliche Verbindungsaufnahme und/oder landesverräterische Nachrichtenübermittlung und Agententätigkeit beschuldigt. Das galt auch für Menschen, die ihren Ausreisewunsch mit kritischen Hinweisen auf die politischen Verhältnisse in der DDR und internationale Verträge wie das Abkommen von Helsinki (1975) verbanden, in dem das Prinzip der Freizügigkeit verankert ist. Die Stasi hat zwischen 1975 und 1988 mehr als 750 Menschen allein in der Lindenstraße gefangen gehalten. Einige Opfer kommen in de Gedenkstätte zu Wort.
In Potsdam gab es mehrere Gefängnisse des sowjetischen Geheimdienstes KGB. Einer dieser Gedenkorte liegt in der Nauener Vorstadt nicht weit vom Neuen Garten und hat die Adresse Leistikowstraße 1. Hier wohnten einige Personen, die am Attentatsversuch gegen Hitler am 20. Juli 1944 teilnahmen und dies mit ihrem Leben bezahlen mussten. Die Erinnerung an diese Seite des deutschen Widerstand war über ein halbes Jahrhundert verschüttet, denn das von der Roten Armee besetzte Viertel unterhalb des klassizistischen Belvederes auf dem Pfingstberg war hermetisch von der Außenwelt abgeriegelt. Nach der Vertreibung der Bewohner errichtete die sowjetische Besatzungsmacht hier das „Militärstädtchen Nr. 7“.
In den vornehmen Villen waren die Hauptverwaltungen der sowjetischen Geheimdienste sowie andere Kommandozentralen untergebracht. Von den etwa 15 000 in Potsdam stationierten sowjetischen Soldaten wohnten in diesem Areal, das von einer Mauer und Wachtürmen umgeben war, die höchsten Offiziere. Untergebracht war in der ehemaligen Villa des „Evangelisch-Kirchlichen Hülfsvereins“ die sowjetische Spionageabwehr. Dieses und weitere Gebäude dienten als Gefängnis und Verhörräume; hier mussten ab Frühjahr 1947 zum Tode verurteilte Menschen auf die Vollstreckung der im Minutentakt vom Militärtribunal verkündeten Urteile warten. Wie im ehemaligen KGB-Gefängnis zu erfahren ist, inhaftierte und verfolgte die sowjetische Spionageabwehr weniger Kriegsverbrecher, sondern massenweise Bewohner der Sowjetischen Besatzungszone, und es war egal, ob sie gegen Gesetze verstoßen hatten oder nicht. Dies belegen die russischen Rehabilitationen und Zeitzeugenberichte, die in der Leistikowstraße 1 ausgestellt sind.
Informationen über das ehemalige Potsdamer Stadtgefängnis und seine Geschichte sowie über ähnliche Haftanstalten quer durch den deutschen Osten enthält die Dokumentation „Orte des Erinnerns – Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ (Sowjetische Besatzungszone) und DDR“. Das 2004 von Anette Kaminsky herausgegebene Buch listet, nach Bundesländern gegliedert, Erinnerungsstätten an die deutsche Teilung sowie Einrichtungen des sowjetischen und des DDR-Geheimdienstes auf und schildert die Leidensgeschichte derer, die nach 1945 in ehemaligen Konzentrationslagern, aber auch in Gefängnissen, Zuchthäusern und an anderen Orten inhaftiert waren und vielfach zu Tode kamen. Erst nach der Wiedervereinigung 1990 war es möglich, dieses in der DDR zum Tabu erklärte Geschichtskapitel aufzuarbeiten und auch an markanten Orten des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 oder an Stellen Gedenksteine aufzurichten, an denen Flüchtlinge unter dem Kugelhagel von DDR-Grenzern ums Leben kamen.
17. Juli 2025