Kostspieliger Irrtum - Über die Umbenennung der Mohrenstraße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße wird weiter gestritten



Vor einigen Jahren wählte die Suchmaschine Google ein Porträt des Gelehrten Anton Wilhelm Amo, um auf seine Angebote und Fähigkeiten aufmerksam zu machen



Dass am U-Bahnhof Anton-Wilhelm-Amo-Straße in kleinen Buchstaben noch Mohrenstraße steht, ist wichtig, weil kaum jemand mit dem neuen Namen etwas anfangen kann.



Der Schriftzug Mohrenstraße an der Wand bleibt, weil der Bahnhof unter Denkmalschutz steht.



Straßenschilder geben zu verstehen, dass die Anton-Wilhelm-Amo-Straße bis vor wenigen Monaten Mohrenstraße hieß.

Fotos/Repro: Caspar

Wer allzu sehr seinem eigenen ideologischen Kompass vertraut
und dabei die Fakten übersieht, kann sich mächtig vergaloppieren. Vor wenigen Wochen wurde mit großem Brimborium die Mohrenstraße im Herzen von Berlin gegen den Willen der Anwohner und anderer Menschen in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umbenannt. Nach langem juristischem Streit verschwand die Mohrenstraße im Orkus der Geschichte, und alle, die dort wohnen und sonst wie mit ihr zu tun haben, müssen ihre Adressen ändern. Das kostet viel Geld, Zeit und Ärger, denn zuständigen Ämter sind überlastet und unterbesetzt. Der von den Grünen geführte Bezirk Mitte hielt und hält den Begriff „Mohr“ für problematisch und rassistisch. Anwohner hatten erfolglos gegen die Umbenennung geklagt. Sie argumentierten, die vor 300 Jahren erfolgte Namensgebung sei nicht rassistisch, sondern wertschätzend gemeint gewesen.
Jetzt stellt sich heraus, dass der Namensgeber alles andere als ein Ende des 17. Jahrhunderts aus Ghana nach Braunschweig verschleppter Sklave war, sondern einer, dessen Familie in Afrika mit Sklavenhandel Geschäfte gemacht hat. Dank seiner Klugheit und seine Zielstrebigkeit brachte es Amo nach Studien in Halle, Wittenberg und Jena zum ersten schwarzen Privatdozenten mit Doktortitel im Römisch-deutschen Reich , weshalb er Vorlesungen halten konnte. Seine Bücher weisen ihn als Vorkämpfer des Antirassismus aus. Durch Forschungen des auch mit der Geschichte des Sklavenhandels befassten Historikers Michael Zeuske wird bekannt, dass Amo aus einer wohlhabenden Familie afrikanischer Sklavenhändlern stammte. Jetzt wird gerätselt, wie die militant auftretende Gruppe von Befürwortern der Umbenennung mit dieser Neuigkeit umgeht und ob sich die zuständigen Institutionen - Bezirksverordnetenversammlung und Bezirksamt – zur Korrektur entschließen. Es wird allerdings nicht leicht sein, nur mit Bezug auf Amos familiären Hintergrund eine Rückbenennung in die Wege zu leiten.

Angesehener Diener und Militärmusiker
Die wenigsten Streiter für die Beseitigung des Namens Mohrenstraße werden wissen, dass er über 300 Jahre alt ist und sich auf damals „Mohren“ genannte Afrikaner bezieht, die als Sklaven nach Brandenburg-Preußen kamen und als Militärmusiker in der Armee der Hohenzollern Dienst taten und großes Ansehen genossen. Auf barocken Herrschergemälden sind sie gelegentlich im Hintergrund zu sehen, wie sie einen Prunkhelm zurechtlegen oder einen Herrschermantel mit Hermelinbesatz halten. Diese „Mohren“ dienten Malern als exotische Dekoration, aber diese Darstellungen sind kaum als Dokument der Überlegenheit der „weißen Rasse“ gegenüber „Schwarzen“ zu werten. In DDR-Zeiten hieß die U-Bahn-Haltestelle Thälmannplatz und davor Kaiserhof nach einem Hotel, das vor 1933 Berliner Zentrale der NSDAP und Wohnort von Hitler war und dem Propagandaminister Joseph Goebbels mit seinem Tagebuch „Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei“ ein zweifelhaftes Denkmal setzte. In Leserzuschriften an die „Berliner Zeitung“ wurde gefordert, die Mohrenstraße so zu belassen, aber erklärende Tafeln anzubringen. In einem Leserbrief am 11. Juli 2020 fragte der frühere DDR-Generalkonservator des Instituts für Denkmalpflege Peter Goralczyk: „Kann man den schönen und originellen Namen Mohrenstraße nicht auch folgendermaßen sehen und ihn damit retten: Mit dem Anwachsen kolonialer Interessen kamen zahlreiche Afrikaner an die europäischen Höfe, wurden vielleicht als Sklaven gekauft, geschenkt, vielleicht einfach nur angeworben. Es handelte sich offenbar um qualifizierte Leute, die eine Anstellung bei Hofe, den damaligen Landesregierungen erhielten. Das waren auch damals schon begehrte als Auszeichnung angesehene Arbeitsstellen. Zu einer Entlassung aus dem Hofdienst kam es sehr selten. Ihre Anwesenheit und warum nicht auch ihre Leistungen wurden offenbar so geschätzt, dass eine Straße, in der sie wohnten, nach ihnen benannt wurde. [...] Die Benennung war ein Ausdruck des Respekts, den man den neuen Bewohnern entgegenbrachte. Ich kenne keine offizielle Namensgebung, die erfolgte, um den oder die Genannten zu diskriminieren. Die Benennung in Berlin ist ein Markstein auf dem Weg der Emanzipation der Afrikaner, ein früher Schritt hinaus aus dem Kontinent in eine sich globalisierende Welt und damit ein Teil der originären Geschichte Afrikas in Berlin.“

