Bodenurkunden der besonderen Art
Das Archäologie Lab PETRI Berlin lädt zur Reise in die Berliner Frühgeschichte ein

In das von Florian Nagler Architekten entworfene Gebäude PETRI Berlin ziehen nicht nur Fundstücke ein, sondern auch die Restaurierungswerkstätten und das Magazin des Museums für Vor- und Frühgeschichte. Dabei ist auch Landesdenkmalamt mit der Vorstellung aktueller Grabungen. Der Neubau steht auf den Grundmauern der alten Lateinschule. Die Ausstellung ist weitgehend barrierefrei gestaltet. Ein Audio Guide führt in Deutsch und Englisch zu einzelnen Exponaten.

Wie sich Berlin vom Fischerdorf zur Großstadt entwickelt hat, schildern Wandreliefs im U-Bahnhof Märkisches Museum.

Die Schautafel zeigt die historische Bebauung des Petriplatzes, den man auch „Wiege Berlins“ nennt. Neben dem Ausstellungshaus zeigt ein Mosaik im Boden, was Archäologen finden und welche Arbeitsgeräte sie benutzen.

Das Modell erinnert an das wechselvolle Schicksal der lässt der mittelalterlichen Petrikirche. Im Weltkrieg schwer beschädigt, wurde die Ruine 1964 abgerissen.

Was einst verloren ging oder weggeworfen wurde, interessiert heutige Archäologen brennend. Mit Spaten, Spachtel und Pinsel legen sie Schicht für Schicht vergangenes Leben frei. Beispiele für solche Funde zeigt das PETRI Berlin.

Unter den Fundstücken befinden sich auch neben Alltagsgegenständen aus Keramik, Glas und Metall auch aus Knochen geschnitzte Flöten, mit denen die Ur-Berliner Musik machten.

Hinter den Fundamenten der Lateinschule und Resten eines Straßenpflasters befindet sich leicht abgedunkelt das Ossarium mit den Gebeinen der Ur-Berliner.
Fotos: Caspar
Lange war die Gegend um die Gertraudenstraße und Breite Straße im Berliner Bezirk Mitte ein trostloser Ort. Und auch der Petriplatz nur eine öde Stellfläche für Autos. Doch vor über zehn Jahren wurde die dicke Asphaltschicht abgetragen und weggefahren. Was sich darunter verbarg, versetzte die Archäologen vom Landesdenkmalamt in helles Entzücken. Denn sie gruben die Reste der mittelalterlichen und neuzeitlichen Bebauung und einen Friedhof aus, der bis zum frühen 18. Jahrhundert belegt wurde. Der mehrere Fußballfelder großen Raum ist die Wiege Berlins und existierte lange vor der der ersten urkundlichen Erwähnung der Stadt in einer Urkunde von 1237.
Siedlungsspuren aus der Gründungszeit
Das am 24. Juni 2025 eröffnet Archäologie Lab PETRI Berlin lädt in einem neuen Haus auf dem Petriplatz zu einer Reise in die Berliner Frühgeschichte ein. Das Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin und das Landesdenkmalamt Berlin zeigen, was am Geburtsort der Stadt ans Tageslicht befördert wurde und wie ihr Untergrund aussieht. Wer möchte, kann Archäologen, Denkmalpflegern und Restauratoren über die Schulter schauen und erleben, wie sie Fundstücke von mittelalterlichen Gebrauchsgegenständen aus Keramik, Glas und Metall, aber auch mächtige Steinmauern und Straßenpflaster zu neuem Leben erwecken. Deutlich wird, dass die Doppelstadt Berlin-Cölln deutlich älter ist als es die Ersterwähnung auf einer Urkunde von 1237 glauben macht. Die Stadtjubiläen von 1937 und 1987 hätten, genau genommen, nicht gefeiert werden dürfen. Doch war damals eine kritische Frage dieser Art nicht erwünscht.
Neben Siedlungsspuren aus der Gründungszeit der Doppelstadt Berlin – Cölln und Fundamentresten einer mittelalterlichen Lateinschule kamen Überreste der immer wieder um- und neugebauten Petrikirche zutage. Von ihr sind Modelle und Reste des alten Gemäuers ausgestellt. Auf dem Petrikirchhof wurden darüber hinaus 3787 Gebeine geborgen, deren umfängliche Analysen wichtige Erkenntnisse über das Alter und die Lebensweise, Ernährung, Krankheiten und anderes der frühen Stadtbewohnerinnen und -bewohnern lieferten. Die Gebeine wurden im PETRI Berlin in einem Ossarium (Gebeinhaus) würdig beigesetzt. Davor ausgelegte Totenbücher geben Auskunft über diese Funde. In der Ausstellung selbst sind Totenschädel und Skelette nicht zu sehen. Sie kann man im Neuen Museum auf der Museumsinsel betrachten. Das Museum für Vor- und Frühgeschichte präsentiert dort zahlreiche Bodenfunde von der Altsteinzeit bis zur Gegenwart aus Berlin, Brandenburg und weit entfernten Regionen bis hin in das von Heinrich Schliemann ausgegrabene Troja und würdigt bedeutende Archäologen.
Wiederbelebung der Wiege Berlins
Indem die Ausstellung Mittel und Methoden von Nachbardisziplinen wie Geowissenschaften, Anthropologie, Biologie oder Zoologie einbezieht, zeigt sie, welchen Erkenntnisgewinn es bringt, wenn stumme Zeugen der Vergangenheit zum Sprechen gebracht werden. Ziel ist es, die historische Tiefe Berlins bewusst zu machen und Archäologie in all ihren Facetten zu vermitteln. Die Funde stammen aus dem gesamten Stadtgebiet. „Die Archäologie fasziniert Menschen nicht nur aufgrund ihrer Ergebnisse, sondern auch durch ihre Methoden. Im PETRI Berlin wird das besondere Zusammenspiel von Entdeckungen, modernsten technischen Untersuchungsmethoden, restauratorischer Fertigkeiten und wissenschaftlichem Scharfsinn in einzigartiger Weise erlebbar“, sagt Matthias Wemhoff, der Landesarchäologe und Direktor Museum für Vor- und Frühgeschichte. Durch die einzigartige Verbindung von Werkstätten, Magazin und Projektbereichen entstehe ein „Entdeckungsrundgang“ durch das gesamte Haus, der die Schritte der archäologischen Arbeiten von der Entdeckung der Objekte über die restauratorische Aufarbeitung bis hin zur Analyse, Aufbewahrung und Ausstellung erlebbar macht. Bisher hinter verschlossenen Türen stattfindende Prozesse und Arbeiten würden im PETRI sichtbar gemacht.
Landeskonservator Christoph Rauhut betont: „Gemeinsam mit unserem Partner, dem Museum für Vor- und Frühgeschichte, wollen wir die spannende Entstehungsgeschichte Berlins und die Rolle der Archäologie bei der Erforschung seiner Geschichte einer breiten Öffentlichkeit vorstellen und damit zur Wiederbelebung des historischen Petriplatzes im Herzen Berlins beitragen“. Schülerinnen und Schüler können in speziellen Vermittlungsformaten erleben, wie spannend und unterhaltsam Archäologie und Geschichte sein können. In den einzelnen Etagen zeigen gläserne Werkstätten, der Projektraum des Landesdenkmalamtes und das Magazin des Museums für Vor- und Frühgeschichte verschiedene Arbeitsprozesse der Archäologie.
30. Juni 2025