Toleranz und Vielfalt
Unter der Überschrift „Auf zur Rettung der Mohrenstraße“ schrieb am 30. Juni 2020 der Historiker und Kolumnist Götz Aly in der gleichen Zeitung: „Seit einigen Jahren will eine Aktivistengruppe die Berliner Mohrenstraße wegbenennen, weil der Name Menschen afrikanischen Ursprungs beleidige. Das ist nicht der Fall. Denn die fragliche Straße ist Teil der unter König Friedrich I. vor mehr als 300 Jahren errichteten Berliner Friedrichstadt. [...] Die neue Vorstadt wurde schachbrettartig angelegt. Grundstruktur und Straßennamen haben sich bis heute erhalten. Toleranz und Vielfalt. Zu diesem Konzept gehörte auch die Errichtung des Deutschen Doms. Da König und Königin städtischen Fortschritt herbeiwünschten, ehrten sie besonders protestantische Glaubensflüchtlinge aus Frankreich, die Hugenotten. An sie erinnern die Französische Straße und der Französische Dom auf dem unterstrichen Regent und Regentin ihre damals höchst ungewöhnlichen Staatsziele Glaubensfreiheit, Toleranz und Vielfalt. Zu diesem Konzept gehörte auch die Errichtung des Deutschen Doms. Dort unterstrichen Regent und Regentin ihre damals höchst ungewöhnlichen Staatsziele Glaubensfreiheit, Toleranz und Vielfalt. Zu diesem Konzept gehörte auch die Errichtung des Deutschen Doms. Dort nämlich sollten die untereinander verfeindeten protestantischen Glaubensrichtungen der Lutheraner und der Reformierten in friedlicher Ökumene gemeinsam ihre Gottesdienste feiern. Zu den Querstraßen dieses Viertels zählen die Jäger-, Tauben-, Krausen-, Schützen-, Kronen-, Koch- und Zimmerstraße. Alle diese Straßennamen bezeichnen aufstrebende Berufsstände und Aktivitäten des entstehenden Bürgertums – und mitten drin finden wir die Mohrenstraße. Sie hob diese Fremden, die sich damals in Berlin aufhielten, in den Rang eines freundlich begrüßten neuen Standes. Wie die anderen Namen der Friedrichstädter Straßen hatte die Mohrenstraße niemals einen herabsetzenden Beiklang. Vielmehr symbolisierte sie die Achtung vor anders sprechenden, anders aussehenden Menschen. Und genau diese Haltung gilt es für die gewiss bunte Zukunft Berlins zu bewahren. Berlin ist arm an historischer Substanz. Immerhin erhielten sich in den Namen von Straßen und Plätzen wichtige Schriftdenkmale. Sie widerstanden wilhelminischer Großmannssucht, Hitlers Germania-Plänen, Bombenkrieg und nazistischem Endkampf; sie überdauerten den Furor der autogerechten Stadt, der nach 1945 in beiden Stadthälften Berlins zu weiteren großflächigen Zerstörungen führte. Retten wir also, was zu retten ist!“ Alle diese Einwände haben nichts bewirkt, und die Gegner der Mohrenstraße setzten sich durch. Ob der teure Irrtum Bestand haben wird, kann nicht gesagt werden. Vermutlich bleibt es bei der Anton-Wilhelm-Amo-Straße.

17. Oktober 2025